Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Bonen sich entsetzet. Und bey den Helden wä-
re mehrmals die Furcht und Hertzhafftigkeit e-
ben so wol/ als in den Wolcken Feuer und Kälte
vereinbarlich. Aratus Sicyonius hätte durch
seine Thaten bey den Griechen den Ruhm eines
unver gleichlichen Feld-Hauptmannes erwor-
ben/ gleichwol hätte ihm bey allen Treffen das
Hertze mehr/ als dem furchtsamsten Kriegsknech-
te geklopfft; und er hätte offt seine Untergebe-
nen ängstig gefragt: Ob er auch selbst würde
treffen müssen? Er wolte einen andern tapffe-
ren Kriegs-Mann nicht nennen/ welcher bey
angehender Schlacht ärger/ als ein Aespenlaub
gezittert; diesen Gebrechen der Natur aber
einsmals gegen einem/ der ihm einen Harnisch
anzulegen gerathen/ aber derogestalt artlich ab-
gelehnet hätte: Er dörfte keiner solchen Waf-
fen. Denn das Fleisch zitterte und scheute sich
nur für dem Gedränge/ darein es sein feuriges
Hertze einzwängen wolte. Dahero wäre die
Meinung nicht durchgehends anzunehmen/
daß kein furchtsamer iemahls ein Siegszeichen
aufgerichtet/ noch das Glücke zum Beystande
gehabt hätte. Griechenland glaubte/ daß die
Furcht denen Göttern selbst anständig wäre;
als welche sich für dem Riesen Tiphaus in Egy-
pten geflüchtet/ und in wilder Thiere Gestalt
versteckt hätten. Das Verhängnüß brauchte
das Schrecken bißweilen zu einem bösen Wahr-
sager/ und wenn selbtes eine göttliche Schi-
ckung wäre/ müsten auch eiserne Hertzen beben/
und die Kinder der Götter so wol/ als Ajax/ He-
ctor und Amphiaraus fliehen. Also hätte Pan
bey des Bacchus Heere durch ein blosses Ge-
schrey/ und desselbten Wiederschall dem Jndi-
schen/ eine blosse Einbildung dem Xerxischen/
und eine unerforschliche Ursache des grossen A-
lexanders Heere/ als es gleich mit dem Darius
schlagen sollen/ eine über-natürliche Furcht ein-
gejagt/ daß sie wie unsinnige Menschen sich ge-
berdet. Gleichwol wäre bey den letzten solche
bald mit Weglegung der Waffen verschwun-
[Spaltenumbruch] den/ und ihr Schrecken mit einem herrlichen
Siege gekrönt worden. Dahero wäre die
Furcht nicht nur zuweilen unvermeidlich/ son-
dern auch nützlich; und würden auch die tapffer-
sten Leute durch geschwinde Zufälle erschrecket.
Denn ob zwar ihre Ubermasse freylich wol alle
Weißheit aus dem Gemüthe raubete/ und ein
ungetreuer Lehrmeister unsers Fürhabens ist;
so wäre doch die mäßige eine Mutter der Vor-
sicht/ diese aber der Glückseligkeit/ und eine
Schwester der Klugheit. Sintemal die furcht-
samen insgemein auch die Nachdencklichsten
sind. Und wie der Camelion nur/ wenn er
furchtsam ist/ zu seiner nöthigen Erhaltung die
Farben veränderte/ und die Hindinnen nur/
wenn es donnert/ trächtig würden; Also lehre-
te auch nur eine vernünfftige Beysorge für Un-
glücks-Fällen kluge Anschläge/ und vielerley
Anstalten zu erfinden; und das gemeine Heil
fruchtbar zu machen. Die übermäßige Furcht
selbst wäre mehrmals zu was gutem dienlich;
indem sie durch die Verzweiffelung unmögliche
Dinge ausübete; Und der über seines Vaters
Crösus Lebens-Gefahr erschreckende Sohn sei-
ne ihm von der Natur gebundene Zunge auff-
lösete/ wormit sein Band der Liebe dem Vater
den Lebens-Fadem verlängere. Ja die Furcht
wäre mehrmals so heilsam/ daß man selbte an-
nehmen müste/ wenn man sie am wenigsten hät-
te. Mit dieser hätte Ventidius den Pacorus
mit seinen Persen/ diese aber den Antonius über-
wunden. Die Staats-Klugen brauchten die
Furcht oft zum Werckzeuge der Ruhe und Si-
cherheit. Sie wäre der einige Nagel/ welcher
die Gesetze hielte/ weil die wenigsten aus Liebe
der Tugend nicht sündigten. Sie wäre das
Siegel der Friedens-Schlüsse und Bündnüs-
se/ ein Kapzaum unbändiger Völcker/ welche
bey verschwindender Furcht also gleich wieder
zu den Waffen griffen/ und das gemeinste Band
der Unterthanen. Denn man müste alle die
mit ihr zwingen/ welche durch Wolthat nicht zu

gewin-
Erster Theil. L l l

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Bonen ſich entſetzet. Und bey den Helden waͤ-
re mehrmals die Furcht und Hertzhafftigkeit e-
ben ſo wol/ als in den Wolcken Feuer und Kaͤlte
vereinbarlich. Aratus Sicyonius haͤtte durch
ſeine Thaten bey den Griechen den Ruhm eines
unver gleichlichen Feld-Hauptmannes erwor-
ben/ gleichwol haͤtte ihm bey allen Treffen das
Hertze mehr/ als dem furchtſamſtẽ Kriegsknech-
te geklopfft; und er haͤtte offt ſeine Untergebe-
nen aͤngſtig gefragt: Ob er auch ſelbſt wuͤrde
treffen muͤſſen? Er wolte einen andern tapffe-
ren Kriegs-Mann nicht nennen/ welcher bey
angehender Schlacht aͤrger/ als ein Aeſpenlaub
gezittert; dieſen Gebrechen der Natur aber
einsmals gegen einem/ der ihm einen Harniſch
anzulegen gerathen/ aber derogeſtalt artlich ab-
gelehnet haͤtte: Er doͤrfte keiner ſolchen Waf-
fen. Denn das Fleiſch zitterte und ſcheute ſich
nur fuͤr dem Gedraͤnge/ darein es ſein feuriges
Hertze einzwaͤngen wolte. Dahero waͤre die
Meinung nicht durchgehends anzunehmen/
daß kein furchtſamer iemahls ein Siegszeichen
aufgerichtet/ noch das Gluͤcke zum Beyſtande
gehabt haͤtte. Griechenland glaubte/ daß die
Furcht denen Goͤttern ſelbſt anſtaͤndig waͤre;
als welche ſich fuͤr dem Rieſen Tiphaus in Egy-
pten gefluͤchtet/ und in wilder Thiere Geſtalt
verſteckt haͤtten. Das Verhaͤngnuͤß brauchte
das Schrecken bißweilen zu einem boͤſen Wahr-
ſager/ und wenn ſelbtes eine goͤttliche Schi-
ckung waͤre/ muͤſten auch eiſerne Hertzen beben/
und die Kinder der Goͤtter ſo wol/ als Ajax/ He-
ctor und Amphiaraus fliehen. Alſo haͤtte Pan
bey des Bacchus Heere durch ein bloſſes Ge-
ſchrey/ und deſſelbten Wiederſchall dem Jndi-
ſchen/ eine bloſſe Einbildung dem Xerxiſchen/
und eine unerforſchliche Urſache des groſſen A-
lexanders Heere/ als es gleich mit dem Darius
ſchlagen ſollen/ eine uͤber-natuͤrliche Furcht ein-
gejagt/ daß ſie wie unſinnige Menſchen ſich ge-
berdet. Gleichwol waͤre bey den letzten ſolche
bald mit Weglegung der Waffen verſchwun-
[Spaltenumbruch] den/ und ihr Schrecken mit einem herrlichen
Siege gekroͤnt worden. Dahero waͤre die
Furcht nicht nur zuweilen unvermeidlich/ ſon-
dern auch nuͤtzlich; und wuͤrden auch die tapffer-
ſten Leute durch geſchwinde Zufaͤlle erſchrecket.
Denn ob zwar ihre Ubermaſſe freylich wol alle
Weißheit aus dem Gemuͤthe raubete/ und ein
ungetreuer Lehrmeiſter unſers Fuͤrhabens iſt;
ſo waͤre doch die maͤßige eine Mutter der Vor-
ſicht/ dieſe aber der Gluͤckſeligkeit/ und eine
Schweſter der Klugheit. Sintemal die furcht-
ſamen insgemein auch die Nachdencklichſten
ſind. Und wie der Camelion nur/ wenn er
furchtſam iſt/ zu ſeiner noͤthigen Erhaltung die
Farben veraͤnderte/ und die Hindinnen nur/
wenn es donnert/ traͤchtig wuͤrden; Alſo lehre-
te auch nur eine vernuͤnfftige Beyſorge fuͤr Un-
gluͤcks-Faͤllen kluge Anſchlaͤge/ und vielerley
Anſtalten zu erfinden; und das gemeine Heil
fruchtbar zu machen. Die uͤbermaͤßige Furcht
ſelbſt waͤre mehrmals zu was gutem dienlich;
indem ſie durch die Verzweiffelung unmoͤgliche
Dinge ausuͤbete; Und der uͤber ſeines Vaters
Croͤſus Lebens-Gefahr erſchreckende Sohn ſei-
ne ihm von der Natur gebundene Zunge auff-
loͤſete/ wormit ſein Band der Liebe dem Vater
den Lebens-Fadem verlaͤngere. Ja die Furcht
waͤre mehrmals ſo heilſam/ daß man ſelbte an-
nehmen muͤſte/ wenn man ſie am wenigſten haͤt-
te. Mit dieſer haͤtte Ventidius den Pacorus
mit ſeinen Perſen/ dieſe aber den Antonius uͤber-
wunden. Die Staats-Klugen brauchten die
Furcht oft zum Werckzeuge der Ruhe und Si-
cherheit. Sie waͤre der einige Nagel/ welcher
die Geſetze hielte/ weil die wenigſten aus Liebe
der Tugend nicht ſuͤndigten. Sie waͤre das
Siegel der Friedens-Schluͤſſe und Buͤndnuͤſ-
ſe/ ein Kapzaum unbaͤndiger Voͤlcker/ welche
bey verſchwindender Furcht alſo gleich wieder
zu den Waffen griffen/ und das gemeinſte Band
der Unterthanen. Denn man muͤſte alle die
mit ihr zwingen/ welche durch Wolthat nicht zu

gewin-
Erſter Theil. L l l
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0503" n="449"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
Bonen &#x017F;ich ent&#x017F;etzet. Und bey den Helden wa&#x0364;-<lb/>
re mehrmals die Furcht und Hertzhafftigkeit e-<lb/>
ben &#x017F;o wol/ als in den Wolcken Feuer und Ka&#x0364;lte<lb/>
vereinbarlich. Aratus Sicyonius ha&#x0364;tte durch<lb/>
&#x017F;eine Thaten bey den Griechen den Ruhm eines<lb/>
unver gleichlichen Feld-Hauptmannes erwor-<lb/>
ben/ gleichwol ha&#x0364;tte ihm bey allen Treffen das<lb/>
Hertze mehr/ als dem furcht&#x017F;am&#x017F;te&#x0303; Kriegsknech-<lb/>
te geklopfft; und er ha&#x0364;tte offt &#x017F;eine Untergebe-<lb/>
nen a&#x0364;ng&#x017F;tig gefragt: Ob er auch &#x017F;elb&#x017F;t wu&#x0364;rde<lb/>
treffen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en? Er wolte einen andern tapffe-<lb/>
ren Kriegs-Mann nicht nennen/ welcher bey<lb/>
angehender Schlacht a&#x0364;rger/ als ein Ae&#x017F;penlaub<lb/>
gezittert; die&#x017F;en Gebrechen der Natur aber<lb/>
einsmals gegen einem/ der ihm einen Harni&#x017F;ch<lb/>
anzulegen gerathen/ aber deroge&#x017F;talt artlich ab-<lb/>
gelehnet ha&#x0364;tte: Er do&#x0364;rfte keiner &#x017F;olchen Waf-<lb/>
fen. Denn das Flei&#x017F;ch zitterte und &#x017F;cheute &#x017F;ich<lb/>
nur fu&#x0364;r dem Gedra&#x0364;nge/ darein es &#x017F;ein feuriges<lb/>
Hertze einzwa&#x0364;ngen wolte. Dahero wa&#x0364;re die<lb/>
Meinung nicht durchgehends anzunehmen/<lb/>
daß kein furcht&#x017F;amer iemahls ein Siegszeichen<lb/>
aufgerichtet/ noch das Glu&#x0364;cke zum Bey&#x017F;tande<lb/>
gehabt ha&#x0364;tte. Griechenland glaubte/ daß die<lb/>
Furcht denen Go&#x0364;ttern &#x017F;elb&#x017F;t an&#x017F;ta&#x0364;ndig wa&#x0364;re;<lb/>
als welche &#x017F;ich fu&#x0364;r dem Rie&#x017F;en Tiphaus in Egy-<lb/>
pten geflu&#x0364;chtet/ und in wilder Thiere Ge&#x017F;talt<lb/>
ver&#x017F;teckt ha&#x0364;tten. Das Verha&#x0364;ngnu&#x0364;ß brauchte<lb/>
das Schrecken bißweilen zu einem bo&#x0364;&#x017F;en Wahr-<lb/>
&#x017F;ager/ und wenn &#x017F;elbtes eine go&#x0364;ttliche Schi-<lb/>
ckung wa&#x0364;re/ mu&#x0364;&#x017F;ten auch ei&#x017F;erne Hertzen beben/<lb/>
und die Kinder der Go&#x0364;tter &#x017F;o wol/ als Ajax/ He-<lb/>
ctor und Amphiaraus fliehen. Al&#x017F;o ha&#x0364;tte Pan<lb/>
bey des Bacchus Heere durch ein blo&#x017F;&#x017F;es Ge-<lb/>
&#x017F;chrey/ und de&#x017F;&#x017F;elbten Wieder&#x017F;chall dem Jndi-<lb/>
&#x017F;chen/ eine blo&#x017F;&#x017F;e Einbildung dem Xerxi&#x017F;chen/<lb/>
und eine unerfor&#x017F;chliche Ur&#x017F;ache des gro&#x017F;&#x017F;en A-<lb/>
lexanders Heere/ als es gleich mit dem Darius<lb/>
&#x017F;chlagen &#x017F;ollen/ eine u&#x0364;ber-natu&#x0364;rliche Furcht ein-<lb/>
gejagt/ daß &#x017F;ie wie un&#x017F;innige Men&#x017F;chen &#x017F;ich ge-<lb/>
berdet. Gleichwol wa&#x0364;re bey den letzten &#x017F;olche<lb/>
bald mit Weglegung der Waffen ver&#x017F;chwun-<lb/><cb/>
den/ und ihr Schrecken mit einem herrlichen<lb/>
Siege gekro&#x0364;nt worden. Dahero wa&#x0364;re die<lb/>
Furcht nicht nur zuweilen unvermeidlich/ &#x017F;on-<lb/>
dern auch nu&#x0364;tzlich; und wu&#x0364;rden auch die tapffer-<lb/>
&#x017F;ten Leute durch ge&#x017F;chwinde Zufa&#x0364;lle er&#x017F;chrecket.<lb/>
Denn ob zwar ihre Uberma&#x017F;&#x017F;e freylich wol alle<lb/>
Weißheit aus dem Gemu&#x0364;the raubete/ und ein<lb/>
ungetreuer Lehrmei&#x017F;ter un&#x017F;ers Fu&#x0364;rhabens i&#x017F;t;<lb/>
&#x017F;o wa&#x0364;re doch die ma&#x0364;ßige eine Mutter der Vor-<lb/>
&#x017F;icht/ die&#x017F;e aber der Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit/ und eine<lb/>
Schwe&#x017F;ter der Klugheit. Sintemal die furcht-<lb/>
&#x017F;amen insgemein auch die Nachdencklich&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;ind. Und wie der Camelion nur/ wenn er<lb/>
furcht&#x017F;am i&#x017F;t/ zu &#x017F;einer no&#x0364;thigen Erhaltung die<lb/>
Farben vera&#x0364;nderte/ und die Hindinnen nur/<lb/>
wenn es donnert/ tra&#x0364;chtig wu&#x0364;rden; Al&#x017F;o lehre-<lb/>
te auch nur eine vernu&#x0364;nfftige Bey&#x017F;orge fu&#x0364;r Un-<lb/>
glu&#x0364;cks-Fa&#x0364;llen kluge An&#x017F;chla&#x0364;ge/ und vielerley<lb/>
An&#x017F;talten zu erfinden; und das gemeine Heil<lb/>
fruchtbar zu machen. Die u&#x0364;berma&#x0364;ßige Furcht<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t wa&#x0364;re mehrmals zu was gutem dienlich;<lb/>
indem &#x017F;ie durch die Verzweiffelung unmo&#x0364;gliche<lb/>
Dinge ausu&#x0364;bete; Und der u&#x0364;ber &#x017F;eines Vaters<lb/>
Cro&#x0364;&#x017F;us Lebens-Gefahr er&#x017F;chreckende Sohn &#x017F;ei-<lb/>
ne ihm von der Natur gebundene Zunge auff-<lb/>
lo&#x0364;&#x017F;ete/ wormit &#x017F;ein Band der Liebe dem Vater<lb/>
den Lebens-Fadem verla&#x0364;ngere. Ja die Furcht<lb/>
wa&#x0364;re mehrmals &#x017F;o heil&#x017F;am/ daß man &#x017F;elbte an-<lb/>
nehmen mu&#x0364;&#x017F;te/ wenn man &#x017F;ie am wenig&#x017F;ten ha&#x0364;t-<lb/>
te. Mit die&#x017F;er ha&#x0364;tte Ventidius den Pacorus<lb/>
mit &#x017F;einen Per&#x017F;en/ die&#x017F;e aber den Antonius u&#x0364;ber-<lb/>
wunden. Die Staats-Klugen brauchten die<lb/>
Furcht oft zum Werckzeuge der Ruhe und Si-<lb/>
cherheit. Sie wa&#x0364;re der einige Nagel/ welcher<lb/>
die Ge&#x017F;etze hielte/ weil die wenig&#x017F;ten aus Liebe<lb/>
der Tugend nicht &#x017F;u&#x0364;ndigten. Sie wa&#x0364;re das<lb/>
Siegel der Friedens-Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und Bu&#x0364;ndnu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e/ ein Kapzaum unba&#x0364;ndiger Vo&#x0364;lcker/ welche<lb/>
bey ver&#x017F;chwindender Furcht al&#x017F;o gleich wieder<lb/>
zu den Waffen griffen/ und das gemein&#x017F;te Band<lb/>
der Unterthanen. Denn man mu&#x0364;&#x017F;te alle die<lb/>
mit ihr zwingen/ welche durch Wolthat nicht zu<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Er&#x017F;ter Theil. L l l</fw><fw place="bottom" type="catch">gewin-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[449/0503] Arminius und Thußnelda. Bonen ſich entſetzet. Und bey den Helden waͤ- re mehrmals die Furcht und Hertzhafftigkeit e- ben ſo wol/ als in den Wolcken Feuer und Kaͤlte vereinbarlich. Aratus Sicyonius haͤtte durch ſeine Thaten bey den Griechen den Ruhm eines unver gleichlichen Feld-Hauptmannes erwor- ben/ gleichwol haͤtte ihm bey allen Treffen das Hertze mehr/ als dem furchtſamſtẽ Kriegsknech- te geklopfft; und er haͤtte offt ſeine Untergebe- nen aͤngſtig gefragt: Ob er auch ſelbſt wuͤrde treffen muͤſſen? Er wolte einen andern tapffe- ren Kriegs-Mann nicht nennen/ welcher bey angehender Schlacht aͤrger/ als ein Aeſpenlaub gezittert; dieſen Gebrechen der Natur aber einsmals gegen einem/ der ihm einen Harniſch anzulegen gerathen/ aber derogeſtalt artlich ab- gelehnet haͤtte: Er doͤrfte keiner ſolchen Waf- fen. Denn das Fleiſch zitterte und ſcheute ſich nur fuͤr dem Gedraͤnge/ darein es ſein feuriges Hertze einzwaͤngen wolte. Dahero waͤre die Meinung nicht durchgehends anzunehmen/ daß kein furchtſamer iemahls ein Siegszeichen aufgerichtet/ noch das Gluͤcke zum Beyſtande gehabt haͤtte. Griechenland glaubte/ daß die Furcht denen Goͤttern ſelbſt anſtaͤndig waͤre; als welche ſich fuͤr dem Rieſen Tiphaus in Egy- pten gefluͤchtet/ und in wilder Thiere Geſtalt verſteckt haͤtten. Das Verhaͤngnuͤß brauchte das Schrecken bißweilen zu einem boͤſen Wahr- ſager/ und wenn ſelbtes eine goͤttliche Schi- ckung waͤre/ muͤſten auch eiſerne Hertzen beben/ und die Kinder der Goͤtter ſo wol/ als Ajax/ He- ctor und Amphiaraus fliehen. Alſo haͤtte Pan bey des Bacchus Heere durch ein bloſſes Ge- ſchrey/ und deſſelbten Wiederſchall dem Jndi- ſchen/ eine bloſſe Einbildung dem Xerxiſchen/ und eine unerforſchliche Urſache des groſſen A- lexanders Heere/ als es gleich mit dem Darius ſchlagen ſollen/ eine uͤber-natuͤrliche Furcht ein- gejagt/ daß ſie wie unſinnige Menſchen ſich ge- berdet. Gleichwol waͤre bey den letzten ſolche bald mit Weglegung der Waffen verſchwun- den/ und ihr Schrecken mit einem herrlichen Siege gekroͤnt worden. Dahero waͤre die Furcht nicht nur zuweilen unvermeidlich/ ſon- dern auch nuͤtzlich; und wuͤrden auch die tapffer- ſten Leute durch geſchwinde Zufaͤlle erſchrecket. Denn ob zwar ihre Ubermaſſe freylich wol alle Weißheit aus dem Gemuͤthe raubete/ und ein ungetreuer Lehrmeiſter unſers Fuͤrhabens iſt; ſo waͤre doch die maͤßige eine Mutter der Vor- ſicht/ dieſe aber der Gluͤckſeligkeit/ und eine Schweſter der Klugheit. Sintemal die furcht- ſamen insgemein auch die Nachdencklichſten ſind. Und wie der Camelion nur/ wenn er furchtſam iſt/ zu ſeiner noͤthigen Erhaltung die Farben veraͤnderte/ und die Hindinnen nur/ wenn es donnert/ traͤchtig wuͤrden; Alſo lehre- te auch nur eine vernuͤnfftige Beyſorge fuͤr Un- gluͤcks-Faͤllen kluge Anſchlaͤge/ und vielerley Anſtalten zu erfinden; und das gemeine Heil fruchtbar zu machen. Die uͤbermaͤßige Furcht ſelbſt waͤre mehrmals zu was gutem dienlich; indem ſie durch die Verzweiffelung unmoͤgliche Dinge ausuͤbete; Und der uͤber ſeines Vaters Croͤſus Lebens-Gefahr erſchreckende Sohn ſei- ne ihm von der Natur gebundene Zunge auff- loͤſete/ wormit ſein Band der Liebe dem Vater den Lebens-Fadem verlaͤngere. Ja die Furcht waͤre mehrmals ſo heilſam/ daß man ſelbte an- nehmen muͤſte/ wenn man ſie am wenigſten haͤt- te. Mit dieſer haͤtte Ventidius den Pacorus mit ſeinen Perſen/ dieſe aber den Antonius uͤber- wunden. Die Staats-Klugen brauchten die Furcht oft zum Werckzeuge der Ruhe und Si- cherheit. Sie waͤre der einige Nagel/ welcher die Geſetze hielte/ weil die wenigſten aus Liebe der Tugend nicht ſuͤndigten. Sie waͤre das Siegel der Friedens-Schluͤſſe und Buͤndnuͤſ- ſe/ ein Kapzaum unbaͤndiger Voͤlcker/ welche bey verſchwindender Furcht alſo gleich wieder zu den Waffen griffen/ und das gemeinſte Band der Unterthanen. Denn man muͤſte alle die mit ihr zwingen/ welche durch Wolthat nicht zu gewin- Erſter Theil. L l l

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/503
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/503>, abgerufen am 26.06.2024.