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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch]
Ja auch die Andacht selbst weiß GOtt nichts zu zufrömen;
Denn eignet sie uns zu gleich seine Gnad und Heil;
So hat sein Wolstand doch nicht an dem unsern Theil/
Wie unsre Freude rinnt auß seinen Wolthats-Strömen.
Hingegen wie kein Dunst verschrt der Sonnen Licht/
So verunehrt auch ihn kein Aberglaube nicht.
Der Lästerer ihr Fluch thut ihm geringern Schaden/
Als wenn ein toller Hund den vollen Mond anbillt.
Es rühmt als Nichter ihn was in der Hölle brüllt;
Wie's Lob der Seligen preist seine Vater-Gnaden.
Den grossen GOtt bewehrt die Kohle/ die dort glüht/
So wol/ als die/ die man wie Sterne gläntzen sicht.
So ists nun Ubermaaß/ unsäglich grosse Gütte/
Daß GOtt die Betenden hier würdigt zu erhörn!
Weicht Eitele! umb nicht diß Heyl'ge zu versehrn!
Denn daß GOtt in diß Thal nur einen Blick außschütte/
Jst größ're Gnad/ als wenn das Auge dieser Welt
Den schlechtsten Sonnen-Staub mit seinem Glautz/ erhält.

Jn dieser andächtigen Einfalt bestunden die
alten Heyligthümer. Nachdem aber die Rö-
mer über den Rhein gediegen/ und iede Land-
schafften auch so gar dem Kayser Augustus häuf-
fig Tempel aufrichteten/ liessen die Hartz- und
Marßländer sich von ihrer alten und einfälti-
gen Andacht ableiten: daß sie nach der Römi-
schen Bau-Art auf diesen Hügel einen rundten
und prächtigen Tempel von viereckichten Stei-
nen aufbaueten. Gleich als ob es in der
Willkühr der Sterblichen stünde: die
Götter nichts minder in gewisse Gestalten zu
verwandeln/ wie sie auß denen Gestirnen nicht
nur üppige Bulschafften/ sondern Bären/ Hun-
de und andere wilde Thiere in dem Abrisse ihrer
tummen Einbildung gemacht hätten/ oder auch/
als ob es die Götter mehr ver gnügte/ wenn die
Sterblichen ihnen Steine an statt ihrer Hertzen
einweyhen/ und mit kostbarer Eitelkeit ihren
kaltsinnigen GOttes-Dienst überfirnsen.

Wiewol nun an etlichen Orten Deutsch-
lands die Sonne unter der Gestalt eines halb-
nackten auf einen hohen Pfeiler gesetzten Man-
nes/ dessen Haupt mit Feuer-Stralen umb-
geben war/ und der auf der Brust ein brennen-
des Rad hielt; der Mond unter dem Bildnüsse
eines Weibes/ mit einem kurtzen Rocke/ einer
[Spaltenumbruch] Kappen mit langen Ohren/ mit gehörnten
Schuhen und dem Monden auf der Brust; der
Tuisco in der Haut eines wilden Thieres/
mit einem Zepter in der Hand verehret
ward; so hatte doch gegenwärtiger Ort noch
diese Reinigkeit erhalten: daß sie in diesen ihren
ersten Tempel kein Bild ihres GOttes entwe-
der nach menschlicher Aehnligkeit/ oder Gestalk
eines Thieres setzten. Sintemal sie nicht nur
den abscheulichen Mißbrauch der Götter Bil-
dung darauß wahrnahmen: daß Praxiteles
nach seiner Bey-Schläferin Gratina/ viel an-
dere nach der unzüchtigen Phryne die Göttin
Venus/ Phidias nach einem mißbrauchten
Knaben Pantauches/ den Olympischen Jupi-
ter abgebildet hatten; und wie schwer der Bild-
Schnitzer sein eigen Gemächte anbeten könne/
beobachteten/ sondern auch ehrerbietig glaubten:
Man könne zwar gewisse Bildnüsse zum Zei-
chen der daselbst verehrten GOttheit in gemein/
zu welchem Ende im Anfange der Dinge die
Sterblichen zu ihrem GOttes-Dienste Lanzen
sollen aufgesteckt haben/ die Morgen-Länder
ihren Jupiter durch einen grossen rundten ober-
halb länglichten/ die Araber durch einen
viereckichten Stein/ die Perser durch einen
Fluß/ die Druiden durch einen hohen Eich-
Baum/ oder durch einen Degen und Gezelt;
die Paphier ihre Venus mit einer Kugel ange-
deutet haben/ oder zum Unterschiede eines ge-
wissen GOttes-Diensts/ der an einem Orte im
Schwange gienge/ als durch den Blitz/ daß Ju-
piter/ durch den Spieß/ daß Pallas/ durch die
Säule/ daß Hercules/ durch das wilde Schwein/
daß die Göttin Herta/ durch ein altes Schwerdt/
daß Marß/ (welchem die Scythen unter dieser
Gestalt ihre Gefangenen opffern) durch einen
Sebel/ daß die Diana (womit sie die Taurer
abbildeten) allda verehret würde/ an heiligen
Oertern auffstellen/ oder selbte gar nach der
Gewohnheit ihrer Voreltern mit in die Schlach-
ten nahmen/ oder zu ihren Heer-Fahnen brau-
chen; Die Grösse aller himmlischen Geister a-

ber
Erster Theil B
Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch]
Ja auch die Andacht ſelbſt weiß GOtt nichts zu zufroͤmen;
Denn eignet ſie uns zu gleich ſeine Gnad und Heil;
So hat ſein Wolſtand doch nicht an dem unſern Theil/
Wie unſre Freude rinnt auß ſeinen Wolthats-Stroͤmen.
Hingegen wie kein Dunſt verſchrt der Sonnen Licht/
So verunehrt auch ihn kein Aberglaube nicht.
Der Laͤſterer ihr Fluch thut ihm geringern Schaden/
Als wenn ein toller Hund den vollen Mond anbillt.
Es ruͤhmt als Nichter ihn was in der Hoͤlle bruͤllt;
Wie’s Lob der Seligen preiſt ſeine Vater-Gnaden.
Den groſſen GOtt bewehrt die Kohle/ die dort gluͤht/
So wol/ als die/ die man wie Sterne glaͤntzen ſicht.
So iſts nun Ubermaaß/ unſaͤglich groſſe Guͤtte/
Daß GOtt die Betenden hier wuͤrdigt zu erhoͤrn!
Weicht Eitele! umb nicht diß Heyl’ge zu verſehrn!
Denn daß GOtt in diß Thal nur einen Blick außſchuͤtte/
Jſt groͤß’re Gnad/ als wenn das Auge dieſer Welt
Den ſchlechtſten Sonnen-Staub mit ſeinem Glautz/ erhaͤlt.

Jn dieſer andaͤchtigen Einfalt beſtunden die
alten Heyligthuͤmer. Nachdem aber die Roͤ-
mer uͤber den Rhein gediegen/ und iede Land-
ſchafften auch ſo gar dem Kayſer Auguſtus haͤuf-
fig Tempel aufrichteten/ lieſſen die Hartz- und
Marßlaͤnder ſich von ihrer alten und einfaͤlti-
gen Andacht ableiten: daß ſie nach der Roͤmi-
ſchen Bau-Art auf dieſen Huͤgel einen rundten
und praͤchtigen Tempel von viereckichten Stei-
nen aufbaueten. Gleich als ob es in der
Willkuͤhr der Sterblichen ſtuͤnde: die
Goͤtter nichts minder in gewiſſe Geſtalten zu
verwandeln/ wie ſie auß denen Geſtirnen nicht
nur uͤppige Bulſchafften/ ſondern Baͤren/ Hun-
de und andere wilde Thiere in dem Abriſſe ihrer
tummen Einbildung gemacht haͤtten/ oder auch/
als ob es die Goͤtter mehr ver gnuͤgte/ wenn die
Sterblichen ihnen Steine an ſtatt ihrer Hertzen
einweyhen/ und mit koſtbarer Eitelkeit ihren
kaltſinnigen GOttes-Dienſt uͤberfirnſen.

Wiewol nun an etlichen Orten Deutſch-
lands die Sonne unter der Geſtalt eines halb-
nackten auf einen hohen Pfeiler geſetzten Man-
nes/ deſſen Haupt mit Feuer-Stralen umb-
geben war/ und der auf der Bruſt ein brennen-
des Rad hielt; der Mond unter dem Bildnuͤſſe
eines Weibes/ mit einem kurtzen Rocke/ einer
[Spaltenumbruch] Kappen mit langen Ohren/ mit gehoͤrnten
Schuhen und dem Monden auf der Bruſt; der
Tuiſco in der Haut eines wilden Thieres/
mit einem Zepter in der Hand verehret
ward; ſo hatte doch gegenwaͤrtiger Ort noch
dieſe Reinigkeit erhalten: daß ſie in dieſen ihren
erſten Tempel kein Bild ihres GOttes entwe-
der nach menſchlicher Aehnligkeit/ oder Geſtalk
eines Thieres ſetzten. Sintemal ſie nicht nur
den abſcheulichen Mißbrauch der Goͤtter Bil-
dung darauß wahrnahmen: daß Praxiteles
nach ſeiner Bey-Schlaͤferin Gratina/ viel an-
dere nach der unzuͤchtigen Phryne die Goͤttin
Venus/ Phidias nach einem mißbrauchten
Knaben Pantauches/ den Olympiſchen Jupi-
ter abgebildet hatten; und wie ſchwer der Bild-
Schnitzer ſein eigen Gemaͤchte anbeten koͤnne/
beobachteten/ ſondern auch ehrerbietig glaubten:
Man koͤnne zwar gewiſſe Bildnuͤſſe zum Zei-
chen der daſelbſt verehrten GOttheit in gemein/
zu welchem Ende im Anfange der Dinge die
Sterblichen zu ihrem GOttes-Dienſte Lanzen
ſollen aufgeſteckt haben/ die Morgen-Laͤnder
ihren Jupiter durch einen groſſen rundten ober-
halb laͤnglichten/ die Araber durch einen
viereckichten Stein/ die Perſer durch einen
Fluß/ die Druiden durch einen hohen Eich-
Baum/ oder durch einen Degen und Gezelt;
die Paphier ihre Venus mit einer Kugel ange-
deutet haben/ oder zum Unterſchiede eines ge-
wiſſen GOttes-Dienſts/ der an einem Orte im
Schwange gienge/ als durch den Blitz/ daß Ju-
piter/ durch den Spieß/ daß Pallas/ durch die
Saͤule/ daß Hercules/ durch das wilde Schwein/
daß die Goͤttin Herta/ durch ein altes Schwerdt/
daß Marß/ (welchem die Scythen unter dieſer
Geſtalt ihre Gefangenen opffern) durch einen
Sebel/ daß die Diana (womit ſie die Taurer
abbildeten) allda verehret wuͤrde/ an heiligen
Oertern auffſtellen/ oder ſelbte gar nach der
Gewohnheit ihreꝛ Vorelteꝛn mit in die Schlach-
ten nahmen/ oder zu ihren Heer-Fahnen brau-
chen; Die Groͤſſe aller himmliſchen Geiſter a-

ber
Erſter Theil B
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/57>, abgerufen am 24.11.2024.