Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Drittes Buch [Spaltenumbruch]
ihre erste Zeit war ein rechter Frühling vollerBlumen ohne Stacheln und Bitterkeit. A- ber es zohen bald trübe Wolcken auf/ und die Wärmuth fand sich unter die süssen Gewächse. Höret aber/ wie die Spinnen aus dem gesun- den Saffte der Rosen so ein schlimmes Gifft saugen können! Der Bruder-Mörder/ der wol- lüstige Artabazes hatte bey seiner Herrschaft den verdammten Gottesdienst der Anaitis/ oder vielmehr den schändlichen Greuel wieder einge- führt/ welchen der grosse Tigranes in gantz Ar- menien abgeschafft/ da die edelsten Armenier ih- re schönsten Töchter in der Anaitis Tempel/ und in die dabey zu aller Uppigkeit angerichte- ten warmen Bäder gestellen musten; welche daselbst Finger-nackt hunderterley geile Stel- lungen machten/ die unzüchtigsten Spiele von der Ehebrecherischen Venus und dem schändli- chen Priapus für stellten/ ja ihre Keuschheit und Jungsrauschafften iedem geilen Frembdlinge gleich als ein den Göttern gefälliges und zu ih- rer desto bessern Verheyrathung dienendes Opfer zu liefern schuldig waren. Die tugend- haffte Erato konte dieses abscheuliche Beginnen bey ihrer Jungfräulichen Herrschafft weder als eine lasterhaffte Gewonheit/ noch weniger aber als einen Gottesdienst verhängen. Dahero schalt sie dieses Beginnen in offentlicher Reichs- Versammlung nicht nur als ein Aergernüß al- ler wolgesitteten Völcker/ sondern auch als eine Abscheu unvernünfftiger Thiere; als welchen die Natur dieses versteckt hätte/ was ihre Töch- ter allen Frembdlingen zu entblössen sich nicht schämeten. Als Polyxena des Achilles Geiste hätte geopffert werden sollen/ wäre sie das min- ste um ihr Leben/ darmit aber am höchsten be- kümmert gewest/ daß bey ihrem Falle keines ih- rer Glieder ärgerlich zu liegen kommen möchte. Käyser Julius hätte bey seiner Ermordung ihm deßhalben mit der lincken Hand seinen Rock unter die Knie gehalten. Denen Milesischen Jungfrauen hätte man ihren angemasten [Spaltenumbruch] Selbst-Mord durch keine andere Bedräuung/ als daß sie finger-nackt zu offentlicher Schaue gelegt werden solten/ abgewöhnen können. Denen Armeniern aber solte die Feilbietung ihrer geheimsten Glieder nicht nur anständig/ sondern so gar eine Andacht/ und ein in die Hei- ligthümer gehöriges Gewerbe seyn; da doch zu Rom in dem Tempel der Cybele für den Kin- dern so gar die Gemählde der männlichen Thiere verdeckt würden/ und des Lycurgus Ge- setze die jungen Leute zu Sparta gezwungen hätte/ ihre Hände auf den Strassen unter den Mänteln zu behalten. Auf den Spielen der Flora zu Rom hätten nur die gemeinen Huren sich entblösset; gleichwol hätten sie sich geschä- met in Anwesenheit des Cato nackt zu seyn. Jn Armenien aber wäre diese unverschämte Unver- nunfft ein Vorrecht des Adelichen Frauen zim- mers/ und sie hielten es für einen Ruhm in dem Angesichte ihrer Fürsten desto geiler sich zu ge- behrden; Da doch anderer Völcker Pöfel ein unverschämtes Weib für eine ungesaltzene Speise hielte. Jn Jndien wüchse eine so em- pfindliche Pflantze/ daß sie bey Näherung eines Mannes ihre Blätter zuschlüsse/ und gleichsam ihre innere Beschaffenheit sehen zu lassen sich schämete. Jhre Jungfrauen aber entblösten auch Knechten ihre Brüste und Geburts-Glie- der/ welche Xenocrates an sich selbst zu berüh- ren/ und andere schamhaffte Leute nur zu sehen Scheue getragen hätten. Wie viel schändli- cher aber wäre ihre Jungfrauschafften denen geilesten Hengsten aufopffern; welche zu Thebe eine Jungfrau nicht für die Macedonische Kro- ne dem Nicanor vertauschen/ sieben Milesische auch lieber ihr Leben/ als diß ihr Kleinod ver- lieren wollen. Nicht nur die Götter/ welche theils ein sonderbares Gefallen an denen ihnen zugewiedmeten Jungfrauschafften trügen/ theils auch selbige selbst ewig gelobt hätten; son- dern auch die wildesten Thiere entsetzten sich für so unkeuschen Bälgen. Der in Griechen- land
Drittes Buch [Spaltenumbruch]
ihre erſte Zeit war ein rechter Fruͤhling vollerBlumen ohne Stacheln und Bitterkeit. A- ber es zohen bald truͤbe Wolcken auf/ und die Waͤrmuth fand ſich unter die ſuͤſſen Gewaͤchſe. Hoͤret aber/ wie die Spinnen aus dem geſun- den Saffte der Roſen ſo ein ſchlimmes Gifft ſaugen koͤnnen! Der Bruder-Moͤrder/ der wol- luͤſtige Artabazes hatte bey ſeiner Herrſchaft den verdammten Gottesdienſt der Anaitis/ oder vielmehr den ſchaͤndlichen Greuel wieder einge- fuͤhrt/ welchen der groſſe Tigranes in gantz Ar- menien abgeſchafft/ da die edelſten Armenier ih- re ſchoͤnſten Toͤchter in der Anaitis Tempel/ und in die dabey zu aller Uppigkeit angerichte- ten warmen Baͤder geſtellen muſten; welche daſelbſt Finger-nackt hunderterley geile Stel- lungen machten/ die unzuͤchtigſten Spiele von der Ehebrecheriſchen Venus und dem ſchaͤndli- chen Priapus fuͤr ſtellten/ ja ihre Keuſchheit und Jungſrauſchafften iedem geilen Frembdlinge gleich als ein den Goͤttern gefaͤlliges und zu ih- rer deſto beſſern Verheyrathung dienendes Opfer zu liefern ſchuldig waren. Die tugend- haffte Erato konte dieſes abſcheuliche Beginnen bey ihrer Jungfraͤulichen Herrſchafft weder als eine laſterhaffte Gewonheit/ noch weniger aber als einen Gottesdienſt verhaͤngen. Dahero ſchalt ſie dieſes Beginnen in offentlicher Reichs- Verſammlung nicht nur als ein Aergernuͤß al- ler wolgeſitteten Voͤlcker/ ſondern auch als eine Abſcheu unvernuͤnfftiger Thiere; als welchen die Natur dieſes verſteckt haͤtte/ was ihre Toͤch- ter allen Frembdlingen zu entbloͤſſen ſich nicht ſchaͤmeten. Als Polyxena des Achilles Geiſte haͤtte geopffert werden ſollen/ waͤre ſie das min- ſte um ihr Leben/ darmit aber am hoͤchſten be- kuͤmmert geweſt/ daß bey ihrem Falle keines ih- rer Glieder aͤrgerlich zu liegen kommen moͤchte. Kaͤyſer Julius haͤtte bey ſeiner Ermordung ihm deßhalben mit der lincken Hand ſeinen Rock unter die Knie gehalten. Denen Mileſiſchen Jungfrauen haͤtte man ihren angemaſten [Spaltenumbruch] Selbſt-Mord durch keine andere Bedraͤuung/ als daß ſie finger-nackt zu offentlicher Schaue gelegt werden ſolten/ abgewoͤhnen koͤnnen. Denen Armeniern aber ſolte die Feilbietung ihrer geheimſten Glieder nicht nur anſtaͤndig/ ſondern ſo gar eine Andacht/ und ein in die Hei- ligthuͤmer gehoͤriges Gewerbe ſeyn; da doch zu Rom in dem Tempel der Cybele fuͤr den Kin- dern ſo gar die Gemaͤhlde der maͤnnlichen Thiere verdeckt wuͤrden/ und des Lycurgus Ge- ſetze die jungen Leute zu Sparta gezwungen haͤtte/ ihre Haͤnde auf den Straſſen unter den Maͤnteln zu behalten. Auf den Spielen der Flora zu Rom haͤtten nur die gemeinen Huren ſich entbloͤſſet; gleichwol haͤtten ſie ſich geſchaͤ- met in Anweſenheit des Cato nackt zu ſeyn. Jn Armenien aber waͤre dieſe unverſchaͤmte Unver- nunfft ein Vorrecht des Adelichen Frauen zim- mers/ und ſie hielten es fuͤr einen Ruhm in dem Angeſichte ihrer Fuͤrſten deſto geiler ſich zu ge- behrden; Da doch anderer Voͤlcker Poͤfel ein unverſchaͤmtes Weib fuͤr eine ungeſaltzene Speiſe hielte. Jn Jndien wuͤchſe eine ſo em- pfindliche Pflantze/ daß ſie bey Naͤherung eines Mannes ihre Blaͤtter zuſchluͤſſe/ und gleichſam ihre innere Beſchaffenheit ſehen zu laſſen ſich ſchaͤmete. Jhre Jungfrauen aber entbloͤſten auch Knechten ihre Bruͤſte und Geburts-Glie- der/ welche Xenocrates an ſich ſelbſt zu beruͤh- ren/ und andere ſchamhaffte Leute nur zu ſehen Scheue getragen haͤtten. Wie viel ſchaͤndli- cher aber waͤre ihre Jungfrauſchafften denen geileſten Hengſten aufopffern; welche zu Thebe eine Jungfrau nicht fuͤr die Macedoniſche Kro- ne dem Nicanor vertauſchen/ ſieben Mileſiſche auch lieber ihr Leben/ als diß ihr Kleinod ver- lieren wollen. Nicht nur die Goͤtter/ welche theils ein ſonderbares Gefallen an denen ihnen zugewiedmeten Jungfrauſchafften truͤgen/ theils auch ſelbige ſelbſt ewig gelobt haͤtten; ſon- dern auch die wildeſten Thiere entſetzten ſich fuͤr ſo unkeuſchen Baͤlgen. Der in Griechen- land
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Drittes Buch
ihre erſte Zeit war ein rechter Fruͤhling voller
Blumen ohne Stacheln und Bitterkeit. A-
ber es zohen bald truͤbe Wolcken auf/ und die
Waͤrmuth fand ſich unter die ſuͤſſen Gewaͤchſe.
Hoͤret aber/ wie die Spinnen aus dem geſun-
den Saffte der Roſen ſo ein ſchlimmes Gifft
ſaugen koͤnnen! Der Bruder-Moͤrder/ der wol-
luͤſtige Artabazes hatte bey ſeiner Herrſchaft den
verdammten Gottesdienſt der Anaitis/ oder
vielmehr den ſchaͤndlichen Greuel wieder einge-
fuͤhrt/ welchen der groſſe Tigranes in gantz Ar-
menien abgeſchafft/ da die edelſten Armenier ih-
re ſchoͤnſten Toͤchter in der Anaitis Tempel/
und in die dabey zu aller Uppigkeit angerichte-
ten warmen Baͤder geſtellen muſten; welche
daſelbſt Finger-nackt hunderterley geile Stel-
lungen machten/ die unzuͤchtigſten Spiele von
der Ehebrecheriſchen Venus und dem ſchaͤndli-
chen Priapus fuͤr ſtellten/ ja ihre Keuſchheit und
Jungſrauſchafften iedem geilen Frembdlinge
gleich als ein den Goͤttern gefaͤlliges und zu ih-
rer deſto beſſern Verheyrathung dienendes
Opfer zu liefern ſchuldig waren. Die tugend-
haffte Erato konte dieſes abſcheuliche Beginnen
bey ihrer Jungfraͤulichen Herrſchafft weder als
eine laſterhaffte Gewonheit/ noch weniger aber
als einen Gottesdienſt verhaͤngen. Dahero
ſchalt ſie dieſes Beginnen in offentlicher Reichs-
Verſammlung nicht nur als ein Aergernuͤß al-
ler wolgeſitteten Voͤlcker/ ſondern auch als eine
Abſcheu unvernuͤnfftiger Thiere; als welchen
die Natur dieſes verſteckt haͤtte/ was ihre Toͤch-
ter allen Frembdlingen zu entbloͤſſen ſich nicht
ſchaͤmeten. Als Polyxena des Achilles Geiſte
haͤtte geopffert werden ſollen/ waͤre ſie das min-
ſte um ihr Leben/ darmit aber am hoͤchſten be-
kuͤmmert geweſt/ daß bey ihrem Falle keines ih-
rer Glieder aͤrgerlich zu liegen kommen moͤchte.
Kaͤyſer Julius haͤtte bey ſeiner Ermordung ihm
deßhalben mit der lincken Hand ſeinen Rock
unter die Knie gehalten. Denen Mileſiſchen
Jungfrauen haͤtte man ihren angemaſten
Selbſt-Mord durch keine andere Bedraͤuung/
als daß ſie finger-nackt zu offentlicher Schaue
gelegt werden ſolten/ abgewoͤhnen koͤnnen.
Denen Armeniern aber ſolte die Feilbietung
ihrer geheimſten Glieder nicht nur anſtaͤndig/
ſondern ſo gar eine Andacht/ und ein in die Hei-
ligthuͤmer gehoͤriges Gewerbe ſeyn; da doch zu
Rom in dem Tempel der Cybele fuͤr den Kin-
dern ſo gar die Gemaͤhlde der maͤnnlichen
Thiere verdeckt wuͤrden/ und des Lycurgus Ge-
ſetze die jungen Leute zu Sparta gezwungen
haͤtte/ ihre Haͤnde auf den Straſſen unter den
Maͤnteln zu behalten. Auf den Spielen der
Flora zu Rom haͤtten nur die gemeinen Huren
ſich entbloͤſſet; gleichwol haͤtten ſie ſich geſchaͤ-
met in Anweſenheit des Cato nackt zu ſeyn. Jn
Armenien aber waͤre dieſe unverſchaͤmte Unver-
nunfft ein Vorrecht des Adelichen Frauen zim-
mers/ und ſie hielten es fuͤr einen Ruhm in dem
Angeſichte ihrer Fuͤrſten deſto geiler ſich zu ge-
behrden; Da doch anderer Voͤlcker Poͤfel ein
unverſchaͤmtes Weib fuͤr eine ungeſaltzene
Speiſe hielte. Jn Jndien wuͤchſe eine ſo em-
pfindliche Pflantze/ daß ſie bey Naͤherung eines
Mannes ihre Blaͤtter zuſchluͤſſe/ und gleichſam
ihre innere Beſchaffenheit ſehen zu laſſen ſich
ſchaͤmete. Jhre Jungfrauen aber entbloͤſten
auch Knechten ihre Bruͤſte und Geburts-Glie-
der/ welche Xenocrates an ſich ſelbſt zu beruͤh-
ren/ und andere ſchamhaffte Leute nur zu ſehen
Scheue getragen haͤtten. Wie viel ſchaͤndli-
cher aber waͤre ihre Jungfrauſchafften denen
geileſten Hengſten aufopffern; welche zu Thebe
eine Jungfrau nicht fuͤr die Macedoniſche Kro-
ne dem Nicanor vertauſchen/ ſieben Mileſiſche
auch lieber ihr Leben/ als diß ihr Kleinod ver-
lieren wollen. Nicht nur die Goͤtter/ welche
theils ein ſonderbares Gefallen an denen ihnen
zugewiedmeten Jungfrauſchafften truͤgen/
theils auch ſelbige ſelbſt ewig gelobt haͤtten; ſon-
dern auch die wildeſten Thiere entſetzten ſich
fuͤr ſo unkeuſchen Baͤlgen. Der in Griechen-
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