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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch]

Antonia/ als sie sich durch ihre Handschrifft
überzeuget sahe/ und nunmehr wahrnahm/ daß
ihre Zettel und des Drusus Schreiben mit ein-
ander verwechselt worden waren/ meinte sie
durch völlige Ausschüttung ihres Hertzens Ju-
liens Gemüthe/ als welches sie ohne diß dem
Drusus verknüpfft zu seyn hielt/ so viel mehr zu
gewinnen. Also ließ sie sich heraus: Sie em-
pfinde zwar in ihrer Seele die unergründliche
Leitung der Götter zu dem Murena/ und das
Verhängnis hätte es nicht umsonst geschicket/
daß sie dem/ den sie vor so inbrünstig geliebet/
noch die Erhaltung ihres Lebens dancken/ und
also auch das Unglücke ein Band zu Befesti-
gung ihrer Liebe weben müste; sie erkennte auch
für eine gütige Schickung des Himmels/ daß
Drusus/ welchen die Menschen ihr sonst zuei-
gneten/ eine Abneigung für ihr/ und sein Hertze
ihrer so lieben Freundin gewiedmet hätte/ ge-
gen welcher sie seinethalber zu eyfern ihr nie-
mahls würde in Sinn kommen lassen/ weil sie
wohl wüste/ daß die Natur zum Hohne der Lie-
bes-Göttin Julien zu einer Gebieterin über al-
ler Männer Hertzen gemacht/ und die Macht
alle Seelen zu bezaubern/ iedoch auch die Gü-
tigkeit iederman wohlzuthun verliehen hätte.
Dieses letztere erwartete sie mit Ertheilung ei-
nes heilsamen Rathes/ nachdem es so grosser
Behutsamkeit ihre Liebe für der auffsichtigen O-
ctavie zu verbergen/ kluger Anstalt der Livia
Absehen zu unterbrechen dörffen würde/ weß-
wegen sie in tausenderley Kummer stünde/ und
nicht mehr als eine viertel-Sunde den Murena
in einer geheimen Unterredung für allerhand
Gefährligkeiten zu verwarnigen wünschte. Ju-
lia nahm Antoniens Offenhertzigkeit für ei-
ne neue Verbindligkeit auff; händigte gegen
Empfang des von Drusus an sie gerichteten
Schreibens Antonien das ihrige ein/ und sprach
ihr mit einer sonderbaren Freudigkeit zu/
sie möchte ihr hierüber keinen Kummer ma-
chen/ sondern sich ihr vertrauen/ so wolte sie
[Spaltenumbruch] folgenden Tag sich mit dem Muräna zu un-
terreden ihr eine sonst iederman verschlossene
auch unerforschliche Pforte eröffnen. Es wä-
ren ja Antonien so wohl der deutschen Bot-
schafft zu Ehren vom Käyser gemachte Anstalt
zu den Schau-Spielen/ als die Beschaffenheit
des grossen Schauplatzes zu Puteoli unver-
borgen/ welchen der Käyser wegen des eins-
mahls vom Pöfel beschimpfften Rathherrn/
dem niemand keinen Raum gemacht/ deroge-
stalt gebauet hätte/ daß wie iede Person von
hoher Ankunfft/ also auch sie beyde ihren ei-
genen abgesonderten Platz und Eingang
von aussen/ die Sitze ihrer Fenster und Für-
hänge/ ja unten vielfältige verborgene Zimmer
und Gemächer hätten. Wenn nun das Frau-
enzimmer bey Aufftretung der nackten Fechter
und Ringer/ da es ohne diß schon insgemein
düstern würde/ sich zurück zu ziehen pflegte/ wol-
te sie mit ihrer Erlaubnüs durch ihre vertrau-
te Leute schon die Anstalt machen/ daß Antonia
in den untern verhangenen Zimmern ihren
liebsten Murena verträulich würde sprechen/
und ohne einigen Verdacht von sich lassen kön-
nen. Die treuhertzige Antonie umarmte Ju-
lien und stellte ihr frey alles nach ihrem Gut-
befinden einzurichten/ mit Bitte/ daß sie selbst
auch von ihnen unentfernet seyn wolte. Julia
fuhr mit tausend Freuden von Antonien; schick-
te auch noch selbigen Abend durch einen ihrer
Edelknaben an Murena diesen Zettel:

Nach dem seine Getreue sich mit ihm/ vol-
kommenster Murena/ wegen wichtiger An-
gelegenheiten zu bereden hat/ beliebe er morgen
bey angehendem Ringen sich durch meinen Ein-
gang in das untere Zimmer des Schaupla-
tzes zu verfügen/ welches er für sich nicht we-
niger/ als das innerste meines ihm gewiedme-
ten Hertzens offen finden wird.

Dem Drusus schickte Julia in ihrem eige-
nen Nahmen einen Zettel eben dieses Jnn-
halts. Folgenden Tages drang sich alles

Volck/
Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch]

Antonia/ als ſie ſich durch ihre Handſchrifft
uͤberzeuget ſahe/ und nunmehr wahrnahm/ daß
ihre Zettel und des Druſus Schreiben mit ein-
ander verwechſelt worden waren/ meinte ſie
durch voͤllige Ausſchuͤttung ihres Hertzens Ju-
liens Gemuͤthe/ als welches ſie ohne diß dem
Druſus verknuͤpfft zu ſeyn hielt/ ſo viel mehr zu
gewinnen. Alſo ließ ſie ſich heraus: Sie em-
pfinde zwar in ihrer Seele die unergruͤndliche
Leitung der Goͤtter zu dem Murena/ und das
Verhaͤngnis haͤtte es nicht umſonſt geſchicket/
daß ſie dem/ den ſie vor ſo inbruͤnſtig geliebet/
noch die Erhaltung ihres Lebens dancken/ und
alſo auch das Ungluͤcke ein Band zu Befeſti-
gung ihrer Liebe weben muͤſte; ſie erkennte auch
fuͤr eine guͤtige Schickung des Himmels/ daß
Druſus/ welchen die Menſchen ihr ſonſt zuei-
gneten/ eine Abneigung fuͤr ihr/ und ſein Hertze
ihrer ſo lieben Freundin gewiedmet haͤtte/ ge-
gen welcher ſie ſeinethalber zu eyfern ihr nie-
mahls wuͤrde in Sinn kommen laſſen/ weil ſie
wohl wuͤſte/ daß die Natur zum Hohne der Lie-
bes-Goͤttin Julien zu einer Gebieterin uͤber al-
ler Maͤnner Hertzen gemacht/ und die Macht
alle Seelen zu bezaubern/ iedoch auch die Guͤ-
tigkeit iederman wohlzuthun verliehen haͤtte.
Dieſes letztere erwartete ſie mit Ertheilung ei-
nes heilſamen Rathes/ nachdem es ſo groſſer
Behutſamkeit ihre Liebe fuͤr der auffſichtigen O-
ctavie zu verbergen/ kluger Anſtalt der Livia
Abſehen zu unterbrechen doͤrffen wuͤrde/ weß-
wegen ſie in tauſenderley Kummer ſtuͤnde/ und
nicht mehr als eine viertel-Sunde den Murena
in einer geheimen Unterredung fuͤr allerhand
Gefaͤhrligkeiten zu verwarnigen wuͤnſchte. Ju-
lia nahm Antoniens Offenhertzigkeit fuͤr ei-
ne neue Verbindligkeit auff; haͤndigte gegen
Empfang des von Druſus an ſie gerichteten
Schreibens Antonien das ihrige ein/ und ſprach
ihr mit einer ſonderbaren Freudigkeit zu/
ſie moͤchte ihr hieruͤber keinen Kummer ma-
chen/ ſondern ſich ihr vertrauen/ ſo wolte ſie
[Spaltenumbruch] folgenden Tag ſich mit dem Muraͤna zu un-
terreden ihr eine ſonſt iederman verſchloſſene
auch unerforſchliche Pforte eroͤffnen. Es waͤ-
ren ja Antonien ſo wohl der deutſchen Bot-
ſchafft zu Ehren vom Kaͤyſer gemachte Anſtalt
zu den Schau-Spielen/ als die Beſchaffenheit
des groſſen Schauplatzes zu Puteoli unver-
borgen/ welchen der Kaͤyſer wegen des eins-
mahls vom Poͤfel beſchimpfften Rathherrn/
dem niemand keinen Raum gemacht/ deroge-
ſtalt gebauet haͤtte/ daß wie iede Perſon von
hoher Ankunfft/ alſo auch ſie beyde ihren ei-
genen abgeſonderten Platz und Eingang
von auſſen/ die Sitze ihrer Fenſter und Fuͤr-
haͤnge/ ja unten vielfaͤltige verborgene Zimmer
und Gemaͤcher haͤtten. Wenn nun das Frau-
enzimmer bey Aufftretung der nackten Fechter
und Ringer/ da es ohne diß ſchon insgemein
duͤſtern wuͤrde/ ſich zuruͤck zu ziehen pflegte/ wol-
te ſie mit ihrer Erlaubnuͤs durch ihre vertrau-
te Leute ſchon die Anſtalt machen/ daß Antonia
in den untern verhangenen Zimmern ihren
liebſten Murena vertraͤulich wuͤrde ſprechen/
und ohne einigen Verdacht von ſich laſſen koͤn-
nen. Die treuhertzige Antonie umarmte Ju-
lien und ſtellte ihr frey alles nach ihrem Gut-
befinden einzurichten/ mit Bitte/ daß ſie ſelbſt
auch von ihnen unentfernet ſeyn wolte. Julia
fuhr mit tauſend Freuden von Antonien; ſchick-
te auch noch ſelbigen Abend durch einen ihrer
Edelknaben an Murena dieſen Zettel:

Nach dem ſeine Getreue ſich mit ihm/ vol-
kommenſter Murena/ wegen wichtiger An-
gelegenheiten zu bereden hat/ beliebe er morgen
bey angehendem Ringen ſich durch meinen Ein-
gang in das untere Zimmer des Schaupla-
tzes zu verfuͤgen/ welches er fuͤr ſich nicht we-
niger/ als das innerſte meines ihm gewiedme-
ten Hertzens offen finden wird.

Dem Druſus ſchickte Julia in ihrem eige-
nen Nahmen einen Zettel eben dieſes Jnn-
halts. Folgenden Tages drang ſich alles

Volck/
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[392/0446] Vierdtes Buch Antonia/ als ſie ſich durch ihre Handſchrifft uͤberzeuget ſahe/ und nunmehr wahrnahm/ daß ihre Zettel und des Druſus Schreiben mit ein- ander verwechſelt worden waren/ meinte ſie durch voͤllige Ausſchuͤttung ihres Hertzens Ju- liens Gemuͤthe/ als welches ſie ohne diß dem Druſus verknuͤpfft zu ſeyn hielt/ ſo viel mehr zu gewinnen. Alſo ließ ſie ſich heraus: Sie em- pfinde zwar in ihrer Seele die unergruͤndliche Leitung der Goͤtter zu dem Murena/ und das Verhaͤngnis haͤtte es nicht umſonſt geſchicket/ daß ſie dem/ den ſie vor ſo inbruͤnſtig geliebet/ noch die Erhaltung ihres Lebens dancken/ und alſo auch das Ungluͤcke ein Band zu Befeſti- gung ihrer Liebe weben muͤſte; ſie erkennte auch fuͤr eine guͤtige Schickung des Himmels/ daß Druſus/ welchen die Menſchen ihr ſonſt zuei- gneten/ eine Abneigung fuͤr ihr/ und ſein Hertze ihrer ſo lieben Freundin gewiedmet haͤtte/ ge- gen welcher ſie ſeinethalber zu eyfern ihr nie- mahls wuͤrde in Sinn kommen laſſen/ weil ſie wohl wuͤſte/ daß die Natur zum Hohne der Lie- bes-Goͤttin Julien zu einer Gebieterin uͤber al- ler Maͤnner Hertzen gemacht/ und die Macht alle Seelen zu bezaubern/ iedoch auch die Guͤ- tigkeit iederman wohlzuthun verliehen haͤtte. Dieſes letztere erwartete ſie mit Ertheilung ei- nes heilſamen Rathes/ nachdem es ſo groſſer Behutſamkeit ihre Liebe fuͤr der auffſichtigen O- ctavie zu verbergen/ kluger Anſtalt der Livia Abſehen zu unterbrechen doͤrffen wuͤrde/ weß- wegen ſie in tauſenderley Kummer ſtuͤnde/ und nicht mehr als eine viertel-Sunde den Murena in einer geheimen Unterredung fuͤr allerhand Gefaͤhrligkeiten zu verwarnigen wuͤnſchte. Ju- lia nahm Antoniens Offenhertzigkeit fuͤr ei- ne neue Verbindligkeit auff; haͤndigte gegen Empfang des von Druſus an ſie gerichteten Schreibens Antonien das ihrige ein/ und ſprach ihr mit einer ſonderbaren Freudigkeit zu/ ſie moͤchte ihr hieruͤber keinen Kummer ma- chen/ ſondern ſich ihr vertrauen/ ſo wolte ſie folgenden Tag ſich mit dem Muraͤna zu un- terreden ihr eine ſonſt iederman verſchloſſene auch unerforſchliche Pforte eroͤffnen. Es waͤ- ren ja Antonien ſo wohl der deutſchen Bot- ſchafft zu Ehren vom Kaͤyſer gemachte Anſtalt zu den Schau-Spielen/ als die Beſchaffenheit des groſſen Schauplatzes zu Puteoli unver- borgen/ welchen der Kaͤyſer wegen des eins- mahls vom Poͤfel beſchimpfften Rathherrn/ dem niemand keinen Raum gemacht/ deroge- ſtalt gebauet haͤtte/ daß wie iede Perſon von hoher Ankunfft/ alſo auch ſie beyde ihren ei- genen abgeſonderten Platz und Eingang von auſſen/ die Sitze ihrer Fenſter und Fuͤr- haͤnge/ ja unten vielfaͤltige verborgene Zimmer und Gemaͤcher haͤtten. Wenn nun das Frau- enzimmer bey Aufftretung der nackten Fechter und Ringer/ da es ohne diß ſchon insgemein duͤſtern wuͤrde/ ſich zuruͤck zu ziehen pflegte/ wol- te ſie mit ihrer Erlaubnuͤs durch ihre vertrau- te Leute ſchon die Anſtalt machen/ daß Antonia in den untern verhangenen Zimmern ihren liebſten Murena vertraͤulich wuͤrde ſprechen/ und ohne einigen Verdacht von ſich laſſen koͤn- nen. Die treuhertzige Antonie umarmte Ju- lien und ſtellte ihr frey alles nach ihrem Gut- befinden einzurichten/ mit Bitte/ daß ſie ſelbſt auch von ihnen unentfernet ſeyn wolte. Julia fuhr mit tauſend Freuden von Antonien; ſchick- te auch noch ſelbigen Abend durch einen ihrer Edelknaben an Murena dieſen Zettel: Nach dem ſeine Getreue ſich mit ihm/ vol- kommenſter Murena/ wegen wichtiger An- gelegenheiten zu bereden hat/ beliebe er morgen bey angehendem Ringen ſich durch meinen Ein- gang in das untere Zimmer des Schaupla- tzes zu verfuͤgen/ welches er fuͤr ſich nicht we- niger/ als das innerſte meines ihm gewiedme- ten Hertzens offen finden wird. Dem Druſus ſchickte Julia in ihrem eige- nen Nahmen einen Zettel eben dieſes Jnn- halts. Folgenden Tages drang ſich alles Volck/

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/446>, abgerufen am 22.11.2024.