Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
möglichster Höfligkeit/ und entdeckte ihr mei-ne Beschaffenheit aufs kürtzeste. Nach einem tieffen Seufzer fing sie an: Unvergleichlicher Flavius/ glaube/ daß ich dein Unglück mehr als du selbst empfindest/ und daß ich dich als eine irr- dische Gottheit verchre/ weil ich dich zu lieben unwürdig bin. Meine bißherige Zufälle ver- dienen nicht dein Gehöre; tröste aber deine Ra- che/ daß Juba den obersten Priester auf dein Zu- schreiben habe die Löwen zerreissen/ und die an- dern Priester der Diane sämmtlich entmannen lassen. Jch bin aus erheblichen Ursachen auf der Reise nach Rom begriffen/ hier aber ange- fahren/ umb in dem hiesigen Heiligthume Dianen ein Gelübde abzustatten. Wormit du aber glaubest/ daß ich deine Magd im Wercke sterben wolle/ so trete ich dir das andere Schiff zu deiner Flucht ab. Erwehle selbst einen Ort/ wo du hin wilst. Jch verlange selbten nicht zu wissen. Mache hierüber keine Schwerigkeit/ und lasse allen Kummer mir zurücke. Jch ward hierdurch derogestalt gerühret/ gleich als ich eine [Spaltenumbruch] Göttin für mir reden hörte. Die Thränen fielen mir aus den Augen/ welche ich statt einer Dancksagung ihr zurücke ließ/ und mit meinen zwey deutschen Edelleuten/ die man mir ja noch gelassen hatte/ das Schiff betrat. Dido befahl dem Schiffer mir nicht anders als ihr selbst zu gehorsamen. Nach dem ich von ferne noch einst den traurigsten Abschied von ihr genommen hatte/ erwehlte ich nach Massilien zu fahren/ da ich auch den andern Tag anländete/ und von dar auf verwechselten Pferden durch Gallien nun- mehr so glücklich allhier ankommen bin. Hertzog Herrmann schöpften über dieser Er- [Abbildung]
Jnnhalt
Vierdtes Buch [Spaltenumbruch]
moͤglichſter Hoͤfligkeit/ und entdeckte ihr mei-ne Beſchaffenheit aufs kuͤrtzeſte. Nach einem tieffen Seufzer fing ſie an: Unvergleichlicher Flavius/ glaube/ daß ich dein Ungluͤck mehr als du ſelbſt empfindeſt/ und daß ich dich als eine irꝛ- diſche Gottheit verchre/ weil ich dich zu lieben unwuͤrdig bin. Meine bißherige Zufaͤlle ver- dienen nicht dein Gehoͤre; troͤſte aber deine Ra- che/ daß Juba den oberſten Prieſter auf dein Zu- ſchreiben habe die Loͤwen zerreiſſen/ und die an- dern Prieſter der Diane ſaͤm̃tlich entmannen laſſen. Jch bin aus erheblichen Urſachen auf der Reiſe nach Rom begriffen/ hier aber ange- fahren/ umb in dem hieſigen Heiligthume Dianen ein Geluͤbde abzuſtatten. Wormit du aber glaubeſt/ daß ich deine Magd im Wercke ſterben wolle/ ſo trete ich dir das andere Schiff zu deiner Flucht ab. Erwehle ſelbſt einen Ort/ wo du hin wilſt. Jch verlange ſelbten nicht zu wiſſen. Mache hieruͤber keine Schwerigkeit/ und laſſe allen Kummer mir zuruͤcke. Jch ward hierdurch derogeſtalt geruͤhret/ gleich als ich eine [Spaltenumbruch] Goͤttin fuͤr mir reden hoͤrte. Die Thraͤnen fielen mir aus den Augen/ welche ich ſtatt einer Danckſagung ihr zuruͤcke ließ/ und mit meinen zwey deutſchen Edelleuten/ die man mir ja noch gelaſſen hatte/ das Schiff betrat. Dido befahl dem Schiffer mir nicht anders als ihr ſelbſt zu gehorſamen. Nach dem ich von ferne noch einſt den traurigſten Abſchied von ihr genommen hatte/ erwehlte ich nach Maſſilien zu fahren/ da ich auch den andern Tag anlaͤndete/ und von dar auf verwechſelten Pferden durch Gallien nun- mehr ſo gluͤcklich allhier ankommen bin. Hertzog Herrmann ſchoͤpften uͤber dieſer Er- [Abbildung]
Jnnhalt
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Vierdtes Buch
moͤglichſter Hoͤfligkeit/ und entdeckte ihr mei-
ne Beſchaffenheit aufs kuͤrtzeſte. Nach einem
tieffen Seufzer fing ſie an: Unvergleichlicher
Flavius/ glaube/ daß ich dein Ungluͤck mehr als
du ſelbſt empfindeſt/ und daß ich dich als eine irꝛ-
diſche Gottheit verchre/ weil ich dich zu lieben
unwuͤrdig bin. Meine bißherige Zufaͤlle ver-
dienen nicht dein Gehoͤre; troͤſte aber deine Ra-
che/ daß Juba den oberſten Prieſter auf dein Zu-
ſchreiben habe die Loͤwen zerreiſſen/ und die an-
dern Prieſter der Diane ſaͤm̃tlich entmannen
laſſen. Jch bin aus erheblichen Urſachen auf
der Reiſe nach Rom begriffen/ hier aber ange-
fahren/ umb in dem hieſigen Heiligthume
Dianen ein Geluͤbde abzuſtatten. Wormit du
aber glaubeſt/ daß ich deine Magd im Wercke
ſterben wolle/ ſo trete ich dir das andere Schiff
zu deiner Flucht ab. Erwehle ſelbſt einen Ort/
wo du hin wilſt. Jch verlange ſelbten nicht zu
wiſſen. Mache hieruͤber keine Schwerigkeit/
und laſſe allen Kummer mir zuruͤcke. Jch ward
hierdurch derogeſtalt geruͤhret/ gleich als ich eine
Goͤttin fuͤr mir reden hoͤrte. Die Thraͤnen
fielen mir aus den Augen/ welche ich ſtatt einer
Danckſagung ihr zuruͤcke ließ/ und mit meinen
zwey deutſchen Edelleuten/ die man mir ja noch
gelaſſen hatte/ das Schiff betrat. Dido befahl
dem Schiffer mir nicht anders als ihr ſelbſt zu
gehorſamen. Nach dem ich von ferne noch einſt
den traurigſten Abſchied von ihr genommen
hatte/ erwehlte ich nach Maſſilien zu fahren/ da
ich auch den andern Tag anlaͤndete/ und von dar
auf verwechſelten Pferden durch Gallien nun-
mehr ſo gluͤcklich allhier ankommen bin.
Hertzog Herrmann ſchoͤpften uͤber dieſer Er-
zehlung uͤberaus groſſe Freude/ die andern Fuͤr-
ſten aber nicht geringe Verwunderung. Der
Tag war hieruͤber groſſen Theils verſtrichen;
und weil Hertzog Flavius Erlaubnuͤß bat der
Fuͤrſtin Thußnelde und Jſmene/ wie auch dem
Fuͤrſtlichen Cattiſchen Frauenzimmer die Haͤn-
de zu kuͤſſen/ ſchied dieſe fuͤrnehme Verſam̃lung
mit hoͤchſter Vergnuͤgung von einander.
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/550>, abgerufen am 26.06.2024. |