Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Kranckheiten herrührte; also etliche Schwach-heiten den Menschen theils schöner/ theils ver- ständiger machten. So ist/ versetzte Jubil/ unter so gütige Kranckheiten sonder allen Zweif- fel die Liebe zu rechnen; welche/ wo nicht dem Leibe eine Zierrath/ doch den Gliedern eine Geschickligkeit beysetzt/ fürnehmlich aber dem Geiste ein Licht anzündet/ und den Ruhm ver- dient ein Wetzstein der Tugend genennet zu werden. Der Feldherr brach ein: Jch gebe das letztere gerne nach; diß aber ist der Liebe viel zu verkleinerlich/ daß sie mit dem Nahmen einer Kranckheit verunehrt werden wil. Jubil ant- wortete: zum minsten müssen wir enthengen/ daß sie eine Mutter der Kranckheiten sey/ wo es wahr ist/ daß Antiochus aus Liebe gegen der Stratonica todt-kranck worden. Der Feld- herr versetzte: Nicht die Liebe/ sondern der seiner Liebe angethane Zwang/ und in dem er diß/ was sich so wenig/ als das Feuer verbergen läst/ in seinem Hertzen verdrücken wolte/ setzte den An- tiochus in so erbärmlichen Zustand. Durch die Liebe aber seiner Stratonica/ ja durch einen ei- nigen Anmuths-Blick/ ward er gleichsam in ei- nem einigen Augenblicke gesund. Also eignet Fürst Zeno der Erato nichts neues zu; wenn er von dem Einflusse ihrer Gewogenheit ihm zu genesen Hoffnung macht. Zeno danckte für die Vertheidigung seiner Meinung/ und setzte bey: Die Liebe würde in Asien und Griechen- land für die Erfinderin aller Künste/ und also auch der Artzneyen gehalten; Ja der schlaue Mercur wäre niemals verschmitzter gewest/ als wenn ihm das Feuer der Liebe seinen Ver- stand erleuchtet hätte. Jn der Stadt Egira stünde das mit einem Horne des Uberflusses ge- bildete Glücke der Säule der Liebe recht an die Seite gesetzt; weil diese gleichsam eine Schmie- din der Glückseligkeit wäre. Diesemnach wäre keines weges für so eitel zu schätzen/ daß eine kräfftige Liebe heilsame Würckung stiff- ten/ das Gifft aussaugen/ und gleichsam den [Spaltenumbruch] Tod selbst bezaubern könne. Es sey diß so viel weniger zu verwundern/ sagte der Feldherr/ weil iede Einbildung fast in allen Dingen so wunderseltzame Macht hätte/ und mehrmals das Andencken einer gebrauchten Artzney/ o- der das Anschauen ihres Behältnüsses/ eben diß/ was sie selbst zu würcken pflegte. Diesem- nach glaube er/ daß des Krancken feste Hoffnung nicht selten den Jrrthümern der Aertzte zu Hülf- fe komme/ und gebrauchten Kräutern fremde Kräfften zueigne; weil die Erfahrung bezeug- te/ daß offimahls verzweisselte Kranckheiten durch schlechte Worte/ und seltzame Kennzei- chen/ denen er an sich selbst die geringste Wür- ckung nicht enträumte/ oder vielmehr durch des Krancken starcken Glauben geheilet worden. Dieser wäre die einige Ursache gewest/ daß des Scythen Toxaris Säule zu Athen/ und das Bild des Polydamas auff dem Olympischen Kampf-Felde die Anrührenden/ wie auch das vierdte Buch der Homerischen Jlias/ die/ welche darauf schlieffen/ vom Fieber befreyete. Der Psyllen in Africa/ der Marsen in Jtalien/ der Ophiogenes in Asien Gifft-Aussaugungen hät- ten den festen Glauben zu ihrem festen Grunde. Sonder Zweiffel rührte auch aus einer solchen Einbildung her/ daß Pyrrhus mit seiner grossen Zehe im rechten Fusse die Miltz-Kranckheit/ die Pannonischen Könige die Gelbesucht/ die Can- tabrischen die Besessenen/ die Britannischen die hinfallende Sucht/ der Gallier Fürsten die Kröpffe geheilet haben sollen. Was die Ein- bildung im Kinder-zeugen könne/ und wie von dieser die Aehnligkeit derselben ihren Ur- sprung habe/ erhärtete das berühmte Beyspiel der Mohrischen Königin Persina/ die vom starren Ansehen einer Marmelnen Androme- da wider die Landes-Art ein schneeweisses Kind gebohren/ also in Verdacht des Ehe- bruchs und Gefahr des Lebens verfallen wäre. Der Fürst Zeno fiel dem Feldherrn bey/ daß die Einbildung nicht nur bey den Menschen/ son- S s s 2
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Kranckheiten herruͤhrte; alſo etliche Schwach-heiten den Menſchen theils ſchoͤner/ theils ver- ſtaͤndiger machten. So iſt/ verſetzte Jubil/ unter ſo guͤtige Kranckheiten ſonder allen Zweif- fel die Liebe zu rechnen; welche/ wo nicht dem Leibe eine Zierrath/ doch den Gliedern eine Geſchickligkeit beyſetzt/ fuͤrnehmlich aber dem Geiſte ein Licht anzuͤndet/ und den Ruhm ver- dient ein Wetzſtein der Tugend genennet zu werden. Der Feldherr brach ein: Jch gebe das letztere gerne nach; diß aber iſt der Liebe viel zu verkleinerlich/ daß ſie mit dem Nahmen einer Kranckheit verunehrt werden wil. Jubil ant- wortete: zum minſten muͤſſen wir enthengen/ daß ſie eine Mutter der Kranckheiten ſey/ wo es wahr iſt/ daß Antiochus aus Liebe gegen der Stratonica todt-kranck worden. Der Feld- herr verſetzte: Nicht die Liebe/ ſondern der ſeiner Liebe angethane Zwang/ und in dem er diß/ was ſich ſo wenig/ als das Feuer verbergen laͤſt/ in ſeinem Hertzen verdruͤcken wolte/ ſetzte den An- tiochus in ſo erbaͤrmlichen Zuſtand. Durch die Liebe aber ſeiner Stratonica/ ja durch einen ei- nigen Anmuths-Blick/ ward er gleichſam in ei- nem einigen Augenblicke geſund. Alſo eignet Fuͤrſt Zeno der Erato nichts neues zu; wenn er von dem Einfluſſe ihrer Gewogenheit ihm zu geneſen Hoffnung macht. Zeno danckte fuͤr die Vertheidigung ſeiner Meinung/ und ſetzte bey: Die Liebe wuͤrde in Aſien und Griechen- land fuͤr die Erfinderin aller Kuͤnſte/ und alſo auch der Artzneyen gehalten; Ja der ſchlaue Mercur waͤre niemals verſchmitzter geweſt/ als wenn ihm das Feuer der Liebe ſeinen Ver- ſtand erleuchtet haͤtte. Jn der Stadt Egira ſtuͤnde das mit einem Horne des Uberfluſſes ge- bildete Gluͤcke der Saͤule der Liebe recht an die Seite geſetzt; weil dieſe gleichſam eine Schmie- din der Gluͤckſeligkeit waͤre. Dieſemnach waͤre keines weges fuͤr ſo eitel zu ſchaͤtzen/ daß eine kraͤfftige Liebe heilſame Wuͤrckung ſtiff- ten/ das Gifft ausſaugen/ und gleichſam den [Spaltenumbruch] Tod ſelbſt bezaubern koͤnne. Es ſey diß ſo viel weniger zu verwundern/ ſagte der Feldherr/ weil iede Einbildung faſt in allen Dingen ſo wunderſeltzame Macht haͤtte/ und mehrmals das Andencken einer gebrauchten Artzney/ o- der das Anſchauen ihres Behaͤltnuͤſſes/ eben diß/ was ſie ſelbſt zu wuͤrcken pflegte. Dieſem- nach glaube er/ daß des Krancken feſte Hoffnung nicht ſelten den Jrrthuͤmern der Aertzte zu Huͤlf- fe komme/ und gebrauchten Kraͤutern fremde Kraͤfften zueigne; weil die Erfahrung bezeug- te/ daß offimahls verzweiſſelte Kranckheiten durch ſchlechte Worte/ und ſeltzame Kennzei- chen/ denen er an ſich ſelbſt die geringſte Wuͤr- ckung nicht entraͤumte/ oder vielmehr durch des Krancken ſtarcken Glauben geheilet worden. Dieſer waͤre die einige Urſache geweſt/ daß des Scythen Toxaris Saͤule zu Athen/ und das Bild des Polydamas auff dem Olympiſchen Kampf-Felde die Anruͤhrenden/ wie auch das vierdte Buch der Homeriſchen Jlias/ die/ welche darauf ſchlieffen/ vom Fieber befreyete. Der Pſyllen in Africa/ der Marſen in Jtalien/ der Ophiogenes in Aſien Gifft-Ausſaugungen haͤt- ten den feſten Glauben zu ihrem feſten Grunde. Sonder Zweiffel ruͤhrte auch aus einer ſolchen Einbildung her/ daß Pyrrhus mit ſeiner groſſen Zehe im rechten Fuſſe die Miltz-Kranckheit/ die Pannoniſchen Koͤnige die Gelbeſucht/ die Can- tabriſchen die Beſeſſenen/ die Britanniſchen die hinfallende Sucht/ der Gallier Fuͤrſten die Kroͤpffe geheilet haben ſollen. Was die Ein- bildung im Kinder-zeugen koͤnne/ und wie von dieſer die Aehnligkeit derſelben ihren Ur- ſprung habe/ erhaͤrtete das beruͤhmte Beyſpiel der Mohriſchen Koͤnigin Perſina/ die vom ſtarren Anſehen einer Marmelnen Androme- da wider die Landes-Art ein ſchneeweiſſes Kind gebohren/ alſo in Verdacht des Ehe- bruchs und Gefahr des Lebens verfallen waͤre. Der Fuͤrſt Zeno fiel dem Feldherrn bey/ daß die Einbildung nicht nur bey den Menſchen/ ſon- S s s 2
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Arminius und Thußnelda.
Kranckheiten herruͤhrte; alſo etliche Schwach-
heiten den Menſchen theils ſchoͤner/ theils ver-
ſtaͤndiger machten. So iſt/ verſetzte Jubil/
unter ſo guͤtige Kranckheiten ſonder allen Zweif-
fel die Liebe zu rechnen; welche/ wo nicht dem
Leibe eine Zierrath/ doch den Gliedern eine
Geſchickligkeit beyſetzt/ fuͤrnehmlich aber dem
Geiſte ein Licht anzuͤndet/ und den Ruhm ver-
dient ein Wetzſtein der Tugend genennet zu
werden. Der Feldherr brach ein: Jch gebe
das letztere gerne nach; diß aber iſt der Liebe viel
zu verkleinerlich/ daß ſie mit dem Nahmen einer
Kranckheit verunehrt werden wil. Jubil ant-
wortete: zum minſten muͤſſen wir enthengen/
daß ſie eine Mutter der Kranckheiten ſey/ wo
es wahr iſt/ daß Antiochus aus Liebe gegen der
Stratonica todt-kranck worden. Der Feld-
herr verſetzte: Nicht die Liebe/ ſondern der ſeiner
Liebe angethane Zwang/ und in dem er diß/ was
ſich ſo wenig/ als das Feuer verbergen laͤſt/ in
ſeinem Hertzen verdruͤcken wolte/ ſetzte den An-
tiochus in ſo erbaͤrmlichen Zuſtand. Durch die
Liebe aber ſeiner Stratonica/ ja durch einen ei-
nigen Anmuths-Blick/ ward er gleichſam in ei-
nem einigen Augenblicke geſund. Alſo eignet
Fuͤrſt Zeno der Erato nichts neues zu; wenn er
von dem Einfluſſe ihrer Gewogenheit ihm zu
geneſen Hoffnung macht. Zeno danckte fuͤr
die Vertheidigung ſeiner Meinung/ und ſetzte
bey: Die Liebe wuͤrde in Aſien und Griechen-
land fuͤr die Erfinderin aller Kuͤnſte/ und alſo
auch der Artzneyen gehalten; Ja der ſchlaue
Mercur waͤre niemals verſchmitzter geweſt/
als wenn ihm das Feuer der Liebe ſeinen Ver-
ſtand erleuchtet haͤtte. Jn der Stadt Egira
ſtuͤnde das mit einem Horne des Uberfluſſes ge-
bildete Gluͤcke der Saͤule der Liebe recht an die
Seite geſetzt; weil dieſe gleichſam eine Schmie-
din der Gluͤckſeligkeit waͤre. Dieſemnach
waͤre keines weges fuͤr ſo eitel zu ſchaͤtzen/ daß
eine kraͤfftige Liebe heilſame Wuͤrckung ſtiff-
ten/ das Gifft ausſaugen/ und gleichſam den
Tod ſelbſt bezaubern koͤnne. Es ſey diß ſo viel
weniger zu verwundern/ ſagte der Feldherr/
weil iede Einbildung faſt in allen Dingen ſo
wunderſeltzame Macht haͤtte/ und mehrmals
das Andencken einer gebrauchten Artzney/ o-
der das Anſchauen ihres Behaͤltnuͤſſes/ eben
diß/ was ſie ſelbſt zu wuͤrcken pflegte. Dieſem-
nach glaube er/ daß des Krancken feſte Hoffnung
nicht ſelten den Jrrthuͤmern der Aertzte zu Huͤlf-
fe komme/ und gebrauchten Kraͤutern fremde
Kraͤfften zueigne; weil die Erfahrung bezeug-
te/ daß offimahls verzweiſſelte Kranckheiten
durch ſchlechte Worte/ und ſeltzame Kennzei-
chen/ denen er an ſich ſelbſt die geringſte Wuͤr-
ckung nicht entraͤumte/ oder vielmehr durch des
Krancken ſtarcken Glauben geheilet worden.
Dieſer waͤre die einige Urſache geweſt/ daß des
Scythen Toxaris Saͤule zu Athen/ und das
Bild des Polydamas auff dem Olympiſchen
Kampf-Felde die Anruͤhrenden/ wie auch das
vierdte Buch der Homeriſchen Jlias/ die/ welche
darauf ſchlieffen/ vom Fieber befreyete. Der
Pſyllen in Africa/ der Marſen in Jtalien/ der
Ophiogenes in Aſien Gifft-Ausſaugungen haͤt-
ten den feſten Glauben zu ihrem feſten Grunde.
Sonder Zweiffel ruͤhrte auch aus einer ſolchen
Einbildung her/ daß Pyrrhus mit ſeiner groſſen
Zehe im rechten Fuſſe die Miltz-Kranckheit/ die
Pannoniſchen Koͤnige die Gelbeſucht/ die Can-
tabriſchen die Beſeſſenen/ die Britanniſchen die
hinfallende Sucht/ der Gallier Fuͤrſten die
Kroͤpffe geheilet haben ſollen. Was die Ein-
bildung im Kinder-zeugen koͤnne/ und wie von
dieſer die Aehnligkeit derſelben ihren Ur-
ſprung habe/ erhaͤrtete das beruͤhmte Beyſpiel
der Mohriſchen Koͤnigin Perſina/ die vom
ſtarren Anſehen einer Marmelnen Androme-
da wider die Landes-Art ein ſchneeweiſſes
Kind gebohren/ alſo in Verdacht des Ehe-
bruchs und Gefahr des Lebens verfallen waͤre.
Der Fuͤrſt Zeno fiel dem Feldherrn bey/ daß
die Einbildung nicht nur bey den Menſchen/
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/563>, abgerufen am 26.06.2024. |