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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] des Cajus und Lucius Verfallung im Hertzen
erfreuete. So boßhafft ist die Ehrsucht/ daß sie
mit eigner Boßheit sich empor zu schwingen; an-
dere aber mit ihrer in Abgrund zu drücken vor
hat. Der Käyser befahl endlich nach langem
Nachdencken: Man solte den Aristippus/ Cy-
renen und alle ihre Gefährten/ wie auch die
Mohrischen Weiber und Knaben im Kercker
erwürgen/ ihnen Steine an Hals hencken/ und
sie des Nachts in die Tiber werffen. Nachdem
auch August selbst dem Cajus und Lucius das
Gesetze geschärfft/ und ihnen bey nachbleiben-
der Besserung die Verweisung in das ungesun-
de Sardinien angedräuet hatte/ wurden sie/ und
zwar/ wormit das Verbrechen nicht einem
Ubersehen an dem andern gestrafft zu werden
schiene/ alle Römische Gefangene loß gelassen.
Alle Epicurische Weltweisen wurden aus Rom
und Jtalien verbannet. Sotion hingegen kam
bey den Römern in grosses Ansehen/ und beym
Käyser in solche Gnade/ daß er die Weißheit
öffentlich lehren/ die Druyden auch den halb-
zerstörten Tempel der Bellona/ weil man dar-
innen viel mit Menschenfleische gefüllte Töpffe
gefunden hatte/ ergäntzen/ und für sich und an-
dere Ausländer ihren gewohnten Gottesdienst
üben dorfften. Denn den Römischen Bür-
gern wolte der Staatskluge August weder die-
sen noch einigen andern fremden zulassen. Ca-
jus und Lucius faßten mich zwar in Verdacht/
als wenn von mir Aristippus und sein böses Be-
ginnen angegeben worden wäre/ aber der Käy-
ser hatte dißfals selbst Sorgfalt für mich; indem
er durch einen mir in ihrer Anwesenheit gege-
benen empfindlichen Verweiß/ daß ich auch
des Aristippus Verleitung gefolget hätte/ mich
aus dem gefaßten Argwohne klüglich ver-
setzte.

Cajus und Lucius wurden durch diese Be-
gebniß genöthiget ihre Unart zwar zu verber-
gen/ aber nicht mächtig sich selbter zu entäus-
sern. Denn die in dem Hertzen eingewur-
tzelten Laster sind schwerer als Unkraut aus
[Spaltenumbruch] geilem Erdreiche auszurotten. Ja die Men-
schen haben durchgehends mehr den Firniß/
als das Wesen der Tugend an sich. Dahe-
ro denn beyde junge Fürsten/ als der Eyfer
des Käysers verrauchte/ und seine gewohnte
Leutseligkeit zu ein und anderm Fehler ein Au-
ge zudrückte; insonderheit aber das Beyspiel
des Hofes und die kuplerische Heucheley sie wie-
der auff die alten Wege verleitete/ sie dem Athe-
nodor zwar ihre Ohren; aber denen Wollü-
sten ihre Hertzen verliehen. Wormit aber
meine Zunge nicht scheine ein Register frem-
der Schwachheiten zu seyn/ und daß ich mich
mit anderer Kohlen weiß brennen wolte/ will
ich alleine diß/ worvon zugleich mein Glücks-
Fadem gehangen/ berühren. Lucius war durch
des Aristippus Verleitung so verwehnt/ daß er
gleichsam für allem weissen Frauenzimmer ei-
ne Abscheu/ zu denen Morischen aber einen
hefftigen Zug hatte. Daher er ihm etliche
schwartze Sclavinnen kauffte/ selbte in einem
Garten unterhielt/ und sich diesen Mägden
zum Knechte machte. Es trug sich aber zu/
daß König Juba/ welchem August die junge
Cleopatra vermählt/ und das Königreich Nu-
midien wegen seines Vaters Juba ihm gelei-
steten treuen Beystandes eingeräumet hatte/
seine Tochter Dido nach Rom schickte/ um die
Römischen Sitten zu fassen/ und bey dem Käy-
serlichen Hause sich beliebt zu machen. Die-
se war eine Fürstin von sechzehn Jahren; aber
von reiffem Verstande. Sintemal die Ein-
wohner der heißen Länder ohne diß tieffsinni-
ger/ als kalte Völcker/ diese hingegen hertz-
haffter/ als jene seyn sollen. Sie war zwar ih-
rer Numidischen Landes-Art nach schwartz; a-
ber die Anmuth leuchtete ihr aus den Augen/
die Freundligkeit lachte auff ihrem Munde;
dessen Lippen nicht nach Morischer Art auff-
geworffen/ sondern wie alle andere Glieder
ihr rechtes Maaß und ihre vollkommene Ein-
theilung hatten. Lucius hatte diese Fürstin
so geschwinde nicht gesehen/ als die Kohlen ihres

Lei-
Erster Theil. N n n

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] des Cajus und Lucius Verfallung im Hertzen
erfreuete. So boßhafft iſt die Ehrſucht/ daß ſie
mit eigner Boßheit ſich empor zu ſchwingen; an-
dere aber mit ihrer in Abgrund zu druͤcken vor
hat. Der Kaͤyſer befahl endlich nach langem
Nachdencken: Man ſolte den Ariſtippus/ Cy-
renen und alle ihre Gefaͤhrten/ wie auch die
Mohriſchen Weiber und Knaben im Kercker
erwuͤrgen/ ihnen Steine an Hals hencken/ und
ſie des Nachts in die Tiber werffen. Nachdem
auch Auguſt ſelbſt dem Cajus und Lucius das
Geſetze geſchaͤrfft/ und ihnen bey nachbleiben-
der Beſſerung die Verweiſung in das ungeſun-
de Sardinien angedraͤuet hatte/ wurden ſie/ und
zwar/ wormit das Verbrechen nicht einem
Uberſehen an dem andern geſtrafft zu werden
ſchiene/ alle Roͤmiſche Gefangene loß gelaſſen.
Alle Epicuriſche Weltweiſen wurden aus Rom
und Jtalien verbannet. Sotion hingegen kam
bey den Roͤmern in groſſes Anſehen/ und beym
Kaͤyſer in ſolche Gnade/ daß er die Weißheit
oͤffentlich lehren/ die Druyden auch den halb-
zerſtoͤrten Tempel der Bellona/ weil man dar-
innen viel mit Menſchenfleiſche gefuͤllte Toͤpffe
gefunden hatte/ ergaͤntzen/ und fuͤr ſich und an-
dere Auslaͤnder ihren gewohnten Gottesdienſt
uͤben dorfften. Denn den Roͤmiſchen Buͤr-
gern wolte der Staatskluge Auguſt weder die-
ſen noch einigen andern fremden zulaſſen. Ca-
jus und Lucius faßten mich zwar in Verdacht/
als wenn von mir Ariſtippus und ſein boͤſes Be-
ginnen angegeben worden waͤre/ aber der Kaͤy-
ſer hatte dißfals ſelbſt Sorgfalt fuͤr mich; indem
er durch einen mir in ihrer Anweſenheit gege-
benen empfindlichen Verweiß/ daß ich auch
des Ariſtippus Verleitung gefolget haͤtte/ mich
aus dem gefaßten Argwohne kluͤglich ver-
ſetzte.

Cajus und Lucius wurden durch dieſe Be-
gebniß genoͤthiget ihre Unart zwar zu verber-
gen/ aber nicht maͤchtig ſich ſelbter zu entaͤuſ-
ſern. Denn die in dem Hertzen eingewur-
tzelten Laſter ſind ſchwerer als Unkraut aus
[Spaltenumbruch] geilem Erdreiche auszurotten. Ja die Men-
ſchen haben durchgehends mehr den Firniß/
als das Weſen der Tugend an ſich. Dahe-
ro denn beyde junge Fuͤrſten/ als der Eyfer
des Kaͤyſers verrauchte/ und ſeine gewohnte
Leutſeligkeit zu ein und anderm Fehler ein Au-
ge zudruͤckte; inſonderheit aber das Beyſpiel
des Hofes und die kupleriſche Heucheley ſie wie-
der auff die alten Wege verleitete/ ſie dem Athe-
nodor zwar ihre Ohren; aber denen Wolluͤ-
ſten ihre Hertzen verliehen. Wormit aber
meine Zunge nicht ſcheine ein Regiſter frem-
der Schwachheiten zu ſeyn/ und daß ich mich
mit anderer Kohlen weiß brennen wolte/ will
ich alleine diß/ worvon zugleich mein Gluͤcks-
Fadem gehangen/ beruͤhren. Lucius war durch
des Ariſtippus Verleitung ſo verwehnt/ daß er
gleichſam fuͤr allem weiſſen Frauenzimmer ei-
ne Abſcheu/ zu denen Moriſchen aber einen
hefftigen Zug hatte. Daher er ihm etliche
ſchwartze Sclavinnen kauffte/ ſelbte in einem
Garten unterhielt/ und ſich dieſen Maͤgden
zum Knechte machte. Es trug ſich aber zu/
daß Koͤnig Juba/ welchem Auguſt die junge
Cleopatra vermaͤhlt/ und das Koͤnigreich Nu-
midien wegen ſeines Vaters Juba ihm gelei-
ſteten treuen Beyſtandes eingeraͤumet hatte/
ſeine Tochter Dido nach Rom ſchickte/ um die
Roͤmiſchen Sitten zu faſſen/ und bey dem Kaͤy-
ſerlichen Hauſe ſich beliebt zu machen. Die-
ſe war eine Fuͤrſtin von ſechzehn Jahren; aber
von reiffem Verſtande. Sintemal die Ein-
wohner der heißen Laͤnder ohne diß tieffſinni-
ger/ als kalte Voͤlcker/ dieſe hingegen hertz-
haffter/ als jene ſeyn ſollen. Sie war zwar ih-
rer Numidiſchen Landes-Art nach ſchwartz; a-
ber die Anmuth leuchtete ihr aus den Augen/
die Freundligkeit lachte auff ihrem Munde;
deſſen Lippen nicht nach Moriſcher Art auff-
geworffen/ ſondern wie alle andere Glieder
ihr rechtes Maaß und ihre vollkommene Ein-
theilung hatten. Lucius hatte dieſe Fuͤrſtin
ſo geſchwinde nicht geſehen/ als die Kohlen ihres

Lei-
Erſter Theil. N n n
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[465/0519] Arminius und Thußnelda. des Cajus und Lucius Verfallung im Hertzen erfreuete. So boßhafft iſt die Ehrſucht/ daß ſie mit eigner Boßheit ſich empor zu ſchwingen; an- dere aber mit ihrer in Abgrund zu druͤcken vor hat. Der Kaͤyſer befahl endlich nach langem Nachdencken: Man ſolte den Ariſtippus/ Cy- renen und alle ihre Gefaͤhrten/ wie auch die Mohriſchen Weiber und Knaben im Kercker erwuͤrgen/ ihnen Steine an Hals hencken/ und ſie des Nachts in die Tiber werffen. Nachdem auch Auguſt ſelbſt dem Cajus und Lucius das Geſetze geſchaͤrfft/ und ihnen bey nachbleiben- der Beſſerung die Verweiſung in das ungeſun- de Sardinien angedraͤuet hatte/ wurden ſie/ und zwar/ wormit das Verbrechen nicht einem Uberſehen an dem andern geſtrafft zu werden ſchiene/ alle Roͤmiſche Gefangene loß gelaſſen. Alle Epicuriſche Weltweiſen wurden aus Rom und Jtalien verbannet. Sotion hingegen kam bey den Roͤmern in groſſes Anſehen/ und beym Kaͤyſer in ſolche Gnade/ daß er die Weißheit oͤffentlich lehren/ die Druyden auch den halb- zerſtoͤrten Tempel der Bellona/ weil man dar- innen viel mit Menſchenfleiſche gefuͤllte Toͤpffe gefunden hatte/ ergaͤntzen/ und fuͤr ſich und an- dere Auslaͤnder ihren gewohnten Gottesdienſt uͤben dorfften. Denn den Roͤmiſchen Buͤr- gern wolte der Staatskluge Auguſt weder die- ſen noch einigen andern fremden zulaſſen. Ca- jus und Lucius faßten mich zwar in Verdacht/ als wenn von mir Ariſtippus und ſein boͤſes Be- ginnen angegeben worden waͤre/ aber der Kaͤy- ſer hatte dißfals ſelbſt Sorgfalt fuͤr mich; indem er durch einen mir in ihrer Anweſenheit gege- benen empfindlichen Verweiß/ daß ich auch des Ariſtippus Verleitung gefolget haͤtte/ mich aus dem gefaßten Argwohne kluͤglich ver- ſetzte. Cajus und Lucius wurden durch dieſe Be- gebniß genoͤthiget ihre Unart zwar zu verber- gen/ aber nicht maͤchtig ſich ſelbter zu entaͤuſ- ſern. Denn die in dem Hertzen eingewur- tzelten Laſter ſind ſchwerer als Unkraut aus geilem Erdreiche auszurotten. Ja die Men- ſchen haben durchgehends mehr den Firniß/ als das Weſen der Tugend an ſich. Dahe- ro denn beyde junge Fuͤrſten/ als der Eyfer des Kaͤyſers verrauchte/ und ſeine gewohnte Leutſeligkeit zu ein und anderm Fehler ein Au- ge zudruͤckte; inſonderheit aber das Beyſpiel des Hofes und die kupleriſche Heucheley ſie wie- der auff die alten Wege verleitete/ ſie dem Athe- nodor zwar ihre Ohren; aber denen Wolluͤ- ſten ihre Hertzen verliehen. Wormit aber meine Zunge nicht ſcheine ein Regiſter frem- der Schwachheiten zu ſeyn/ und daß ich mich mit anderer Kohlen weiß brennen wolte/ will ich alleine diß/ worvon zugleich mein Gluͤcks- Fadem gehangen/ beruͤhren. Lucius war durch des Ariſtippus Verleitung ſo verwehnt/ daß er gleichſam fuͤr allem weiſſen Frauenzimmer ei- ne Abſcheu/ zu denen Moriſchen aber einen hefftigen Zug hatte. Daher er ihm etliche ſchwartze Sclavinnen kauffte/ ſelbte in einem Garten unterhielt/ und ſich dieſen Maͤgden zum Knechte machte. Es trug ſich aber zu/ daß Koͤnig Juba/ welchem Auguſt die junge Cleopatra vermaͤhlt/ und das Koͤnigreich Nu- midien wegen ſeines Vaters Juba ihm gelei- ſteten treuen Beyſtandes eingeraͤumet hatte/ ſeine Tochter Dido nach Rom ſchickte/ um die Roͤmiſchen Sitten zu faſſen/ und bey dem Kaͤy- ſerlichen Hauſe ſich beliebt zu machen. Die- ſe war eine Fuͤrſtin von ſechzehn Jahren; aber von reiffem Verſtande. Sintemal die Ein- wohner der heißen Laͤnder ohne diß tieffſinni- ger/ als kalte Voͤlcker/ dieſe hingegen hertz- haffter/ als jene ſeyn ſollen. Sie war zwar ih- rer Numidiſchen Landes-Art nach ſchwartz; a- ber die Anmuth leuchtete ihr aus den Augen/ die Freundligkeit lachte auff ihrem Munde; deſſen Lippen nicht nach Moriſcher Art auff- geworffen/ ſondern wie alle andere Glieder ihr rechtes Maaß und ihre vollkommene Ein- theilung hatten. Lucius hatte dieſe Fuͤrſtin ſo geſchwinde nicht geſehen/ als die Kohlen ihres Lei- Erſter Theil. N n n

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/519>, abgerufen am 22.11.2024.