Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] seit unser Bestrickung fürgegangen wäre/ und
was den König zu der nächtlichen so blutdürsti-
gen Uberfallung veranlaßt hätte. Dieser kon-
te anfangs für Weinen kein Wort aufbringen/
hernach aber erzehlte er: Wie die Stadt über der
Strengigkeit Polemons über uns erstaunet/
iedermann fast eine absondere Ursache/ bey Un-
wissenheit der wahrhaften/ der verhinderten
Heyrath mit dem Ariobarzanes ertichtet/ dieser
aus Sinope halb rasend sich begeben/ dem Po-
lemon den Krieg angekündigt/ der oberste Prie-
ster aber unsere Befreyung beweglichst gesucht/
ja die Sache in ziemlich guten Stand gebracht
hätte. Alleine es wäre der König/ bey welchem
er vorige Nacht im Vorgemache selbst die Wa-
che gehabt/ aus dem Bette aufgesprungen/ hät-
te auf ihn geruffen/ und umbständlich erzehlet/
Es hätte ihn sein Schutz-Geist aufgewecket/ ihm
angedeutet: Es wäre nun nahe dabey/ daß er
von seinem Sohn aufgerieben werden solte. Al-
so wolte er ihn nicht allein dem Thäter fürzu-
kommen/ und ehe er sich seines Gebietes entbrä-
che/ desselbten sich zu entbrechen vermahnet/ son-
dern ihm auch hierzu seines Großvatern des
Mithridatens Dolch eingeantwortet halen. Jch/
sagte Nicomedes/ wolte ihm dieses als einen eitlen
Traum ausreden. Polemon aber widersprach
es/ bezohe sich auf seine wachende Augen/ und
insonderheit wäre das unfehlbare Kennzeichen
der Dolch dar/ derogleichen keiner im Zimmer
nicht gewest wäre/ ja er erkennete ihn auch für
den/ der auf Mithridatens Grabe gelegen hätte.
Wenn aber auch diß gleich nur ein Traum wä-
re/ bliebe es doch/ aller Weisen Urthel nach/ eine
vom Himmel geschickte Warnigung der Göt-
ter. Socrates selbst hätte aus einem Traume
erfahren/ daß er in dreyen Tagen sterben würde/
und es dem Eschines entdeckt. Der grosse Py-
thagoras hätte gelehrt/ daß ein Mensch in seinen
Träumen sich wie in einem Spiegel betrachten
solte. Der weise Periogetes/ welchen ich in der
Eil hatte ruffen lassen/ antwortete dem Könige:
[Spaltenumbruch] Ja/ aber des Pythagoras Meynung wäre nicht/
daß man/ wie etliche tumme Atlantische Völcker
nur den Morpheus für seinen Gott halten/ und
alles thun müste/ was einem träumte. Denn
sonst würde denen Sabinern/ welchen alles
träumte/ was sie wolten/ kein Laster zu verweh-
ren gewest seyn. Träume könten wohl eine
Nachricht von der Beschaffenheit des Leibes/
und von den Neigungen des Gemüthes abge-
ben. Dahero ein Mensch nach dem Urthel des
Zenon/ sich aus den Träumen ausnehmen kön-
te: Ob er in der Tugend zugenommen/ oder
nicht. Sintemal/ wo dem Epicur zu glauben/
ein Weiser ihm allezeit/ ja auch/ wenn ihm träu-
met/ ähnlich ist. Jndem aber/ was vom Glü-
cke oder Verhängnüsse herrührte/ könte man
ohne Aberglauben auf keinen Traum fussen.
Daher auch der so erfahrne Hippocrates an die
Hand gäbe/ wie man durch Opfer sich von der
Beschwerligkeit der Träume erledigen solle.
Polemon vergaß aller sonst gegen dem Perioge-
tes zu bezeigen gewohnten Bescheidenheit/ und
fuhr ihn an: Was bringst du vor ketzerische Leh-
re auf die Bahn? Verneinest du die Vorsorge
der Götter/ daß sie auch durch Träume uns für
künftigem Unglück warnen? Verwirffst du die
durch Träume geschehende Göttliche Weissa-
gungen in des Amphiaraus Tempel bey Athen/
und in dem Heiligthum der Pasichea zu Spar-
ta? Meynst du auch/ daß ich der erste sey/ der den
ihm im Traume gleichsam mit Fingern gezeig-
ten Feind aus dem Wege geräumet habe?
Smerdes muste über seines Bruders Camby-
ses Klinge springen/ als diesem träumte/ daß er
sich auf seinen Stul setzte. Astyages gab sei-
nen Enckel Cyrus dem Harpagus zu ermorden/
weil er aus seiner Tochter Leibe einen gantz Asien
überschattenden Wein-Stock wachsen sahe.
Des Harpagus Ungehorsam aber brachte den
Astyages umbs Leben und Reich/ und erhärtete
die Gewißheit so wichtiger Träume. Perioge-
tes verlohr hierdurch nicht den Muth dem Kö-

nige

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] ſeit unſer Beſtrickung fuͤrgegangen waͤre/ und
was den Koͤnig zu der naͤchtlichen ſo blutduͤrſti-
gen Uberfallung veranlaßt haͤtte. Dieſer kon-
te anfangs fuͤr Weinen kein Wort aufbringen/
hernach aber erzehlte er: Wie die Stadt uͤber der
Strengigkeit Polemons uͤber uns erſtaunet/
iedermann faſt eine abſondere Urſache/ bey Un-
wiſſenheit der wahrhaften/ der verhinderten
Heyrath mit dem Ariobarzanes ertichtet/ dieſer
aus Sinope halb raſend ſich begeben/ dem Po-
lemon den Krieg angekuͤndigt/ der oberſte Prie-
ſter aber unſere Befreyung beweglichſt geſucht/
ja die Sache in ziemlich guten Stand gebracht
haͤtte. Alleine es waͤre der Koͤnig/ bey welchem
er vorige Nacht im Vorgemache ſelbſt die Wa-
che gehabt/ aus dem Bette aufgeſprungen/ haͤt-
te auf ihn geruffen/ und umbſtaͤndlich erzehlet/
Es haͤtte ihn ſein Schutz-Geiſt aufgewecket/ ihm
angedeutet: Es waͤre nun nahe dabey/ daß er
von ſeinem Sohn aufgerieben werden ſolte. Al-
ſo wolte er ihn nicht allein dem Thaͤter fuͤrzu-
kommen/ und ehe er ſich ſeines Gebietes entbraͤ-
che/ deſſelbten ſich zu entbrechen vermahnet/ ſon-
dern ihm auch hierzu ſeines Großvatern des
Mithridatens Dolch eingeantwortet halẽ. Jch/
ſagte Nicomedes/ wolte ihm dieſes als einen eitlen
Traum ausreden. Polemon aber widerſprach
es/ bezohe ſich auf ſeine wachende Augen/ und
inſonderheit waͤre das unfehlbare Kennzeichen
der Dolch dar/ derogleichen keiner im Zimmer
nicht geweſt waͤre/ ja er erkennete ihn auch fuͤr
den/ der auf Mithridatens Grabe gelegen haͤtte.
Wenn aber auch diß gleich nur ein Traum waͤ-
re/ bliebe es doch/ aller Weiſen Urthel nach/ eine
vom Himmel geſchickte Warnigung der Goͤt-
ter. Socrates ſelbſt haͤtte aus einem Traume
erfahren/ daß er in dreyen Tagen ſterben wuͤrde/
und es dem Eſchines entdeckt. Der groſſe Py-
thagoras haͤtte gelehrt/ daß ein Menſch in ſeinen
Traͤumen ſich wie in einem Spiegel betrachten
ſolte. Der weiſe Periogetes/ welchen ich in der
Eil hatte ruffen laſſen/ antwortete dem Koͤnige:
[Spaltenumbruch] Ja/ aber des Pythagoras Meynung waͤre nicht/
daß man/ wie etliche tumme Atlantiſche Voͤlcker
nur den Morpheus fuͤr ſeinen Gott halten/ und
alles thun muͤſte/ was einem traͤumte. Denn
ſonſt wuͤrde denen Sabinern/ welchen alles
traͤumte/ was ſie wolten/ kein Laſter zu verweh-
ren geweſt ſeyn. Traͤume koͤnten wohl eine
Nachricht von der Beſchaffenheit des Leibes/
und von den Neigungen des Gemuͤthes abge-
ben. Dahero ein Menſch nach dem Urthel des
Zenon/ ſich aus den Traͤumen ausnehmen koͤn-
te: Ob er in der Tugend zugenommen/ oder
nicht. Sintemal/ wo dem Epicur zu glauben/
ein Weiſer ihm allezeit/ ja auch/ wenn ihm traͤu-
met/ aͤhnlich iſt. Jndem aber/ was vom Gluͤ-
cke oder Verhaͤngnuͤſſe herruͤhrte/ koͤnte man
ohne Aberglauben auf keinen Traum fuſſen.
Daher auch der ſo erfahrne Hippocrates an die
Hand gaͤbe/ wie man durch Opfer ſich von der
Beſchwerligkeit der Traͤume erledigen ſolle.
Polemon vergaß aller ſonſt gegen dem Perioge-
tes zu bezeigen gewohnten Beſcheidenheit/ und
fuhr ihn an: Was bringſt du vor ketzeriſche Leh-
re auf die Bahn? Verneineſt du die Vorſorge
der Goͤtter/ daß ſie auch durch Traͤume uns fuͤr
kuͤnftigem Ungluͤck warnen? Verwirffſt du die
durch Traͤume geſchehende Goͤttliche Weiſſa-
gungen in des Amphiaraus Tempel bey Athen/
und in dem Heiligthum der Paſichea zu Spar-
ta? Meynſt du auch/ daß ich der erſte ſey/ der den
ihm im Traume gleichſam mit Fingern gezeig-
ten Feind aus dem Wege geraͤumet habe?
Smerdes muſte uͤber ſeines Bruders Camby-
ſes Klinge ſpringen/ als dieſem traͤumte/ daß er
ſich auf ſeinen Stul ſetzte. Aſtyages gab ſei-
nen Enckel Cyrus dem Harpagus zu ermorden/
weil er aus ſeiner Tochter Leibe einen gantz Aſien
uͤberſchattenden Wein-Stock wachſen ſahe.
Des Harpagus Ungehorſam aber brachte den
Aſtyages umbs Leben und Reich/ und erhaͤrtete
die Gewißheit ſo wichtiger Traͤume. Perioge-
tes verlohr hierdurch nicht den Muth dem Koͤ-

nige
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0570" n="514"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Fu&#x0364;nfftes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
&#x017F;eit un&#x017F;er Be&#x017F;trickung fu&#x0364;rgegangen wa&#x0364;re/ und<lb/>
was den Ko&#x0364;nig zu der na&#x0364;chtlichen &#x017F;o blutdu&#x0364;r&#x017F;ti-<lb/>
gen Uberfallung veranlaßt ha&#x0364;tte. Die&#x017F;er kon-<lb/>
te anfangs fu&#x0364;r Weinen kein Wort aufbringen/<lb/>
hernach aber erzehlte er: Wie die Stadt u&#x0364;ber der<lb/>
Strengigkeit Polemons u&#x0364;ber uns er&#x017F;taunet/<lb/>
iedermann fa&#x017F;t eine ab&#x017F;ondere Ur&#x017F;ache/ bey Un-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;enheit der wahrhaften/ der verhinderten<lb/>
Heyrath mit dem Ariobarzanes ertichtet/ die&#x017F;er<lb/>
aus Sinope halb ra&#x017F;end &#x017F;ich begeben/ dem Po-<lb/>
lemon den Krieg angeku&#x0364;ndigt/ der ober&#x017F;te Prie-<lb/>
&#x017F;ter aber un&#x017F;ere Befreyung beweglich&#x017F;t ge&#x017F;ucht/<lb/>
ja die Sache in ziemlich guten Stand gebracht<lb/>
ha&#x0364;tte. Alleine es wa&#x0364;re der Ko&#x0364;nig/ bey welchem<lb/>
er vorige Nacht im Vorgemache &#x017F;elb&#x017F;t die Wa-<lb/>
che gehabt/ aus dem Bette aufge&#x017F;prungen/ ha&#x0364;t-<lb/>
te auf ihn geruffen/ und umb&#x017F;ta&#x0364;ndlich erzehlet/<lb/>
Es ha&#x0364;tte ihn &#x017F;ein Schutz-Gei&#x017F;t aufgewecket/ ihm<lb/>
angedeutet: Es wa&#x0364;re nun nahe dabey/ daß er<lb/>
von &#x017F;einem Sohn aufgerieben werden &#x017F;olte. Al-<lb/>
&#x017F;o wolte er ihn nicht allein dem Tha&#x0364;ter fu&#x0364;rzu-<lb/>
kommen/ und ehe er &#x017F;ich &#x017F;eines Gebietes entbra&#x0364;-<lb/>
che/ de&#x017F;&#x017F;elbten &#x017F;ich zu entbrechen vermahnet/ &#x017F;on-<lb/>
dern ihm auch hierzu &#x017F;eines Großvatern des<lb/>
Mithridatens Dolch eingeantwortet hale&#x0303;. Jch/<lb/>
&#x017F;agte Nicomedes/ wolte ihm die&#x017F;es als einen eitlen<lb/>
Traum ausreden. Polemon aber wider&#x017F;prach<lb/>
es/ bezohe &#x017F;ich auf &#x017F;eine wachende Augen/ und<lb/>
in&#x017F;onderheit wa&#x0364;re das unfehlbare Kennzeichen<lb/>
der Dolch dar/ derogleichen keiner im Zimmer<lb/>
nicht gewe&#x017F;t wa&#x0364;re/ ja er erkennete ihn auch fu&#x0364;r<lb/>
den/ der auf Mithridatens Grabe gelegen ha&#x0364;tte.<lb/>
Wenn aber auch diß gleich nur ein Traum wa&#x0364;-<lb/>
re/ bliebe es doch/ aller Wei&#x017F;en Urthel nach/ eine<lb/>
vom Himmel ge&#x017F;chickte Warnigung der Go&#x0364;t-<lb/>
ter. Socrates &#x017F;elb&#x017F;t ha&#x0364;tte aus einem Traume<lb/>
erfahren/ daß er in dreyen Tagen &#x017F;terben wu&#x0364;rde/<lb/>
und es dem E&#x017F;chines entdeckt. Der gro&#x017F;&#x017F;e Py-<lb/>
thagoras ha&#x0364;tte gelehrt/ daß ein Men&#x017F;ch in &#x017F;einen<lb/>
Tra&#x0364;umen &#x017F;ich wie in einem Spiegel betrachten<lb/>
&#x017F;olte. Der wei&#x017F;e Periogetes/ welchen ich in der<lb/>
Eil hatte ruffen la&#x017F;&#x017F;en/ antwortete dem Ko&#x0364;nige:<lb/><cb/>
Ja/ aber des Pythagoras Meynung wa&#x0364;re nicht/<lb/>
daß man/ wie etliche tumme Atlanti&#x017F;che Vo&#x0364;lcker<lb/>
nur den Morpheus fu&#x0364;r &#x017F;einen Gott halten/ und<lb/>
alles thun mu&#x0364;&#x017F;te/ was einem tra&#x0364;umte. Denn<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t wu&#x0364;rde denen Sabinern/ welchen alles<lb/>
tra&#x0364;umte/ was &#x017F;ie wolten/ kein La&#x017F;ter zu verweh-<lb/>
ren gewe&#x017F;t &#x017F;eyn. Tra&#x0364;ume ko&#x0364;nten wohl eine<lb/>
Nachricht von der Be&#x017F;chaffenheit des Leibes/<lb/>
und von den Neigungen des Gemu&#x0364;thes abge-<lb/>
ben. Dahero ein Men&#x017F;ch nach dem Urthel des<lb/>
Zenon/ &#x017F;ich aus den Tra&#x0364;umen ausnehmen ko&#x0364;n-<lb/>
te: Ob er in der Tugend zugenommen/ oder<lb/>
nicht. Sintemal/ wo dem Epicur zu glauben/<lb/>
ein Wei&#x017F;er ihm allezeit/ ja auch/ wenn ihm tra&#x0364;u-<lb/>
met/ a&#x0364;hnlich i&#x017F;t. Jndem aber/ was vom Glu&#x0364;-<lb/>
cke oder Verha&#x0364;ngnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e herru&#x0364;hrte/ ko&#x0364;nte man<lb/>
ohne Aberglauben auf keinen Traum fu&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Daher auch der &#x017F;o erfahrne Hippocrates an die<lb/>
Hand ga&#x0364;be/ wie man durch Opfer &#x017F;ich von der<lb/>
Be&#x017F;chwerligkeit der Tra&#x0364;ume erledigen &#x017F;olle.<lb/>
Polemon vergaß aller &#x017F;on&#x017F;t gegen dem Perioge-<lb/>
tes zu bezeigen gewohnten Be&#x017F;cheidenheit/ und<lb/>
fuhr ihn an: Was bring&#x017F;t du vor ketzeri&#x017F;che Leh-<lb/>
re auf die Bahn? Verneine&#x017F;t du die Vor&#x017F;orge<lb/>
der Go&#x0364;tter/ daß &#x017F;ie auch durch Tra&#x0364;ume uns fu&#x0364;r<lb/>
ku&#x0364;nftigem Unglu&#x0364;ck warnen? Verwirff&#x017F;t du die<lb/>
durch Tra&#x0364;ume ge&#x017F;chehende Go&#x0364;ttliche Wei&#x017F;&#x017F;a-<lb/>
gungen in des Amphiaraus Tempel bey Athen/<lb/>
und in dem Heiligthum der Pa&#x017F;ichea zu Spar-<lb/>
ta? Meyn&#x017F;t du auch/ daß ich der er&#x017F;te &#x017F;ey/ der den<lb/>
ihm im Traume gleich&#x017F;am mit Fingern gezeig-<lb/>
ten Feind aus dem Wege gera&#x0364;umet habe?<lb/>
Smerdes mu&#x017F;te u&#x0364;ber &#x017F;eines Bruders Camby-<lb/>
&#x017F;es Klinge &#x017F;pringen/ als die&#x017F;em tra&#x0364;umte/ daß er<lb/>
&#x017F;ich auf &#x017F;einen Stul &#x017F;etzte. A&#x017F;tyages gab &#x017F;ei-<lb/>
nen Enckel Cyrus dem Harpagus zu ermorden/<lb/>
weil er aus &#x017F;einer Tochter Leibe einen gantz A&#x017F;ien<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;chattenden Wein-Stock wach&#x017F;en &#x017F;ahe.<lb/>
Des Harpagus Ungehor&#x017F;am aber brachte den<lb/>
A&#x017F;tyages umbs Leben und Reich/ und erha&#x0364;rtete<lb/>
die Gewißheit &#x017F;o wichtiger Tra&#x0364;ume. Perioge-<lb/>
tes verlohr hierdurch nicht den Muth dem Ko&#x0364;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nige</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[514/0570] Fuͤnfftes Buch ſeit unſer Beſtrickung fuͤrgegangen waͤre/ und was den Koͤnig zu der naͤchtlichen ſo blutduͤrſti- gen Uberfallung veranlaßt haͤtte. Dieſer kon- te anfangs fuͤr Weinen kein Wort aufbringen/ hernach aber erzehlte er: Wie die Stadt uͤber der Strengigkeit Polemons uͤber uns erſtaunet/ iedermann faſt eine abſondere Urſache/ bey Un- wiſſenheit der wahrhaften/ der verhinderten Heyrath mit dem Ariobarzanes ertichtet/ dieſer aus Sinope halb raſend ſich begeben/ dem Po- lemon den Krieg angekuͤndigt/ der oberſte Prie- ſter aber unſere Befreyung beweglichſt geſucht/ ja die Sache in ziemlich guten Stand gebracht haͤtte. Alleine es waͤre der Koͤnig/ bey welchem er vorige Nacht im Vorgemache ſelbſt die Wa- che gehabt/ aus dem Bette aufgeſprungen/ haͤt- te auf ihn geruffen/ und umbſtaͤndlich erzehlet/ Es haͤtte ihn ſein Schutz-Geiſt aufgewecket/ ihm angedeutet: Es waͤre nun nahe dabey/ daß er von ſeinem Sohn aufgerieben werden ſolte. Al- ſo wolte er ihn nicht allein dem Thaͤter fuͤrzu- kommen/ und ehe er ſich ſeines Gebietes entbraͤ- che/ deſſelbten ſich zu entbrechen vermahnet/ ſon- dern ihm auch hierzu ſeines Großvatern des Mithridatens Dolch eingeantwortet halẽ. Jch/ ſagte Nicomedes/ wolte ihm dieſes als einen eitlen Traum ausreden. Polemon aber widerſprach es/ bezohe ſich auf ſeine wachende Augen/ und inſonderheit waͤre das unfehlbare Kennzeichen der Dolch dar/ derogleichen keiner im Zimmer nicht geweſt waͤre/ ja er erkennete ihn auch fuͤr den/ der auf Mithridatens Grabe gelegen haͤtte. Wenn aber auch diß gleich nur ein Traum waͤ- re/ bliebe es doch/ aller Weiſen Urthel nach/ eine vom Himmel geſchickte Warnigung der Goͤt- ter. Socrates ſelbſt haͤtte aus einem Traume erfahren/ daß er in dreyen Tagen ſterben wuͤrde/ und es dem Eſchines entdeckt. Der groſſe Py- thagoras haͤtte gelehrt/ daß ein Menſch in ſeinen Traͤumen ſich wie in einem Spiegel betrachten ſolte. Der weiſe Periogetes/ welchen ich in der Eil hatte ruffen laſſen/ antwortete dem Koͤnige: Ja/ aber des Pythagoras Meynung waͤre nicht/ daß man/ wie etliche tumme Atlantiſche Voͤlcker nur den Morpheus fuͤr ſeinen Gott halten/ und alles thun muͤſte/ was einem traͤumte. Denn ſonſt wuͤrde denen Sabinern/ welchen alles traͤumte/ was ſie wolten/ kein Laſter zu verweh- ren geweſt ſeyn. Traͤume koͤnten wohl eine Nachricht von der Beſchaffenheit des Leibes/ und von den Neigungen des Gemuͤthes abge- ben. Dahero ein Menſch nach dem Urthel des Zenon/ ſich aus den Traͤumen ausnehmen koͤn- te: Ob er in der Tugend zugenommen/ oder nicht. Sintemal/ wo dem Epicur zu glauben/ ein Weiſer ihm allezeit/ ja auch/ wenn ihm traͤu- met/ aͤhnlich iſt. Jndem aber/ was vom Gluͤ- cke oder Verhaͤngnuͤſſe herruͤhrte/ koͤnte man ohne Aberglauben auf keinen Traum fuſſen. Daher auch der ſo erfahrne Hippocrates an die Hand gaͤbe/ wie man durch Opfer ſich von der Beſchwerligkeit der Traͤume erledigen ſolle. Polemon vergaß aller ſonſt gegen dem Perioge- tes zu bezeigen gewohnten Beſcheidenheit/ und fuhr ihn an: Was bringſt du vor ketzeriſche Leh- re auf die Bahn? Verneineſt du die Vorſorge der Goͤtter/ daß ſie auch durch Traͤume uns fuͤr kuͤnftigem Ungluͤck warnen? Verwirffſt du die durch Traͤume geſchehende Goͤttliche Weiſſa- gungen in des Amphiaraus Tempel bey Athen/ und in dem Heiligthum der Paſichea zu Spar- ta? Meynſt du auch/ daß ich der erſte ſey/ der den ihm im Traume gleichſam mit Fingern gezeig- ten Feind aus dem Wege geraͤumet habe? Smerdes muſte uͤber ſeines Bruders Camby- ſes Klinge ſpringen/ als dieſem traͤumte/ daß er ſich auf ſeinen Stul ſetzte. Aſtyages gab ſei- nen Enckel Cyrus dem Harpagus zu ermorden/ weil er aus ſeiner Tochter Leibe einen gantz Aſien uͤberſchattenden Wein-Stock wachſen ſahe. Des Harpagus Ungehorſam aber brachte den Aſtyages umbs Leben und Reich/ und erhaͤrtete die Gewißheit ſo wichtiger Traͤume. Perioge- tes verlohr hierdurch nicht den Muth dem Koͤ- nige

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/570
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/570>, abgerufen am 25.11.2024.