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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] selben Cleopatra wäre/ welcher ihrer viel ihr
Leben willig auffgeopffert hätten/ um nur eine
einige Nacht ihrer Liebe zu geniessen. Und
ihm solte seines eben so wenig gereuen/ wenn
er bey der Dido gleicher Glückseligkeit fähig
würde. Jch versetzte zwar: Rom würde sol-
cher Gestalt bald öde/ und die Welt Männer-
arm werden/ wenn so schwartze Gottheiten
Menschen-Opffer verdienten. Denn die
Schöneren würden so denn zu ihrer Versöh-
nung gantze Städte zu ihrer Abschlachtung
verlangen. Er wüste zwar/ daß nichts Schö-
nes so schön/ als diß/ was man liebte/ wäre;
weil die Einbildung Apellens Pinsel beschäm-
te/ und die Gewonheit selbst das Urtheil der
Natur verdammte. Daher auch von Hiber-
niern die Sprenckeln/ von Thraciern die Mah-
le/ von Mohren die pletschichten Nasen und
von den Einwohnern der Jnsel Taprobana
die langen durchlöcherten Ohren für einen
Ausbund der Schönheit gehalten würden. Al-
leine diese Einbildung könte der wahren Schön-
heit so wenig/ als die nächtliche Finsterniß der
Klarheit der Sternen Abbruch thun. Weniger
Menschen seltzames Urthel könte die Schwärtze
so wenig zu einer Vollkommenheit/ als ein Bild-
hauer einen Stein oder Baum zum Gotte ma-
chen. Es würde aber besorglich in kurtzer Zeit
dem Lucius mit seiner Mohrin/ wie der etwas
verlebten Helene mit ihrem Spiegel gehen/ wel-
che mit heissen Thränen beweinte/ daß er ihr Ant-
litz nicht so schön wie vor zehn Jahren abbildete.
Denn wie die neidische Zeit Helenen gleichsam
selbst der Helene raubte; also wird eine andere
Schönheit und ein reifferes Urthel der Dido
in den Augen des Lucius bald eine andere Farbe
anstreichen. Mit diesem Zwiste brachten nicht nur
wir beyde offtmahls viel Zeit zu/ sondern Cajus
schlug sich auch zu mir/ welcher sich inzwischen
in eine schöne Cimbrische Sclavin verliebt hatte/
und selbte seine schöne Clytemnestra hieß/ weil
sie so schneeweiß war/ als wenn sie ebenfalls/ wie
[Spaltenumbruch] jene und Helena aus einem von der Leda geleg-
tem Ey geschälet worden wäre. Jnsonderheit
verfielen sie einmahl in Servilischen Gärten
mit einander in diesen Wort-Streit/ allwo in ei-
nem Gange die Andromeda aus schwartzem/
und Helena aus weissem Marmel einander
gegen über standen. Da denn Cajus für die Far-
be seiner Buhlschaft anführte/ daß selbte die Leib-
Farbe nichts minder der Hoheit/ als Schönheit
wäre. Daher sie die Alten der Sonne gewiedmet;
Pythagoras seinem Gotte ein schneeweisses Ge-
wand zugeeignet/ der grosse Alexander nur eine
weiße Krone getragen/ die Jndianer aber solche
Fahnen für ein Kennzeichen der Freundschafft/
und fast alle Völcker für ein Merckmal des Frie-
dens erkieset hätten. Die weiße Farbe verdiente
auch nur alleine den Nahmen einer Farbe/ oder
weil alle andere von ihr den Ursprung nehmen/
zum minsten den Ruhm/ daß sie aller Farben
Mutter wäre/ als welche aus Vermischung
des Lichtes und des Schattens ihren unzehl-
baren Unterscheid bekämen. Hingegen wäre
die Schwärtze die abscheuliche Leichen und Tod-
ten-Farbe/ ja sie verdiente nicht einst diesen Nah-
men; denn sie wäre an sich selbst nichts wesentli-
ches/ sondern wie die Finsterniß der Nacht ein
blosser Mangel des Lichtes/ oder vielmehr der
Tod aller andern Farben/ ein Schatten der Höl-
le/ und daher eine Andeutung des Unglücks.
Weswegen die Scythischen Könige nicht er-
laubten/ daß ihnen einiger schwartzgekleideter ins
Gesichte kommen dörffte. Lucius setzte ihm entge-
gen/ die weisse Farbe wäre aller Völcker in Jn-
dien Trauerkleid/ und eine Schwachheit der Na-
tur. Massen denn alle weißen Thiere viel ohn-
mächtiger wären als die schwartzen. Der Elefant
würde von der ihn blendenden weissen Farbe wil-
de und wütend; und in Mohrenland mahlte man
die bösen Geister nur weiß. Die in dem Schnee
wachsenden Kräuter blieben alle bitter/ hingegen
wäre das schwartze Erdreich das fruchtbarste. Jn
den kalten Nordländern/ darein die Natur nichts

minder

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] ſelben Cleopatra waͤre/ welcher ihrer viel ihr
Leben willig auffgeopffert haͤtten/ um nur eine
einige Nacht ihrer Liebe zu genieſſen. Und
ihm ſolte ſeines eben ſo wenig gereuen/ wenn
er bey der Dido gleicher Gluͤckſeligkeit faͤhig
wuͤrde. Jch verſetzte zwar: Rom wuͤrde ſol-
cher Geſtalt bald oͤde/ und die Welt Maͤnner-
arm werden/ wenn ſo ſchwartze Gottheiten
Menſchen-Opffer verdienten. Denn die
Schoͤneren wuͤrden ſo denn zu ihrer Verſoͤh-
nung gantze Staͤdte zu ihrer Abſchlachtung
verlangen. Er wuͤſte zwar/ daß nichts Schoͤ-
nes ſo ſchoͤn/ als diß/ was man liebte/ waͤre;
weil die Einbildung Apellens Pinſel beſchaͤm-
te/ und die Gewonheit ſelbſt das Urtheil der
Natur verdammte. Daher auch von Hiber-
niern die Sprenckeln/ von Thraciern die Mah-
le/ von Mohren die pletſchichten Naſen und
von den Einwohnern der Jnſel Taprobana
die langen durchloͤcherten Ohren fuͤr einen
Ausbund der Schoͤnheit gehalten wuͤrden. Al-
leine dieſe Einbildung koͤnte der wahren Schoͤn-
heit ſo wenig/ als die naͤchtliche Finſterniß der
Klarheit der Sternen Abbruch thun. Weniger
Menſchen ſeltzames Urthel koͤnte die Schwaͤrtze
ſo wenig zu einer Vollkommenheit/ als ein Bild-
hauer einen Stein oder Baum zum Gotte ma-
chen. Es wuͤrde aber beſorglich in kurtzer Zeit
dem Lucius mit ſeiner Mohrin/ wie der etwas
verlebten Helene mit ihrem Spiegel gehen/ wel-
che mit heiſſen Thraͤnen beweinte/ daß er ihꝛ Ant-
litz nicht ſo ſchoͤn wie vor zehn Jahren abbildete.
Denn wie die neidiſche Zeit Helenen gleichſam
ſelbſt der Helene raubte; alſo wird eine andere
Schoͤnheit und ein reifferes Urthel der Dido
in den Augen des Lucius bald eine andere Farbe
anſtreichen. Mit dieſem Zwiſte brachtẽ nicht nur
wir beyde offtmahls viel Zeit zu/ ſondern Cajus
ſchlug ſich auch zu mir/ welcher ſich inzwiſchen
in eine ſchoͤne Cimbriſche Sclavin verliebt hatte/
und ſelbte ſeine ſchoͤne Clytemneſtra hieß/ weil
ſie ſo ſchneeweiß war/ als wenn ſie ebenfalls/ wie
[Spaltenumbruch] jene und Helena aus einem von der Leda geleg-
tem Ey geſchaͤlet worden waͤre. Jnſonderheit
verfielen ſie einmahl in Serviliſchen Gaͤrten
mit einander in dieſen Wort-Streit/ allwo in ei-
nem Gange die Andromeda aus ſchwartzem/
und Helena aus weiſſem Marmel einander
gegen uͤber ſtanden. Da denn Cajus fuͤr die Far-
be ſeiner Buhlſchaft anfuͤhrte/ daß ſelbte die Leib-
Farbe nichts minder der Hoheit/ als Schoͤnheit
waͤre. Daher ſie die Alten der Soñe gewiedmet;
Pythagoras ſeinem Gotte ein ſchneeweiſſes Ge-
wand zugeeignet/ der groſſe Alexander nur eine
weiße Krone getragen/ die Jndianer aber ſolche
Fahnen fuͤr ein Kennzeichen der Freundſchafft/
und faſt alle Voͤlcker fuͤr ein Merckmal des Frie-
dens erkieſet haͤtten. Die weiße Farbe verdiente
auch nur alleine den Nahmen einer Farbe/ oder
weil alle andere von ihr den Urſprung nehmen/
zum minſten den Ruhm/ daß ſie aller Farben
Mutter waͤre/ als welche aus Vermiſchung
des Lichtes und des Schattens ihren unzehl-
baren Unterſcheid bekaͤmen. Hingegen waͤre
die Schwaͤrtze die abſcheuliche Leichen und Tod-
ten-Farbe/ ja ſie verdiente nicht einſt dieſen Nah-
men; denn ſie waͤre an ſich ſelbſt nichts weſentli-
ches/ ſondern wie die Finſterniß der Nacht ein
bloſſer Mangel des Lichtes/ oder vielmehr der
Tod aller andern Farben/ ein Schatten der Hoͤl-
le/ und daher eine Andeutung des Ungluͤcks.
Weswegen die Scythiſchen Koͤnige nicht er-
laubten/ daß ihnen einigeꝛ ſchwaꝛtzgekleideter ins
Geſichte kom̃en doͤrffte. Lucius ſetzte ihm entge-
gen/ die weiſſe Farbe waͤre aller Voͤlcker in Jn-
dien Trauerkleid/ und eine Schwachheit der Na-
tur. Maſſen denn alle weißen Thiere viel ohn-
maͤchtiger waͤren als die ſchwartzen. Deꝛ Elefant
wuͤꝛde von deꝛ ihn blendenden weiſſen Farbe wil-
de und wuͤtend; und in Mohꝛenland mahlte man
die boͤſen Geiſter nur weiß. Die in dem Schnee
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waͤre das ſchwartze Erdꝛeich das fruchtbarſte. Jn
den kaltẽ Nordlaͤndern/ darein die Natur nichts

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/522>, abgerufen am 22.11.2024.