Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
schier alle Anschläge Krebsgängig wurden/verfiel Tiberius beym Käyser in Verdacht: daß er/ um die Waffen stets in seinen Händen zu behalten/ diesen Krieg mit Fleiß verzögerte. Daher entschloß er sich den jungen Agrippa in Dalmatien zu schicken; Aber Liviens Arg- list wendete alle Künste an/ den Tiberius ei- ner solchen Neben-Sonne zu entübrigen/ brach- te es auch so weit/ daß nicht allein statt des Agrippa der vom Tiberius für einen Sohn angenommene Germanicus in Pannonien geschickt/ sondern auch Agrippa/ weil er wegen dieser Ubergehung Livien ihre Stieffmütter- liche Feindschafft/ dem Käyser aber die Vor- enthaltung seiner väterlichen Güter fürrückte/ auff das Eyland Pcanasia verwiesen ward. Germanicus kam mit einem mächtigen Heere in Pannonien/ denn der Käyser hatte nicht nur Freygebohrne darzu geworben/ sondern auch bey damahliger Theurung viel tausend Freygelassene um Getreyde zu Kriegs-Dien- sten erhandelt. Dalmatien und Pannonien ward von so viel Römischen Heeren zwar gleichsam überschwemmet/ sintemahl zehn Rö- mische Legionen/ siebentzig Fahnen Hülffs- Völcker/ vierzehn Flügel Reuterey/ ohne viel tausend Freywillige zusammen kamen/ welche aber wider die tapffern Pannonier wenig denckwürdiges ausrichteten/ als daß sie weit und breit Pannonien einäscherten/ um die/ wel- che sie mit Waffen zu überwinden nicht getrau- eten/ durch Hunger zu zähmen. Severus rückte zu dieser Zeit/ nachdem die Dacier und Sarmater wieder über die Jster in das ber- gichte Dacien gewichen waren/ aus Mysien zwischen dem Flusse Pathissus und Jster durch das Gebiete der Metanaster und Jazyger den Pannoniern auff den Hals/ setzte bey Sali- num über den Jster/ bey Cäsarea über den Fluß Urpan/ schlug sein Läger an dem Vol- ceischen See auff/ kam also dem Vato recht in Rücken. Dieser aber zohe in Eil den Dysi- [Spaltenumbruch] diat an sich/ überfiel gantz unversehens des Se- verus umb Triccana Barbis/ und Serbium in aller Sicherheit sich erfrischendes Heer/ und trieb es biß unter den Wall. Weil aber von Flexum den Tag zuvor die vierzehende Le- gion ins Läger ankommen war/ welche den Flüchtigen mit der alten Besatzung zu Hülffe kam/ musten die Pannonier sich zurück ziehen. Germanicus und ich hatten zu selbiger Zeit mit einem Theile unsers Heeres gegen die Dalmatier zu schaffen/ und das Glücke/ daß wir die Maceer und Dindarier unter dem Ge- bürge Carvancas aus dem Felde schlugen; welchen Sieg Germanicus selbst der Deut- schen Tapfferkeit zueignete. Gleicher gestalt ging die feste Stadt Lopsica/ darein der Feind fast allen Vorrath des Landes gebracht hatte/ durch die Stärcke eines Hermundurischen Ritters Polentz/ oder Pulio über. Hiermit geriethen die Dalmatier und Pannonier in eusserste Noth der Lebens-Mittel/ und von de- nen gegessenen rohen Kräutern und Wurtzeln rissen viel schädliche Seuchen/ wie nichts min- der die Zwytracht bey ihnen ein. Denn Ba- to der Breutzer Fürst liefferte gegen empfan- genes Versprechen/ daß er selbiges und das Skordiskische Fürstenthum bekommen solte/ den Fürsten Pinnes und die Festung Aleta in des Tiberius Hände. Welches den Dysidiat nö- thigte dem Tiberius Frieden anzubiethen/ wel- cher denn auch von ihm zu einer Unterredung ein frey Geleite bekam/ und dem Tiberius auff die Frage: Warum sie wider die Römer auff- gestanden wären? antwortete: Weil sie ihre Heerden zu bewahren nicht Hirten und Hun- de/ sondern Wölffe brauchten. Dysidiat schloß also einen für die Dalmatier und Pannonier ziemlich erträglichen Frieden. Tiberius und Germanicus zohen mit grossem Siegs-Ge- pränge/ und der Käyser/ welcher/ umb dem Kriege desto näher zu seyn/ unterdessen sich zu Arminium auffgehalten hatte/ mit grossen Freu- Q q q 2
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
ſchier alle Anſchlaͤge Krebsgaͤngig wurden/verfiel Tiberius beym Kaͤyſer in Verdacht: daß er/ um die Waffen ſtets in ſeinen Haͤnden zu behalten/ dieſen Krieg mit Fleiß verzoͤgerte. Daher entſchloß er ſich den jungen Agrippa in Dalmatien zu ſchicken; Aber Liviens Arg- liſt wendete alle Kuͤnſte an/ den Tiberius ei- ner ſolchen Neben-Sonne zu entuͤbrigen/ brach- te es auch ſo weit/ daß nicht allein ſtatt des Agrippa der vom Tiberius fuͤr einen Sohn angenommene Germanicus in Pannonien geſchickt/ ſondern auch Agrippa/ weil er wegen dieſer Ubergehung Livien ihre Stieffmuͤtter- liche Feindſchafft/ dem Kaͤyſer aber die Vor- enthaltung ſeiner vaͤterlichen Guͤter fuͤrruͤckte/ auff das Eyland Pcanaſia verwieſen ward. Germanicus kam mit einem maͤchtigen Heere in Pannonien/ denn der Kaͤyſer hatte nicht nur Freygebohrne darzu geworben/ ſondern auch bey damahliger Theurung viel tauſend Freygelaſſene um Getreyde zu Kriegs-Dien- ſten erhandelt. Dalmatien und Pannonien ward von ſo viel Roͤmiſchen Heeren zwar gleichſam uͤberſchwemmet/ ſintemahl zehn Roͤ- miſche Legionen/ ſiebentzig Fahnen Huͤlffs- Voͤlcker/ vierzehn Fluͤgel Reuterey/ ohne viel tauſend Freywillige zuſammen kamen/ welche aber wider die tapffern Pannonier wenig denckwuͤrdiges ausrichteten/ als daß ſie weit und breit Pannonien einaͤſcherten/ um die/ wel- che ſie mit Waffen zu uͤberwinden nicht getrau- eten/ durch Hunger zu zaͤhmen. Severus ruͤckte zu dieſer Zeit/ nachdem die Dacier und Sarmater wieder uͤber die Jſter in das ber- gichte Dacien gewichen waren/ aus Myſien zwiſchen dem Fluſſe Pathiſſus und Jſter durch das Gebiete der Metanaſter und Jazyger den Pannoniern auff den Hals/ ſetzte bey Sali- num uͤber den Jſter/ bey Caͤſarea uͤber den Fluß Urpan/ ſchlug ſein Laͤger an dem Vol- ceiſchen See auff/ kam alſo dem Vato recht in Ruͤcken. Dieſer aber zohe in Eil den Dyſi- [Spaltenumbruch] diat an ſich/ uͤberfiel gantz unverſehens des Se- verus umb Triccana Barbis/ und Serbium in aller Sicherheit ſich erfriſchendes Heer/ und trieb es biß unter den Wall. Weil aber von Flexum den Tag zuvor die vierzehende Le- gion ins Laͤger ankommen war/ welche den Fluͤchtigen mit der alten Beſatzung zu Huͤlffe kam/ muſten die Pannonier ſich zuruͤck ziehen. Germanicus und ich hatten zu ſelbiger Zeit mit einem Theile unſers Heeres gegen die Dalmatier zu ſchaffen/ und das Gluͤcke/ daß wir die Maceer und Dindarier unter dem Ge- buͤrge Carvancas aus dem Felde ſchlugen; welchen Sieg Germanicus ſelbſt der Deut- ſchen Tapfferkeit zueignete. Gleicher geſtalt ging die feſte Stadt Lopſica/ darein der Feind faſt allen Vorrath des Landes gebracht hatte/ durch die Staͤrcke eines Hermunduriſchen Ritters Polentz/ oder Pulio uͤber. Hiermit geriethen die Dalmatier und Pannonier in euſſerſte Noth der Lebens-Mittel/ und von de- nen gegeſſenen rohen Kraͤutern und Wurtzeln riſſen viel ſchaͤdliche Seuchen/ wie nichts min- der die Zwytracht bey ihnen ein. Denn Ba- to der Breutzer Fuͤrſt liefferte gegen empfan- genes Verſprechen/ daß er ſelbiges und das Skordiſkiſche Fuͤrſtenthum bekommen ſolte/ den Fuͤrſten Pinnes und die Feſtung Aleta in des Tiberius Haͤnde. Welches den Dyſidiat noͤ- thigte dem Tiberius Frieden anzubiethen/ wel- cher denn auch von ihm zu einer Unterredung ein frey Geleite bekam/ und dem Tiberius auff die Frage: Warum ſie wider die Roͤmer auff- geſtanden waͤren? antwortete: Weil ſie ihre Heerden zu bewahren nicht Hirten und Hun- de/ ſondern Woͤlffe brauchten. Dyſidiat ſchloß alſo einen fuͤr die Dalmatier und Pannonier ziemlich ertraͤglichen Frieden. Tiberius und Germanicus zohen mit groſſem Siegs-Ge- praͤnge/ und der Kaͤyſer/ welcher/ umb dem Kriege deſto naͤher zu ſeyn/ unterdeſſen ſich zu Arminium auffgehalten hatte/ mit groſſen Freu- Q q q 2
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Arminius und Thußnelda.
ſchier alle Anſchlaͤge Krebsgaͤngig wurden/
verfiel Tiberius beym Kaͤyſer in Verdacht:
daß er/ um die Waffen ſtets in ſeinen Haͤnden
zu behalten/ dieſen Krieg mit Fleiß verzoͤgerte.
Daher entſchloß er ſich den jungen Agrippa
in Dalmatien zu ſchicken; Aber Liviens Arg-
liſt wendete alle Kuͤnſte an/ den Tiberius ei-
ner ſolchen Neben-Sonne zu entuͤbrigen/ brach-
te es auch ſo weit/ daß nicht allein ſtatt des
Agrippa der vom Tiberius fuͤr einen Sohn
angenommene Germanicus in Pannonien
geſchickt/ ſondern auch Agrippa/ weil er wegen
dieſer Ubergehung Livien ihre Stieffmuͤtter-
liche Feindſchafft/ dem Kaͤyſer aber die Vor-
enthaltung ſeiner vaͤterlichen Guͤter fuͤrruͤckte/
auff das Eyland Pcanaſia verwieſen ward.
Germanicus kam mit einem maͤchtigen Heere
in Pannonien/ denn der Kaͤyſer hatte nicht
nur Freygebohrne darzu geworben/ ſondern
auch bey damahliger Theurung viel tauſend
Freygelaſſene um Getreyde zu Kriegs-Dien-
ſten erhandelt. Dalmatien und Pannonien
ward von ſo viel Roͤmiſchen Heeren zwar
gleichſam uͤberſchwemmet/ ſintemahl zehn Roͤ-
miſche Legionen/ ſiebentzig Fahnen Huͤlffs-
Voͤlcker/ vierzehn Fluͤgel Reuterey/ ohne viel
tauſend Freywillige zuſammen kamen/ welche
aber wider die tapffern Pannonier wenig
denckwuͤrdiges ausrichteten/ als daß ſie weit
und breit Pannonien einaͤſcherten/ um die/ wel-
che ſie mit Waffen zu uͤberwinden nicht getrau-
eten/ durch Hunger zu zaͤhmen. Severus
ruͤckte zu dieſer Zeit/ nachdem die Dacier und
Sarmater wieder uͤber die Jſter in das ber-
gichte Dacien gewichen waren/ aus Myſien
zwiſchen dem Fluſſe Pathiſſus und Jſter durch
das Gebiete der Metanaſter und Jazyger den
Pannoniern auff den Hals/ ſetzte bey Sali-
num uͤber den Jſter/ bey Caͤſarea uͤber den
Fluß Urpan/ ſchlug ſein Laͤger an dem Vol-
ceiſchen See auff/ kam alſo dem Vato recht in
Ruͤcken. Dieſer aber zohe in Eil den Dyſi-
diat an ſich/ uͤberfiel gantz unverſehens des Se-
verus umb Triccana Barbis/ und Serbium
in aller Sicherheit ſich erfriſchendes Heer/
und trieb es biß unter den Wall. Weil aber
von Flexum den Tag zuvor die vierzehende Le-
gion ins Laͤger ankommen war/ welche den
Fluͤchtigen mit der alten Beſatzung zu Huͤlffe
kam/ muſten die Pannonier ſich zuruͤck ziehen.
Germanicus und ich hatten zu ſelbiger Zeit
mit einem Theile unſers Heeres gegen die
Dalmatier zu ſchaffen/ und das Gluͤcke/ daß
wir die Maceer und Dindarier unter dem Ge-
buͤrge Carvancas aus dem Felde ſchlugen;
welchen Sieg Germanicus ſelbſt der Deut-
ſchen Tapfferkeit zueignete. Gleicher geſtalt
ging die feſte Stadt Lopſica/ darein der Feind
faſt allen Vorrath des Landes gebracht hatte/
durch die Staͤrcke eines Hermunduriſchen
Ritters Polentz/ oder Pulio uͤber. Hiermit
geriethen die Dalmatier und Pannonier in
euſſerſte Noth der Lebens-Mittel/ und von de-
nen gegeſſenen rohen Kraͤutern und Wurtzeln
riſſen viel ſchaͤdliche Seuchen/ wie nichts min-
der die Zwytracht bey ihnen ein. Denn Ba-
to der Breutzer Fuͤrſt liefferte gegen empfan-
genes Verſprechen/ daß er ſelbiges und das
Skordiſkiſche Fuͤrſtenthum bekommen ſolte/ den
Fuͤrſten Pinnes und die Feſtung Aleta in des
Tiberius Haͤnde. Welches den Dyſidiat noͤ-
thigte dem Tiberius Frieden anzubiethen/ wel-
cher denn auch von ihm zu einer Unterredung
ein frey Geleite bekam/ und dem Tiberius auff
die Frage: Warum ſie wider die Roͤmer auff-
geſtanden waͤren? antwortete: Weil ſie ihre
Heerden zu bewahren nicht Hirten und Hun-
de/ ſondern Woͤlffe brauchten. Dyſidiat ſchloß
alſo einen fuͤr die Dalmatier und Pannonier
ziemlich ertraͤglichen Frieden. Tiberius und
Germanicus zohen mit groſſem Siegs-Ge-
praͤnge/ und der Kaͤyſer/ welcher/ umb dem
Kriege deſto naͤher zu ſeyn/ unterdeſſen ſich zu
Arminium auffgehalten hatte/ mit groſſen
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/545>, abgerufen am 26.06.2024. |