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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] umb mehr/ als sie vielleicht im Hertzen ge-
meint war/ dem Lucius liebkosen. Wiewohl
auch die Ehrsucht ihm das Wort redete; in-
dem Dido sich niemahls höher/ als an diesen
vermutheten Erben des Käysers/ und des hal-
ben Römischen Reichs/ hätte vermählen/ o-
der zum minsten ihre väterliche Krone Numi-
diens in Africa ansehnlich vergrössern kön-
nen. Zu dieser Hoffnung schien ihr nicht we-
nig zu dienen die Heucheley des an dem Ufer
der Tiber als Mauern stehenden Volckes/
welches dem Lucius und der Dido tausend
Lob-Sprüche und Glück-Wünsche zuruffte.
Folgende Tage war der Dido Gebehrdung
gegen ihn zwar viel laulichter; nichts destowe-
niger unterhielt sie ihn mit möglichster Höff-
ligkeit/ also/ daß solcher Nachlaß mehr einer
behutsamen Klugheit/ als einer kalten Unge-
wogenheit ähnlich zu seyn schien. Daher sich
Lucius unschwer selbst gar bald beredete/ daß
der Dido Hertze gegen ihn nicht weniger Fen-
er/ als seines gegen ihr hegete. Denn ob
wohl sonst das Frauenzimmer hierinuen leicht-
gläubiger/ die Männer aber mißträulicher
sind; sintemahl diese die Klugheit warniget/
jenes aber das grosse Vertrauen auff ihre
Schönheit/ und die gewohnte Anbetung auch
derer/ die sie zu lieben ihnen nie träumen las-
sen/ verleitet; so bildete ihm Lucius dißmahl
aus einer Schwachheit des noch unreiffen Ver-
standes/ oder in Meinung/ daß alle Weiber
der Welt zu Sclavinnen eines jungen Käy-
sers gebohren/ oder er vollkommener/ als
niemand in Rom wäre/ diß festiglich ein/ ohn
welches er sich nicht glückselig schätzen kon-
te. Alldieweil denn Liebe eine so gewaltsa-
me Regung ist/ daß sie die Seele peinigt/ das
Hertze ängstigt/ die Vernunfft verwirret/ des
Willens sich bemächtigt/ und also den Men-
schen auser sich selbst versetzt und in ihm nichts
minder feind als unvorsichtig macht; konte ich
und andere/ insonderheit die schlaue Livia dem
[Spaltenumbruch] Lucius die Heimligkeit seines Gemüths gar
leicht an der Stirne ansehen/ und in seinem
Gesichte lesen. Denn die Bläße des Gesich-
tes/ die Seuffzer des Hertzens/ die verworre-
ne Umbschweiffung der Augen sind allzu ge-
schwinde Verräther der Verliebten. Livia/
welche nichts lieber wünschte/ als daß Lucius und
Cajus durch seltzame Vergehungen des Käy-
sers unmäßige Gewogenheit verspielen/ und
des Römischen Volcks Haß auff sich laden
möchte/ goß sie/ so viel an ihr war/ Oel in diß
Feuer/ und that des Lucius wahnsinniger
Liebe allen Vorschub. Dido wuste hingegen
meisterlich eine angebehrdete Liebhaberin ge-
gen dem Lucius fürzustellen. Denn ob es zwar
sonst leichter ist/ aus etwas nichts/ als aus nichts
etwas zu machen/ so ist es doch theils der Boß-
heit/ theils der Klugheit nicht so schwer/ eine
falsche Liebe zu tichten/ als eine wahrhaffte zu
verbergen. Massen auch der Leib schwerer
eine schmertzhaffte Wunde verbeisset/ als er sich
verwundet zu seyn stellen kan. Unterdessen
ward doch ich/ weil mich Lucius insgemein
mit zu seiner geliebten Dido nahm/ ich weiß
aber nicht/ aus was vor Anlasse so scharffsich-
tig/ daß mir Didons Bezeigungen gegen dem
Lucius eine blosse Larve der Liebe zu seyn schien.
Hierinnen ward ich von Tage zu Tage im-
mer mehr gestärckt/ weil ich sahe/ daß Dido
in seiner Anwesenheit mir nicht viel kältere/
in seinem Abseyn aber viel nachdrücklichere
Bezeugungen that. Weßwegen mich auch mei-
ne Einfalt verleitete/ daß ich dem Lucius mei-
ne Muthmassung offenhertzig entdeckte/ und
ihn von so heisser Brunst gegen einen so schwar-
tzen Schatz abwendig zu machen mich erkühn-
te. Lucius aber verlachte mich als einen/ der
in Ergründung der Liebe ein Kind/ und ein
unfähiger Richter über die Schönheit wäre.
Wenn mein Hertze von jener/ und meine Au-
gen von dieser etwas verstünden/ würde ich be-
kennen/ daß die eine wahrhaffte Enckelin der-

sel-
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] umb mehr/ als ſie vielleicht im Hertzen ge-
meint war/ dem Lucius liebkoſen. Wiewohl
auch die Ehrſucht ihm das Wort redete; in-
dem Dido ſich niemahls hoͤher/ als an dieſen
vermutheten Erben des Kaͤyſers/ und des hal-
ben Roͤmiſchen Reichs/ haͤtte vermaͤhlen/ o-
der zum minſten ihre vaͤterliche Krone Numi-
diens in Africa anſehnlich vergroͤſſern koͤn-
nen. Zu dieſer Hoffnung ſchien ihr nicht we-
nig zu dienen die Heucheley des an dem Ufer
der Tiber als Mauern ſtehenden Volckes/
welches dem Lucius und der Dido tauſend
Lob-Spruͤche und Gluͤck-Wuͤnſche zuruffte.
Folgende Tage war der Dido Gebehrdung
gegen ihn zwar viel laulichter; nichts deſtowe-
niger unterhielt ſie ihn mit moͤglichſter Hoͤff-
ligkeit/ alſo/ daß ſolcher Nachlaß mehr einer
behutſamen Klugheit/ als einer kalten Unge-
wogenheit aͤhnlich zu ſeyn ſchien. Daher ſich
Lucius unſchwer ſelbſt gar bald beredete/ daß
der Dido Hertze gegen ihn nicht weniger Fen-
er/ als ſeines gegen ihr hegete. Denn ob
wohl ſonſt das Frauenzimmer hierinuen leicht-
glaͤubiger/ die Maͤnner aber mißtraͤulicher
ſind; ſintemahl dieſe die Klugheit warniget/
jenes aber das groſſe Vertrauen auff ihre
Schoͤnheit/ und die gewohnte Anbetung auch
derer/ die ſie zu lieben ihnen nie traͤumen laſ-
ſen/ verleitet; ſo bildete ihm Lucius dißmahl
aus einer Schwachheit des noch unreiffen Ver-
ſtandes/ oder in Meinung/ daß alle Weiber
der Welt zu Sclavinnen eines jungen Kaͤy-
ſers gebohren/ oder er vollkommener/ als
niemand in Rom waͤre/ diß feſtiglich ein/ ohn
welches er ſich nicht gluͤckſelig ſchaͤtzen kon-
te. Alldieweil denn Liebe eine ſo gewaltſa-
me Regung iſt/ daß ſie die Seele peinigt/ das
Hertze aͤngſtigt/ die Vernunfft verwirret/ des
Willens ſich bemaͤchtigt/ und alſo den Men-
ſchen auſer ſich ſelbſt verſetzt und in ihm nichts
minder feind als unvorſichtig macht; konte ich
und andere/ inſonderheit die ſchlaue Livia dem
[Spaltenumbruch] Lucius die Heimligkeit ſeines Gemuͤths gar
leicht an der Stirne anſehen/ und in ſeinem
Geſichte leſen. Denn die Blaͤße des Geſich-
tes/ die Seuffzer des Hertzens/ die verworre-
ne Umbſchweiffung der Augen ſind allzu ge-
ſchwinde Verraͤther der Verliebten. Livia/
welche nichts lieber wuͤnſchte/ als daß Lucius und
Cajus durch ſeltzame Vergehungen des Kaͤy-
ſers unmaͤßige Gewogenheit verſpielen/ und
des Roͤmiſchen Volcks Haß auff ſich laden
moͤchte/ goß ſie/ ſo viel an ihr war/ Oel in diß
Feuer/ und that des Lucius wahnſinniger
Liebe allen Vorſchub. Dido wuſte hingegen
meiſterlich eine angebehrdete Liebhaberin ge-
gen dem Lucius fuͤrzuſtellen. Denn ob es zwar
ſonſt leichter iſt/ aus etwas nichts/ als aus nichts
etwas zu machen/ ſo iſt es doch theils der Boß-
heit/ theils der Klugheit nicht ſo ſchwer/ eine
falſche Liebe zu tichten/ als eine wahrhaffte zu
verbergen. Maſſen auch der Leib ſchwerer
eine ſchmertzhaffte Wunde verbeiſſet/ als er ſich
verwundet zu ſeyn ſtellen kan. Unterdeſſen
ward doch ich/ weil mich Lucius insgemein
mit zu ſeiner geliebten Dido nahm/ ich weiß
aber nicht/ aus was vor Anlaſſe ſo ſcharffſich-
tig/ daß mir Didons Bezeigungen gegen dem
Lucius eine bloſſe Larve der Liebe zu ſeyn ſchien.
Hierinnen ward ich von Tage zu Tage im-
mer mehr geſtaͤrckt/ weil ich ſahe/ daß Dido
in ſeiner Anweſenheit mir nicht viel kaͤltere/
in ſeinem Abſeyn aber viel nachdruͤcklichere
Bezeugungen that. Weßwegen mich auch mei-
ne Einfalt verleitete/ daß ich dem Lucius mei-
ne Muthmaſſung offenhertzig entdeckte/ und
ihn von ſo heiſſer Brunſt gegen einen ſo ſchwar-
tzen Schatz abwendig zu machen mich erkuͤhn-
te. Lucius aber verlachte mich als einen/ der
in Ergruͤndung der Liebe ein Kind/ und ein
unfaͤhiger Richter uͤber die Schoͤnheit waͤre.
Wenn mein Hertze von jener/ und meine Au-
gen von dieſer etwas verſtuͤnden/ wuͤrde ich be-
kennen/ daß die eine wahrhaffte Enckelin der-

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[467/0521] Arminius und Thußnelda. umb mehr/ als ſie vielleicht im Hertzen ge- meint war/ dem Lucius liebkoſen. Wiewohl auch die Ehrſucht ihm das Wort redete; in- dem Dido ſich niemahls hoͤher/ als an dieſen vermutheten Erben des Kaͤyſers/ und des hal- ben Roͤmiſchen Reichs/ haͤtte vermaͤhlen/ o- der zum minſten ihre vaͤterliche Krone Numi- diens in Africa anſehnlich vergroͤſſern koͤn- nen. Zu dieſer Hoffnung ſchien ihr nicht we- nig zu dienen die Heucheley des an dem Ufer der Tiber als Mauern ſtehenden Volckes/ welches dem Lucius und der Dido tauſend Lob-Spruͤche und Gluͤck-Wuͤnſche zuruffte. Folgende Tage war der Dido Gebehrdung gegen ihn zwar viel laulichter; nichts deſtowe- niger unterhielt ſie ihn mit moͤglichſter Hoͤff- ligkeit/ alſo/ daß ſolcher Nachlaß mehr einer behutſamen Klugheit/ als einer kalten Unge- wogenheit aͤhnlich zu ſeyn ſchien. Daher ſich Lucius unſchwer ſelbſt gar bald beredete/ daß der Dido Hertze gegen ihn nicht weniger Fen- er/ als ſeines gegen ihr hegete. Denn ob wohl ſonſt das Frauenzimmer hierinuen leicht- glaͤubiger/ die Maͤnner aber mißtraͤulicher ſind; ſintemahl dieſe die Klugheit warniget/ jenes aber das groſſe Vertrauen auff ihre Schoͤnheit/ und die gewohnte Anbetung auch derer/ die ſie zu lieben ihnen nie traͤumen laſ- ſen/ verleitet; ſo bildete ihm Lucius dißmahl aus einer Schwachheit des noch unreiffen Ver- ſtandes/ oder in Meinung/ daß alle Weiber der Welt zu Sclavinnen eines jungen Kaͤy- ſers gebohren/ oder er vollkommener/ als niemand in Rom waͤre/ diß feſtiglich ein/ ohn welches er ſich nicht gluͤckſelig ſchaͤtzen kon- te. Alldieweil denn Liebe eine ſo gewaltſa- me Regung iſt/ daß ſie die Seele peinigt/ das Hertze aͤngſtigt/ die Vernunfft verwirret/ des Willens ſich bemaͤchtigt/ und alſo den Men- ſchen auſer ſich ſelbſt verſetzt und in ihm nichts minder feind als unvorſichtig macht; konte ich und andere/ inſonderheit die ſchlaue Livia dem Lucius die Heimligkeit ſeines Gemuͤths gar leicht an der Stirne anſehen/ und in ſeinem Geſichte leſen. Denn die Blaͤße des Geſich- tes/ die Seuffzer des Hertzens/ die verworre- ne Umbſchweiffung der Augen ſind allzu ge- ſchwinde Verraͤther der Verliebten. Livia/ welche nichts lieber wuͤnſchte/ als daß Lucius und Cajus durch ſeltzame Vergehungen des Kaͤy- ſers unmaͤßige Gewogenheit verſpielen/ und des Roͤmiſchen Volcks Haß auff ſich laden moͤchte/ goß ſie/ ſo viel an ihr war/ Oel in diß Feuer/ und that des Lucius wahnſinniger Liebe allen Vorſchub. Dido wuſte hingegen meiſterlich eine angebehrdete Liebhaberin ge- gen dem Lucius fuͤrzuſtellen. Denn ob es zwar ſonſt leichter iſt/ aus etwas nichts/ als aus nichts etwas zu machen/ ſo iſt es doch theils der Boß- heit/ theils der Klugheit nicht ſo ſchwer/ eine falſche Liebe zu tichten/ als eine wahrhaffte zu verbergen. Maſſen auch der Leib ſchwerer eine ſchmertzhaffte Wunde verbeiſſet/ als er ſich verwundet zu ſeyn ſtellen kan. Unterdeſſen ward doch ich/ weil mich Lucius insgemein mit zu ſeiner geliebten Dido nahm/ ich weiß aber nicht/ aus was vor Anlaſſe ſo ſcharffſich- tig/ daß mir Didons Bezeigungen gegen dem Lucius eine bloſſe Larve der Liebe zu ſeyn ſchien. Hierinnen ward ich von Tage zu Tage im- mer mehr geſtaͤrckt/ weil ich ſahe/ daß Dido in ſeiner Anweſenheit mir nicht viel kaͤltere/ in ſeinem Abſeyn aber viel nachdruͤcklichere Bezeugungen that. Weßwegen mich auch mei- ne Einfalt verleitete/ daß ich dem Lucius mei- ne Muthmaſſung offenhertzig entdeckte/ und ihn von ſo heiſſer Brunſt gegen einen ſo ſchwar- tzen Schatz abwendig zu machen mich erkuͤhn- te. Lucius aber verlachte mich als einen/ der in Ergruͤndung der Liebe ein Kind/ und ein unfaͤhiger Richter uͤber die Schoͤnheit waͤre. Wenn mein Hertze von jener/ und meine Au- gen von dieſer etwas verſtuͤnden/ wuͤrde ich be- kennen/ daß die eine wahrhaffte Enckelin der- ſel- N n n 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/521>, abgerufen am 26.06.2024.