Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Fünfftes Buch [Spaltenumbruch]
de das blaue in Augen gesehen; aber diß wäreja allzu schrecklich/ wenn man weder sterben/ noch genesen könte; wenn der Tod uns als ein Ge- spenste vor dem Gesichte herumb irrete/ das Le- ben aber durch blasse Furcht uns beunruhigte. Dieses wäre das grausamste aller schrecklichen Dinge/ und ein unvermeidliches Fallbret der beständigsten Gemüther. Oropastes versetzte ihr: Die schon einmalige Beunruhigung ihres Gemüthes ziehe so viel Dünste niedriger Ein- bildungen empor. Der kläreste Brunn wür- de durch wenigste Aufrührung/ das edelste Ge- müthe durch geringe Ungedult trübe; und/ wie ein Quell sich durch nichts besser/ als wenn man selbtes in Ruh liesse/ ausklärete; also besänftigten sich Zorn/ Furch/ und andere trübe Gemüths- Regungen nicht besser/ als mit der Zeit von sich selbst. Die Gedult wäre eine Mutter der Hoffnung/ diese der Klugheit. Ein Kluger aber siegete über alles/ und er machte sich zum Meister über Wellen und Sterne. Biß in fünften Tag währete dieser elende Zustand/ als sich der Sturm nach und nach legte/ uns aber noch zur Zeit schlechte Hoffnung unserer Erlö- sung machte/ nachdem wir des Mastes und des Steuer-Ruders beraubt/ und also in der blossen Willkühr dieses ungütigen Meeres lebten. Ob wir uns nun derogestalt als ein aller Spann- Adern beraubter Leib weder mit Segel noch Rudern forthelffen konten; so vermerckten wir doch aus dem hin- und wieder schwimmenden See-Schiffe/ daß unser Schiff durch den noch strengen Nord-West-Wind starck fortgetrieben ward. Nach vier Tagen erblickten wir von ferne ein Gebürge/ iedoch unter zweifelhafter Beysorge: Ob es nicht Wolcken wären/ biß wir nach der zwischen dem Angel der Furcht und Hoffnung bingelegter Nacht uns nahe am Ufer sahen/ kurtz aber darauf mit unserm Schiffe am Boden feste zu stehen kamen; welches denn auch also fort von den Wellen zerstossen ward/ und sanck/ also/ daß ein ieder nunmehr mit Schwim- men sich zu retten gezwungen ward. Oropa- [Spaltenumbruch] stes und ich/ hätten leicht ans Ufer kommen kön- nen/ wenn die Vorsorge für die zwar sonst des Schwimmens wohl erfahrne/ aber durch bißhe- rigen Sturm und Kummer gantz abgemattete Fürstin Syrmanis zurück gehalten hätte; wel- che/ ungeachtet unserer Hülffe/ so viel Wassers eintranck/ daß wir sie für todt ans Ufer/ und durch viel Müh kaum wieder zum Athem-ho- len brachten. Wir hatten uns bey einem ge- machten Feuer kaum ein wenig abgetrocknet und gewärmet/ als wir einen Schwarm Reiter mit verhencktem Zügel dem Rauche nach auf uns zurennen sahen; Weil wir nicht wusten/ an welchem Ende der Welt wir wären/ konten wir auch von diesen Leuten nichts urtheilen. Jhre Kleidung aber verrieth sie alsofort/ daß sie Nomades/ ein Scythisch Volck waren. Diese rechtfertigten uns also fort anfangs in ihrer/ her- nach in der etwas veränderten Parthischen Sprache/ wer wir wären/ und wie wir dahin kommen? Wie sie nun unsern Schiffbruch/ und daß wir Armenier wären/ (denn hierfür hielte ich rathsam/ uns auszugeben/ weil die Scythen der von ihnen ausgetriebenen Parthen/ diese aber der Armenier gleichsam angebohrne Feinde sind/) verwandelte sich die ihnen von uns zugedachte Raubsucht in Mitleiden. Dahero verständigten sie uns/ daß wir in der Landschafft Sogdiana/ zwischen dem Flusse Oxus und Japartes/ nicht ferne von der Stadt Za- haspa uns befindeten. Dieses Land hätte für Ale- xandern nebst denen auf der lincken Hand des Flus- ses Oxus gelegenen Bactrianern Oxyartes beherr- schet/ dessen Tochter Roxanen Alexander geehli- chet. Nach Alexanders Tode hätte sich Theodo- tus über tausend Bactrianische Städte/ und über alles/ was zwischen dem Oxus und Jaxartes lie- get/ zum Könige aufgeworffen. Diesem hätte sein Sohn gleichen Nahmens/ und endlich En- cratides gefolget/ welcher letzte wider den Jndia- nischen König Demetrius unerhörte Tapferkeit ausgeübet/ indem er 60000. Feinde/ welche ihn in der
Fuͤnfftes Buch [Spaltenumbruch]
de das blaue in Augen geſehen; aber diß waͤreja allzu ſchrecklich/ wenn man weder ſterben/ noch geneſen koͤnte; wenn der Tod uns als ein Ge- ſpenſte vor dem Geſichte herumb irrete/ das Le- ben aber durch blaſſe Furcht uns beunruhigte. Dieſes waͤre das grauſamſte aller ſchrecklichen Dinge/ und ein unvermeidliches Fallbret der beſtaͤndigſten Gemuͤther. Oropaſtes verſetzte ihr: Die ſchon einmalige Beunruhigung ihres Gemuͤthes ziehe ſo viel Duͤnſte niedriger Ein- bildungen empor. Der klaͤreſte Brunn wuͤr- de durch wenigſte Aufruͤhrung/ das edelſte Ge- muͤthe durch geringe Ungedult truͤbe; und/ wie ein Quell ſich durch nichts beſſer/ als wenn man ſelbtes in Ruh lieſſe/ ausklaͤrete; alſo beſaͤnftigten ſich Zorn/ Furch/ und andere truͤbe Gemuͤths- Regungen nicht beſſer/ als mit der Zeit von ſich ſelbſt. Die Gedult waͤre eine Mutter der Hoffnung/ dieſe der Klugheit. Ein Kluger aber ſiegete uͤber alles/ und er machte ſich zum Meiſter uͤber Wellen und Sterne. Biß in fuͤnften Tag waͤhrete dieſer elende Zuſtand/ als ſich der Sturm nach und nach legte/ uns aber noch zur Zeit ſchlechte Hoffnung unſerer Erloͤ- ſung machte/ nachdem wir des Maſtes und des Steuer-Ruders beraubt/ und alſo in der bloſſen Willkuͤhr dieſes unguͤtigen Meeres lebten. Ob wir uns nun derogeſtalt als ein aller Spann- Adern beraubter Leib weder mit Segel noch Rudern forthelffen konten; ſo vermerckten wir doch aus dem hin- und wieder ſchwimmenden See-Schiffe/ daß unſer Schiff durch den noch ſtrengen Nord-Weſt-Wind ſtarck fortgetrieben ward. Nach vier Tagen erblickten wir von ferne ein Gebuͤrge/ iedoch unter zweifelhafter Beyſorge: Ob es nicht Wolcken waͤren/ biß wir nach der zwiſchen dem Angel der Furcht und Hoffnung bingelegter Nacht uns nahe am Ufer ſahen/ kurtz aber darauf mit unſerm Schiffe am Boden feſte zu ſtehen kamen; welches denn auch alſo fort von den Wellen zerſtoſſen ward/ und ſanck/ alſo/ daß ein ieder nunmehr mit Schwim- men ſich zu retten gezwungen ward. Oropa- [Spaltenumbruch] ſtes und ich/ haͤtten leicht ans Ufer kommen koͤn- nen/ wenn die Vorſorge fuͤr die zwar ſonſt des Schwimmens wohl erfahrne/ aber durch bißhe- rigen Sturm und Kummer gantz abgemattete Fuͤrſtin Syrmanis zuruͤck gehalten haͤtte; wel- che/ ungeachtet unſerer Huͤlffe/ ſo viel Waſſers eintranck/ daß wir ſie fuͤr todt ans Ufer/ und durch viel Muͤh kaum wieder zum Athem-ho- len brachten. Wir hatten uns bey einem ge- machten Feuer kaum ein wenig abgetrocknet und gewaͤrmet/ als wir einen Schwarm Reiter mit verhencktem Zuͤgel dem Rauche nach auf uns zurennen ſahen; Weil wir nicht wuſten/ an welchem Ende der Welt wir waͤren/ konten wir auch von dieſen Leuten nichts urtheilen. Jhre Kleidung aber verrieth ſie alſofort/ daß ſie Nomades/ ein Scythiſch Volck waren. Dieſe rechtfertigten uns alſo fort anfangs in ihrer/ her- nach in der etwas veraͤnderten Parthiſchen Sprache/ wer wir waͤren/ und wie wir dahin kommen? Wie ſie nun unſern Schiffbruch/ und daß wir Armenier waͤren/ (denn hierfuͤr hielte ich rathſam/ uns auszugeben/ weil die Scythen der von ihnen ausgetriebenen Parthen/ dieſe aber der Armenier gleichſam angebohrne Feinde ſind/) verwandelte ſich die ihnen von uns zugedachte Raubſucht in Mitleiden. Dahero verſtaͤndigten ſie uns/ daß wir in der Landſchafft Sogdiana/ zwiſchẽ dem Fluſſe Oxus und Japartes/ nicht ferne von der Stadt Za- haſpa uns befindeten. Dieſes Land haͤtte fuͤr Ale- xandern nebſt denẽ auf der linckẽ Hand des Fluſ- ſes Oxus gelegenẽ Bactrianeꝛn Oxyartes beherꝛ- ſchet/ deſſen Tochter Roxanen Alexander geehli- chet. Nach Alexanders Tode haͤtte ſich Theodo- tus uͤber tauſend Bactrianiſche Staͤdte/ und uͤber alles/ was zwiſchen dem Oxus und Jaxartes lie- get/ zum Koͤnige aufgeworffen. Dieſem haͤtte ſein Sohn gleichen Nahmens/ und endlich En- cratides gefolget/ welcher letzte wider den Jndia- niſchen Koͤnig Demetrius unerhoͤrte Tapferkeit ausgeuͤbet/ indem er 60000. Feinde/ welche ihn in der
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Fuͤnfftes Buch
de das blaue in Augen geſehen; aber diß waͤre
ja allzu ſchrecklich/ wenn man weder ſterben/ noch
geneſen koͤnte; wenn der Tod uns als ein Ge-
ſpenſte vor dem Geſichte herumb irrete/ das Le-
ben aber durch blaſſe Furcht uns beunruhigte.
Dieſes waͤre das grauſamſte aller ſchrecklichen
Dinge/ und ein unvermeidliches Fallbret der
beſtaͤndigſten Gemuͤther. Oropaſtes verſetzte
ihr: Die ſchon einmalige Beunruhigung ihres
Gemuͤthes ziehe ſo viel Duͤnſte niedriger Ein-
bildungen empor. Der klaͤreſte Brunn wuͤr-
de durch wenigſte Aufruͤhrung/ das edelſte Ge-
muͤthe durch geringe Ungedult truͤbe; und/ wie
ein Quell ſich durch nichts beſſer/ als wenn man
ſelbtes in Ruh lieſſe/ ausklaͤrete; alſo beſaͤnftigten
ſich Zorn/ Furch/ und andere truͤbe Gemuͤths-
Regungen nicht beſſer/ als mit der Zeit von ſich
ſelbſt. Die Gedult waͤre eine Mutter der
Hoffnung/ dieſe der Klugheit. Ein Kluger
aber ſiegete uͤber alles/ und er machte ſich zum
Meiſter uͤber Wellen und Sterne. Biß in
fuͤnften Tag waͤhrete dieſer elende Zuſtand/ als
ſich der Sturm nach und nach legte/ uns aber
noch zur Zeit ſchlechte Hoffnung unſerer Erloͤ-
ſung machte/ nachdem wir des Maſtes und des
Steuer-Ruders beraubt/ und alſo in der bloſſen
Willkuͤhr dieſes unguͤtigen Meeres lebten. Ob
wir uns nun derogeſtalt als ein aller Spann-
Adern beraubter Leib weder mit Segel noch
Rudern forthelffen konten; ſo vermerckten wir
doch aus dem hin- und wieder ſchwimmenden
See-Schiffe/ daß unſer Schiff durch den noch
ſtrengen Nord-Weſt-Wind ſtarck fortgetrieben
ward. Nach vier Tagen erblickten wir von
ferne ein Gebuͤrge/ iedoch unter zweifelhafter
Beyſorge: Ob es nicht Wolcken waͤren/ biß
wir nach der zwiſchen dem Angel der Furcht und
Hoffnung bingelegter Nacht uns nahe am Ufer
ſahen/ kurtz aber darauf mit unſerm Schiffe am
Boden feſte zu ſtehen kamen; welches denn auch
alſo fort von den Wellen zerſtoſſen ward/ und
ſanck/ alſo/ daß ein ieder nunmehr mit Schwim-
men ſich zu retten gezwungen ward. Oropa-
ſtes und ich/ haͤtten leicht ans Ufer kommen koͤn-
nen/ wenn die Vorſorge fuͤr die zwar ſonſt des
Schwimmens wohl erfahrne/ aber durch bißhe-
rigen Sturm und Kummer gantz abgemattete
Fuͤrſtin Syrmanis zuruͤck gehalten haͤtte; wel-
che/ ungeachtet unſerer Huͤlffe/ ſo viel Waſſers
eintranck/ daß wir ſie fuͤr todt ans Ufer/ und
durch viel Muͤh kaum wieder zum Athem-ho-
len brachten. Wir hatten uns bey einem ge-
machten Feuer kaum ein wenig abgetrocknet
und gewaͤrmet/ als wir einen Schwarm Reiter
mit verhencktem Zuͤgel dem Rauche nach auf
uns zurennen ſahen; Weil wir nicht wuſten/
an welchem Ende der Welt wir waͤren/ konten
wir auch von dieſen Leuten nichts urtheilen.
Jhre Kleidung aber verrieth ſie alſofort/ daß ſie
Nomades/ ein Scythiſch Volck waren. Dieſe
rechtfertigten uns alſo fort anfangs in ihrer/ her-
nach in der etwas veraͤnderten Parthiſchen
Sprache/ wer wir waͤren/ und wie wir dahin
kommen? Wie ſie nun unſern Schiffbruch/ und
daß wir Armenier waͤren/ (denn hierfuͤr hielte
ich rathſam/ uns auszugeben/ weil die Scythen
der von ihnen ausgetriebenen Parthen/ dieſe
aber der Armenier gleichſam angebohrne
Feinde ſind/) verwandelte ſich die ihnen von
uns zugedachte Raubſucht in Mitleiden.
Dahero verſtaͤndigten ſie uns/ daß wir in der
Landſchafft Sogdiana/ zwiſchẽ dem Fluſſe Oxus
und Japartes/ nicht ferne von der Stadt Za-
haſpa uns befindeten. Dieſes Land haͤtte fuͤr Ale-
xandern nebſt denẽ auf der linckẽ Hand des Fluſ-
ſes Oxus gelegenẽ Bactrianeꝛn Oxyartes beherꝛ-
ſchet/ deſſen Tochter Roxanen Alexander geehli-
chet. Nach Alexanders Tode haͤtte ſich Theodo-
tus uͤber tauſend Bactrianiſche Staͤdte/ und uͤber
alles/ was zwiſchen dem Oxus und Jaxartes lie-
get/ zum Koͤnige aufgeworffen. Dieſem haͤtte
ſein Sohn gleichen Nahmens/ und endlich En-
cratides gefolget/ welcher letzte wider den Jndia-
niſchen Koͤnig Demetrius unerhoͤrte Tapferkeit
ausgeuͤbet/ indem er 60000. Feinde/ welche ihn
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 590. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/646>, abgerufen am 26.06.2024. |