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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] fürzutragen? Julia fing nach einem tieffen
Seuffzer an: Wundere dich nicht/ Muräna/
daß die/ welche dich hundert mahl brünstiger
als Antonie liebet/ daß die/ derer gantze Seele in
dir lebet/ kein Wort auffbringen könne. Mu-
räna vernahm mit höchster Bestürtzung/ wie
er verführet sey/ zohe damit den Vorhang e-
benfalls weg/ und sahe/ die für Begierde glän-
tzende Julia vor sich stehen; fragte hierauff mit
etlichmaßiger Entrüstung: wie sie darzu käme/
daß sie sich an derselben Platz und Recht stelle-
te/ die ihn dahin beruffen hätte? Julia ant-
wortete für ihm auff die Knie sinckende: Aller-
liebster Muräna/ übe deinen Zorn über die zu
deiner Vergnügung aus/ die sonst nichts gesün-
diget hat/ als daß sie ihre Seele dir selbst auff
dem Feuer der eussersten Liebe auffopffert; denn
diese nimmt auch Wunden für Liebeskosungen
auff. Glaube aber/ daß du hier eben diese fin-
dest/ die dich hieher beruffen hat. Ach Mu-
räna! Zürnestu mit mir/ daß mein Geburts-
Gestirne alle Regungen in mir nach dem Ein-
flusse deiner Vollkommenheit erweckt? Fürch-
testu nicht/ daß die Liebe mit grösserer Grau-
samkeit ihre Verachtung rächet/ als sonst ihre
Kräffte sind? Ach Muräna! bey dir stehet es ja
wohl/ daß du mich verschmähest; aber so wenig
es in meiner Gewalt beruhet/ dich nicht zu lie-
ben/ so wenig kan auch deine Gramschafft es
verhindern. Mit diesen Worten umarmte sie
auffs neue Muränen/ der ihr aber einbrach:
Wenn du mich liebtest/ würdest du mich nicht in
Untreu zu stürtzen trachten; und wenn du dir
nicht selbst unhold wärest/ würdestu deine Ver-
gnügung nicht in der Unmögligkeit suchen. Die
Liebe ist derselbe Vogel/ welcher nicht als von sei-
nes gleichen gefangen werden kan/ nehmlich der
Gegenliebe/ welcher du nicht fähig werden
kanst/ weil sie einer andern verpfändet ist. Ju-
lia versetzte: Jst Antoniens Liebe mir zuvor
kommen in der Zeit/ so überwiegt sie meine im
Gewichte/ und ist gegen meiner kalt Wasser.
[Spaltenumbruch] Hat Antonie ehe geliebt/ so liebe ich hefftiger.
Ach Muräna! meinestu/ daß uns die Götter
hier vergebens zusammen gebracht? meinestu/
daß der Käyser und Octavia nicht fürlängst
Antonien dem Drusus verlobet? Und wer
weiß/ ob du nicht noch heute erfährest/ daß An-
tonia den Drusus eher als dich umarmet ha-
be? Arglist wird sicher nicht besser verbergt/ als
unter dem Fürhange der Einfalt; und die Ein-
bildung setzet die Falschheit bey uns mehrmahls
in solch Ansehen/ daß man sich auch mit offenen
Augen verbländen läst. Was am wenigsten
vermuthet wird/ verleitet uns am geschwinde-
sten. Ach Muräna! Hiermit erblaßte Julia;
und sie wäre ohnmächtig zu Bodem gesuncken/
wenn sie nicht Muräna erwischt/ und mit Bal-
samen erqvicket hätte. Wie er sie sich aber
wieder erholen sahe/ hob er an: Julia überwinde
dich/ schone meiner/ hoffe auff die Zeit/ vertraue
den Göttern/ und gedencke/ daß die Wunden
der Liebe nicht alle mit dem Eisen geheilet wer-
den/ das sie zum ersten gemacht hat. Und hier-
mit trat er nicht weniger verwirret aus ihrem
Zimmer und dem Schau-Platze/ als er Julien
bestürtzt sitzen ließ.

Jch lasse euch nachdencken/ in was für Wel-
len das Hertze Muränens über so seltzamen Zu-
falle gewallet haben müsse. Aber es war hier-
mit bey weitem nicht ausgemacht. Denn als
er aus dem Schau-Platze schriet/ trat Antonie
gleich auff ihre Sänffte; und ob er ihr gleich
ins Gesichte fiel/ schlug sie doch augenblicks
das Antlitz von ihm weg/ zohe auch überdiß die
Fürhänge für/ daß er sie darinnen nicht sehen
konte. Wie er auch zu Hause etliche Stun-
den seinem Kummer nachgehangen hatte/ a-
ber weder sein Elend übersehen/ noch selbtem
abhelffen konte/ ward bey ihm ein Freygelasse-
ner angesagt/ der ihn selbst in Person sprechen
wolte. Dieser übergab ohne einiges Wort
dem Muräna ein Schreiben/ kehrte auch
unverwandten Fußes zurück. Muräna öff-

nete

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] fuͤrzutragen? Julia fing nach einem tieffen
Seuffzer an: Wundere dich nicht/ Muraͤna/
daß die/ welche dich hundert mahl bruͤnſtiger
als Antonie liebet/ daß die/ derer gantze Seele in
dir lebet/ kein Wort auffbringen koͤnne. Mu-
raͤna vernahm mit hoͤchſter Beſtuͤrtzung/ wie
er verfuͤhret ſey/ zohe damit den Vorhang e-
benfalls weg/ und ſahe/ die fuͤr Begierde glaͤn-
tzende Julia vor ſich ſtehen; fragte hierauff mit
etlichmaßiger Entruͤſtung: wie ſie darzu kaͤme/
daß ſie ſich an derſelben Platz und Recht ſtelle-
te/ die ihn dahin beruffen haͤtte? Julia ant-
wortete fuͤr ihm auff die Knie ſinckende: Aller-
liebſter Muraͤna/ uͤbe deinen Zorn uͤber die zu
deiner Vergnuͤgung aus/ die ſonſt nichts geſuͤn-
diget hat/ als daß ſie ihre Seele dir ſelbſt auff
dem Feuer der euſſerſten Liebe auffopffert; denn
dieſe nimmt auch Wunden fuͤr Liebeskoſungen
auff. Glaube aber/ daß du hier eben dieſe fin-
deſt/ die dich hieher beruffen hat. Ach Mu-
raͤna! Zuͤrneſtu mit mir/ daß mein Geburts-
Geſtirne alle Regungen in mir nach dem Ein-
fluſſe deiner Vollkommenheit erweckt? Fuͤrch-
teſtu nicht/ daß die Liebe mit groͤſſerer Grau-
ſamkeit ihre Verachtung raͤchet/ als ſonſt ihre
Kraͤffte ſind? Ach Muraͤna! bey dir ſtehet es ja
wohl/ daß du mich verſchmaͤheſt; aber ſo wenig
es in meiner Gewalt beruhet/ dich nicht zu lie-
ben/ ſo wenig kan auch deine Gramſchafft es
verhindern. Mit dieſen Worten umarmte ſie
auffs neue Muraͤnen/ der ihr aber einbrach:
Wenn du mich liebteſt/ wuͤrdeſt du mich nicht in
Untreu zu ſtuͤrtzen trachten; und wenn du dir
nicht ſelbſt unhold waͤreſt/ wuͤrdeſtu deine Ver-
gnuͤgung nicht in der Unmoͤgligkeit ſuchen. Die
Liebe iſt derſelbe Vogel/ welcher nicht als von ſei-
nes gleichen gefangen werden kan/ nehmlich der
Gegenliebe/ welcher du nicht faͤhig werden
kanſt/ weil ſie einer andern verpfaͤndet iſt. Ju-
lia verſetzte: Jſt Antoniens Liebe mir zuvor
kommen in der Zeit/ ſo uͤberwiegt ſie meine im
Gewichte/ und iſt gegen meiner kalt Waſſer.
[Spaltenumbruch] Hat Antonie ehe geliebt/ ſo liebe ich hefftiger.
Ach Muraͤna! meineſtu/ daß uns die Goͤtter
hier vergebens zuſammen gebracht? meineſtu/
daß der Kaͤyſer und Octavia nicht fuͤrlaͤngſt
Antonien dem Druſus verlobet? Und wer
weiß/ ob du nicht noch heute erfaͤhreſt/ daß An-
tonia den Druſus eher als dich umarmet ha-
be? Argliſt wird ſicher nicht beſſer verbergt/ als
unter dem Fuͤrhange der Einfalt; und die Ein-
bildung ſetzet die Falſchheit bey uns mehrmahls
in ſolch Anſehen/ daß man ſich auch mit offenen
Augen verblaͤnden laͤſt. Was am wenigſten
vermuthet wird/ verleitet uns am geſchwinde-
ſten. Ach Muraͤna! Hiermit erblaßte Julia;
und ſie waͤre ohnmaͤchtig zu Bodem geſuncken/
wenn ſie nicht Muraͤna erwiſcht/ und mit Bal-
ſamen erqvicket haͤtte. Wie er ſie ſich aber
wieder erholen ſahe/ hob er an: Julia uͤberwinde
dich/ ſchone meiner/ hoffe auff die Zeit/ vertraue
den Goͤttern/ und gedencke/ daß die Wunden
der Liebe nicht alle mit dem Eiſen geheilet wer-
den/ das ſie zum erſten gemacht hat. Und hier-
mit trat er nicht weniger verwirret aus ihrem
Zimmer und dem Schau-Platze/ als er Julien
beſtuͤrtzt ſitzen ließ.

Jch laſſe euch nachdencken/ in was fuͤr Wel-
len das Hertze Muraͤnens uͤber ſo ſeltzamen Zu-
falle gewallet haben muͤſſe. Aber es war hier-
mit bey weitem nicht ausgemacht. Denn als
er aus dem Schau-Platze ſchriet/ trat Antonie
gleich auff ihre Saͤnffte; und ob er ihr gleich
ins Geſichte fiel/ ſchlug ſie doch augenblicks
das Antlitz von ihm weg/ zohe auch uͤberdiß die
Fuͤrhaͤnge fuͤr/ daß er ſie darinnen nicht ſehen
konte. Wie er auch zu Hauſe etliche Stun-
den ſeinem Kummer nachgehangen hatte/ a-
ber weder ſein Elend uͤberſehen/ noch ſelbtem
abhelffen konte/ ward bey ihm ein Freygelaſſe-
ner angeſagt/ der ihn ſelbſt in Perſon ſprechen
wolte. Dieſer uͤbergab ohne einiges Wort
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unverwandten Fußes zuruͤck. Muraͤna oͤff-

nete
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/448>, abgerufen am 22.11.2024.