Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] dern hieher zusammenlauffenden Flüssen von ei-
ner überaus hohen Tieffe mit schröcklichem Ge-
räusche verschlungen wurden. Es grausete ei-
nem/ wenn man in diesen Strudel sahe; die sonst
einfältigen Einwohner aber versicherten uns/
daß diese Tieffe ein Theil der unterirrdischen
Höle wäre/ durch welche das Caspische und schwar-
tze Meer unsichtbar sich mit einander vereinbar-
ten. Wir hielten diß zwar für einen Traum der
einfältigen Jberier/ bey denen wir uns nunmehr
befanden; und glaubte ich dieser zweyen Meere
Verbindung so wenig als vorhin/ daß der Grie-
chische Fluß Pyrrhus zu Syracusa in den Brun-
nen Arethusa/ der Phrygische Fluß Meander in
dem Peloponesischen Strome Asopus/ der sich
verschlingende Phrat in dem Flusse Nilus seinen
Ausgang haben solte; wie wir aber gleichwohl
mehr aus Schertz als Ernst nach dem Grunde
dieser Meinung fragten/ berichtete uns ein Eiß-
grauer Mann/ daß man offtmahls in diesem
Strudel eine gewisse Art Schilff/ welches nur
im Caspischen Meere wüchse/ und eine gewisse
Art Fische/ die nur im schwartzen Meere sonst zu
finden wären/ finge. Uber diß hatte er in seiner
Jugend auff seinen Reisen selbst angemercket/
daß das Caspische Meer bey wehenden West-
winden sich hoch angeschwellet/ hingegen das
schwartze bey dem Ostwinde überaus hefftig sich
beweget und gebrauset hätte. Welches keine an-
dere Ursache seyn könte/ als daß der ordentliche
Ausfluß des Caspischen Meeres durch die West-
winde gehindert/ durch die Ostwinde aber gewal-
tig befördert würde. Uberdiß nehme das Caspi-
sche rings um mit der Erde umfangenes Meer
funffzehn Haupt-Flüsse ein/ gleichwol aber lief-
fe es nicht über; also diese unbegreiffliche Menge
Wasser sich ja irgends wohin verlieren müste.
Endlich wäre ein unfehlbares Zeugniß dieser
verborgenen Zusammen flüssung/ daß für etlichen
Jahren ein Fisch im Caspischen Meere wäre ge-
fangen worden/ an dessen Schwantze ein gülde-
ner Ring gehangen hätte/ mit dieser Uberschrifft:
Mithridates gab mir zu Sinope die
[Spaltenumbruch] Freyheit und dieses Geschencke.
Der
Feldherr fiel dem Fürsten Zeno in die Rede/ mel-
dende: Es wäre die Zusammenverbindung der
Wasser eines von denen grösten Wundern der
Welt/ und glaubte er: daß wie in dem menschli-
chen Leibe keines der kleinesten Aederlein wäre/
das nicht seinen richtigen Gang zum Hertzen
hätte; also wäre auch in der Erdkugel kein Brund/
keine Bach/ keine See/ die nicht an dem grossen
Welt-Meere hinge/ und daher müsten alle Flüs-
se/ die nicht ins Meer sich ergiessen/ sondern un-
ter die Erde sich verschlingen/ alle Meere und
Seen/ welche keine eusserliche Einfarth ins
Meer hätten/ durch unterirrdische Vereinba-
rung an selbtes verknüpfft seyn. Ja ihn habe
sein Lehrmeister aus wichtigen Gründen bere-
det/ daß das Caspische Meer nicht nur mit dem
Schwartzen/ sondern gar mit dem Persischen/
das rothe mit dem Mittel-Meere/ in ihrem
Deutschlande die West-mit der Ost-See/ und
viel andere mit einander verborgene Gemein-
schafft hätten. Zu Alexandria habe ihm auch ein
Priester erzehlet/ daß ein schöner Delphin/ wel-
chem Ptolemäus eine güldene Taffel mit seinem
Namen angehenckt/ und wieder ins rothe Meer
versetzt/ wenig Tage hernach bey dem Einflusse
des Nils im Mittel-Meere gefangen worden
wäre. Fürst Zeno pflichtete dem Feldherrn bey/
und sagte: die Natur wäre freylich wohlder rech-
te Baumeister/ die Kunst nur ein Pfuscher/ oder
ein Affe. Denn sie hätten unterweges noch die
ohnmächtigsten Merckmahle derer von Selev-
cus Nicaner geführter tieffen Graben gesehen/
in welchen er das Caspische und Euxinische Meer
hätte zusammen leiten wollen. Nach dieser und
der Einwohner Anleitung wären sie in Albani-
en zu dem Flusse Cyrus kommen/ auff selbigem zu
Schiffe hinunter gefahren/ auf der lincken Sei-
te die berühmte Stadt Cyropolis lassende/ biß wo
dieser Fluß in den Arares fällt/ mit welchem er
sich hernach durch einen Mund in das Caspi-
sche Meer stürtzet. Weil mir aber bedencklich
war/ allzu tieff in das Medische Gebiete uns

zu

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] dern hieher zuſam̃enlauffenden Fluͤſſen von ei-
ner uͤberaus hohen Tieffe mit ſchroͤcklichem Ge-
raͤuſche verſchlungen wurden. Es grauſete ei-
nem/ wenn man in dieſen Strudel ſahe; die ſonſt
einfaͤltigen Einwohner aber verſicherten uns/
daß dieſe Tieffe ein Theil der unterirrdiſchen
Hoͤle waͤre/ durch welche das Caſpiſche uñ ſchwaꝛ-
tze Meer unſichtbar ſich mit einander vereinbar-
ten. Wir hielten diß zwar fuͤr einen Traum der
einfaͤltigen Jberier/ bey denen wir uns nunmehꝛ
befanden; und glaubte ich dieſer zweyen Meere
Verbindung ſo wenig als vorhin/ daß der Grie-
chiſche Fluß Pyrꝛhus zu Syracuſa in den Bꝛun-
nen Arethuſa/ der Phrygiſche Fluß Meander in
dem Peloponeſiſchen Strome Aſopus/ der ſich
verſchlingende Phrat in dem Fluſſe Nilus ſeinen
Ausgang haben ſolte; wie wir aber gleichwohl
mehr aus Schertz als Ernſt nach dem Grunde
dieſer Meinung fragten/ berichtete uns ein Eiß-
grauer Mann/ daß man offtmahls in dieſem
Strudel eine gewiſſe Art Schilff/ welches nur
im Caſpiſchen Meere wuͤchſe/ und eine gewiſſe
Art Fiſche/ die nur im ſchwartzen Meere ſonſt zu
finden waͤren/ finge. Uber diß hatte er in ſeiner
Jugend auff ſeinen Reiſen ſelbſt angemercket/
daß das Caſpiſche Meer bey wehenden Weſt-
winden ſich hoch angeſchwellet/ hingegen das
ſchwartze bey dem Oſtwinde uͤberaus hefftig ſich
beweget und gebrauſet haͤtte. Welches keine an-
dere Urſache ſeyn koͤnte/ als daß der ordentliche
Ausfluß des Caſpiſchen Meeres durch die Weſt-
winde gehindert/ durch die Oſtwinde aber gewal-
tig befoͤrdert wuͤrde. Uberdiß nehme das Caſpi-
ſche rings um mit der Erde umfangenes Meer
funffzehn Haupt-Fluͤſſe ein/ gleichwol aber lief-
fe es nicht uͤber; alſo dieſe unbegreiffliche Menge
Waſſer ſich ja irgends wohin verlieren muͤſte.
Endlich waͤre ein unfehlbares Zeugniß dieſer
verborgenen Zuſam̃en fluͤſſung/ daß fuͤr etlichen
Jahren ein Fiſch im Caſpiſchen Meere waͤre ge-
fangen worden/ an deſſen Schwantze ein guͤlde-
ner Ring gehangen haͤtte/ mit dieſer Uberſchrifft:
Mithridates gab mir zu Sinope die
[Spaltenumbruch] Freyheit und dieſes Geſchencke.
Der
Feldherr fiel dem Fuͤrſten Zeno in die Rede/ mel-
dende: Es waͤre die Zuſammenverbindung der
Waſſer eines von denen groͤſten Wundern der
Welt/ und glaubte er: daß wie in dem menſchli-
chen Leibe keines der kleineſten Aederlein waͤre/
das nicht ſeinen richtigen Gang zum Hertzen
haͤtte; alſo waͤre auch in der Erdkugel kein Bruñ/
keine Bach/ keine See/ die nicht an dem groſſen
Welt-Meere hinge/ und daher muͤſten alle Fluͤſ-
ſe/ die nicht ins Meer ſich ergieſſen/ ſondern un-
ter die Erde ſich verſchlingen/ alle Meere und
Seen/ welche keine euſſerliche Einfarth ins
Meer haͤtten/ durch unterirrdiſche Vereinba-
rung an ſelbtes verknuͤpfft ſeyn. Ja ihn habe
ſein Lehrmeiſter aus wichtigen Gruͤnden bere-
det/ daß das Caſpiſche Meer nicht nur mit dem
Schwartzen/ ſondern gar mit dem Perſiſchen/
das rothe mit dem Mittel-Meere/ in ihrem
Deutſchlande die Weſt-mit der Oſt-See/ und
viel andere mit einander verborgene Gemein-
ſchafft haͤtten. Zu Alexandria habe ihm auch ein
Prieſter erzehlet/ daß ein ſchoͤner Delphin/ wel-
chem Ptolemaͤus eine guͤldene Taffel mit ſeinem
Namen angehenckt/ und wieder ins rothe Meer
verſetzt/ wenig Tage hernach bey dem Einfluſſe
des Nils im Mittel-Meere gefangen worden
waͤre. Fuͤrſt Zeno pflichtete dem Feldherrn bey/
und ſagte: die Natur waͤre freylich wohlder rech-
te Baumeiſter/ die Kunſt nur ein Pfuſcher/ oder
ein Affe. Denn ſie haͤtten unterweges noch die
ohnmaͤchtigſten Merckmahle derer von Selev-
cus Nicaner gefuͤhrter tieffen Graben geſehen/
in welchen er das Caſpiſche und Euxiniſche Meer
haͤtte zuſammen leiten wollen. Nach dieſer und
der Einwohner Anleitung waͤren ſie in Albani-
en zu dem Fluſſe Cyrus kom̃en/ auff ſelbigem zu
Schiffe hinunter gefahren/ auf der lincken Sei-
te die beruͤhmte Stadt Cyropolis laſſende/ biß wo
dieſer Fluß in den Arares faͤllt/ mit welchem er
ſich hernach durch einen Mund in das Caſpi-
ſche Meer ſtuͤrtzet. Weil mir aber bedencklich
war/ allzu tieff in das Mediſche Gebiete uns

zu
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0644" n="588"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Fu&#x0364;nfftes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
dern hieher zu&#x017F;am&#x0303;enlauffenden Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en von ei-<lb/>
ner u&#x0364;beraus hohen Tieffe mit &#x017F;chro&#x0364;cklichem Ge-<lb/>
ra&#x0364;u&#x017F;che ver&#x017F;chlungen wurden. Es grau&#x017F;ete ei-<lb/>
nem/ wenn man in die&#x017F;en Strudel &#x017F;ahe; die &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
einfa&#x0364;ltigen Einwohner aber ver&#x017F;icherten uns/<lb/>
daß die&#x017F;e Tieffe ein Theil der unterirrdi&#x017F;chen<lb/>
Ho&#x0364;le wa&#x0364;re/ durch welche das Ca&#x017F;pi&#x017F;che un&#x0303; &#x017F;chwa&#xA75B;-<lb/>
tze Meer un&#x017F;ichtbar &#x017F;ich mit einander vereinbar-<lb/>
ten. Wir hielten diß zwar fu&#x0364;r einen Traum der<lb/>
einfa&#x0364;ltigen Jberier/ bey denen wir uns nunmeh&#xA75B;<lb/>
befanden; und glaubte ich die&#x017F;er zweyen Meere<lb/>
Verbindung &#x017F;o wenig als vorhin/ daß der Grie-<lb/>
chi&#x017F;che Fluß Pyr&#xA75B;hus zu Syracu&#x017F;a in den B&#xA75B;un-<lb/>
nen Arethu&#x017F;a/ der Phrygi&#x017F;che Fluß Meander in<lb/>
dem Pelopone&#x017F;i&#x017F;chen Strome A&#x017F;opus/ der &#x017F;ich<lb/>
ver&#x017F;chlingende Phrat in dem Flu&#x017F;&#x017F;e Nilus &#x017F;einen<lb/>
Ausgang haben &#x017F;olte; wie wir aber gleichwohl<lb/>
mehr aus Schertz als Ern&#x017F;t nach dem Grunde<lb/>
die&#x017F;er Meinung fragten/ berichtete uns ein Eiß-<lb/>
grauer Mann/ daß man offtmahls in die&#x017F;em<lb/>
Strudel eine gewi&#x017F;&#x017F;e Art Schilff/ welches nur<lb/>
im Ca&#x017F;pi&#x017F;chen Meere wu&#x0364;ch&#x017F;e/ und eine gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Art Fi&#x017F;che/ die nur im &#x017F;chwartzen Meere &#x017F;on&#x017F;t zu<lb/>
finden wa&#x0364;ren/ finge. Uber diß hatte er in &#x017F;einer<lb/>
Jugend auff &#x017F;einen Rei&#x017F;en &#x017F;elb&#x017F;t angemercket/<lb/>
daß das Ca&#x017F;pi&#x017F;che Meer bey wehenden We&#x017F;t-<lb/>
winden &#x017F;ich hoch ange&#x017F;chwellet/ hingegen das<lb/>
&#x017F;chwartze bey dem O&#x017F;twinde u&#x0364;beraus hefftig &#x017F;ich<lb/>
beweget und gebrau&#x017F;et ha&#x0364;tte. Welches keine an-<lb/>
dere Ur&#x017F;ache &#x017F;eyn ko&#x0364;nte/ als daß der ordentliche<lb/>
Ausfluß des Ca&#x017F;pi&#x017F;chen Meeres durch die We&#x017F;t-<lb/>
winde gehindert/ durch die O&#x017F;twinde aber gewal-<lb/>
tig befo&#x0364;rdert wu&#x0364;rde. Uberdiß nehme das Ca&#x017F;pi-<lb/>
&#x017F;che rings um mit der Erde umfangenes Meer<lb/>
funffzehn Haupt-Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ein/ gleichwol aber lief-<lb/>
fe es nicht u&#x0364;ber; al&#x017F;o die&#x017F;e unbegreiffliche Menge<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ich ja irgends wohin verlieren mu&#x0364;&#x017F;te.<lb/>
Endlich wa&#x0364;re ein unfehlbares Zeugniß die&#x017F;er<lb/>
verborgenen Zu&#x017F;am&#x0303;en flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ung/ daß fu&#x0364;r etlichen<lb/>
Jahren ein Fi&#x017F;ch im Ca&#x017F;pi&#x017F;chen Meere wa&#x0364;re ge-<lb/>
fangen worden/ an de&#x017F;&#x017F;en Schwantze ein gu&#x0364;lde-<lb/>
ner Ring gehangen ha&#x0364;tte/ mit die&#x017F;er Uber&#x017F;chrifft:<lb/><hi rendition="#fr">Mithridates gab mir zu Sinope die<lb/><cb/>
Freyheit und die&#x017F;es Ge&#x017F;chencke.</hi> Der<lb/>
Feldherr fiel dem Fu&#x0364;r&#x017F;ten Zeno in die Rede/ mel-<lb/>
dende: Es wa&#x0364;re die Zu&#x017F;ammenverbindung der<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er eines von denen gro&#x0364;&#x017F;ten Wundern der<lb/>
Welt/ und glaubte er: daß wie in dem men&#x017F;chli-<lb/>
chen Leibe keines der kleine&#x017F;ten Aederlein wa&#x0364;re/<lb/>
das nicht &#x017F;einen richtigen Gang zum Hertzen<lb/>
ha&#x0364;tte; al&#x017F;o wa&#x0364;re auch in der Erdkugel kein Brun&#x0303;/<lb/>
keine Bach/ keine See/ die nicht an dem gro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Welt-Meere hinge/ und daher mu&#x0364;&#x017F;ten alle Flu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e/ die nicht ins Meer &#x017F;ich ergie&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;ondern un-<lb/>
ter die Erde &#x017F;ich ver&#x017F;chlingen/ alle Meere und<lb/>
Seen/ welche keine eu&#x017F;&#x017F;erliche Einfarth ins<lb/>
Meer ha&#x0364;tten/ durch unterirrdi&#x017F;che Vereinba-<lb/>
rung an &#x017F;elbtes verknu&#x0364;pfft &#x017F;eyn. Ja ihn habe<lb/>
&#x017F;ein Lehrmei&#x017F;ter aus wichtigen Gru&#x0364;nden bere-<lb/>
det/ daß das Ca&#x017F;pi&#x017F;che Meer nicht nur mit dem<lb/>
Schwartzen/ &#x017F;ondern gar mit dem Per&#x017F;i&#x017F;chen/<lb/>
das rothe mit dem Mittel-Meere/ in ihrem<lb/>
Deut&#x017F;chlande die We&#x017F;t-mit der O&#x017F;t-See/ und<lb/>
viel andere mit einander verborgene Gemein-<lb/>
&#x017F;chafft ha&#x0364;tten. Zu Alexandria habe ihm auch ein<lb/>
Prie&#x017F;ter erzehlet/ daß ein &#x017F;cho&#x0364;ner Delphin/ wel-<lb/>
chem Ptolema&#x0364;us eine gu&#x0364;ldene Taffel mit &#x017F;einem<lb/>
Namen angehenckt/ und wieder ins rothe Meer<lb/>
ver&#x017F;etzt/ wenig Tage hernach bey dem Einflu&#x017F;&#x017F;e<lb/>
des Nils im Mittel-Meere gefangen worden<lb/>
wa&#x0364;re. Fu&#x0364;r&#x017F;t Zeno pflichtete dem Feldherrn bey/<lb/>
und &#x017F;agte: die Natur wa&#x0364;re freylich wohlder rech-<lb/>
te Baumei&#x017F;ter/ die Kun&#x017F;t nur ein Pfu&#x017F;cher/ oder<lb/>
ein Affe. Denn &#x017F;ie ha&#x0364;tten unterweges noch die<lb/>
ohnma&#x0364;chtig&#x017F;ten Merckmahle derer von Selev-<lb/>
cus Nicaner gefu&#x0364;hrter tieffen Graben ge&#x017F;ehen/<lb/>
in welchen er das Ca&#x017F;pi&#x017F;che und Euxini&#x017F;che Meer<lb/>
ha&#x0364;tte zu&#x017F;ammen leiten wollen. Nach die&#x017F;er und<lb/>
der Einwohner Anleitung wa&#x0364;ren &#x017F;ie in Albani-<lb/>
en zu dem Flu&#x017F;&#x017F;e Cyrus kom&#x0303;en/ auff &#x017F;elbigem zu<lb/>
Schiffe hinunter gefahren/ auf der lincken Sei-<lb/>
te die beru&#x0364;hmte Stadt Cyropolis la&#x017F;&#x017F;ende/ biß wo<lb/>
die&#x017F;er Fluß in den Arares fa&#x0364;llt/ mit welchem er<lb/>
&#x017F;ich hernach durch einen Mund in das Ca&#x017F;pi-<lb/>
&#x017F;che Meer &#x017F;tu&#x0364;rtzet. Weil mir aber bedencklich<lb/>
war/ allzu tieff in das Medi&#x017F;che Gebiete uns<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[588/0644] Fuͤnfftes Buch dern hieher zuſam̃enlauffenden Fluͤſſen von ei- ner uͤberaus hohen Tieffe mit ſchroͤcklichem Ge- raͤuſche verſchlungen wurden. Es grauſete ei- nem/ wenn man in dieſen Strudel ſahe; die ſonſt einfaͤltigen Einwohner aber verſicherten uns/ daß dieſe Tieffe ein Theil der unterirrdiſchen Hoͤle waͤre/ durch welche das Caſpiſche uñ ſchwaꝛ- tze Meer unſichtbar ſich mit einander vereinbar- ten. Wir hielten diß zwar fuͤr einen Traum der einfaͤltigen Jberier/ bey denen wir uns nunmehꝛ befanden; und glaubte ich dieſer zweyen Meere Verbindung ſo wenig als vorhin/ daß der Grie- chiſche Fluß Pyrꝛhus zu Syracuſa in den Bꝛun- nen Arethuſa/ der Phrygiſche Fluß Meander in dem Peloponeſiſchen Strome Aſopus/ der ſich verſchlingende Phrat in dem Fluſſe Nilus ſeinen Ausgang haben ſolte; wie wir aber gleichwohl mehr aus Schertz als Ernſt nach dem Grunde dieſer Meinung fragten/ berichtete uns ein Eiß- grauer Mann/ daß man offtmahls in dieſem Strudel eine gewiſſe Art Schilff/ welches nur im Caſpiſchen Meere wuͤchſe/ und eine gewiſſe Art Fiſche/ die nur im ſchwartzen Meere ſonſt zu finden waͤren/ finge. Uber diß hatte er in ſeiner Jugend auff ſeinen Reiſen ſelbſt angemercket/ daß das Caſpiſche Meer bey wehenden Weſt- winden ſich hoch angeſchwellet/ hingegen das ſchwartze bey dem Oſtwinde uͤberaus hefftig ſich beweget und gebrauſet haͤtte. Welches keine an- dere Urſache ſeyn koͤnte/ als daß der ordentliche Ausfluß des Caſpiſchen Meeres durch die Weſt- winde gehindert/ durch die Oſtwinde aber gewal- tig befoͤrdert wuͤrde. Uberdiß nehme das Caſpi- ſche rings um mit der Erde umfangenes Meer funffzehn Haupt-Fluͤſſe ein/ gleichwol aber lief- fe es nicht uͤber; alſo dieſe unbegreiffliche Menge Waſſer ſich ja irgends wohin verlieren muͤſte. Endlich waͤre ein unfehlbares Zeugniß dieſer verborgenen Zuſam̃en fluͤſſung/ daß fuͤr etlichen Jahren ein Fiſch im Caſpiſchen Meere waͤre ge- fangen worden/ an deſſen Schwantze ein guͤlde- ner Ring gehangen haͤtte/ mit dieſer Uberſchrifft: Mithridates gab mir zu Sinope die Freyheit und dieſes Geſchencke. Der Feldherr fiel dem Fuͤrſten Zeno in die Rede/ mel- dende: Es waͤre die Zuſammenverbindung der Waſſer eines von denen groͤſten Wundern der Welt/ und glaubte er: daß wie in dem menſchli- chen Leibe keines der kleineſten Aederlein waͤre/ das nicht ſeinen richtigen Gang zum Hertzen haͤtte; alſo waͤre auch in der Erdkugel kein Bruñ/ keine Bach/ keine See/ die nicht an dem groſſen Welt-Meere hinge/ und daher muͤſten alle Fluͤſ- ſe/ die nicht ins Meer ſich ergieſſen/ ſondern un- ter die Erde ſich verſchlingen/ alle Meere und Seen/ welche keine euſſerliche Einfarth ins Meer haͤtten/ durch unterirrdiſche Vereinba- rung an ſelbtes verknuͤpfft ſeyn. Ja ihn habe ſein Lehrmeiſter aus wichtigen Gruͤnden bere- det/ daß das Caſpiſche Meer nicht nur mit dem Schwartzen/ ſondern gar mit dem Perſiſchen/ das rothe mit dem Mittel-Meere/ in ihrem Deutſchlande die Weſt-mit der Oſt-See/ und viel andere mit einander verborgene Gemein- ſchafft haͤtten. Zu Alexandria habe ihm auch ein Prieſter erzehlet/ daß ein ſchoͤner Delphin/ wel- chem Ptolemaͤus eine guͤldene Taffel mit ſeinem Namen angehenckt/ und wieder ins rothe Meer verſetzt/ wenig Tage hernach bey dem Einfluſſe des Nils im Mittel-Meere gefangen worden waͤre. Fuͤrſt Zeno pflichtete dem Feldherrn bey/ und ſagte: die Natur waͤre freylich wohlder rech- te Baumeiſter/ die Kunſt nur ein Pfuſcher/ oder ein Affe. Denn ſie haͤtten unterweges noch die ohnmaͤchtigſten Merckmahle derer von Selev- cus Nicaner gefuͤhrter tieffen Graben geſehen/ in welchen er das Caſpiſche und Euxiniſche Meer haͤtte zuſammen leiten wollen. Nach dieſer und der Einwohner Anleitung waͤren ſie in Albani- en zu dem Fluſſe Cyrus kom̃en/ auff ſelbigem zu Schiffe hinunter gefahren/ auf der lincken Sei- te die beruͤhmte Stadt Cyropolis laſſende/ biß wo dieſer Fluß in den Arares faͤllt/ mit welchem er ſich hernach durch einen Mund in das Caſpi- ſche Meer ſtuͤrtzet. Weil mir aber bedencklich war/ allzu tieff in das Mediſche Gebiete uns zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/644
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 588. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/644>, abgerufen am 26.06.2024.