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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
nach dem er sich durch seine Thaten allzu zeitlich vergöttert hatte/
verlangten die Götter seinen Geist unter ihrer Zahl zu haben/
der Ruhm sein Gedächtnüß bey der Nachwelt zu v[e]rewigen/
das Glücke sein Thun aus irrdischen Zufällen/
das Heil seinen Leib aus den Banden sterblicher Schwachheit zu reissen.
Das ewige Rom hob seine Todten-Asche in Gold auf.
Die Hülsen seines Leibes würdigten die Kriegs-Obersten auf ihren Achseln zu tragen/
Tiberius sie vom Rheine biß an die Tiber zu Fusse zu begleiten.
Das Römische Volck hätte sein Leid nicht zu mäßigen gewüst/
wenn nicht sein Geist seinen Sohn beseelet/
und am Germanicus der Welt eine neue Sonne aufgegangen wäre;
also sich iederman beschieden hätte:
daß zwey Drusus und zwey Sonnen einander nicht vertragen könten.
Diese allhier verächtlichrinnenden Flüsse
verehren nicht so wohl seinen Schatten auf diesem Opffer-Tische/
worzu die Adern des Hartz-Waldes ihr erstes Ertzt und Marmel gaben;
als sie durch diß Ehren-Mahl sich selbst der Welt bekandt machen.
Denn die Tugend versetzt nicht nur die Helden/ sondern auch die Flüsse
unter die Gestirne.
[Spaltenumbruch]

Als diese gantze Versammlung alles nach-
dencklich durchlesen/ und die Kunst dieser
Denckmahle betrachtet/ fing Hertzog Arpus an:
Jch muß bekennen/ daß die Erstlinge unserer
Berg-Schätze in keine ungeschickte Hand ge-
diegen; aber es hat nicht allein der Römische
Hochmuth/ sondern auch ihre Abgötterey der
Hand den Griffel und das Polier-Eisen gefüh-
ret/ die diese Steine ausgehauen/ und diese
Buchstaben geetzt hat. Diesemnach bin ich be-
gierig zu vernehmen/ zu was Ende der Feldherr
diese Stücke zum Tempel unserer Götter zu
bringen erlaubet habe. Hertzog Herrmann
begegnete ihm: Sein Absehn wäre diese Bil-
der im Eingange des Tanfanischen Tempels
aufzurichten. Der Catten Hertzog versetzte:
Er nehme des Feldherrn Erklärung für einen
Schertz auf; sintemahl er nicht begreiffen kön-
te/ daß weder diese ruhmräthige Bilder ohne
Verkleinerung der Deutschen Freyheit unzer-
malmet bleiben/ noch ohne Beleidigung des
Vaterlandes Schutz-Götter bey ihrem Heilig-
[Spaltenumbruch] thume stehen könten. Der Feldherr antwor-
tete: Es wäre sein angedeutetes Absehn sein
rechter Ernst. Man müste wegen seines eige-
nen Vortheils der Tugend keine Kürtze thun.
Drusus hätte durch seine Helden-Thaten ver-
dient/ daß ihn die Lebenden geliebt/ die Nach-
kommen verehret hätten. Und er wolle eben
deßwegen diese Denckmahle in die heilige Hal-
le setzen/ wormit die Deutschen daraus ein Bey-
spiel der Tugend/ und eine Warnigung für in-
nerlicher Zwytracht schöpffen möchten. Wie
man wegen einer beliebten Person ihre Laster
nicht lieben solte/ also müste man wegen einer
unangenehmen der Tugend nicht gram wer-
den. Hertzog Arpus fing an: Er wäre in dem
mit dem Feldherrn einig/ daß man auch die Tu-
gend am Feinde hoch schätzen/ und als ein Bild
der Nachfolge anschauen solte; Er tadelte auch
nicht/ daß man in Siegs-Geprängen/ oder
auch in Leichbegängnüssen die Bilder der über-
wundenen Völcker trüge/ und dem Sieger zu
Ehren aufstellete; aber dem könte er nicht bey-

stim-
Vierdtes Buch
nach dem er ſich durch ſeine Thaten allzu zeitlich vergoͤttert hatte/
verlangten die Goͤtter ſeinen Geiſt unter ihrer Zahl zu haben/
der Ruhm ſein Gedaͤchtnuͤß bey der Nachwelt zu v[e]rewigen/
das Gluͤcke ſein Thun aus irrdiſchen Zufaͤllen/
das Heil ſeinen Leib aus den Banden ſterblicher Schwachheit zu reiſſen.
Das ewige Rom hob ſeine Todten-Aſche in Gold auf.
Die Huͤlſen ſeines Leibes wuͤrdigten die Kriegs-Oberſten auf ihren Achſeln zu tragen/
Tiberius ſie vom Rheine biß an die Tiber zu Fuſſe zu begleiten.
Das Roͤmiſche Volck haͤtte ſein Leid nicht zu maͤßigen gewuͤſt/
wenn nicht ſein Geiſt ſeinen Sohn beſeelet/
und am Germanicus der Welt eine neue Sonne aufgegangen waͤre;
alſo ſich iederman beſchieden haͤtte:
daß zwey Druſus und zwey Sonnen einander nicht vertragen koͤnten.
Dieſe allhier veraͤchtlichrinnenden Fluͤſſe
verehren nicht ſo wohl ſeinen Schatten auf dieſem Opffer-Tiſche/
worzu die Adern des Hartz-Waldes ihr erſtes Ertzt und Marmel gaben;
als ſie durch diß Ehren-Mahl ſich ſelbſt der Welt bekandt machen.
Denn die Tugend verſetzt nicht nur die Helden/ ſondern auch die Fluͤſſe
unter die Geſtirne.
[Spaltenumbruch]

Als dieſe gantze Verſammlung alles nach-
dencklich durchleſen/ und die Kunſt dieſer
Denckmahle betrachtet/ fing Hertzog Arpus an:
Jch muß bekennen/ daß die Erſtlinge unſerer
Berg-Schaͤtze in keine ungeſchickte Hand ge-
diegen; aber es hat nicht allein der Roͤmiſche
Hochmuth/ ſondern auch ihre Abgoͤtterey der
Hand den Griffel und das Polier-Eiſen gefuͤh-
ret/ die dieſe Steine ausgehauen/ und dieſe
Buchſtaben geetzt hat. Dieſemnach bin ich be-
gierig zu vernehmen/ zu was Ende der Feldherr
dieſe Stuͤcke zum Tempel unſerer Goͤtter zu
bringen erlaubet habe. Hertzog Herrmann
begegnete ihm: Sein Abſehn waͤre dieſe Bil-
der im Eingange des Tanfaniſchen Tempels
aufzurichten. Der Catten Hertzog verſetzte:
Er nehme des Feldherrn Erklaͤrung fuͤr einen
Schertz auf; ſintemahl er nicht begreiffen koͤn-
te/ daß weder dieſe ruhmraͤthige Bilder ohne
Verkleinerung der Deutſchen Freyheit unzer-
malmet bleiben/ noch ohne Beleidigung des
Vaterlandes Schutz-Goͤtter bey ihrem Heilig-
[Spaltenumbruch] thume ſtehen koͤnten. Der Feldherr antwor-
tete: Es waͤre ſein angedeutetes Abſehn ſein
rechter Ernſt. Man muͤſte wegen ſeines eige-
nen Vortheils der Tugend keine Kuͤrtze thun.
Druſus haͤtte durch ſeine Helden-Thaten ver-
dient/ daß ihn die Lebenden geliebt/ die Nach-
kommen verehret haͤtten. Und er wolle eben
deßwegen dieſe Denckmahle in die heilige Hal-
le ſetzen/ wormit die Deutſchen daraus ein Bey-
ſpiel der Tugend/ und eine Warnigung fuͤr in-
nerlicher Zwytracht ſchoͤpffen moͤchten. Wie
man wegen einer beliebten Perſon ihre Laſter
nicht lieben ſolte/ alſo muͤſte man wegen einer
unangenehmen der Tugend nicht gram wer-
den. Hertzog Arpus fing an: Er waͤre in dem
mit dem Feldherrn einig/ daß man auch die Tu-
gend am Feinde hoch ſchaͤtzen/ und als ein Bild
der Nachfolge anſchauen ſolte; Er tadelte auch
nicht/ daß man in Siegs-Gepraͤngen/ oder
auch in Leichbegaͤngnuͤſſen die Bilder der uͤber-
wundenen Voͤlcker truͤge/ und dem Sieger zu
Ehren aufſtellete; aber dem koͤnte er nicht bey-

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[338/0392] Vierdtes Buch nach dem er ſich durch ſeine Thaten allzu zeitlich vergoͤttert hatte/ verlangten die Goͤtter ſeinen Geiſt unter ihrer Zahl zu haben/ der Ruhm ſein Gedaͤchtnuͤß bey der Nachwelt zu verewigen/ das Gluͤcke ſein Thun aus irrdiſchen Zufaͤllen/ das Heil ſeinen Leib aus den Banden ſterblicher Schwachheit zu reiſſen. Das ewige Rom hob ſeine Todten-Aſche in Gold auf. Die Huͤlſen ſeines Leibes wuͤrdigten die Kriegs-Oberſten auf ihren Achſeln zu tragen/ Tiberius ſie vom Rheine biß an die Tiber zu Fuſſe zu begleiten. Das Roͤmiſche Volck haͤtte ſein Leid nicht zu maͤßigen gewuͤſt/ wenn nicht ſein Geiſt ſeinen Sohn beſeelet/ und am Germanicus der Welt eine neue Sonne aufgegangen waͤre; alſo ſich iederman beſchieden haͤtte: daß zwey Druſus und zwey Sonnen einander nicht vertragen koͤnten. Dieſe allhier veraͤchtlichrinnenden Fluͤſſe verehren nicht ſo wohl ſeinen Schatten auf dieſem Opffer-Tiſche/ worzu die Adern des Hartz-Waldes ihr erſtes Ertzt und Marmel gaben; als ſie durch diß Ehren-Mahl ſich ſelbſt der Welt bekandt machen. Denn die Tugend verſetzt nicht nur die Helden/ ſondern auch die Fluͤſſe unter die Geſtirne. Als dieſe gantze Verſammlung alles nach- dencklich durchleſen/ und die Kunſt dieſer Denckmahle betrachtet/ fing Hertzog Arpus an: Jch muß bekennen/ daß die Erſtlinge unſerer Berg-Schaͤtze in keine ungeſchickte Hand ge- diegen; aber es hat nicht allein der Roͤmiſche Hochmuth/ ſondern auch ihre Abgoͤtterey der Hand den Griffel und das Polier-Eiſen gefuͤh- ret/ die dieſe Steine ausgehauen/ und dieſe Buchſtaben geetzt hat. Dieſemnach bin ich be- gierig zu vernehmen/ zu was Ende der Feldherr dieſe Stuͤcke zum Tempel unſerer Goͤtter zu bringen erlaubet habe. Hertzog Herrmann begegnete ihm: Sein Abſehn waͤre dieſe Bil- der im Eingange des Tanfaniſchen Tempels aufzurichten. Der Catten Hertzog verſetzte: Er nehme des Feldherrn Erklaͤrung fuͤr einen Schertz auf; ſintemahl er nicht begreiffen koͤn- te/ daß weder dieſe ruhmraͤthige Bilder ohne Verkleinerung der Deutſchen Freyheit unzer- malmet bleiben/ noch ohne Beleidigung des Vaterlandes Schutz-Goͤtter bey ihrem Heilig- thume ſtehen koͤnten. Der Feldherr antwor- tete: Es waͤre ſein angedeutetes Abſehn ſein rechter Ernſt. Man muͤſte wegen ſeines eige- nen Vortheils der Tugend keine Kuͤrtze thun. Druſus haͤtte durch ſeine Helden-Thaten ver- dient/ daß ihn die Lebenden geliebt/ die Nach- kommen verehret haͤtten. Und er wolle eben deßwegen dieſe Denckmahle in die heilige Hal- le ſetzen/ wormit die Deutſchen daraus ein Bey- ſpiel der Tugend/ und eine Warnigung fuͤr in- nerlicher Zwytracht ſchoͤpffen moͤchten. Wie man wegen einer beliebten Perſon ihre Laſter nicht lieben ſolte/ alſo muͤſte man wegen einer unangenehmen der Tugend nicht gram wer- den. Hertzog Arpus fing an: Er waͤre in dem mit dem Feldherrn einig/ daß man auch die Tu- gend am Feinde hoch ſchaͤtzen/ und als ein Bild der Nachfolge anſchauen ſolte; Er tadelte auch nicht/ daß man in Siegs-Gepraͤngen/ oder auch in Leichbegaͤngnuͤſſen die Bilder der uͤber- wundenen Voͤlcker truͤge/ und dem Sieger zu Ehren aufſtellete; aber dem koͤnte er nicht bey- ſtim-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/392>, abgerufen am 22.11.2024.