Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
so dann allererst die Ohren spitzen: ob sich vonserne ein Kriegs-Geschrey hören/ oder trübe Wolcken aus der Nachbarschafft blicken lassen. Denn weil so denn der Gesetze Schutz ge- schwächt ist/ sind Heucheley/ Kühnheit und Geld schon starck und verwegen genung der Freyheit auf den Fuß/ und die alte Herrschens-Art in Grund zu treten. Denn die/ welche dem Va- terlande für den Riß stehen sollen/ lassen sich be- stechen/ oder durch hohe Aempter verblenden. Durch diese machen sich auch die grösten Gemü- ther einem Fürsten zu Knechten/ in Hoffnung/ daß sie über viel andere ihres gleichen zu herr- schen haben werden. Durch das schädliche Gistdes Geitzes/ welcher auf Zusammenschar- rung des Geldes alleine bedacht ist/ und alles an- dern vergißt/ wird nichts minder der Leib als das Gemüthe der tapfersten Leute weibisch gemacht. Am allermeisten aber werden die Grossen eines Reichs bezaubert/ wenn man sie selbst des Gesetz- Zwanges erledigt. Denn hierdurch kriegen die Herrscher freye Hand nicht nur für sich/ son- dern Weibern/ Kindern und Freunden das Garn dieses so nöthigen Bandes abzustreiffen. Die Grossen im Rathe/ welche doch Vormün- den der Gesetze seyn solten/ müssen so denn selbst bey sich ereignender Spaltung zwischen dem Fürsten und den Gesetzen jenen Pflaumen strei- chen/ diese beugen/ und also die heilsamsten Stif- tungen sonder grosses Bedencken im Urthel ü- berwunden werden. Wir haben kein neuer und merckwürdiger Beyspiel für uns/ als des Kaisers August/ welcher bey seiner falsch-ange- stellten Abdanckung dem Rathe zu Rom/ als ein einiges Erhaltungs-Mittel/ nachdrücklich einrieth: Sie solten ja an ihren alten Gesetzen das minste nicht ändern lassen; gleichwohl aber der erste und ärgste Zerstörer derselben war/ in- dem er des Agrippa Söhne/ als sie noch nicht den Kinder-Rock abgelegt hatten/ zu Bürger- meistern/ den Jüngling Marcell seiner Schwe- ster Sohn zum obersten Priester/ seine Stief- [Spaltenumbruch] Söhne zu Feld - Herren machte. Alles diß hätte Erato für längst ins Werck gerichtet/ wenn ihr nicht der Werckzeug gefehlet hätte. Unterdessen wäre es genung/ daß sie Meisterin der Armenischen Grund-Gesetze/ und also ihrer aller Halsfrau worden wäre. Denn die Frey- heit eines Volckes/ welche die Armenier fast al- leine unter allen Morgenländern erhalten; wä- re noch sorgfältiger/ als ein junges Palm- oder Dattel-Bäumlein/ auf die Beine zu bringen. Sie müste stets mit neuen Gesetzen befeuchtet/ und mit der Axt der Rechts-Schärffe alle Räu- ber/ wie schön sie auch zu wachsen schienen/ abge- hauen werden. Tissafernes versetzte: Jhm wäre zwar ausser des Anaitischen Gottesdiensts Abschaffung keine andere Durchlöcherung ei- nigen Gesetzes bekandt; wenn aber auch gleich in einig anderes von der Königin ein Eingriff geschehen wäre/ müste man doch hieraus nicht also- fort eine gäntzliche Veränderung der Herschens- Art besorgen. Diese wäre ein so schwerer Stein/ welchen kein Weib umzuweltzen vermöchte/ zu- mahl er von so viel hundert Jahren her so feste beraset wäre. Jhre Herrschafft wä- re zu solchem Absehen viel zu neu. Denn/ wenn man ein Reich umgiessen wolte/ müste es nach und nach/ und so unvermerckt ge- schehen/ als der Zeiger an den Uhren/ oder die Erdkugel sich umwendet. Es müsse niemand mehr leben/ der sich des alten Zustandes erinner- te/ und desselbten Süssigkeit geschmeckt hätte. Den ob zwar der Eigennutz über die Menschen eine fast unablehnliche Gewalt hätte/ so gebe es gleichwohl noch ehrliche Leute/ welche die Frey- heit für unschätzbar halten/ und das ihnen dafür angebotene Kauff-Geld wie die Macedonier die vom grossen Alexander zu Abbissung der abge- nommenen Uppigkeiten angezielte Geschencke verschmähen. Derogleichen lebten nun auch sicherlich unter denen Armeniern/ welche vori- ger gütiger Könige Herrschafft nicht nur ge- dächten/ sondern auch genossen hätten; und auff
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
ſo dann allererſt die Ohren ſpitzen: ob ſich vonſerne ein Kriegs-Geſchrey hoͤren/ oder truͤbe Wolcken aus der Nachbarſchafft blicken laſſen. Denn weil ſo denn der Geſetze Schutz ge- ſchwaͤcht iſt/ ſind Heucheley/ Kuͤhnheit und Geld ſchon ſtarck und verwegen genung der Freyheit auf den Fuß/ und die alte Herrſchens-Art in Grund zu treten. Denn die/ welche dem Va- terlande fuͤr den Riß ſtehen ſollen/ laſſen ſich be- ſtechen/ oder durch hohe Aempter verblenden. Durch dieſe machen ſich auch die groͤſten Gemuͤ- ther einem Fuͤrſten zu Knechten/ in Hoffnung/ daß ſie uͤber viel andere ihres gleichen zu herr- ſchen haben werden. Durch das ſchaͤdliche Giſtdes Geitzes/ welcher auf Zuſammenſchar- rung des Geldes alleine bedacht iſt/ und alles an- dern vergißt/ wird nichts minder der Leib als das Gemuͤthe der tapferſten Leute weibiſch gemacht. Am allermeiſten aber werden die Groſſen eines Reichs bezaubert/ wenn man ſie ſelbſt des Geſetz- Zwanges erledigt. Denn hierdurch kriegen die Herrſcher freye Hand nicht nur fuͤr ſich/ ſon- dern Weibern/ Kindern und Freunden das Garn dieſes ſo noͤthigen Bandes abzuſtreiffen. Die Groſſen im Rathe/ welche doch Vormuͤn- den der Geſetze ſeyn ſolten/ muͤſſen ſo denn ſelbſt bey ſich ereignender Spaltung zwiſchen dem Fuͤrſten und den Geſetzen jenen Pflaumen ſtrei- chen/ dieſe beugen/ und alſo die heilſamſten Stif- tungen ſonder groſſes Bedencken im Urthel uͤ- berwunden werden. Wir haben kein neuer und merckwuͤrdiger Beyſpiel fuͤr uns/ als des Kaiſers Auguſt/ welcher bey ſeiner falſch-ange- ſtellten Abdanckung dem Rathe zu Rom/ als ein einiges Erhaltungs-Mittel/ nachdruͤcklich einrieth: Sie ſolten ja an ihren alten Geſetzen das minſte nicht aͤndern laſſen; gleichwohl aber der erſte und aͤrgſte Zerſtoͤrer derſelben war/ in- dem er des Agrippa Soͤhne/ als ſie noch nicht den Kinder-Rock abgelegt hatten/ zu Buͤrger- meiſtern/ den Juͤngling Marcell ſeiner Schwe- ſter Sohn zum oberſten Prieſter/ ſeine Stief- [Spaltenumbruch] Soͤhne zu Feld - Herren machte. Alles diß haͤtte Erato fuͤr laͤngſt ins Werck gerichtet/ wenn ihr nicht der Werckzeug gefehlet haͤtte. Unterdeſſen waͤre es genung/ daß ſie Meiſterin der Armeniſchen Grund-Geſetze/ und alſo ihrer aller Halsfrau worden waͤre. Denn die Frey- heit eines Volckes/ welche die Armenier faſt al- leine unter allen Morgenlaͤndern erhalten; waͤ- re noch ſorgfaͤltiger/ als ein junges Palm- oder Dattel-Baͤumlein/ auf die Beine zu bringen. Sie muͤſte ſtets mit neuen Geſetzen befeuchtet/ und mit der Axt der Rechts-Schaͤrffe alle Raͤu- ber/ wie ſchoͤn ſie auch zu wachſen ſchienen/ abge- hauen werden. Tiſſafernes verſetzte: Jhm waͤre zwar auſſer des Anaitiſchen Gottesdienſts Abſchaffung keine andere Durchloͤcherung ei- nigen Geſetzes bekandt; wenn aber auch gleich in einig anderes von der Koͤnigin ein Eingriff geſchehẽ waͤre/ muͤſte man doch hieraus nicht alſo- fort eine gaͤntzliche Veraͤnderung der Herſchens- Art beſorgen. Dieſe waͤre ein ſo ſchwerer Stein/ welchen kein Weib umzuweltzen vermoͤchte/ zu- mahl er von ſo viel hundert Jahren her ſo feſte beraſet waͤre. Jhre Herrſchafft waͤ- re zu ſolchem Abſehen viel zu neu. Denn/ wenn man ein Reich umgieſſen wolte/ muͤſte es nach und nach/ und ſo unvermerckt ge- ſchehen/ als der Zeiger an den Uhren/ oder die Erdkugel ſich umwendet. Es muͤſſe niemand mehr leben/ der ſich des alten Zuſtandes erinner- te/ und deſſelbten Suͤſſigkeit geſchmeckt haͤtte. Den ob zwar der Eigennutz uͤber die Menſchen eine faſt unablehnliche Gewalt haͤtte/ ſo gebe es gleichwohl noch ehrliche Leute/ welche die Frey- heit fuͤr unſchaͤtzbar halten/ und das ihnen dafuͤr angebotene Kauff-Geld wie die Macedonier die vom groſſen Alexander zu Abbiſſung der abge- nommenen Uppigkeiten angezielte Geſchencke verſchmaͤhen. Derogleichen lebten nun auch ſicherlich unter denen Armeniern/ welche vori- ger guͤtiger Koͤnige Herrſchafft nicht nur ge- daͤchten/ ſondern auch genoſſen haͤtten; und auff
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Arminius und Thußnelda.
ſo dann allererſt die Ohren ſpitzen: ob ſich von
ſerne ein Kriegs-Geſchrey hoͤren/ oder truͤbe
Wolcken aus der Nachbarſchafft blicken laſſen.
Denn weil ſo denn der Geſetze Schutz ge-
ſchwaͤcht iſt/ ſind Heucheley/ Kuͤhnheit und Geld
ſchon ſtarck und verwegen genung der Freyheit
auf den Fuß/ und die alte Herrſchens-Art in
Grund zu treten. Denn die/ welche dem Va-
terlande fuͤr den Riß ſtehen ſollen/ laſſen ſich be-
ſtechen/ oder durch hohe Aempter verblenden.
Durch dieſe machen ſich auch die groͤſten Gemuͤ-
ther einem Fuͤrſten zu Knechten/ in Hoffnung/
daß ſie uͤber viel andere ihres gleichen zu herr-
ſchen haben werden. Durch das ſchaͤdliche
Giſtdes Geitzes/ welcher auf Zuſammenſchar-
rung des Geldes alleine bedacht iſt/ und alles an-
dern vergißt/ wird nichts minder der Leib als das
Gemuͤthe der tapferſten Leute weibiſch gemacht.
Am allermeiſten aber werden die Groſſen eines
Reichs bezaubert/ wenn man ſie ſelbſt des Geſetz-
Zwanges erledigt. Denn hierdurch kriegen
die Herrſcher freye Hand nicht nur fuͤr ſich/ ſon-
dern Weibern/ Kindern und Freunden das
Garn dieſes ſo noͤthigen Bandes abzuſtreiffen.
Die Groſſen im Rathe/ welche doch Vormuͤn-
den der Geſetze ſeyn ſolten/ muͤſſen ſo denn ſelbſt
bey ſich ereignender Spaltung zwiſchen dem
Fuͤrſten und den Geſetzen jenen Pflaumen ſtrei-
chen/ dieſe beugen/ und alſo die heilſamſten Stif-
tungen ſonder groſſes Bedencken im Urthel uͤ-
berwunden werden. Wir haben kein neuer
und merckwuͤrdiger Beyſpiel fuͤr uns/ als des
Kaiſers Auguſt/ welcher bey ſeiner falſch-ange-
ſtellten Abdanckung dem Rathe zu Rom/ als
ein einiges Erhaltungs-Mittel/ nachdruͤcklich
einrieth: Sie ſolten ja an ihren alten Geſetzen
das minſte nicht aͤndern laſſen; gleichwohl aber
der erſte und aͤrgſte Zerſtoͤrer derſelben war/ in-
dem er des Agrippa Soͤhne/ als ſie noch nicht
den Kinder-Rock abgelegt hatten/ zu Buͤrger-
meiſtern/ den Juͤngling Marcell ſeiner Schwe-
ſter Sohn zum oberſten Prieſter/ ſeine Stief-
Soͤhne zu Feld - Herren machte. Alles
diß haͤtte Erato fuͤr laͤngſt ins Werck gerichtet/
wenn ihr nicht der Werckzeug gefehlet haͤtte.
Unterdeſſen waͤre es genung/ daß ſie Meiſterin
der Armeniſchen Grund-Geſetze/ und alſo ihrer
aller Halsfrau worden waͤre. Denn die Frey-
heit eines Volckes/ welche die Armenier faſt al-
leine unter allen Morgenlaͤndern erhalten; waͤ-
re noch ſorgfaͤltiger/ als ein junges Palm- oder
Dattel-Baͤumlein/ auf die Beine zu bringen.
Sie muͤſte ſtets mit neuen Geſetzen befeuchtet/
und mit der Axt der Rechts-Schaͤrffe alle Raͤu-
ber/ wie ſchoͤn ſie auch zu wachſen ſchienen/ abge-
hauen werden. Tiſſafernes verſetzte: Jhm
waͤre zwar auſſer des Anaitiſchen Gottesdienſts
Abſchaffung keine andere Durchloͤcherung ei-
nigen Geſetzes bekandt; wenn aber auch gleich
in einig anderes von der Koͤnigin ein Eingriff
geſchehẽ waͤre/ muͤſte man doch hieraus nicht alſo-
fort eine gaͤntzliche Veraͤnderung der Herſchens-
Art beſorgen. Dieſe waͤre ein ſo ſchwerer Stein/
welchen kein Weib umzuweltzen vermoͤchte/ zu-
mahl er von ſo viel hundert Jahren her ſo
feſte beraſet waͤre. Jhre Herrſchafft waͤ-
re zu ſolchem Abſehen viel zu neu. Denn/
wenn man ein Reich umgieſſen wolte/ muͤſte
es nach und nach/ und ſo unvermerckt ge-
ſchehen/ als der Zeiger an den Uhren/ oder die
Erdkugel ſich umwendet. Es muͤſſe niemand
mehr leben/ der ſich des alten Zuſtandes erinner-
te/ und deſſelbten Suͤſſigkeit geſchmeckt haͤtte.
Den ob zwar der Eigennutz uͤber die Menſchen
eine faſt unablehnliche Gewalt haͤtte/ ſo gebe es
gleichwohl noch ehrliche Leute/ welche die Frey-
heit fuͤr unſchaͤtzbar halten/ und das ihnen dafuͤr
angebotene Kauff-Geld wie die Macedonier die
vom groſſen Alexander zu Abbiſſung der abge-
nommenen Uppigkeiten angezielte Geſchencke
verſchmaͤhen. Derogleichen lebten nun auch
ſicherlich unter denen Armeniern/ welche vori-
ger guͤtiger Koͤnige Herrſchafft nicht nur ge-
daͤchten/ ſondern auch genoſſen haͤtten; und
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/363>, abgerufen am 16.07.2024. |