Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
zu machen; reiseten wir Nord-Ostwerts zu Landezu der berühmten Stadt Terebynth/ welche der grosse Alexander an das Caspische Meer/ und an das Ende des von dem Caspischen Gebürge sich dahin erstreckenden Armes/ nebst noch einer Mauer über das Gebürge/ vierhundert Sta- dien lang/ wider die Amazonen und andere Nord-Völcker gebauet hat. Allhier wurden wir schlüssig über das Caspische Meer gegen dem Fluffe Rha/ der mit siebenzehn Strömen in selbiges Meer fällt/ und auf selbtem biß da- hin/ wo er sich dem Tanais auf wenige Mei- len nähert/ alsdenn auf diesem Strome über die Meotische und das Euxinische Meer zum Bo- risthenes/ oder Hippanis als des Fürsten Oropa- stes und seiner Schwester Syrmanis Vater- land zu schiffen. Wir segelten anfangs mit gutem Winde; des Nachts aber wurden wir von dem starcken hin und wieder schlagen des Schiffes erwecket/ indem sich ein harter Nord- West-Wind erhob/ welcher sich in weniger Zeit in den grausamsten Sturm-Wind verwandel- te. Das brausende Meer hob uns mit seinen Wellen bald biß an die Wolcken empor/ wel- che uns theils mit einer neuen See zu besäuffen/ theils mit unaufhörlichem Blitze einzuäschern dräueten; bald stürtzte es unser Schiff in den ab- scheulichsten Abgrund/ an welchem in wenigen Stunden der Mast abbrach/ und zu unserm ärgsten Schrecken den umb die gemeine Wohl- farth äuserst bemühten und wohlerfahrnen Schiffer tödtete. Das Steuer-Ruder ging kurtz hierauf auch entzwey/ die Ancker waren nicht zu gebrauchen/ und die Boots-Knechte liessen aus Verzweifelung Hände und Muth sincken; zumal ohne diß nichts mehr auf dem Schiffe zu thun war/ als daß wir das darein spritzende Wasser ausplumpeten/ und hin und wieder die Fugen der Schiffs-Taffeln verstopf- ten. Kein Mensch war zu sagen auf dem Schiffe/ welcher noch einige Hoffnung des Le- bens übrig behielt; ja ihrer viel wüntschten nur einen geschwinden Untergang/ umb sich nur der [Spaltenumbruch] mehr empfindlichen Todes-Furcht zu entbre- chen/ welche allemal empfindlicher ist/ als der Tod selbst. Ja die Fürstin Syrmanis selbst brach nach zweyer Tage Ungewißheit: Ob wir lebendig oder todt wären/ die Gedult aus/ daß sie sich übers Verhängnüß beschwerete: War- umb sie die zornigen Götter nicht lieber durch Erdbeben unter den Promethischen Tempel be- graben hätten/ als daß der Schlag iedweder Welle ihr den Tod nicht anders als eine Schlag- Uhr die Zeit andeutete? Jch redete ihr also ein: Sie möchte doch ihr Klagen mässigen/ um durch Ungeduld den gerechten Zorn der Götter nicht mehr zu erheben. Diese müsten durch deroglei- chen Sterbens-Glocken uns zuweilen unserer Sterbligkeit erinnern/ weil wir auf die Anzei- gung der von der Natur in unsere Brust ge- pflantzten Uhr so wenig Achtung gäben. Denn ieder Schlag unsers Hertzens deutete uns nicht weniger/ als die wütenden Wellen die Nähe- rung unsers Endes an. Jedwedes Athemho- len solte nichts minder als der uns schreckende Donner in Ohren klingen/ und uns zum Schiff- bruche zubereiten. Welche Vorbereitung bey den Sterblichen alle Augenblicke fertig seyn sol- te/ weil unser Hertz und Lunge ein Compaß ohne Nadel/ und eine Uhr ohne Weiser wäre/ nach- dem wir weder Ort noch Zeit unsers Ablebens vorsehen könten. Wer aber derogestalt berei- tet wäre/ und durch die Tugend sein Gewissen beruhigt hätte/ der schwebete mit lachendem Munde zwischen Donner und Sturmwind; er blickte mit einerley Gebehrdung den Rachen des Abgrunds und den Hafen des Lebens an; er zwinckerte mit keinem Augenliede für dem To- de/ und er veränderte nicht einst die Farbe für dem Hencker. Fürst Oropastes stimmte meinen Tröstungen mehrmals bey/ und Syrmanis entbrach sich ja zuweilen ihrer Traurigkeit; aber die Länge der Gefahr/ und die Schwachheit ih- res Geschlechtes rieß ihr bey Zeite wieder ihre Wunden auf. Sie hätte wohl/ sagte sie/ ehe- mals mit unverwendetem Aug-Apfel dem To- de das E e e e 3
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
zu machen; reiſeten wir Nord-Oſtwerts zu Landezu der beruͤhmten Stadt Terebynth/ welche der groſſe Alexander an das Caſpiſche Meer/ und an das Ende des von dem Caſpiſchen Gebuͤrge ſich dahin erſtreckenden Armes/ nebſt noch einer Mauer uͤber das Gebuͤrge/ vierhundert Sta- dien lang/ wider die Amazonen und andere Nord-Voͤlcker gebauet hat. Allhier wurden wir ſchluͤſſig uͤber das Caſpiſche Meer gegen dem Fluffe Rha/ der mit ſiebenzehn Stroͤmen in ſelbiges Meer faͤllt/ und auf ſelbtem biß da- hin/ wo er ſich dem Tanais auf wenige Mei- len naͤhert/ alsdenn auf dieſem Strome uͤber die Meotiſche und das Euxiniſche Meer zum Bo- riſthenes/ oder Hippanis als des Fuͤrſten Oropa- ſtes und ſeiner Schweſter Syrmanis Vater- land zu ſchiffen. Wir ſegelten anfangs mit gutem Winde; des Nachts aber wurden wir von dem ſtarcken hin und wieder ſchlagen des Schiffes erwecket/ indem ſich ein harter Nord- Weſt-Wind erhob/ welcher ſich in weniger Zeit in den grauſamſten Sturm-Wind verwandel- te. Das brauſende Meer hob uns mit ſeinen Wellen bald biß an die Wolcken empor/ wel- che uns theils mit einer neuen See zu beſaͤuffen/ theils mit unaufhoͤrlichem Blitze einzuaͤſchern draͤueten; bald ſtuͤrtzte es unſer Schiff in den ab- ſcheulichſten Abgrund/ an welchem in wenigen Stunden der Maſt abbrach/ und zu unſerm aͤrgſten Schrecken den umb die gemeine Wohl- farth aͤuſerſt bemuͤhten und wohlerfahrnen Schiffer toͤdtete. Das Steuer-Ruder ging kurtz hierauf auch entzwey/ die Ancker waren nicht zu gebrauchen/ und die Boots-Knechte lieſſen aus Verzweifelung Haͤnde und Muth ſincken; zumal ohne diß nichts mehr auf dem Schiffe zu thun war/ als daß wir das darein ſpritzende Waſſer ausplumpeten/ und hin und wieder die Fugen der Schiffs-Taffeln verſtopf- ten. Kein Menſch war zu ſagen auf dem Schiffe/ welcher noch einige Hoffnung des Le- bens uͤbrig behielt; ja ihrer viel wuͤntſchten nur einen geſchwinden Untergang/ umb ſich nur der [Spaltenumbruch] mehr empfindlichen Todes-Furcht zu entbre- chen/ welche allemal empfindlicher iſt/ als der Tod ſelbſt. Ja die Fuͤrſtin Syrmanis ſelbſt brach nach zweyer Tage Ungewißheit: Ob wir lebendig oder todt waͤren/ die Gedult aus/ daß ſie ſich uͤbers Verhaͤngnuͤß beſchwerete: War- umb ſie die zornigen Goͤtter nicht lieber durch Erdbeben unter den Promethiſchen Tempel be- graben haͤtten/ als daß der Schlag iedweder Welle ihr den Tod nicht anders als eine Schlag- Uhr die Zeit andeutete? Jch redete ihr alſo ein: Sie moͤchte doch ihr Klagen maͤſſigen/ um durch Ungeduld den gerechten Zorn der Goͤtter nicht mehr zu erheben. Dieſe muͤſten durch deroglei- chen Sterbens-Glocken uns zuweilen unſerer Sterbligkeit erinnern/ weil wir auf die Anzei- gung der von der Natur in unſere Bruſt ge- pflantzten Uhr ſo wenig Achtung gaͤben. Denn ieder Schlag unſers Hertzens deutete uns nicht weniger/ als die wuͤtenden Wellen die Naͤhe- rung unſers Endes an. Jedwedes Athemho- len ſolte nichts minder als der uns ſchreckende Donner in Ohren klingen/ und uns zum Schiff- bruche zubereiten. Welche Vorbereitung bey den Sterblichen alle Augenblicke fertig ſeyn ſol- te/ weil unſer Hertz und Lunge ein Compaß ohne Nadel/ und eine Uhr ohne Weiſer waͤre/ nach- dem wir weder Ort noch Zeit unſers Ablebens vorſehen koͤnten. Wer aber derogeſtalt berei- tet waͤre/ und durch die Tugend ſein Gewiſſen beruhigt haͤtte/ der ſchwebete mit lachendem Munde zwiſchen Donner und Sturmwind; er blickte mit einerley Gebehrdung den Rachen des Abgrunds und den Hafen des Lebens an; er zwinckerte mit keinem Augenliede fuͤr dem To- de/ und er veraͤnderte nicht einſt die Farbe fuͤr dem Hencker. Fuͤrſt Oropaſtes ſtim̃te meinen Troͤſtungen mehrmals bey/ und Syrmanis entbrach ſich ja zuweilen ihrer Traurigkeit; aber die Laͤnge der Gefahr/ und die Schwachheit ih- res Geſchlechtes rieß ihr bey Zeite wieder ihre Wunden auf. Sie haͤtte wohl/ ſagte ſie/ ehe- mals mit unverwendetem Aug-Apfel dem To- de das E e e e 3
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Arminius und Thußnelda.
zu machen; reiſeten wir Nord-Oſtwerts zu Lande
zu der beruͤhmten Stadt Terebynth/ welche der
groſſe Alexander an das Caſpiſche Meer/ und
an das Ende des von dem Caſpiſchen Gebuͤrge
ſich dahin erſtreckenden Armes/ nebſt noch einer
Mauer uͤber das Gebuͤrge/ vierhundert Sta-
dien lang/ wider die Amazonen und andere
Nord-Voͤlcker gebauet hat. Allhier wurden
wir ſchluͤſſig uͤber das Caſpiſche Meer gegen
dem Fluffe Rha/ der mit ſiebenzehn Stroͤmen
in ſelbiges Meer faͤllt/ und auf ſelbtem biß da-
hin/ wo er ſich dem Tanais auf wenige Mei-
len naͤhert/ alsdenn auf dieſem Strome uͤber die
Meotiſche und das Euxiniſche Meer zum Bo-
riſthenes/ oder Hippanis als des Fuͤrſten Oropa-
ſtes und ſeiner Schweſter Syrmanis Vater-
land zu ſchiffen. Wir ſegelten anfangs mit
gutem Winde; des Nachts aber wurden wir
von dem ſtarcken hin und wieder ſchlagen des
Schiffes erwecket/ indem ſich ein harter Nord-
Weſt-Wind erhob/ welcher ſich in weniger Zeit
in den grauſamſten Sturm-Wind verwandel-
te. Das brauſende Meer hob uns mit ſeinen
Wellen bald biß an die Wolcken empor/ wel-
che uns theils mit einer neuen See zu beſaͤuffen/
theils mit unaufhoͤrlichem Blitze einzuaͤſchern
draͤueten; bald ſtuͤrtzte es unſer Schiff in den ab-
ſcheulichſten Abgrund/ an welchem in wenigen
Stunden der Maſt abbrach/ und zu unſerm
aͤrgſten Schrecken den umb die gemeine Wohl-
farth aͤuſerſt bemuͤhten und wohlerfahrnen
Schiffer toͤdtete. Das Steuer-Ruder ging
kurtz hierauf auch entzwey/ die Ancker waren
nicht zu gebrauchen/ und die Boots-Knechte
lieſſen aus Verzweifelung Haͤnde und Muth
ſincken; zumal ohne diß nichts mehr auf dem
Schiffe zu thun war/ als daß wir das darein
ſpritzende Waſſer ausplumpeten/ und hin und
wieder die Fugen der Schiffs-Taffeln verſtopf-
ten. Kein Menſch war zu ſagen auf dem
Schiffe/ welcher noch einige Hoffnung des Le-
bens uͤbrig behielt; ja ihrer viel wuͤntſchten nur
einen geſchwinden Untergang/ umb ſich nur der
mehr empfindlichen Todes-Furcht zu entbre-
chen/ welche allemal empfindlicher iſt/ als der
Tod ſelbſt. Ja die Fuͤrſtin Syrmanis ſelbſt
brach nach zweyer Tage Ungewißheit: Ob wir
lebendig oder todt waͤren/ die Gedult aus/ daß
ſie ſich uͤbers Verhaͤngnuͤß beſchwerete: War-
umb ſie die zornigen Goͤtter nicht lieber durch
Erdbeben unter den Promethiſchen Tempel be-
graben haͤtten/ als daß der Schlag iedweder
Welle ihr den Tod nicht anders als eine Schlag-
Uhr die Zeit andeutete? Jch redete ihr alſo ein:
Sie moͤchte doch ihr Klagen maͤſſigen/ um durch
Ungeduld den gerechten Zorn der Goͤtter nicht
mehr zu erheben. Dieſe muͤſten durch deroglei-
chen Sterbens-Glocken uns zuweilen unſerer
Sterbligkeit erinnern/ weil wir auf die Anzei-
gung der von der Natur in unſere Bruſt ge-
pflantzten Uhr ſo wenig Achtung gaͤben. Denn
ieder Schlag unſers Hertzens deutete uns nicht
weniger/ als die wuͤtenden Wellen die Naͤhe-
rung unſers Endes an. Jedwedes Athemho-
len ſolte nichts minder als der uns ſchreckende
Donner in Ohren klingen/ und uns zum Schiff-
bruche zubereiten. Welche Vorbereitung bey
den Sterblichen alle Augenblicke fertig ſeyn ſol-
te/ weil unſer Hertz und Lunge ein Compaß ohne
Nadel/ und eine Uhr ohne Weiſer waͤre/ nach-
dem wir weder Ort noch Zeit unſers Ablebens
vorſehen koͤnten. Wer aber derogeſtalt berei-
tet waͤre/ und durch die Tugend ſein Gewiſſen
beruhigt haͤtte/ der ſchwebete mit lachendem
Munde zwiſchen Donner und Sturmwind; er
blickte mit einerley Gebehrdung den Rachen des
Abgrunds und den Hafen des Lebens an; er
zwinckerte mit keinem Augenliede fuͤr dem To-
de/ und er veraͤnderte nicht einſt die Farbe fuͤr
dem Hencker. Fuͤrſt Oropaſtes ſtim̃te meinen
Troͤſtungen mehrmals bey/ und Syrmanis
entbrach ſich ja zuweilen ihrer Traurigkeit; aber
die Laͤnge der Gefahr/ und die Schwachheit ih-
res Geſchlechtes rieß ihr bey Zeite wieder ihre
Wunden auf. Sie haͤtte wohl/ ſagte ſie/ ehe-
mals mit unverwendetem Aug-Apfel dem To-
de das
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 589. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/645>, abgerufen am 26.06.2024. |