Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Bonen sich entsetzet. Und bey den Helden wä-re mehrmals die Furcht und Hertzhafftigkeit e- ben so wol/ als in den Wolcken Feuer und Kälte vereinbarlich. Aratus Sicyonius hätte durch seine Thaten bey den Griechen den Ruhm eines unver gleichlichen Feld-Hauptmannes erwor- ben/ gleichwol hätte ihm bey allen Treffen das Hertze mehr/ als dem furchtsamsten Kriegsknech- te geklopfft; und er hätte offt seine Untergebe- nen ängstig gefragt: Ob er auch selbst würde treffen müssen? Er wolte einen andern tapffe- ren Kriegs-Mann nicht nennen/ welcher bey angehender Schlacht ärger/ als ein Aespenlaub gezittert; diesen Gebrechen der Natur aber einsmals gegen einem/ der ihm einen Harnisch anzulegen gerathen/ aber derogestalt artlich ab- gelehnet hätte: Er dörfte keiner solchen Waf- fen. Denn das Fleisch zitterte und scheute sich nur für dem Gedränge/ darein es sein feuriges Hertze einzwängen wolte. Dahero wäre die Meinung nicht durchgehends anzunehmen/ daß kein furchtsamer iemahls ein Siegszeichen aufgerichtet/ noch das Glücke zum Beystande gehabt hätte. Griechenland glaubte/ daß die Furcht denen Göttern selbst anständig wäre; als welche sich für dem Riesen Tiphaus in Egy- pten geflüchtet/ und in wilder Thiere Gestalt versteckt hätten. Das Verhängnüß brauchte das Schrecken bißweilen zu einem bösen Wahr- sager/ und wenn selbtes eine göttliche Schi- ckung wäre/ müsten auch eiserne Hertzen beben/ und die Kinder der Götter so wol/ als Ajax/ He- ctor und Amphiaraus fliehen. Also hätte Pan bey des Bacchus Heere durch ein blosses Ge- schrey/ und desselbten Wiederschall dem Jndi- schen/ eine blosse Einbildung dem Xerxischen/ und eine unerforschliche Ursache des grossen A- lexanders Heere/ als es gleich mit dem Darius schlagen sollen/ eine über-natürliche Furcht ein- gejagt/ daß sie wie unsinnige Menschen sich ge- berdet. Gleichwol wäre bey den letzten solche bald mit Weglegung der Waffen verschwun- [Spaltenumbruch] den/ und ihr Schrecken mit einem herrlichen Siege gekrönt worden. Dahero wäre die Furcht nicht nur zuweilen unvermeidlich/ son- dern auch nützlich; und würden auch die tapffer- sten Leute durch geschwinde Zufälle erschrecket. Denn ob zwar ihre Ubermasse freylich wol alle Weißheit aus dem Gemüthe raubete/ und ein ungetreuer Lehrmeister unsers Fürhabens ist; so wäre doch die mäßige eine Mutter der Vor- sicht/ diese aber der Glückseligkeit/ und eine Schwester der Klugheit. Sintemal die furcht- samen insgemein auch die Nachdencklichsten sind. Und wie der Camelion nur/ wenn er furchtsam ist/ zu seiner nöthigen Erhaltung die Farben veränderte/ und die Hindinnen nur/ wenn es donnert/ trächtig würden; Also lehre- te auch nur eine vernünfftige Beysorge für Un- glücks-Fällen kluge Anschläge/ und vielerley Anstalten zu erfinden; und das gemeine Heil fruchtbar zu machen. Die übermäßige Furcht selbst wäre mehrmals zu was gutem dienlich; indem sie durch die Verzweiffelung unmögliche Dinge ausübete; Und der über seines Vaters Crösus Lebens-Gefahr erschreckende Sohn sei- ne ihm von der Natur gebundene Zunge auff- lösete/ wormit sein Band der Liebe dem Vater den Lebens-Fadem verlängere. Ja die Furcht wäre mehrmals so heilsam/ daß man selbte an- nehmen müste/ wenn man sie am wenigsten hät- te. Mit dieser hätte Ventidius den Pacorus mit seinen Persen/ diese aber den Antonius über- wunden. Die Staats-Klugen brauchten die Furcht oft zum Werckzeuge der Ruhe und Si- cherheit. Sie wäre der einige Nagel/ welcher die Gesetze hielte/ weil die wenigsten aus Liebe der Tugend nicht sündigten. Sie wäre das Siegel der Friedens-Schlüsse und Bündnüs- se/ ein Kapzaum unbändiger Völcker/ welche bey verschwindender Furcht also gleich wieder zu den Waffen griffen/ und das gemeinste Band der Unterthanen. Denn man müste alle die mit ihr zwingen/ welche durch Wolthat nicht zu gewin- Erster Theil. L l l
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Bonen ſich entſetzet. Und bey den Helden waͤ-re mehrmals die Furcht und Hertzhafftigkeit e- ben ſo wol/ als in den Wolcken Feuer und Kaͤlte vereinbarlich. Aratus Sicyonius haͤtte durch ſeine Thaten bey den Griechen den Ruhm eines unver gleichlichen Feld-Hauptmannes erwor- ben/ gleichwol haͤtte ihm bey allen Treffen das Hertze mehr/ als dem furchtſamſtẽ Kriegsknech- te geklopfft; und er haͤtte offt ſeine Untergebe- nen aͤngſtig gefragt: Ob er auch ſelbſt wuͤrde treffen muͤſſen? Er wolte einen andern tapffe- ren Kriegs-Mann nicht nennen/ welcher bey angehender Schlacht aͤrger/ als ein Aeſpenlaub gezittert; dieſen Gebrechen der Natur aber einsmals gegen einem/ der ihm einen Harniſch anzulegen gerathen/ aber derogeſtalt artlich ab- gelehnet haͤtte: Er doͤrfte keiner ſolchen Waf- fen. Denn das Fleiſch zitterte und ſcheute ſich nur fuͤr dem Gedraͤnge/ darein es ſein feuriges Hertze einzwaͤngen wolte. Dahero waͤre die Meinung nicht durchgehends anzunehmen/ daß kein furchtſamer iemahls ein Siegszeichen aufgerichtet/ noch das Gluͤcke zum Beyſtande gehabt haͤtte. Griechenland glaubte/ daß die Furcht denen Goͤttern ſelbſt anſtaͤndig waͤre; als welche ſich fuͤr dem Rieſen Tiphaus in Egy- pten gefluͤchtet/ und in wilder Thiere Geſtalt verſteckt haͤtten. Das Verhaͤngnuͤß brauchte das Schrecken bißweilen zu einem boͤſen Wahr- ſager/ und wenn ſelbtes eine goͤttliche Schi- ckung waͤre/ muͤſten auch eiſerne Hertzen beben/ und die Kinder der Goͤtter ſo wol/ als Ajax/ He- ctor und Amphiaraus fliehen. Alſo haͤtte Pan bey des Bacchus Heere durch ein bloſſes Ge- ſchrey/ und deſſelbten Wiederſchall dem Jndi- ſchen/ eine bloſſe Einbildung dem Xerxiſchen/ und eine unerforſchliche Urſache des groſſen A- lexanders Heere/ als es gleich mit dem Darius ſchlagen ſollen/ eine uͤber-natuͤrliche Furcht ein- gejagt/ daß ſie wie unſinnige Menſchen ſich ge- berdet. Gleichwol waͤre bey den letzten ſolche bald mit Weglegung der Waffen verſchwun- [Spaltenumbruch] den/ und ihr Schrecken mit einem herrlichen Siege gekroͤnt worden. Dahero waͤre die Furcht nicht nur zuweilen unvermeidlich/ ſon- dern auch nuͤtzlich; und wuͤrden auch die tapffer- ſten Leute durch geſchwinde Zufaͤlle erſchrecket. Denn ob zwar ihre Ubermaſſe freylich wol alle Weißheit aus dem Gemuͤthe raubete/ und ein ungetreuer Lehrmeiſter unſers Fuͤrhabens iſt; ſo waͤre doch die maͤßige eine Mutter der Vor- ſicht/ dieſe aber der Gluͤckſeligkeit/ und eine Schweſter der Klugheit. Sintemal die furcht- ſamen insgemein auch die Nachdencklichſten ſind. Und wie der Camelion nur/ wenn er furchtſam iſt/ zu ſeiner noͤthigen Erhaltung die Farben veraͤnderte/ und die Hindinnen nur/ wenn es donnert/ traͤchtig wuͤrden; Alſo lehre- te auch nur eine vernuͤnfftige Beyſorge fuͤr Un- gluͤcks-Faͤllen kluge Anſchlaͤge/ und vielerley Anſtalten zu erfinden; und das gemeine Heil fruchtbar zu machen. Die uͤbermaͤßige Furcht ſelbſt waͤre mehrmals zu was gutem dienlich; indem ſie durch die Verzweiffelung unmoͤgliche Dinge ausuͤbete; Und der uͤber ſeines Vaters Croͤſus Lebens-Gefahr erſchreckende Sohn ſei- ne ihm von der Natur gebundene Zunge auff- loͤſete/ wormit ſein Band der Liebe dem Vater den Lebens-Fadem verlaͤngere. Ja die Furcht waͤre mehrmals ſo heilſam/ daß man ſelbte an- nehmen muͤſte/ wenn man ſie am wenigſten haͤt- te. Mit dieſer haͤtte Ventidius den Pacorus mit ſeinen Perſen/ dieſe aber den Antonius uͤber- wunden. Die Staats-Klugen brauchten die Furcht oft zum Werckzeuge der Ruhe und Si- cherheit. Sie waͤre der einige Nagel/ welcher die Geſetze hielte/ weil die wenigſten aus Liebe der Tugend nicht ſuͤndigten. Sie waͤre das Siegel der Friedens-Schluͤſſe und Buͤndnuͤſ- ſe/ ein Kapzaum unbaͤndiger Voͤlcker/ welche bey verſchwindender Furcht alſo gleich wieder zu den Waffen griffen/ und das gemeinſte Band der Unterthanen. Denn man muͤſte alle die mit ihr zwingen/ welche durch Wolthat nicht zu gewin- Erſter Theil. L l l
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0503" n="449"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/> Bonen ſich entſetzet. Und bey den Helden waͤ-<lb/> re mehrmals die Furcht und Hertzhafftigkeit e-<lb/> ben ſo wol/ als in den Wolcken Feuer und Kaͤlte<lb/> vereinbarlich. Aratus Sicyonius haͤtte durch<lb/> ſeine Thaten bey den Griechen den Ruhm eines<lb/> unver gleichlichen Feld-Hauptmannes erwor-<lb/> ben/ gleichwol haͤtte ihm bey allen Treffen das<lb/> Hertze mehr/ als dem furchtſamſtẽ Kriegsknech-<lb/> te geklopfft; und er haͤtte offt ſeine Untergebe-<lb/> nen aͤngſtig gefragt: Ob er auch ſelbſt wuͤrde<lb/> treffen muͤſſen? Er wolte einen andern tapffe-<lb/> ren Kriegs-Mann nicht nennen/ welcher bey<lb/> angehender Schlacht aͤrger/ als ein Aeſpenlaub<lb/> gezittert; dieſen Gebrechen der Natur aber<lb/> einsmals gegen einem/ der ihm einen Harniſch<lb/> anzulegen gerathen/ aber derogeſtalt artlich ab-<lb/> gelehnet haͤtte: Er doͤrfte keiner ſolchen Waf-<lb/> fen. Denn das Fleiſch zitterte und ſcheute ſich<lb/> nur fuͤr dem Gedraͤnge/ darein es ſein feuriges<lb/> Hertze einzwaͤngen wolte. Dahero waͤre die<lb/> Meinung nicht durchgehends anzunehmen/<lb/> daß kein furchtſamer iemahls ein Siegszeichen<lb/> aufgerichtet/ noch das Gluͤcke zum Beyſtande<lb/> gehabt haͤtte. Griechenland glaubte/ daß die<lb/> Furcht denen Goͤttern ſelbſt anſtaͤndig waͤre;<lb/> als welche ſich fuͤr dem Rieſen Tiphaus in Egy-<lb/> pten gefluͤchtet/ und in wilder Thiere Geſtalt<lb/> verſteckt haͤtten. Das Verhaͤngnuͤß brauchte<lb/> das Schrecken bißweilen zu einem boͤſen Wahr-<lb/> ſager/ und wenn ſelbtes eine goͤttliche Schi-<lb/> ckung waͤre/ muͤſten auch eiſerne Hertzen beben/<lb/> und die Kinder der Goͤtter ſo wol/ als Ajax/ He-<lb/> ctor und Amphiaraus fliehen. Alſo haͤtte Pan<lb/> bey des Bacchus Heere durch ein bloſſes Ge-<lb/> ſchrey/ und deſſelbten Wiederſchall dem Jndi-<lb/> ſchen/ eine bloſſe Einbildung dem Xerxiſchen/<lb/> und eine unerforſchliche Urſache des groſſen A-<lb/> lexanders Heere/ als es gleich mit dem Darius<lb/> ſchlagen ſollen/ eine uͤber-natuͤrliche Furcht ein-<lb/> gejagt/ daß ſie wie unſinnige Menſchen ſich ge-<lb/> berdet. Gleichwol waͤre bey den letzten ſolche<lb/> bald mit Weglegung der Waffen verſchwun-<lb/><cb/> den/ und ihr Schrecken mit einem herrlichen<lb/> Siege gekroͤnt worden. Dahero waͤre die<lb/> Furcht nicht nur zuweilen unvermeidlich/ ſon-<lb/> dern auch nuͤtzlich; und wuͤrden auch die tapffer-<lb/> ſten Leute durch geſchwinde Zufaͤlle erſchrecket.<lb/> Denn ob zwar ihre Ubermaſſe freylich wol alle<lb/> Weißheit aus dem Gemuͤthe raubete/ und ein<lb/> ungetreuer Lehrmeiſter unſers Fuͤrhabens iſt;<lb/> ſo waͤre doch die maͤßige eine Mutter der Vor-<lb/> ſicht/ dieſe aber der Gluͤckſeligkeit/ und eine<lb/> Schweſter der Klugheit. Sintemal die furcht-<lb/> ſamen insgemein auch die Nachdencklichſten<lb/> ſind. Und wie der Camelion nur/ wenn er<lb/> furchtſam iſt/ zu ſeiner noͤthigen Erhaltung die<lb/> Farben veraͤnderte/ und die Hindinnen nur/<lb/> wenn es donnert/ traͤchtig wuͤrden; Alſo lehre-<lb/> te auch nur eine vernuͤnfftige Beyſorge fuͤr Un-<lb/> gluͤcks-Faͤllen kluge Anſchlaͤge/ und vielerley<lb/> Anſtalten zu erfinden; und das gemeine Heil<lb/> fruchtbar zu machen. Die uͤbermaͤßige Furcht<lb/> ſelbſt waͤre mehrmals zu was gutem dienlich;<lb/> indem ſie durch die Verzweiffelung unmoͤgliche<lb/> Dinge ausuͤbete; Und der uͤber ſeines Vaters<lb/> Croͤſus Lebens-Gefahr erſchreckende Sohn ſei-<lb/> ne ihm von der Natur gebundene Zunge auff-<lb/> loͤſete/ wormit ſein Band der Liebe dem Vater<lb/> den Lebens-Fadem verlaͤngere. Ja die Furcht<lb/> waͤre mehrmals ſo heilſam/ daß man ſelbte an-<lb/> nehmen muͤſte/ wenn man ſie am wenigſten haͤt-<lb/> te. Mit dieſer haͤtte Ventidius den Pacorus<lb/> mit ſeinen Perſen/ dieſe aber den Antonius uͤber-<lb/> wunden. Die Staats-Klugen brauchten die<lb/> Furcht oft zum Werckzeuge der Ruhe und Si-<lb/> cherheit. Sie waͤre der einige Nagel/ welcher<lb/> die Geſetze hielte/ weil die wenigſten aus Liebe<lb/> der Tugend nicht ſuͤndigten. Sie waͤre das<lb/> Siegel der Friedens-Schluͤſſe und Buͤndnuͤſ-<lb/> ſe/ ein Kapzaum unbaͤndiger Voͤlcker/ welche<lb/> bey verſchwindender Furcht alſo gleich wieder<lb/> zu den Waffen griffen/ und das gemeinſte Band<lb/> der Unterthanen. Denn man muͤſte alle die<lb/> mit ihr zwingen/ welche durch Wolthat nicht zu<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Erſter Theil. L l l</fw><fw place="bottom" type="catch">gewin-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [449/0503]
Arminius und Thußnelda.
Bonen ſich entſetzet. Und bey den Helden waͤ-
re mehrmals die Furcht und Hertzhafftigkeit e-
ben ſo wol/ als in den Wolcken Feuer und Kaͤlte
vereinbarlich. Aratus Sicyonius haͤtte durch
ſeine Thaten bey den Griechen den Ruhm eines
unver gleichlichen Feld-Hauptmannes erwor-
ben/ gleichwol haͤtte ihm bey allen Treffen das
Hertze mehr/ als dem furchtſamſtẽ Kriegsknech-
te geklopfft; und er haͤtte offt ſeine Untergebe-
nen aͤngſtig gefragt: Ob er auch ſelbſt wuͤrde
treffen muͤſſen? Er wolte einen andern tapffe-
ren Kriegs-Mann nicht nennen/ welcher bey
angehender Schlacht aͤrger/ als ein Aeſpenlaub
gezittert; dieſen Gebrechen der Natur aber
einsmals gegen einem/ der ihm einen Harniſch
anzulegen gerathen/ aber derogeſtalt artlich ab-
gelehnet haͤtte: Er doͤrfte keiner ſolchen Waf-
fen. Denn das Fleiſch zitterte und ſcheute ſich
nur fuͤr dem Gedraͤnge/ darein es ſein feuriges
Hertze einzwaͤngen wolte. Dahero waͤre die
Meinung nicht durchgehends anzunehmen/
daß kein furchtſamer iemahls ein Siegszeichen
aufgerichtet/ noch das Gluͤcke zum Beyſtande
gehabt haͤtte. Griechenland glaubte/ daß die
Furcht denen Goͤttern ſelbſt anſtaͤndig waͤre;
als welche ſich fuͤr dem Rieſen Tiphaus in Egy-
pten gefluͤchtet/ und in wilder Thiere Geſtalt
verſteckt haͤtten. Das Verhaͤngnuͤß brauchte
das Schrecken bißweilen zu einem boͤſen Wahr-
ſager/ und wenn ſelbtes eine goͤttliche Schi-
ckung waͤre/ muͤſten auch eiſerne Hertzen beben/
und die Kinder der Goͤtter ſo wol/ als Ajax/ He-
ctor und Amphiaraus fliehen. Alſo haͤtte Pan
bey des Bacchus Heere durch ein bloſſes Ge-
ſchrey/ und deſſelbten Wiederſchall dem Jndi-
ſchen/ eine bloſſe Einbildung dem Xerxiſchen/
und eine unerforſchliche Urſache des groſſen A-
lexanders Heere/ als es gleich mit dem Darius
ſchlagen ſollen/ eine uͤber-natuͤrliche Furcht ein-
gejagt/ daß ſie wie unſinnige Menſchen ſich ge-
berdet. Gleichwol waͤre bey den letzten ſolche
bald mit Weglegung der Waffen verſchwun-
den/ und ihr Schrecken mit einem herrlichen
Siege gekroͤnt worden. Dahero waͤre die
Furcht nicht nur zuweilen unvermeidlich/ ſon-
dern auch nuͤtzlich; und wuͤrden auch die tapffer-
ſten Leute durch geſchwinde Zufaͤlle erſchrecket.
Denn ob zwar ihre Ubermaſſe freylich wol alle
Weißheit aus dem Gemuͤthe raubete/ und ein
ungetreuer Lehrmeiſter unſers Fuͤrhabens iſt;
ſo waͤre doch die maͤßige eine Mutter der Vor-
ſicht/ dieſe aber der Gluͤckſeligkeit/ und eine
Schweſter der Klugheit. Sintemal die furcht-
ſamen insgemein auch die Nachdencklichſten
ſind. Und wie der Camelion nur/ wenn er
furchtſam iſt/ zu ſeiner noͤthigen Erhaltung die
Farben veraͤnderte/ und die Hindinnen nur/
wenn es donnert/ traͤchtig wuͤrden; Alſo lehre-
te auch nur eine vernuͤnfftige Beyſorge fuͤr Un-
gluͤcks-Faͤllen kluge Anſchlaͤge/ und vielerley
Anſtalten zu erfinden; und das gemeine Heil
fruchtbar zu machen. Die uͤbermaͤßige Furcht
ſelbſt waͤre mehrmals zu was gutem dienlich;
indem ſie durch die Verzweiffelung unmoͤgliche
Dinge ausuͤbete; Und der uͤber ſeines Vaters
Croͤſus Lebens-Gefahr erſchreckende Sohn ſei-
ne ihm von der Natur gebundene Zunge auff-
loͤſete/ wormit ſein Band der Liebe dem Vater
den Lebens-Fadem verlaͤngere. Ja die Furcht
waͤre mehrmals ſo heilſam/ daß man ſelbte an-
nehmen muͤſte/ wenn man ſie am wenigſten haͤt-
te. Mit dieſer haͤtte Ventidius den Pacorus
mit ſeinen Perſen/ dieſe aber den Antonius uͤber-
wunden. Die Staats-Klugen brauchten die
Furcht oft zum Werckzeuge der Ruhe und Si-
cherheit. Sie waͤre der einige Nagel/ welcher
die Geſetze hielte/ weil die wenigſten aus Liebe
der Tugend nicht ſuͤndigten. Sie waͤre das
Siegel der Friedens-Schluͤſſe und Buͤndnuͤſ-
ſe/ ein Kapzaum unbaͤndiger Voͤlcker/ welche
bey verſchwindender Furcht alſo gleich wieder
zu den Waffen griffen/ und das gemeinſte Band
der Unterthanen. Denn man muͤſte alle die
mit ihr zwingen/ welche durch Wolthat nicht zu
gewin-
Erſter Theil. L l l
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |