Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Schall der Trompeten nicht so sehr zu derSchlacht als ein edles Gemüthe durch fremb- den Ruhm aufgemuntert. Sintemahl wie der Himmel grosse Helden in ihrem Leben dem Vaterlande zu Mauern/ nach ihrem Tode a- ber zu einem allgemeinen Spiegel des Adels und einem Muster ihrer Lebens-Art bestim- met; also läst ein edler Geist sich nicht beruhi- gen/ wenn er in ihre Fußstapffen tritt/ sondern er brennet für Begierde es ihnen noch vorzu- thun. Der in dem Grabe schlaffende/ ja wol längst vermoderte Achilles weckte den grossen Alexander alle Nacht auf/ daß/ wie er/ dem müt- terlichen Geschlechte nach/ von ihm entspros- sen war; also er ihn in Thaten übertreffen möchte. Er sahe sein Bildnüß keinmahl/ daß ihm nicht Thränen aus den Augen fielen; nicht so wohl Achillens Sterbligkeit/ als seine eigene Langsamkeit zu beweinen/ daß er nicht schon berühmter als jener wäre. Wiewohl an ihm scheltbar bleibt/ daß er auch an Grausam- keit ihm überlegen seyn wolte; als er an statt des todten Hectors den lebendigen Betis umb die Stadt Gatza schleiffte. Was nun Achilles dem Alexander war/ war dieser dem Käyser Julius. Denn weil jener die Morgenländer bezwungen/ wolte dieser der streitbaren Abend- Welt Meister werden; also: daß/ da er ihn nicht übertroffen/ doch zweiffelhafft gelassen/ ob der grosse Alexander nicht kleiner als Julius gewesen sey. Käyser August hätte zwar an- fangs mit einem Sphynx gesiegelt/ von guter Zeit aber brauchte er nur das Bild des grossen Alexanders/ nicht so wohl/ daß selbtes ihm Glü- cke zuziehen/ als eine Aufmunterung zu groß- müthigen Entschlüssungen abgeben solte. Er selbst müste betheuren/ daß Marcomirs seines Anherrns Schatten ihm als ein Gespenste offt für dem Gesichte umirrete; ja daß die Tugend seiner Feinde ihm täglich neue Fürbilder auff- stellete. Dahero er auch diese zu stürmen für [Spaltenumbruch] ein Merckmahl eigener Schwachheit hielte. Rom hätte die Ehren-Säule des hoffärtigen Tarqvinius auch/ nach dem man ihn als einen Feind des Vaterlands verjagt/ nicht nur im Capitol stehen lassen/ sondern so gar des Uhr- hebers ihrer Freyheit des Brutus darneben ge- stellt. Als etliche Römer hätten des Philope- menes Siegs-Bilder in Griechenland abbre- chen wollen/ weil er ihr Feind gewest wäre/ und so wol dem Qvinctius als Attilius grossen Abbruch gethan hatte/ wäre es von dem groß- müthigen Mumius verwehret worden; und der/ welcher sich auff die Kunst und Kostbarkeit der Corinthischen Ertz-Bilder nicht verstan- den/ hätte doch sie als Merckmahle der Tu- gend zu schätzen gewüst. Ja er hätte es für verantwortlicher gehalten/ die Haupt-Stadt Achajens/ die Zierde Griechenlands/ die Schatz-Grube aller Köstligkeiten und die Gebieterin zweyer Meere einzuäschern/ als eines hertzhafften Feindes Bildnüß zu be- schimpffen. Käyser Julius hätte die Gallier geliebt/ daß sie seines Feindes des Brutus Bild auch nach seinem Tode in Ehren gehalten hät- ten. Diese Beehrung gereichte auch nicht allein dem Verehrer zu Lobe/ sondern auch zum Vortheil. Also hätte Julius mit Auff- richtung der vom Pöfel herabgestürtzten Bil- der des Sylla und Pompejus seine eigene befestigt. Endlich verliere das Crystall bey uns nicht seinen Werth/ daß es aus den steilesten Klippen gehauen würde; Die rauen Schalen benähmen denen Diaman- ten/ die ungestalten Muscheln den Perlen nichts von ihrem Preiße. Wir kauffen die Rhabarbar von denen wildesten Scythen/ Ambra/ Musch und andere Kostbarkeiten von den Menschen-Fressern. Also könte er nicht begreiffen/ warum die Tugend sie anstincken solte/ weil sie nicht auff eigenem Miste gewach- sen wäre? Der Purper der Rosen behielte sei- U u 3
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Schall der Trompeten nicht ſo ſehr zu derSchlacht als ein edles Gemuͤthe durch fremb- den Ruhm aufgemuntert. Sintemahl wie der Himmel groſſe Helden in ihrem Leben dem Vaterlande zu Mauern/ nach ihrem Tode a- ber zu einem allgemeinen Spiegel des Adels und einem Muſter ihrer Lebens-Art beſtim- met; alſo laͤſt ein edler Geiſt ſich nicht beruhi- gen/ wenn er in ihre Fußſtapffen tritt/ ſondern er brennet fuͤr Begierde es ihnen noch vorzu- thun. Der in dem Grabe ſchlaffende/ ja wol laͤngſt vermoderte Achilles weckte den groſſen Alexander alle Nacht auf/ daß/ wie er/ dem muͤt- terlichen Geſchlechte nach/ von ihm entſproſ- ſen war; alſo er ihn in Thaten uͤbertreffen moͤchte. Er ſahe ſein Bildnuͤß keinmahl/ daß ihm nicht Thraͤnen aus den Augen fielen; nicht ſo wohl Achillens Sterbligkeit/ als ſeine eigene Langſamkeit zu beweinen/ daß er nicht ſchon beruͤhmter als jener waͤre. Wiewohl an ihm ſcheltbar bleibt/ daß er auch an Grauſam- keit ihm uͤberlegen ſeyn wolte; als er an ſtatt des todten Hectors den lebendigen Betis umb die Stadt Gatza ſchleiffte. Was nun Achilles dem Alexander war/ war dieſer dem Kaͤyſer Julius. Denn weil jener die Morgenlaͤnder bezwungen/ wolte dieſer der ſtreitbaren Abend- Welt Meiſter werden; alſo: daß/ da er ihn nicht uͤbertroffen/ doch zweiffelhafft gelaſſen/ ob der groſſe Alexander nicht kleiner als Julius geweſen ſey. Kaͤyſer Auguſt haͤtte zwar an- fangs mit einem Sphynx geſiegelt/ von guter Zeit aber brauchte er nur das Bild des groſſen Alexanders/ nicht ſo wohl/ daß ſelbtes ihm Gluͤ- cke zuziehen/ als eine Aufmunterung zu groß- muͤthigen Entſchluͤſſungen abgeben ſolte. Er ſelbſt muͤſte betheuren/ daß Marcomirs ſeines Anherrns Schatten ihm als ein Geſpenſte offt fuͤr dem Geſichte umirrete; ja daß die Tugend ſeiner Feinde ihm taͤglich neue Fuͤrbilder auff- ſtellete. Dahero er auch dieſe zu ſtuͤrmen fuͤr [Spaltenumbruch] ein Merckmahl eigener Schwachheit hielte. Rom haͤtte die Ehren-Saͤule des hoffaͤrtigen Tarqvinius auch/ nach dem man ihn als einen Feind des Vaterlands verjagt/ nicht nur im Capitol ſtehen laſſen/ ſondern ſo gar des Uhr- hebers ihrer Freyheit des Brutus darneben ge- ſtellt. Als etliche Roͤmer haͤtten des Philope- menes Siegs-Bilder in Griechenland abbre- chen wollen/ weil er ihr Feind geweſt waͤre/ und ſo wol dem Qvinctius als Attilius groſſen Abbruch gethan hatte/ waͤre es von dem groß- muͤthigen Mumius verwehret worden; und der/ welcher ſich auff die Kunſt und Koſtbarkeit der Corinthiſchen Ertz-Bilder nicht verſtan- den/ haͤtte doch ſie als Merckmahle der Tu- gend zu ſchaͤtzen gewuͤſt. Ja er haͤtte es fuͤr verantwortlicher gehalten/ die Haupt-Stadt Achajens/ die Zierde Griechenlands/ die Schatz-Grube aller Koͤſtligkeiten und die Gebieterin zweyer Meere einzuaͤſchern/ als eines hertzhafften Feindes Bildnuͤß zu be- ſchimpffen. Kaͤyſer Julius haͤtte die Gallier geliebt/ daß ſie ſeines Feindes des Brutus Bild auch nach ſeinem Tode in Ehren gehalten haͤt- ten. Dieſe Beehrung gereichte auch nicht allein dem Verehrer zu Lobe/ ſondern auch zum Vortheil. Alſo haͤtte Julius mit Auff- richtung der vom Poͤfel herabgeſtuͤrtzten Bil- der des Sylla und Pompejus ſeine eigene befeſtigt. Endlich verliere das Cryſtall bey uns nicht ſeinen Werth/ daß es aus den ſteileſten Klippen gehauen wuͤrde; Die rauen Schalen benaͤhmen denen Diaman- ten/ die ungeſtalten Muſcheln den Perlen nichts von ihrem Preiße. Wir kauffen die Rhabarbar von denen wildeſten Scythen/ Ambra/ Muſch und andere Koſtbarkeiten von den Menſchen-Freſſern. Alſo koͤnte er nicht begreiffen/ warum die Tugend ſie anſtincken ſolte/ weil ſie nicht auff eigenem Miſte gewach- ſen waͤre? Der Purper der Roſen behielte ſei- U u 3
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Arminius und Thußnelda.
Schall der Trompeten nicht ſo ſehr zu der
Schlacht als ein edles Gemuͤthe durch fremb-
den Ruhm aufgemuntert. Sintemahl wie
der Himmel groſſe Helden in ihrem Leben dem
Vaterlande zu Mauern/ nach ihrem Tode a-
ber zu einem allgemeinen Spiegel des Adels
und einem Muſter ihrer Lebens-Art beſtim-
met; alſo laͤſt ein edler Geiſt ſich nicht beruhi-
gen/ wenn er in ihre Fußſtapffen tritt/ ſondern
er brennet fuͤr Begierde es ihnen noch vorzu-
thun. Der in dem Grabe ſchlaffende/ ja wol
laͤngſt vermoderte Achilles weckte den groſſen
Alexander alle Nacht auf/ daß/ wie er/ dem muͤt-
terlichen Geſchlechte nach/ von ihm entſproſ-
ſen war; alſo er ihn in Thaten uͤbertreffen
moͤchte. Er ſahe ſein Bildnuͤß keinmahl/ daß
ihm nicht Thraͤnen aus den Augen fielen;
nicht ſo wohl Achillens Sterbligkeit/ als ſeine
eigene Langſamkeit zu beweinen/ daß er nicht
ſchon beruͤhmter als jener waͤre. Wiewohl an
ihm ſcheltbar bleibt/ daß er auch an Grauſam-
keit ihm uͤberlegen ſeyn wolte; als er an ſtatt des
todten Hectors den lebendigen Betis umb die
Stadt Gatza ſchleiffte. Was nun Achilles
dem Alexander war/ war dieſer dem Kaͤyſer
Julius. Denn weil jener die Morgenlaͤnder
bezwungen/ wolte dieſer der ſtreitbaren Abend-
Welt Meiſter werden; alſo: daß/ da er ihn
nicht uͤbertroffen/ doch zweiffelhafft gelaſſen/
ob der groſſe Alexander nicht kleiner als Julius
geweſen ſey. Kaͤyſer Auguſt haͤtte zwar an-
fangs mit einem Sphynx geſiegelt/ von guter
Zeit aber brauchte er nur das Bild des groſſen
Alexanders/ nicht ſo wohl/ daß ſelbtes ihm Gluͤ-
cke zuziehen/ als eine Aufmunterung zu groß-
muͤthigen Entſchluͤſſungen abgeben ſolte. Er
ſelbſt muͤſte betheuren/ daß Marcomirs ſeines
Anherrns Schatten ihm als ein Geſpenſte offt
fuͤr dem Geſichte umirrete; ja daß die Tugend
ſeiner Feinde ihm taͤglich neue Fuͤrbilder auff-
ſtellete. Dahero er auch dieſe zu ſtuͤrmen fuͤr
ein Merckmahl eigener Schwachheit hielte.
Rom haͤtte die Ehren-Saͤule des hoffaͤrtigen
Tarqvinius auch/ nach dem man ihn als einen
Feind des Vaterlands verjagt/ nicht nur im
Capitol ſtehen laſſen/ ſondern ſo gar des Uhr-
hebers ihrer Freyheit des Brutus darneben ge-
ſtellt. Als etliche Roͤmer haͤtten des Philope-
menes Siegs-Bilder in Griechenland abbre-
chen wollen/ weil er ihr Feind geweſt waͤre/
und ſo wol dem Qvinctius als Attilius groſſen
Abbruch gethan hatte/ waͤre es von dem groß-
muͤthigen Mumius verwehret worden; und
der/ welcher ſich auff die Kunſt und Koſtbarkeit
der Corinthiſchen Ertz-Bilder nicht verſtan-
den/ haͤtte doch ſie als Merckmahle der Tu-
gend zu ſchaͤtzen gewuͤſt. Ja er haͤtte es fuͤr
verantwortlicher gehalten/ die Haupt-Stadt
Achajens/ die Zierde Griechenlands/ die
Schatz-Grube aller Koͤſtligkeiten und die
Gebieterin zweyer Meere einzuaͤſchern/ als
eines hertzhafften Feindes Bildnuͤß zu be-
ſchimpffen. Kaͤyſer Julius haͤtte die Gallier
geliebt/ daß ſie ſeines Feindes des Brutus Bild
auch nach ſeinem Tode in Ehren gehalten haͤt-
ten. Dieſe Beehrung gereichte auch nicht
allein dem Verehrer zu Lobe/ ſondern auch
zum Vortheil. Alſo haͤtte Julius mit Auff-
richtung der vom Poͤfel herabgeſtuͤrtzten Bil-
der des Sylla und Pompejus ſeine eigene
befeſtigt. Endlich verliere das Cryſtall
bey uns nicht ſeinen Werth/ daß es aus den
ſteileſten Klippen gehauen wuͤrde; Die
rauen Schalen benaͤhmen denen Diaman-
ten/ die ungeſtalten Muſcheln den Perlen
nichts von ihrem Preiße. Wir kauffen die
Rhabarbar von denen wildeſten Scythen/
Ambra/ Muſch und andere Koſtbarkeiten von
den Menſchen-Freſſern. Alſo koͤnte er nicht
begreiffen/ warum die Tugend ſie anſtincken
ſolte/ weil ſie nicht auff eigenem Miſte gewach-
ſen waͤre? Der Purper der Roſen behielte
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/395>, abgerufen am 26.06.2024. |