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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] seinen Glantz und Geruch auf den dörnricht-
sten Stöcken/ die Tugend unter den ungeheu-
ersten Völckern/ und bey den grimmigsten Fein-
den. Als der Feldherr seine Rede beschloß/
schienen die Anwesenden meist seiner Meinung
beyzufallen. Denn grosser Fürsten Worte
sind eitel Urthel/ und haben das Gewichte des
Goldes. Dahero überwiegen sie auch die
Meinungen der beruffensten Weltweisen.
Welches hier so viel leichter sich ereignete/ weil
Hertzog Herrmann mit so guten Gründen diß
behauptete/ was die meisten Völcker fürlängst
mit ihrem Beyspiele gebillicht hatten. Sin-
temahl auch sonst der Fürsten Jrrthümer gar
leichte Beyfall kriegen; weil man insgemein
den Mantel nach dem Winde richtet/ und nicht
so wol mit den Fürsten als mit ihrem Glücke re-
det/ um sich durch Beyfall beliebt zu machen.
Der tapffere und kluge Hertzog der Catten/ wel-
cher wol verstand/ daß ein hartnäckichtes Wi-
dersprechen eines andern Urtheil verkleinerte/
also verdrüßlich wäre/ und man dahero nichts
minder eigenes als frembdes Widersprechen
verhüten solte/ fand sich gleichfalls drein. Die-
sem folgte der oberste Priester Libys/ welcher sich
gegen dem Fürsten bückte/ und nach dem er
Uhrlaub etwas für zubringen gebeten hatte/ an-
fing: Er hielte es in allewege mit dem großmü-
thigen Ausschlage des Feldherrn. Die Natur
hätte zwar nach dem Unterschiede der Länder die
Eigenschafften der Geschöpffe und der mensch-
lichen Leiber; die Gewohnheit auch ihre Sit-
ten unterschieden; aber die Tugend wäre nicht
anders als die Sonne überall einerley und zu
verehren würdig. Er hätte deßhalben bey
Durchreisung Jndiens selbige Einwohner ge-
priesen/ daß sie des grossen Alexanders Siegs-
Bogen nicht beleidigt hätten/ sondern noch ver-
ehrten. Jedoch hätte er darbey zu erinnern/
daß der Mißbrauch die den Helden gebührende
Ehre bey den meisten Völckern sehr verunrei-
nigt/ und also auch der Aberglaube dieses Denck-
[Spaltenumbruch] mahl des Drusus befleckt hätte. So lange die
Griechen die Nahmen ihrer Helden in der Mi-
nerva Schleyer gestückt/ die Römer ihre in den
Saliarischen Liedern besungen hätten; wäre
denen über den Pöfel sich schwingenden Gei-
stern ihre anständige Ausrichtung geschehen.
Die Vergötterung aber der Todten/ und da ih-
nen die Römer träumen liessen/ daß die Adler
der Käyser die Pfauen der Käyserinnen See-
len von den Holtzstössen in den Himmel trügen/
daß der Julius in ein Gestirne verwandelt wor-
den wäre/ daß man sie nach ihrem Absterben/ ja
den Augustus noch bey Lebzeiten mit Tempel
und Opffer-Tischen verehren müste/ wäre zwar
ein Geheimnüß der Staats-Klugheit/ um die
Fürsten für aller Beleidigung so viel mehr zu
versorgen; aber eine Erfindung der Ehrsucht/
und fürnehmlich derer/ welche hernach selbst ver-
göttert zu werden verlangten/ also ein irrdischer
Gottesdienst und eine lächerliche Andacht. Der
Fürst Rhemetalces fiel dem Priester ein: wie
die Laster einen Menschen derogestalt verstelle-
ten/ daß er/ wo nicht gar zum Vieh/ doch Halb-
Vieh Halb-Mensch würde; also würde man
durch die Tugend wo nicht gar/ doch zum theil
vergöttert. Deßhalben gläube er/ daß Zoroa-
ster/ Plato und andere tiefsinnige Weisen durch
die der menschlichen Seele zugeeigneten Flü-
gel/ welche sie aus den Gestirnen herab und
wieder hinauf führten/ anders nichts als die
Tugend und die Krafft ihrer Vergötterung
verstanden hätten. Zumal da sie ausdrücklich
lehrten: es büste die Seele solche Flügel durch
Wollust ein. Seine Meinung bestärckte das
Alterthum der Vorwelt und die Einstimmung
der Völcker. Die Egyptier eigneten den See-
len die Sternen zur Wohnung und ein göttli-
ches Wesen zu; weßwegen ihre Pyramiden
auch nichts/ als ihren Helden zu Ehren gebaue-
te Altäre wären. Die Scythen hätten ihren
Toxaris/ die Carthaginenser ihren sich in das
Opffer-Feuer stürtzenden Amilcar und die sich

ver-

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] ſeinen Glantz und Geruch auf den doͤrnricht-
ſten Stoͤcken/ die Tugend unter den ungeheu-
erſten Voͤlckeꝛn/ und bey den grimmigſten Fein-
den. Als der Feldherr ſeine Rede beſchloß/
ſchienen die Anweſenden meiſt ſeiner Meinung
beyzufallen. Denn groſſer Fuͤrſten Worte
ſind eitel Urthel/ und haben das Gewichte des
Goldes. Dahero uͤberwiegen ſie auch die
Meinungen der beruffenſten Weltweiſen.
Welches hier ſo viel leichter ſich ereignete/ weil
Hertzog Herrmann mit ſo guten Gruͤnden diß
behauptete/ was die meiſten Voͤlcker fuͤrlaͤngſt
mit ihrem Beyſpiele gebillicht hatten. Sin-
temahl auch ſonſt der Fuͤrſten Jrrthuͤmer gar
leichte Beyfall kriegen; weil man insgemein
den Mantel nach dem Winde richtet/ und nicht
ſo wol mit den Fuͤrſten als mit ihrem Gluͤcke re-
det/ um ſich durch Beyfall beliebt zu machen.
Der tapffere und kluge Hertzog der Catten/ wel-
cher wol verſtand/ daß ein hartnaͤckichtes Wi-
derſprechen eines andern Urtheil verkleinerte/
alſo verdruͤßlich waͤre/ und man dahero nichts
minder eigenes als frembdes Widerſprechen
verhuͤten ſolte/ fand ſich gleichfalls drein. Die-
ſem folgte der oberſte Prieſter Libys/ welcher ſich
gegen dem Fuͤrſten buͤckte/ und nach dem er
Uhrlaub etwas fuͤr zubringen gebeten hatte/ an-
fing: Er hielte es in allewege mit dem großmuͤ-
thigen Ausſchlage des Feldherrn. Die Natur
haͤtte zwar nach dem Unterſchiede der Laͤnder die
Eigenſchafften der Geſchoͤpffe und der menſch-
lichen Leiber; die Gewohnheit auch ihre Sit-
ten unterſchieden; aber die Tugend waͤre nicht
anders als die Sonne uͤberall einerley und zu
verehren wuͤrdig. Er haͤtte deßhalben bey
Durchreiſung Jndiens ſelbige Einwohner ge-
prieſen/ daß ſie des groſſen Alexanders Siegs-
Bogen nicht beleidigt haͤtten/ ſondern noch ver-
ehrten. Jedoch haͤtte er darbey zu erinnern/
daß der Mißbrauch die den Helden gebuͤhrende
Ehre bey den meiſten Voͤlckern ſehr verunrei-
nigt/ und alſo auch der Aberglaube dieſes Denck-
[Spaltenumbruch] mahl des Druſus befleckt haͤtte. So lange die
Griechen die Nahmen ihrer Helden in der Mi-
nerva Schleyer geſtuͤckt/ die Roͤmer ihre in den
Saliariſchen Liedern beſungen haͤtten; waͤre
denen uͤber den Poͤfel ſich ſchwingenden Gei-
ſtern ihre anſtaͤndige Ausrichtung geſchehen.
Die Vergoͤtterung aber der Todten/ und da ih-
nen die Roͤmer traͤumen lieſſen/ daß die Adler
der Kaͤyſer die Pfauen der Kaͤyſerinnen See-
len von den Holtzſtoͤſſen in den Himmel truͤgen/
daß der Julius in ein Geſtirne verwandelt wor-
den waͤre/ daß man ſie nach ihrem Abſterben/ ja
den Auguſtus noch bey Lebzeiten mit Tempel
und Opffer-Tiſchen verehren muͤſte/ waͤre zwar
ein Geheimnuͤß der Staats-Klugheit/ um die
Fuͤrſten fuͤr aller Beleidigung ſo viel mehr zu
verſorgen; aber eine Erfindung der Ehrſucht/
und fuͤrnehmlich derer/ welche hernach ſelbſt ver-
goͤttert zu werden verlangten/ alſo ein irrdiſcher
Gottesdienſt und eine laͤcherliche Andacht. Der
Fuͤrſt Rhemetalces fiel dem Prieſter ein: wie
die Laſter einen Menſchen derogeſtalt verſtelle-
ten/ daß er/ wo nicht gar zum Vieh/ doch Halb-
Vieh Halb-Menſch wuͤrde; alſo wuͤrde man
durch die Tugend wo nicht gar/ doch zum theil
vergoͤttert. Deßhalben glaͤube er/ daß Zoroa-
ſter/ Plato und andere tiefſinnige Weiſen durch
die der menſchlichen Seele zugeeigneten Fluͤ-
gel/ welche ſie aus den Geſtirnen herab und
wieder hinauf fuͤhrten/ anders nichts als die
Tugend und die Krafft ihrer Vergoͤtterung
verſtanden haͤtten. Zumal da ſie ausdruͤcklich
lehrten: es buͤſte die Seele ſolche Fluͤgel durch
Wolluſt ein. Seine Meinung beſtaͤrckte das
Alterthum der Vorwelt und die Einſtimmung
der Voͤlcker. Die Egyptier eigneten den See-
len die Sternen zur Wohnung und ein goͤttli-
ches Weſen zu; weßwegen ihre Pyramiden
auch nichts/ als ihren Helden zu Ehren gebaue-
te Altaͤre waͤren. Die Scythen haͤtten ihren
Toxaris/ die Carthaginenſer ihren ſich in das
Opffer-Feuer ſtuͤrtzenden Amilcar und die ſich

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[342/0396] Vierdtes Buch ſeinen Glantz und Geruch auf den doͤrnricht- ſten Stoͤcken/ die Tugend unter den ungeheu- erſten Voͤlckeꝛn/ und bey den grimmigſten Fein- den. Als der Feldherr ſeine Rede beſchloß/ ſchienen die Anweſenden meiſt ſeiner Meinung beyzufallen. Denn groſſer Fuͤrſten Worte ſind eitel Urthel/ und haben das Gewichte des Goldes. Dahero uͤberwiegen ſie auch die Meinungen der beruffenſten Weltweiſen. Welches hier ſo viel leichter ſich ereignete/ weil Hertzog Herrmann mit ſo guten Gruͤnden diß behauptete/ was die meiſten Voͤlcker fuͤrlaͤngſt mit ihrem Beyſpiele gebillicht hatten. Sin- temahl auch ſonſt der Fuͤrſten Jrrthuͤmer gar leichte Beyfall kriegen; weil man insgemein den Mantel nach dem Winde richtet/ und nicht ſo wol mit den Fuͤrſten als mit ihrem Gluͤcke re- det/ um ſich durch Beyfall beliebt zu machen. Der tapffere und kluge Hertzog der Catten/ wel- cher wol verſtand/ daß ein hartnaͤckichtes Wi- derſprechen eines andern Urtheil verkleinerte/ alſo verdruͤßlich waͤre/ und man dahero nichts minder eigenes als frembdes Widerſprechen verhuͤten ſolte/ fand ſich gleichfalls drein. Die- ſem folgte der oberſte Prieſter Libys/ welcher ſich gegen dem Fuͤrſten buͤckte/ und nach dem er Uhrlaub etwas fuͤr zubringen gebeten hatte/ an- fing: Er hielte es in allewege mit dem großmuͤ- thigen Ausſchlage des Feldherrn. Die Natur haͤtte zwar nach dem Unterſchiede der Laͤnder die Eigenſchafften der Geſchoͤpffe und der menſch- lichen Leiber; die Gewohnheit auch ihre Sit- ten unterſchieden; aber die Tugend waͤre nicht anders als die Sonne uͤberall einerley und zu verehren wuͤrdig. Er haͤtte deßhalben bey Durchreiſung Jndiens ſelbige Einwohner ge- prieſen/ daß ſie des groſſen Alexanders Siegs- Bogen nicht beleidigt haͤtten/ ſondern noch ver- ehrten. Jedoch haͤtte er darbey zu erinnern/ daß der Mißbrauch die den Helden gebuͤhrende Ehre bey den meiſten Voͤlckern ſehr verunrei- nigt/ und alſo auch der Aberglaube dieſes Denck- mahl des Druſus befleckt haͤtte. So lange die Griechen die Nahmen ihrer Helden in der Mi- nerva Schleyer geſtuͤckt/ die Roͤmer ihre in den Saliariſchen Liedern beſungen haͤtten; waͤre denen uͤber den Poͤfel ſich ſchwingenden Gei- ſtern ihre anſtaͤndige Ausrichtung geſchehen. Die Vergoͤtterung aber der Todten/ und da ih- nen die Roͤmer traͤumen lieſſen/ daß die Adler der Kaͤyſer die Pfauen der Kaͤyſerinnen See- len von den Holtzſtoͤſſen in den Himmel truͤgen/ daß der Julius in ein Geſtirne verwandelt wor- den waͤre/ daß man ſie nach ihrem Abſterben/ ja den Auguſtus noch bey Lebzeiten mit Tempel und Opffer-Tiſchen verehren muͤſte/ waͤre zwar ein Geheimnuͤß der Staats-Klugheit/ um die Fuͤrſten fuͤr aller Beleidigung ſo viel mehr zu verſorgen; aber eine Erfindung der Ehrſucht/ und fuͤrnehmlich derer/ welche hernach ſelbſt ver- goͤttert zu werden verlangten/ alſo ein irrdiſcher Gottesdienſt und eine laͤcherliche Andacht. Der Fuͤrſt Rhemetalces fiel dem Prieſter ein: wie die Laſter einen Menſchen derogeſtalt verſtelle- ten/ daß er/ wo nicht gar zum Vieh/ doch Halb- Vieh Halb-Menſch wuͤrde; alſo wuͤrde man durch die Tugend wo nicht gar/ doch zum theil vergoͤttert. Deßhalben glaͤube er/ daß Zoroa- ſter/ Plato und andere tiefſinnige Weiſen durch die der menſchlichen Seele zugeeigneten Fluͤ- gel/ welche ſie aus den Geſtirnen herab und wieder hinauf fuͤhrten/ anders nichts als die Tugend und die Krafft ihrer Vergoͤtterung verſtanden haͤtten. Zumal da ſie ausdruͤcklich lehrten: es buͤſte die Seele ſolche Fluͤgel durch Wolluſt ein. Seine Meinung beſtaͤrckte das Alterthum der Vorwelt und die Einſtimmung der Voͤlcker. Die Egyptier eigneten den See- len die Sternen zur Wohnung und ein goͤttli- ches Weſen zu; weßwegen ihre Pyramiden auch nichts/ als ihren Helden zu Ehren gebaue- te Altaͤre waͤren. Die Scythen haͤtten ihren Toxaris/ die Carthaginenſer ihren ſich in das Opffer-Feuer ſtuͤrtzenden Amilcar und die ſich ver-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/396>, abgerufen am 22.11.2024.