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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] Gallier nach Lugdun. Diese fanden sich so
viel fleißiger ein/ ie weniger sie ihren Anschlag
verrathen zu seyn besorgten/ oder wegen ihrer so
beflissenen Dienstbarkeit sich einigen Arges
versahen. Aber die sie beschlüssenden Fässel
lehrten sie allzu zeitlich/ daß man bey Anspin-
nung eines gefährlichen Beginnens alles Ver-
trauen aus dem Hertzen verbannen müste. Weil
sie aber auf Andräuung noch schärffern Ver-
fahrens nicht nur ihre Söhne und Bluts-Ver-
wandten den Römern wider die Pannonier
und Dalmatier zu kriegen einlieferten; also der
Käyser mit ihnen nicht nur Hülffs-Völcker/
sondern auch Geisel überkam/ wie nichts min-
der alle Geheimnüsse des Bündnüsses erfuhr/
wurden sie nach desselbten Abschwerung wieder
auf freyen Fuß gestellt. Wordurch sie aber
das Mißtrauen bey den Römern und die Ver-
ächtlichkeit bey den Bunds-Genossen nicht ab-
lehneten; ja so gar verursachten/ daß die Si-
cambrer und Usipeter sich mit dem Drusus in
ein Bündnüß einliessen.

Weil aber die obbestrickten Gallier den Her-
tzog der Moriner Erdmann beschuldigten/ daß
er ebenfalls theil an ihrem angezielten Aufstan-
de gehabt hätte; oder die Römer in Gallien kei-
ne umschrenckte Gewalt vertragen konten/ kün-
digte ihm Drusus unter einem gantz andern
Vorwande/ nehmlich/ daß die Helffte seiner
Länder mit seiner ältesten dem Licinnius ver-
heyratheten Tochter an seinen Eydam verfal-
len wäre/ den Krieg an. Diese Moriner wa-
ren nebst den Batavern das einige Volck in
Gallien/ welches nicht der Römischen Botmäs-
sigkeit schlechterdings unterworffen war. Käy-
ser Julius und Labienus hatten zwar ihnen
zwey Schlachten abgewonnen; aber die feste
Beschaffenheit ihres sümpfichten Landes und
ihre der Streitbarkeit vermählte Vorsicht hat-
te/ auser einer den Römern verwilligten leidli-
chen Schatzung/ sie noch grossen Theils bey ih-
[Spaltenumbruch] rer Freyheit erhalten; also/ daß weder Agrip-
pa/ noch August selbst/ bey ihrer Anwesenheit ein
Bein unterzuschlagen vermochten. Als nun
Drusus mit den Morinern anband/ auch sich
etlicher Plätze bemächtigt hätte/ hemmete eine
Gesandschafft der Britannier und Bataver/
welche schon funfzig tausend Kriegs-Leute auff
den Beinen/ und zu Beschirmung der Mori-
nerfertig hatten/ den Lauff der Römischen Sie-
ge; nöthigten auch den Drusus/ daß er/ um nicht
das mißträuliche Gallien gantz in Gefahr zu se-
tzen/ mit den Morinern einen billichen Frieden
schlüssen muste.

Drusus ward über der Fehlschlagung seines
eingebildeten Sieges so verbittert/ daß er sich
hätte in die Finger beissen mögen; insonderheit
aber meinte er gegen die Bataver seine Galle
und Rache auszugiessen berechtigt zu seyn.
Dieses Volck war von den streitbaren Catten
entsprossen/ hatte wegen häußlicher Unruhe
sein Vaterland verlassen/ die zwischen dem
Rheine und dem Nord-Meer gelegene Pfützen
ausgetrocknet/ und solch Eyland zur Wohnung
erkieset. Weil sie aber von Anfangs weder an
Mannschafft noch Kriegs-Geräthe sonderlich
starck waren/ musten sie sich unter den Schutz
der Britannier begeben/ welche damahls vom
Einflusse des Rheins biß an die Seene Meister
der Gallischen Küsten waren. Als aber die
Britannier eine schwerere Hand ihnen aufleg-
ten/ als die freyen Deutschen zu tragen gewohnt
waren/ beschwerte sich der Bataver Hertzog E-
ganor gegen dem Britannischen Königs/ und
schrieb ihm zu: Er möchte sich entweder seiner
Härtigkeit/ oder seiner Herrschafft enteusern.
Es möchte wohl seyn/ daß anderer Völcker Kö-
nige nur den Göttern Red und Antwort zu ge-
ben gewohnt wären; Die Deutschen aber for-
derten auch von ihren Gebietern Rechenschafft;
und fromme Fürsten hielten es für einen Ruhm/
die Gesetze und das Urthel ihrer Unterthanen

über

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] Gallier nach Lugdun. Dieſe fanden ſich ſo
viel fleißiger ein/ ie weniger ſie ihren Anſchlag
verrathen zu ſeyn beſorgten/ oder wegen ihrer ſo
befliſſenen Dienſtbarkeit ſich einigen Arges
verſahen. Aber die ſie beſchluͤſſenden Faͤſſel
lehrten ſie allzu zeitlich/ daß man bey Anſpin-
nung eines gefaͤhrlichen Beginnens alles Ver-
trauen aus dem Hertzen verbannen muͤſte. Weil
ſie aber auf Andraͤuung noch ſchaͤrffern Ver-
fahrens nicht nur ihre Soͤhne und Bluts-Ver-
wandten den Roͤmern wider die Pannonier
und Dalmatier zu kriegen einlieferten; alſo der
Kaͤyſer mit ihnen nicht nur Huͤlffs-Voͤlcker/
ſondern auch Geiſel uͤberkam/ wie nichts min-
der alle Geheimnuͤſſe des Buͤndnuͤſſes erfuhr/
wurden ſie nach deſſelbten Abſchwerung wieder
auf freyen Fuß geſtellt. Wordurch ſie aber
das Mißtrauen bey den Roͤmern und die Ver-
aͤchtlichkeit bey den Bunds-Genoſſen nicht ab-
lehneten; ja ſo gar verurſachten/ daß die Si-
cambrer und Uſipeter ſich mit dem Druſus in
ein Buͤndnuͤß einlieſſen.

Weil aber die obbeſtrickten Gallier den Her-
tzog der Moriner Erdmann beſchuldigten/ daß
er ebenfalls theil an ihrem angezielten Aufſtan-
de gehabt haͤtte; oder die Roͤmer in Gallien kei-
ne umſchrenckte Gewalt vertragen konten/ kuͤn-
digte ihm Druſus unter einem gantz andern
Vorwande/ nehmlich/ daß die Helffte ſeiner
Laͤnder mit ſeiner aͤlteſten dem Licinnius ver-
heyratheten Tochter an ſeinen Eydam verfal-
len waͤre/ den Krieg an. Dieſe Moriner wa-
ren nebſt den Batavern das einige Volck in
Gallien/ welches nicht der Roͤmiſchen Botmaͤſ-
ſigkeit ſchlechterdings unterworffen war. Kaͤy-
ſer Julius und Labienus hatten zwar ihnen
zwey Schlachten abgewonnen; aber die feſte
Beſchaffenheit ihres ſuͤmpfichten Landes und
ihre der Streitbarkeit vermaͤhlte Vorſicht hat-
te/ auſer einer den Roͤmern verwilligten leidli-
chen Schatzung/ ſie noch groſſen Theils bey ih-
[Spaltenumbruch] rer Freyheit erhalten; alſo/ daß weder Agrip-
pa/ noch Auguſt ſelbſt/ bey ihrer Anweſenheit ein
Bein unterzuſchlagen vermochten. Als nun
Druſus mit den Morinern anband/ auch ſich
etlicher Plaͤtze bemaͤchtigt haͤtte/ hemmete eine
Geſandſchafft der Britannier und Bataver/
welche ſchon funfzig tauſend Kriegs-Leute auff
den Beinen/ und zu Beſchirmung der Mori-
nerfertig hatten/ den Lauff der Roͤmiſchen Sie-
ge; noͤthigten auch den Druſus/ daß er/ um nicht
das mißtraͤuliche Gallien gantz in Gefahr zu ſe-
tzen/ mit den Morinern einen billichen Frieden
ſchluͤſſen muſte.

Druſus ward uͤber der Fehlſchlagung ſeines
eingebildeten Sieges ſo verbittert/ daß er ſich
haͤtte in die Finger beiſſen moͤgen; inſonderheit
aber meinte er gegen die Bataver ſeine Galle
und Rache auszugieſſen berechtigt zu ſeyn.
Dieſes Volck war von den ſtreitbaren Catten
entſproſſen/ hatte wegen haͤußlicher Unruhe
ſein Vaterland verlaſſen/ die zwiſchen dem
Rheine und dem Nord-Meer gelegene Pfuͤtzen
ausgetrocknet/ und ſolch Eyland zur Wohnung
erkieſet. Weil ſie aber von Anfangs weder an
Mannſchafft noch Kriegs-Geraͤthe ſonderlich
ſtarck waren/ muſten ſie ſich unter den Schutz
der Britannier begeben/ welche damahls vom
Einfluſſe des Rheins biß an die Seene Meiſter
der Galliſchen Kuͤſten waren. Als aber die
Britannier eine ſchwerere Hand ihnen aufleg-
ten/ als die freyen Deutſchen zu tragen gewohnt
waren/ beſchwerte ſich der Bataver Hertzog E-
ganor gegen dem Britanniſchen Koͤnigs/ und
ſchrieb ihm zu: Er moͤchte ſich entweder ſeiner
Haͤrtigkeit/ oder ſeiner Herrſchafft enteuſern.
Es moͤchte wohl ſeyn/ daß anderer Voͤlcker Koͤ-
nige nur den Goͤttern Red und Antwort zu ge-
ben gewohnt waͤren; Die Deutſchen aber for-
derten auch von ihren Gebietern Rechenſchafft;
und fromme Fuͤrſten hielten es fuͤr einen Ruhm/
die Geſetze und das Urthel ihrer Unterthanen

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[362/0416] Vierdtes Buch Gallier nach Lugdun. Dieſe fanden ſich ſo viel fleißiger ein/ ie weniger ſie ihren Anſchlag verrathen zu ſeyn beſorgten/ oder wegen ihrer ſo befliſſenen Dienſtbarkeit ſich einigen Arges verſahen. Aber die ſie beſchluͤſſenden Faͤſſel lehrten ſie allzu zeitlich/ daß man bey Anſpin- nung eines gefaͤhrlichen Beginnens alles Ver- trauen aus dem Hertzen verbannen muͤſte. Weil ſie aber auf Andraͤuung noch ſchaͤrffern Ver- fahrens nicht nur ihre Soͤhne und Bluts-Ver- wandten den Roͤmern wider die Pannonier und Dalmatier zu kriegen einlieferten; alſo der Kaͤyſer mit ihnen nicht nur Huͤlffs-Voͤlcker/ ſondern auch Geiſel uͤberkam/ wie nichts min- der alle Geheimnuͤſſe des Buͤndnuͤſſes erfuhr/ wurden ſie nach deſſelbten Abſchwerung wieder auf freyen Fuß geſtellt. Wordurch ſie aber das Mißtrauen bey den Roͤmern und die Ver- aͤchtlichkeit bey den Bunds-Genoſſen nicht ab- lehneten; ja ſo gar verurſachten/ daß die Si- cambrer und Uſipeter ſich mit dem Druſus in ein Buͤndnuͤß einlieſſen. Weil aber die obbeſtrickten Gallier den Her- tzog der Moriner Erdmann beſchuldigten/ daß er ebenfalls theil an ihrem angezielten Aufſtan- de gehabt haͤtte; oder die Roͤmer in Gallien kei- ne umſchrenckte Gewalt vertragen konten/ kuͤn- digte ihm Druſus unter einem gantz andern Vorwande/ nehmlich/ daß die Helffte ſeiner Laͤnder mit ſeiner aͤlteſten dem Licinnius ver- heyratheten Tochter an ſeinen Eydam verfal- len waͤre/ den Krieg an. Dieſe Moriner wa- ren nebſt den Batavern das einige Volck in Gallien/ welches nicht der Roͤmiſchen Botmaͤſ- ſigkeit ſchlechterdings unterworffen war. Kaͤy- ſer Julius und Labienus hatten zwar ihnen zwey Schlachten abgewonnen; aber die feſte Beſchaffenheit ihres ſuͤmpfichten Landes und ihre der Streitbarkeit vermaͤhlte Vorſicht hat- te/ auſer einer den Roͤmern verwilligten leidli- chen Schatzung/ ſie noch groſſen Theils bey ih- rer Freyheit erhalten; alſo/ daß weder Agrip- pa/ noch Auguſt ſelbſt/ bey ihrer Anweſenheit ein Bein unterzuſchlagen vermochten. Als nun Druſus mit den Morinern anband/ auch ſich etlicher Plaͤtze bemaͤchtigt haͤtte/ hemmete eine Geſandſchafft der Britannier und Bataver/ welche ſchon funfzig tauſend Kriegs-Leute auff den Beinen/ und zu Beſchirmung der Mori- nerfertig hatten/ den Lauff der Roͤmiſchen Sie- ge; noͤthigten auch den Druſus/ daß er/ um nicht das mißtraͤuliche Gallien gantz in Gefahr zu ſe- tzen/ mit den Morinern einen billichen Frieden ſchluͤſſen muſte. Druſus ward uͤber der Fehlſchlagung ſeines eingebildeten Sieges ſo verbittert/ daß er ſich haͤtte in die Finger beiſſen moͤgen; inſonderheit aber meinte er gegen die Bataver ſeine Galle und Rache auszugieſſen berechtigt zu ſeyn. Dieſes Volck war von den ſtreitbaren Catten entſproſſen/ hatte wegen haͤußlicher Unruhe ſein Vaterland verlaſſen/ die zwiſchen dem Rheine und dem Nord-Meer gelegene Pfuͤtzen ausgetrocknet/ und ſolch Eyland zur Wohnung erkieſet. Weil ſie aber von Anfangs weder an Mannſchafft noch Kriegs-Geraͤthe ſonderlich ſtarck waren/ muſten ſie ſich unter den Schutz der Britannier begeben/ welche damahls vom Einfluſſe des Rheins biß an die Seene Meiſter der Galliſchen Kuͤſten waren. Als aber die Britannier eine ſchwerere Hand ihnen aufleg- ten/ als die freyen Deutſchen zu tragen gewohnt waren/ beſchwerte ſich der Bataver Hertzog E- ganor gegen dem Britanniſchen Koͤnigs/ und ſchrieb ihm zu: Er moͤchte ſich entweder ſeiner Haͤrtigkeit/ oder ſeiner Herrſchafft enteuſern. Es moͤchte wohl ſeyn/ daß anderer Voͤlcker Koͤ- nige nur den Goͤttern Red und Antwort zu ge- ben gewohnt waͤren; Die Deutſchen aber for- derten auch von ihren Gebietern Rechenſchafft; und fromme Fuͤrſten hielten es fuͤr einen Ruhm/ die Geſetze und das Urthel ihrer Unterthanen uͤber

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/416>, abgerufen am 22.11.2024.