Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
nige derogestalt zu begegnen: Es möchten dieGötter ja wohl zuweilen durch Träume was offenbaren/ aber sicherlich gar selten. Nimmer- mehr aber liesse er sich bereden/ daß sie den Kin- der-Mord billigen/ weniger durch Träume ver- ordnen solten. Zwar müste unter so viel tau- send eitelen Träumen ja zuweilen einer eintref- fen. Denn wenn tausend Blinde nach dem Ziele schüssen/ würden schwerlich alle fehlen/ son- dern einige ungefehr treffen. Xerxes hätte sei- ne Eitelkeit nicht genung zu bejammern gewüst/ daß er/ auf Verleitung eines zweyfachen Trau- mes/ und seiner eiteln Ausleger den Krieg wider Griechenland angehoben. Wären die Träume Göttliche Warnungen/ würde gewiß den Nar- ren und Boßhaftigen nicht mehr/ als den From- men und Weisen/ am wenigsten aber auch dem Viehe träumen. Ja sie würden ihre Meinun- gen viel deutlicher sagen/ und sie nicht in so düste- re Nebel verstecken/ daß uns die über der Aus- legungs-Art so sehr zwistige Wahrsager nicht entweder nach ihren Neigungen/ oder uns nichts minder zu verführen/ als Pflaumen zu streichen Anlaß nehmen könten. Worzu des Käysers Julius Traum/ indem er seine Mutter beschlief/ ein merckwürdiges Beyspiel abgibt. Sinte- mal die ihm liebkosenden Römer hierdurch ihm die Herrschafft über unser aller Mutter die Er- de wahrgesagt zu seyn glaubten. Dahingegen Hippias/ welcher ihm längst vorher diese Blut- Schande träumen ließ/ nichts weniger als ein solcher Welt-Beherrscher ward. Polemon schien hierüber der Vernunfft wieder ein wenig Raum zu geben; warff aber ein: Sein Traum/ wo ein so klarer Befehl der Götter auch so ge- ringen Nahmen vertragen könte/ wäre so deut- lich/ daß er keiner Auslegung dörffte. Auch wäre ausser Zweifel/ daß Könige/ und insonder- heit etliche Geschlechter in gewissen Dingen was besonders über den Pöfel hätten. Jhre Schutz- Geister wären gewiß stärcker und sorgfältiger/ [Spaltenumbruch] als gemeiner Leute. Jnsonderheit hätte der Königliche Pontische Stamm einen Traum zum Grund-Stein seines Glückes. Denn dem Antigonus in Syrien hätte geträumet: Er säe- te Gold/ sein Diener Mithridates aber erndtete es ein/ und führte die Frucht in Pontus. Die- ses Traumes halber hätte Antigonus ihn zu tödten getrachtet/ Mithridates aber sich in Cap- padocien zu flüchten genöthigt gesehen/ allwo ihm das Glücke die Hand geboten/ sich des Pon- tischen Reiches zu bemächtigen. Eben dieser Traum/ versetzte Periogetes/ dienete zum Un- terricht: Daß kein menschlicher Witz verhüten kan/ was die Götter auszuüben im Schilde führen. Ausser dem vertrüge Polemons Traum allerdings eine und zwar sehr gute Aus- legung; Sintemal die meisten Traum-Deu- ter festiglich darfür hielten/ daß alle Träume auf das Widerspiel zielten. Polemon besänftete hierüber sein Gemüthe/ und versprach dem Zeno kein Leid zu thun/ wenn nicht der ihm von dem Geiste eingehändigte Dolch aus des grossen Mithridatens Begräbnüsse käme/ welches ihm der grosse Pompejus zu Ehren in Sinope auf- gerichtet hätte. Jch/ sagte Nicomedes/ hielt nichts weniger/ als dieses glaublich/ und erbot mich daselbst die Wahrheit zu erforschen. Aber Polemon fügte sich aus Mißtrauen selbst da- hin/ und wir befanden leider! zu unserer äu- sersten Erstaunung/ daß auf Mithridatens Grufft der dargelegene Dolch fehlte. Dieses Wunder versetzte uns ins höchste Schrecken/ den König aber brachte es/ alles Einredens ungeachtet/ zu der festen Entschlüssung/ seinen Sohn auf selbsteigene Veranlassung der Götter hinzurichten. Wir sahen aber/ fuhr Nicome- des fort/ den König mit grösserer Bestürtzung aus dem Gefängnüsse zurück kehren. Er warff sich mit höchster Verwirrung auf sein Bette/ befahl mir biß zu Tage nicht von ihm zu weichen. Wie ich nun eine Weile seiner Unruh/ T t t 2
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
nige derogeſtalt zu begegnen: Es moͤchten dieGoͤtter ja wohl zuweilen durch Traͤume was offenbaren/ aber ſicherlich gar ſelten. Nimmer- mehr aber lieſſe er ſich bereden/ daß ſie den Kin- der-Mord billigen/ weniger durch Traͤume ver- ordnen ſolten. Zwar muͤſte unter ſo viel tau- ſend eitelen Traͤumen ja zuweilen einer eintref- fen. Denn wenn tauſend Blinde nach dem Ziele ſchuͤſſen/ wuͤrden ſchwerlich alle fehlen/ ſon- dern einige ungefehr treffen. Xerxes haͤtte ſei- ne Eitelkeit nicht genung zu bejammern gewuͤſt/ daß er/ auf Verleitung eines zweyfachen Trau- mes/ und ſeiner eiteln Ausleger den Krieg wider Griechenland angehoben. Waͤren die Traͤume Goͤttliche Warnungen/ wuͤrde gewiß den Nar- ren und Boßhaftigen nicht mehr/ als den From- men und Weiſen/ am wenigſten aber auch dem Viehe traͤumen. Ja ſie wuͤrden ihre Meinun- gen viel deutlicher ſagen/ und ſie nicht in ſo duͤſte- re Nebel verſtecken/ daß uns die uͤber der Aus- legungs-Art ſo ſehr zwiſtige Wahrſager nicht entweder nach ihren Neigungen/ oder uns nichts minder zu verfuͤhren/ als Pflaumen zu ſtreichen Anlaß nehmen koͤnten. Worzu des Kaͤyſers Julius Traum/ indem er ſeine Mutter beſchlief/ ein merckwuͤrdiges Beyſpiel abgibt. Sinte- mal die ihm liebkoſenden Roͤmer hierdurch ihm die Herrſchafft uͤber unſer aller Mutter die Er- de wahrgeſagt zu ſeyn glaubten. Dahingegen Hippias/ welcher ihm laͤngſt vorher dieſe Blut- Schande traͤumen ließ/ nichts weniger als ein ſolcher Welt-Beherrſcher ward. Polemon ſchien hieruͤber der Vernunfft wieder ein wenig Raum zu geben; warff aber ein: Sein Traum/ wo ein ſo klarer Befehl der Goͤtter auch ſo ge- ringen Nahmen vertragen koͤnte/ waͤre ſo deut- lich/ daß er keiner Auslegung doͤrffte. Auch waͤre auſſer Zweifel/ daß Koͤnige/ und inſonder- heit etliche Geſchlechter in gewiſſen Dingen was beſonders uͤber den Poͤfel haͤtten. Jhre Schutz- Geiſter waͤren gewiß ſtaͤrcker und ſorgfaͤltiger/ [Spaltenumbruch] als gemeiner Leute. Jnſonderheit haͤtte der Koͤnigliche Pontiſche Stam̃ einen Traum zum Grund-Stein ſeines Gluͤckes. Denn dem Antigonus in Syrien haͤtte getraͤumet: Er ſaͤe- te Gold/ ſein Diener Mithridates aber erndtete es ein/ und fuͤhrte die Frucht in Pontus. Die- ſes Traumes halber haͤtte Antigonus ihn zu toͤdten getrachtet/ Mithridates aber ſich in Cap- padocien zu fluͤchten genoͤthigt geſehen/ allwo ihm das Gluͤcke die Hand geboten/ ſich des Pon- tiſchen Reiches zu bemaͤchtigen. Eben dieſer Traum/ verſetzte Periogetes/ dienete zum Un- terricht: Daß kein menſchlicher Witz verhuͤten kan/ was die Goͤtter auszuuͤben im Schilde fuͤhren. Auſſer dem vertruͤge Polemons Traum allerdings eine und zwar ſehr gute Aus- legung; Sintemal die meiſten Traum-Deu- ter feſtiglich darfuͤr hielten/ daß alle Traͤume auf das Widerſpiel zielten. Polemon beſaͤnftete hieruͤber ſein Gemuͤthe/ und verſprach dem Zeno kein Leid zu thun/ wenn nicht der ihm von dem Geiſte eingehaͤndigte Dolch aus des groſſen Mithridatens Begraͤbnuͤſſe kaͤme/ welches ihm der groſſe Pompejus zu Ehren in Sinope auf- gerichtet haͤtte. Jch/ ſagte Nicomedes/ hielt nichts weniger/ als dieſes glaublich/ und erbot mich daſelbſt die Wahrheit zu erforſchen. Aber Polemon fuͤgte ſich aus Mißtrauen ſelbſt da- hin/ und wir befanden leider! zu unſerer aͤu- ſerſten Erſtaunung/ daß auf Mithridatens Grufft der dargelegene Dolch fehlte. Dieſes Wunder verſetzte uns ins hoͤchſte Schrecken/ den Koͤnig aber brachte es/ alles Einredens ungeachtet/ zu der feſten Entſchluͤſſung/ ſeinen Sohn auf ſelbſteigene Veranlaſſung der Goͤtter hinzurichten. Wir ſahen aber/ fuhr Nicome- des fort/ den Koͤnig mit groͤſſerer Beſtuͤrtzung aus dem Gefaͤngnuͤſſe zuruͤck kehren. Er warff ſich mit hoͤchſter Verwirrung auf ſein Bette/ befahl mir biß zu Tage nicht von ihm zu weichen. Wie ich nun eine Weile ſeiner Unruh/ T t t 2
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Arminius und Thußnelda.
nige derogeſtalt zu begegnen: Es moͤchten die
Goͤtter ja wohl zuweilen durch Traͤume was
offenbaren/ aber ſicherlich gar ſelten. Nimmer-
mehr aber lieſſe er ſich bereden/ daß ſie den Kin-
der-Mord billigen/ weniger durch Traͤume ver-
ordnen ſolten. Zwar muͤſte unter ſo viel tau-
ſend eitelen Traͤumen ja zuweilen einer eintref-
fen. Denn wenn tauſend Blinde nach dem
Ziele ſchuͤſſen/ wuͤrden ſchwerlich alle fehlen/ ſon-
dern einige ungefehr treffen. Xerxes haͤtte ſei-
ne Eitelkeit nicht genung zu bejammern gewuͤſt/
daß er/ auf Verleitung eines zweyfachen Trau-
mes/ und ſeiner eiteln Ausleger den Krieg wider
Griechenland angehoben. Waͤren die Traͤume
Goͤttliche Warnungen/ wuͤrde gewiß den Nar-
ren und Boßhaftigen nicht mehr/ als den From-
men und Weiſen/ am wenigſten aber auch dem
Viehe traͤumen. Ja ſie wuͤrden ihre Meinun-
gen viel deutlicher ſagen/ und ſie nicht in ſo duͤſte-
re Nebel verſtecken/ daß uns die uͤber der Aus-
legungs-Art ſo ſehr zwiſtige Wahrſager nicht
entweder nach ihren Neigungen/ oder uns nichts
minder zu verfuͤhren/ als Pflaumen zu ſtreichen
Anlaß nehmen koͤnten. Worzu des Kaͤyſers
Julius Traum/ indem er ſeine Mutter beſchlief/
ein merckwuͤrdiges Beyſpiel abgibt. Sinte-
mal die ihm liebkoſenden Roͤmer hierdurch ihm
die Herrſchafft uͤber unſer aller Mutter die Er-
de wahrgeſagt zu ſeyn glaubten. Dahingegen
Hippias/ welcher ihm laͤngſt vorher dieſe Blut-
Schande traͤumen ließ/ nichts weniger als ein
ſolcher Welt-Beherrſcher ward. Polemon
ſchien hieruͤber der Vernunfft wieder ein wenig
Raum zu geben; warff aber ein: Sein Traum/
wo ein ſo klarer Befehl der Goͤtter auch ſo ge-
ringen Nahmen vertragen koͤnte/ waͤre ſo deut-
lich/ daß er keiner Auslegung doͤrffte. Auch
waͤre auſſer Zweifel/ daß Koͤnige/ und inſonder-
heit etliche Geſchlechter in gewiſſen Dingen was
beſonders uͤber den Poͤfel haͤtten. Jhre Schutz-
Geiſter waͤren gewiß ſtaͤrcker und ſorgfaͤltiger/
als gemeiner Leute. Jnſonderheit haͤtte der
Koͤnigliche Pontiſche Stam̃ einen Traum zum
Grund-Stein ſeines Gluͤckes. Denn dem
Antigonus in Syrien haͤtte getraͤumet: Er ſaͤe-
te Gold/ ſein Diener Mithridates aber erndtete
es ein/ und fuͤhrte die Frucht in Pontus. Die-
ſes Traumes halber haͤtte Antigonus ihn zu
toͤdten getrachtet/ Mithridates aber ſich in Cap-
padocien zu fluͤchten genoͤthigt geſehen/ allwo
ihm das Gluͤcke die Hand geboten/ ſich des Pon-
tiſchen Reiches zu bemaͤchtigen. Eben dieſer
Traum/ verſetzte Periogetes/ dienete zum Un-
terricht: Daß kein menſchlicher Witz verhuͤten
kan/ was die Goͤtter auszuuͤben im Schilde
fuͤhren. Auſſer dem vertruͤge Polemons
Traum allerdings eine und zwar ſehr gute Aus-
legung; Sintemal die meiſten Traum-Deu-
ter feſtiglich darfuͤr hielten/ daß alle Traͤume auf
das Widerſpiel zielten. Polemon beſaͤnftete
hieruͤber ſein Gemuͤthe/ und verſprach dem Zeno
kein Leid zu thun/ wenn nicht der ihm von dem
Geiſte eingehaͤndigte Dolch aus des groſſen
Mithridatens Begraͤbnuͤſſe kaͤme/ welches ihm
der groſſe Pompejus zu Ehren in Sinope auf-
gerichtet haͤtte. Jch/ ſagte Nicomedes/ hielt
nichts weniger/ als dieſes glaublich/ und erbot
mich daſelbſt die Wahrheit zu erforſchen. Aber
Polemon fuͤgte ſich aus Mißtrauen ſelbſt da-
hin/ und wir befanden leider! zu unſerer aͤu-
ſerſten Erſtaunung/ daß auf Mithridatens
Grufft der dargelegene Dolch fehlte. Dieſes
Wunder verſetzte uns ins hoͤchſte Schrecken/
den Koͤnig aber brachte es/ alles Einredens
ungeachtet/ zu der feſten Entſchluͤſſung/ ſeinen
Sohn auf ſelbſteigene Veranlaſſung der Goͤtter
hinzurichten. Wir ſahen aber/ fuhr Nicome-
des fort/ den Koͤnig mit groͤſſerer Beſtuͤrtzung
aus dem Gefaͤngnuͤſſe zuruͤck kehren. Er
warff ſich mit hoͤchſter Verwirrung auf ſein
Bette/ befahl mir biß zu Tage nicht von ihm
zu weichen. Wie ich nun eine Weile ſeiner
Unruh/
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/571>, abgerufen am 26.06.2024. |