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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Erstes Buch
[Spaltenumbruch] wachsender Eich-Bäume gepflantzet/ und wie
dieses gantze Thal/ also auch insonderheit den in
der Mitte gelegenen Hügel/ und die in selbtem
von der Natur gemachte Höle/ als auch den
darauß entspringenden Brunnen für eines der
grössesten Heiligthümer Deutschlands vereh-
ret/ auch den Glauben: daß in selbtem die An-
dacht der Opfernden durch einen Göttlichen
Trieb geflügelt/ und das Gebete von den Göt-
tern ehe als anderwerts erhöhet würde/ von
mehr als tausend Jahren her auf ihre Nach-
kommen fortgepflantzet. Denn die alten an-
dächtigen Deutschen waren bekümmerter Gott
recht zu verehren/ als durch Erbauung köstlicher
Tempel die Gebürge ihres Marmeis zu berau-
ben und ihre Ertzt-Adern arm zu machen. Die-
semnach sie für eine der grösten Thorheiten hiel-
ten Affen/ Katzen und Crocodilen/ ja Knobloch
und Zwibeln mit Weyrauch zu räuchern; wel-
che bey den Egyptiern mehr die auß Jaspis und
Porphyr erbaueten/ oder auß einem gantzen
Felsen gehauene Wunder-Tempel vorstellten/
als durch derselben Pracht einiges Ansehen ih-
rer schnöden Heßligkeit erlangeten. Nichts
minder verlachten sie die zu Rom angebetete
Furcht und das Fieber/ als welche Kranckheiten
wol unvergöttert/ ja abscheulich bleiben/ wenn
gleich zu Uberfirnßung ihrer Bilder und Hey-
ligthümer alle Meere ihr Schnecken-Blut/
und gantz Morgen-Land seine Perlen und
Edel-Gesteine dahin zinset. Da hingegen
eine wahre Gottheit eben so ein auß schlechtem
Rasen erhöhetes Altar/ und ein mehr einem sin-
stern Grabe als einem Tempel ähnliches/ aber
von dem Feuer andächtiger Seelen erleuchte-
tes Heyligthum; wie die Sonne alle düstere
Wohnungen mit ihrem eigenen Glantze er-
leuchtet und herrlich macht; also daß ohne die
Gegenwart des grossen Auges der Welt alle
gestirnte Himmels-Kreyse düstern/ in Abwesen-
heit einer wesentlichen Gottheit alle von Rubin
und loderndem Weyrauch schimmernde Tem-
[Spaltenumbruch] pel irrdisch sind. Denn ob wol GOtt in und
ausser aller Dinge ist/ seine Macht und Herr-
schafft sonder einige Beunruhigung sich über
alle Geschöpfe erstrecket/ seine Liebe ohne Er-
müdung allen durch ihre Erhaltung die Hände
unterlegt/ ob er gleich ohne Außdehnung alles
außwendig umbschleust/ alles innwendig ohne
seine Verkleinerung durchdringet; und er also
in/ über/ unter und neben allen Sachen/ iedoch
an keinen Ort angebunden/ noch nach einigem
Maasse der Höhe/ Tieffe und Breite zu messen/
seine Grösse nirgends ein - sein Wesen nir gends
außzuschlüssen ist; so ist doch unwidersprechlich:
daß GOtt seiner Offenbarung nach/ und wegen
der von denen Sterblichen erfoderten Andacht
einen Ort für dem andern/ nicht etwan wegen
seiner absonderlichen Herrligkeit/ sondern auß
einer unerforschlichen Zuneigung/ ihm belieben
lasse/ ja mehrmals selbst erkieset habe.

Uber dem Eingange nun dieser ebenfals für
andern erwehlten Höle waren nachfolgende
Reymen in einen lebendigen Stein-Fels ge-
graben/ iedoch gar schwer zu lesen; weil sie nicht
allein mit denen vom Tuisco erfundenen Buch-
staben geschrieben/ sondern auch vom Regen
abgewaschen und vom Mooß verstellet wa-
ren:

Jhr Eiteln weicht von hier! der Anfang aller Dinge/
Der ch als dieser Fels und dieser Brunn-Quell war/
Hat hier sein Heyligthum/ sein Wohn-Haus/ sein Altar;
Der wil: daß man ihm nur zum Opfer Andacht bringe.
Die ist das Eigenthum der Menschen. Weyrauch/ Blut/
Gold/ Weitzen/ Oel und Vieh ist sein selbsteigen Gut.
Die Opfer die ihr ihm auf tausend Tischen schlachtet/
Die machen ihn nicht feist/ und keine Gabe reich.
Jhr selbst genüsset es/ wenn ihr den Schöpfer gleich
Durch eure Erstlingen hier zu beschencken trachtet.
Euch scheint der Fackeln Licht/ ihr rücht des Zimmets Brand;
Ja/ was ihr gebt/ bleibt euch mit Wucher in der Hand.
GOtt heischt diß zwar/ doch nicht aus lüsterner Begierde.
Denn was er geitzt das Meer ihm an der armen Flut
Des Thaues? welcher Stern wüntscht ihm der Würmer Glut/
Die bey den Nächten scheint/ und der Rubinen Zierde?
Jhr weyht GOtt nur das Hertz zum Zeichen euer Pflicht;
Euch selbst zu eurem Nutz/ ihm zur Bergnügung nicht.
So

Erſtes Buch
[Spaltenumbruch] wachſender Eich-Baͤume gepflantzet/ und wie
dieſes gantze Thal/ alſo auch inſonderheit den in
der Mitte gelegenen Huͤgel/ und die in ſelbtem
von der Natur gemachte Hoͤle/ als auch den
darauß entſpringenden Brunnen fuͤr eines der
groͤſſeſten Heiligthuͤmer Deutſchlands vereh-
ret/ auch den Glauben: daß in ſelbtem die An-
dacht der Opfernden durch einen Goͤttlichen
Trieb gefluͤgelt/ und das Gebete von den Goͤt-
tern ehe als anderwerts erhoͤhet wuͤrde/ von
mehr als tauſend Jahren her auf ihre Nach-
kommen fortgepflantzet. Denn die alten an-
daͤchtigen Deutſchen waren bekuͤmmerter Gott
recht zu verehren/ als durch Erbauung koͤſtlicher
Tempel die Gebuͤrge ihres Marmeis zu berau-
ben und ihre Ertzt-Adern arm zu machen. Die-
ſemnach ſie fuͤr eine der groͤſten Thorheiten hiel-
ten Affen/ Katzen und Crocodilen/ ja Knobloch
und Zwibeln mit Weyrauch zu raͤuchern; wel-
che bey den Egyptiern mehr die auß Jaſpis und
Porphyr erbaueten/ oder auß einem gantzen
Felſen gehauene Wunder-Tempel vorſtellten/
als durch derſelben Pracht einiges Anſehen ih-
rer ſchnoͤden Heßligkeit erlangeten. Nichts
minder verlachten ſie die zu Rom angebetete
Furcht und das Fieber/ als welche Kranckheiten
wol unvergoͤttert/ ja abſcheulich bleiben/ wenn
gleich zu Uberfirnßung ihrer Bilder und Hey-
ligthuͤmer alle Meere ihr Schnecken-Blut/
und gantz Morgen-Land ſeine Perlen und
Edel-Geſteine dahin zinſet. Da hingegen
eine wahre Gottheit eben ſo ein auß ſchlechtem
Raſen erhoͤhetes Altar/ und ein mehr einem ſin-
ſtern Grabe als einem Tempel aͤhnliches/ aber
von dem Feuer andaͤchtiger Seelen erleuchte-
tes Heyligthum; wie die Sonne alle duͤſtere
Wohnungen mit ihrem eigenen Glantze er-
leuchtet und herrlich macht; alſo daß ohne die
Gegenwart des groſſen Auges der Welt alle
geſtirnte Himmels-Kreyſe duͤſtern/ in Abweſen-
heit einer weſentlichen Gottheit alle von Rubin
und loderndem Weyrauch ſchimmernde Tem-
[Spaltenumbruch] pel irrdiſch ſind. Denn ob wol GOtt in und
auſſer aller Dinge iſt/ ſeine Macht und Herr-
ſchafft ſonder einige Beunruhigung ſich uͤber
alle Geſchoͤpfe erſtrecket/ ſeine Liebe ohne Er-
muͤdung allen durch ihre Erhaltung die Haͤnde
unterlegt/ ob er gleich ohne Außdehnung alles
außwendig umbſchleuſt/ alles innwendig ohne
ſeine Verkleinerung durchdringet; und er alſo
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an keinen Ort angebunden/ noch nach einigem
Maaſſe der Hoͤhe/ Tieffe und Breite zu meſſen/
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daß GOtt ſeiner Offenbarung nach/ und wegen
der von denen Sterblichen erfoderten Andacht
einen Ort fuͤr dem andern/ nicht etwan wegen
ſeiner abſonderlichen Herrligkeit/ ſondern auß
einer unerforſchlichen Zuneigung/ ihm belieben
laſſe/ ja mehrmals ſelbſt erkieſet habe.

Uber dem Eingange nun dieſer ebenfals fuͤr
andern erwehlten Hoͤle waren nachfolgende
Reymen in einen lebendigen Stein-Fels ge-
graben/ iedoch gar ſchwer zu leſen; weil ſie nicht
allein mit denen vom Tuiſco erfundenen Buch-
ſtaben geſchrieben/ ſondern auch vom Regen
abgewaſchen und vom Mooß verſtellet wa-
ren:

Jhr Eiteln weicht von hier! der Anfang aller Dinge/
Der ch als dieſer Fels und dieſer Brunn-Quell war/
Hat hier ſein Heyligthum/ ſein Wohn-Haus/ ſein Altar;
Der wil: daß man ihm nur zum Opfer Andacht bringe.
Die iſt das Eigenthum der Menſchen. Weyrauch/ Blut/
Gold/ Weitzen/ Oel und Vieh iſt ſein ſelbſteigen Gut.
Die Opfer die ihr ihm auf tauſend Tiſchen ſchlachtet/
Die machen ihn nicht feiſt/ und keine Gabe reich.
Jhr ſelbſt genuͤſſet es/ wenn ihr den Schoͤpfer gleich
Durch eure Erſtlingen hier zu beſchencken trachtet.
Euch ſcheint der Fackeln Licht/ ihr ruͤcht des Zimmets Brand;
Ja/ was ihr gebt/ bleibt euch mit Wucher in der Hand.
GOtt heiſcht diß zwar/ doch nicht aus luͤſterner Begierde.
Denn was er geitzt das Meer ihm an der armen Flut
Des Thaues? welcher Stern wuͤntſcht ihm der Wuͤrmer Glut/
Die bey den Naͤchten ſcheint/ und der Rubinen Zierde?
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Euch ſelbſt zu eurem Nutz/ ihm zur Bergnuͤgung nicht.
So
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[7[8]/0056] Erſtes Buch wachſender Eich-Baͤume gepflantzet/ und wie dieſes gantze Thal/ alſo auch inſonderheit den in der Mitte gelegenen Huͤgel/ und die in ſelbtem von der Natur gemachte Hoͤle/ als auch den darauß entſpringenden Brunnen fuͤr eines der groͤſſeſten Heiligthuͤmer Deutſchlands vereh- ret/ auch den Glauben: daß in ſelbtem die An- dacht der Opfernden durch einen Goͤttlichen Trieb gefluͤgelt/ und das Gebete von den Goͤt- tern ehe als anderwerts erhoͤhet wuͤrde/ von mehr als tauſend Jahren her auf ihre Nach- kommen fortgepflantzet. Denn die alten an- daͤchtigen Deutſchen waren bekuͤmmerter Gott recht zu verehren/ als durch Erbauung koͤſtlicher Tempel die Gebuͤrge ihres Marmeis zu berau- ben und ihre Ertzt-Adern arm zu machen. Die- ſemnach ſie fuͤr eine der groͤſten Thorheiten hiel- ten Affen/ Katzen und Crocodilen/ ja Knobloch und Zwibeln mit Weyrauch zu raͤuchern; wel- che bey den Egyptiern mehr die auß Jaſpis und Porphyr erbaueten/ oder auß einem gantzen Felſen gehauene Wunder-Tempel vorſtellten/ als durch derſelben Pracht einiges Anſehen ih- rer ſchnoͤden Heßligkeit erlangeten. Nichts minder verlachten ſie die zu Rom angebetete Furcht und das Fieber/ als welche Kranckheiten wol unvergoͤttert/ ja abſcheulich bleiben/ wenn gleich zu Uberfirnßung ihrer Bilder und Hey- ligthuͤmer alle Meere ihr Schnecken-Blut/ und gantz Morgen-Land ſeine Perlen und Edel-Geſteine dahin zinſet. Da hingegen eine wahre Gottheit eben ſo ein auß ſchlechtem Raſen erhoͤhetes Altar/ und ein mehr einem ſin- ſtern Grabe als einem Tempel aͤhnliches/ aber von dem Feuer andaͤchtiger Seelen erleuchte- tes Heyligthum; wie die Sonne alle duͤſtere Wohnungen mit ihrem eigenen Glantze er- leuchtet und herrlich macht; alſo daß ohne die Gegenwart des groſſen Auges der Welt alle geſtirnte Himmels-Kreyſe duͤſtern/ in Abweſen- heit einer weſentlichen Gottheit alle von Rubin und loderndem Weyrauch ſchimmernde Tem- pel irrdiſch ſind. Denn ob wol GOtt in und auſſer aller Dinge iſt/ ſeine Macht und Herr- ſchafft ſonder einige Beunruhigung ſich uͤber alle Geſchoͤpfe erſtrecket/ ſeine Liebe ohne Er- muͤdung allen durch ihre Erhaltung die Haͤnde unterlegt/ ob er gleich ohne Außdehnung alles außwendig umbſchleuſt/ alles innwendig ohne ſeine Verkleinerung durchdringet; und er alſo in/ uͤber/ unter und neben allen Sachen/ iedoch an keinen Ort angebunden/ noch nach einigem Maaſſe der Hoͤhe/ Tieffe und Breite zu meſſen/ ſeine Groͤſſe nirgends ein - ſein Weſen nir gends außzuſchluͤſſen iſt; ſo iſt doch unwiderſprechlich: daß GOtt ſeiner Offenbarung nach/ und wegen der von denen Sterblichen erfoderten Andacht einen Ort fuͤr dem andern/ nicht etwan wegen ſeiner abſonderlichen Herrligkeit/ ſondern auß einer unerforſchlichen Zuneigung/ ihm belieben laſſe/ ja mehrmals ſelbſt erkieſet habe. Uber dem Eingange nun dieſer ebenfals fuͤr andern erwehlten Hoͤle waren nachfolgende Reymen in einen lebendigen Stein-Fels ge- graben/ iedoch gar ſchwer zu leſen; weil ſie nicht allein mit denen vom Tuiſco erfundenen Buch- ſtaben geſchrieben/ ſondern auch vom Regen abgewaſchen und vom Mooß verſtellet wa- ren: Jhr Eiteln weicht von hier! der Anfang aller Dinge/ Der ch als dieſer Fels und dieſer Brunn-Quell war/ Hat hier ſein Heyligthum/ ſein Wohn-Haus/ ſein Altar; Der wil: daß man ihm nur zum Opfer Andacht bringe. Die iſt das Eigenthum der Menſchen. Weyrauch/ Blut/ Gold/ Weitzen/ Oel und Vieh iſt ſein ſelbſteigen Gut. Die Opfer die ihr ihm auf tauſend Tiſchen ſchlachtet/ Die machen ihn nicht feiſt/ und keine Gabe reich. Jhr ſelbſt genuͤſſet es/ wenn ihr den Schoͤpfer gleich Durch eure Erſtlingen hier zu beſchencken trachtet. Euch ſcheint der Fackeln Licht/ ihr ruͤcht des Zimmets Brand; Ja/ was ihr gebt/ bleibt euch mit Wucher in der Hand. GOtt heiſcht diß zwar/ doch nicht aus luͤſterner Begierde. Denn was er geitzt das Meer ihm an der armen Flut Des Thaues? welcher Stern wuͤntſcht ihm der Wuͤrmer Glut/ Die bey den Naͤchten ſcheint/ und der Rubinen Zierde? Jhr weyht GOtt nur das Hertz zum Zeichen euer Pflicht; Euch ſelbſt zu eurem Nutz/ ihm zur Bergnuͤgung nicht. So

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 7[8]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/56>, abgerufen am 21.11.2024.