Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] in der Festung Maracande 5. Monat belägert/
mit 300. Reitern zernichtet/ hernach sich Jndi-
ens biß an Ganges gar bemächtiget hätte. Wie
aber des Encradites Sohn und Reichs-Geferte
Zariaspes die Unterthanen allzu harte gehalten/
wären die Sogdianer von ihm abgefallen/ und
als Zariaspes endlich gar seinen Vater ermor-
det/ über seinen blutigen Leib/ gleich als über ei-
nen besiegten Feind mit den Pferden gespren-
get/ und die Leiche zu begraben verboten/ hätten
die über dem Jaxarthes wohnenden Nomades/
und Mithridates/ der Parther König/ das Ba-
ctrianische Reich unter einander getheilet/ und
den unferne von dar flüssenden Oxus zu ihrer
Reichs-Gräntze gemacht. Jtzo beherrschte dis
Land der grosse König der sämmtlichen Scythen/
dessen Gebiete sich von dem Flusse Rha biß an
das Reich des Königs Sophites/ welcher sich dem
grossen Alexander ohne Schwerdt-Streich un-
terworffen/ erstreckete. Hierauf deutete uns der
ansehlichste unter diesen Scythen an/ daß wir ih-
nen zu ihrem von dar nicht weit entfernten Für-
sten folgen müsten; wordurch die mit uns ge-
strandeten Gefärthen nicht wenig erschrecket wur-
den. Dieses nahm vorerwehnter Scythe wahr;
daher redete er uns aufs freundlichste zu: Wir
möchten kühnlich alle Furcht und Verdacht sin-
cken lassen. Sie wüsten gar wohl/ daß einige
Ausländer sie nur für Halb-Menschen hielten/
welche alle Frembdlinge schlachteten/ sich mit ih-
rem gerösteten Fleische speiseten/ und aus ihren
Hirnschälen träncken. Alleine die Erfahrung
würde ihnen die Scythen nicht nur als vollkom-
mene Menschen/ sondern auch als die gerechtesten
unter allen Sterblichen fürbilden. Jnsonderheit
solten sie nicht gläuben/ daß man daselbst wider
sie grausamer/ als die ihrer verschonende wilde
Wellen seyn würde. Wir kamen nach ein paar
Stunden an den berühmten Strom Oxus/ an
dessen Ufer der Königliche Stadthalter über
Sogdiana sein Zelt aufgeschlagen hatte. Dieser
bewillkommte uns mit freundlichen Geberden/
und nachdem er unser Vaterland und Unfall
[Spaltenumbruch] verstanden/ ließ er uns alsofort eine Trachtvoll
Speisen/ unter denen gesäuerte Pferde-Milch
und gebratenes Cameel-Fleisch die köstlichsten
Gerüchte waren/ auftragen. Hierauf tranck
er uns dreyen selbst eine Schale Wasser aus dem
See Kia zu/ wor aus der Fluß Ganges entsprin-
get/ welches alle Grossen bey den Scythen holen
lassen. Nach vielen erwiesenen Höfligkeiten sagte
er uns: Weil der grosse König der Scythen Hu-
hansien gegen die Seren einen mächtigen Zug
für hätte/ zu dem er bey dem Ursprunge des Flus-
ses Ganges zu stossen befehlicht wäre/ müsten
wir zwar nach ihren Reichs-Gesetzen/ welche alle
streitbare Frembdlingen in Königs-Dienste nö-
thiget/ dem Königlichen Heerlager folgen; er
versicherte uns aber/ daß der König/ als ein Lieb-
haber der Ausländer/ uns gnädig empfangen/
und ehrlich verhalten werde. Als wir nun aus
der Noth eine Tugend machen/ und also unsere
Freywilligkeit dem Zwange vorkommen muste/
ließ er uns etliche schöne Pferde/ und einen Vor-
rath Scythischer Waffen herzu bringen/ wor-
durch wir uns nach eigener Wahl ausrüsteten.
Wir reiseten also drey Tage harte an dem Ufer
des Oxus/ aber weil wir alles Wasser mit uns
führen musten/ nicht ohne grosse Beschwerlig-
keit/ und derogestalt bey einem so grossen Stro-
me in grosser Armuth des Wassers. Sintemal
das in dem Flusse Oxus so schwer und so trübe/
daß man von dessen offteren Genüß gefährlich er-
krancket. Den vierdten Taglenckten wir uns
Nordwerts/ und reiseten über eine sändichte Flä-
che/ welche aber durch unzehlich viel aus dem
Flusse Oxus abgeleitete Bäche/ die seinen be-
rühmten Strom so sehr vermindern/ daß seine
gäntzliche Versändung mit der Zeit zu besorgen/
bewässert/ auch sein sonst untrinckbares Wasser
durch so vielen Sand mercklich geläutert und
verbessert ward. Den siebenden Tag lendeten
wir nicht ferne von dem Sogdianischen Steinfels
an/ welcher 30. Stadia hoch seyn soll/ und eine
unüberwindliche Festung auf sich hat/ die Ale-
xander durch Verrätherey erobert. Wir über-

nach-

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] in der Feſtung Maracande 5. Monat belaͤgert/
mit 300. Reitern zernichtet/ hernach ſich Jndi-
ens biß an Ganges gar bemaͤchtiget haͤtte. Wie
aber des Encradites Sohn und Reichs-Geferte
Zariaſpes die Unterthanen allzu harte gehalten/
waͤren die Sogdianer von ihm abgefallen/ und
als Zariaſpes endlich gar ſeinen Vater ermor-
det/ uͤber ſeinen blutigen Leib/ gleich als uͤber ei-
nen beſiegten Feind mit den Pferden geſpren-
get/ und die Leiche zu begraben verboten/ haͤtten
die uͤber dem Jaxarthes wohnenden Nomades/
und Mithridates/ der Parther Koͤnig/ das Ba-
ctrianiſche Reich unter einander getheilet/ und
den unferne von dar fluͤſſenden Oxus zu ihrer
Reichs-Graͤntze gemacht. Jtzo beherrſchte dis
Land der groſſe Koͤnig der ſaͤm̃tlichen Scythen/
deſſen Gebiete ſich von dem Fluſſe Rha biß an
das Reich des Koͤnigs Sophites/ welcher ſich dem
groſſen Alexander ohne Schwerdt-Streich un-
terworffen/ erſtreckete. Hierauf deutete uns der
anſehlichſte unter dieſen Scythen an/ daß wir ih-
nen zu ihrem von dar nicht weit entfernten Fuͤr-
ſten folgen muͤſten; wordurch die mit uns ge-
ſtrandetẽ Gefaͤrthen nicht wenig erſchrecket wur-
den. Dieſes nahm vorerwehnter Scythe wahr;
daher redete er uns aufs freundlichſte zu: Wir
moͤchten kuͤhnlich alle Furcht und Verdacht ſin-
cken laſſen. Sie wuͤſten gar wohl/ daß einige
Auslaͤnder ſie nur fuͤr Halb-Menſchen hielten/
welche alle Frembdlinge ſchlachteten/ ſich mit ih-
rem geroͤſteten Fleiſche ſpeiſeten/ und aus ihren
Hirnſchaͤlen traͤncken. Alleine die Erfahrung
wuͤrde ihnen die Scythen nicht nur als vollkom-
mene Menſchen/ ſondern auch als die gerechteſtẽ
unter allen Sterblichen fuͤrbilden. Jnſonderheit
ſolten ſie nicht glaͤuben/ daß man daſelbſt wider
ſie grauſamer/ als die ihrer verſchonende wilde
Wellen ſeyn wuͤrde. Wir kamen nach ein paar
Stunden an den beruͤhmten Strom Oxus/ an
deſſen Ufer der Koͤnigliche Stadthalter uͤber
Sogdiana ſein Zelt aufgeſchlagen hatte. Dieſer
bewillkom̃te uns mit freundlichen Geberden/
und nachdem er unſer Vaterland und Unfall
[Spaltenumbruch] verſtanden/ ließ er uns alſofort eine Trachtvoll
Speiſen/ unter denen geſaͤuerte Pferde-Milch
und gebratenes Cameel-Fleiſch die koͤſtlichſten
Geruͤchte waren/ auftragen. Hierauf tranck
er uns dreyen ſelbſt eine Schale Waſſer aus dem
See Kia zu/ wor aus der Fluß Ganges entſprin-
get/ welches alle Groſſen bey den Scythen holen
laſſen. Nach vielen erwieſenẽ Hoͤfligkeiten ſagte
er uns: Weil der groſſe Koͤnig der Scythen Hu-
hanſien gegen die Seren einen maͤchtigen Zug
fuͤr haͤtte/ zu dem er bey dem Urſprunge des Fluſ-
ſes Ganges zu ſtoſſen befehlicht waͤre/ muͤſten
wir zwar nach ihren Reichs-Geſetzen/ welche alle
ſtreitbare Frembdlingen in Koͤnigs-Dienſte noͤ-
thiget/ dem Koͤniglichen Heerlager folgen; er
verſicherte uns aber/ daß der Koͤnig/ als ein Lieb-
haber der Auslaͤnder/ uns gnaͤdig empfangen/
und ehrlich verhalten werde. Als wir nun aus
der Noth eine Tugend machen/ und alſo unſere
Freywilligkeit dem Zwange vorkommen muſte/
ließ er uns etliche ſchoͤne Pferde/ und einen Vor-
rath Scythiſcher Waffen herzu bringen/ wor-
durch wir uns nach eigener Wahl ausruͤſteten.
Wir reiſeten alſo drey Tage harte an dem Ufer
des Oxus/ aber weil wir alles Waſſer mit uns
fuͤhren muſten/ nicht ohne groſſe Beſchwerlig-
keit/ und derogeſtalt bey einem ſo groſſen Stro-
me in groſſer Armuth des Waſſers. Sintemal
das in dem Fluſſe Oxus ſo ſchwer und ſo truͤbe/
daß man von deſſen offterẽ Genuͤß gefaͤhrlich er-
krancket. Den vierdten Taglenckten wir uns
Nordwerts/ und reiſeten uͤber eine ſaͤndichte Flaͤ-
che/ welche aber durch unzehlich viel aus dem
Fluſſe Oxus abgeleitete Baͤche/ die ſeinen be-
ruͤhmten Strom ſo ſehr vermindern/ daß ſeine
gaͤntzliche Verſaͤndung mit der Zeit zu beſorgen/
bewaͤſſert/ auch ſein ſonſt untrinckbares Waſſer
durch ſo vielen Sand mercklich gelaͤutert und
verbeſſert ward. Den ſiebenden Tag lendeten
wir nicht ferne von dem Sogdianiſchẽ Steinfels
an/ welcher 30. Stadia hoch ſeyn ſoll/ und eine
unuͤberwindliche Feſtung auf ſich hat/ die Ale-
xander durch Verraͤtherey erobert. Wir uͤber-

nach-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0647" n="591"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
in der Fe&#x017F;tung Maracande 5. Monat bela&#x0364;gert/<lb/>
mit 300. Reitern zernichtet/ hernach &#x017F;ich Jndi-<lb/>
ens biß an Ganges gar bema&#x0364;chtiget ha&#x0364;tte. Wie<lb/>
aber des Encradites Sohn und Reichs-Geferte<lb/>
Zaria&#x017F;pes die Unterthanen allzu harte gehalten/<lb/>
wa&#x0364;ren die Sogdianer von ihm abgefallen/ und<lb/>
als Zaria&#x017F;pes endlich gar &#x017F;einen Vater ermor-<lb/>
det/ u&#x0364;ber &#x017F;einen blutigen Leib/ gleich als u&#x0364;ber ei-<lb/>
nen be&#x017F;iegten Feind mit den Pferden ge&#x017F;pren-<lb/>
get/ und die Leiche zu begraben verboten/ ha&#x0364;tten<lb/>
die u&#x0364;ber dem Jaxarthes wohnenden Nomades/<lb/>
und Mithridates/ der Parther Ko&#x0364;nig/ das Ba-<lb/>
ctriani&#x017F;che Reich unter einander getheilet/ und<lb/>
den unferne von dar flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;enden Oxus zu ihrer<lb/>
Reichs-Gra&#x0364;ntze gemacht. Jtzo beherr&#x017F;chte dis<lb/>
Land der gro&#x017F;&#x017F;e Ko&#x0364;nig der &#x017F;a&#x0364;m&#x0303;tlichen Scythen/<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Gebiete &#x017F;ich von dem Flu&#x017F;&#x017F;e Rha biß an<lb/>
das Reich des Ko&#x0364;nigs Sophites/ welcher &#x017F;ich dem<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Alexander ohne Schwerdt-Streich un-<lb/>
terworffen/ er&#x017F;treckete. Hierauf deutete uns der<lb/>
an&#x017F;ehlich&#x017F;te unter die&#x017F;en Scythen an/ daß wir ih-<lb/>
nen zu ihrem von dar nicht weit entfernten Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;ten folgen mu&#x0364;&#x017F;ten; wordurch die mit uns ge-<lb/>
&#x017F;trandete&#x0303; Gefa&#x0364;rthen nicht wenig er&#x017F;chrecket wur-<lb/>
den. Die&#x017F;es nahm vorerwehnter Scythe wahr;<lb/>
daher redete er uns aufs freundlich&#x017F;te zu: Wir<lb/>
mo&#x0364;chten ku&#x0364;hnlich alle Furcht und Verdacht &#x017F;in-<lb/>
cken la&#x017F;&#x017F;en. Sie wu&#x0364;&#x017F;ten gar wohl/ daß einige<lb/>
Ausla&#x0364;nder &#x017F;ie nur fu&#x0364;r Halb-Men&#x017F;chen hielten/<lb/>
welche alle Frembdlinge &#x017F;chlachteten/ &#x017F;ich mit ih-<lb/>
rem gero&#x0364;&#x017F;teten Flei&#x017F;che &#x017F;pei&#x017F;eten/ und aus ihren<lb/>
Hirn&#x017F;cha&#x0364;len tra&#x0364;ncken. Alleine die Erfahrung<lb/>
wu&#x0364;rde ihnen die Scythen nicht nur als vollkom-<lb/>
mene Men&#x017F;chen/ &#x017F;ondern auch als die gerechte&#x017F;te&#x0303;<lb/>
unter allen Sterblichen fu&#x0364;rbilden. Jn&#x017F;onderheit<lb/>
&#x017F;olten &#x017F;ie nicht gla&#x0364;uben/ daß man da&#x017F;elb&#x017F;t wider<lb/>
&#x017F;ie grau&#x017F;amer/ als die ihrer ver&#x017F;chonende wilde<lb/>
Wellen &#x017F;eyn wu&#x0364;rde. Wir kamen nach ein paar<lb/>
Stunden an den beru&#x0364;hmten Strom Oxus/ an<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Ufer der Ko&#x0364;nigliche Stadthalter u&#x0364;ber<lb/>
Sogdiana &#x017F;ein Zelt aufge&#x017F;chlagen hatte. Die&#x017F;er<lb/>
bewillkom&#x0303;te uns mit freundlichen Geberden/<lb/>
und nachdem er un&#x017F;er Vaterland und Unfall<lb/><cb/>
ver&#x017F;tanden/ ließ er uns al&#x017F;ofort eine Trachtvoll<lb/>
Spei&#x017F;en/ unter denen ge&#x017F;a&#x0364;uerte Pferde-Milch<lb/>
und gebratenes Cameel-Flei&#x017F;ch die ko&#x0364;&#x017F;tlich&#x017F;ten<lb/>
Geru&#x0364;chte waren/ auftragen. Hierauf tranck<lb/>
er uns dreyen &#x017F;elb&#x017F;t eine Schale Wa&#x017F;&#x017F;er aus dem<lb/>
See Kia zu/ wor aus der Fluß Ganges ent&#x017F;prin-<lb/>
get/ welches alle Gro&#x017F;&#x017F;en bey den Scythen holen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Nach vielen erwie&#x017F;ene&#x0303; Ho&#x0364;fligkeiten &#x017F;agte<lb/>
er uns: Weil der gro&#x017F;&#x017F;e Ko&#x0364;nig der Scythen Hu-<lb/>
han&#x017F;ien gegen die Seren einen ma&#x0364;chtigen Zug<lb/>
fu&#x0364;r ha&#x0364;tte/ zu dem er bey dem Ur&#x017F;prunge des Flu&#x017F;-<lb/>
&#x017F;es Ganges zu &#x017F;to&#x017F;&#x017F;en befehlicht wa&#x0364;re/ mu&#x0364;&#x017F;ten<lb/>
wir zwar nach ihren Reichs-Ge&#x017F;etzen/ welche alle<lb/>
&#x017F;treitbare Frembdlingen in Ko&#x0364;nigs-Dien&#x017F;te no&#x0364;-<lb/>
thiget/ dem Ko&#x0364;niglichen Heerlager folgen; er<lb/>
ver&#x017F;icherte uns aber/ daß der Ko&#x0364;nig/ als ein Lieb-<lb/>
haber der Ausla&#x0364;nder/ uns gna&#x0364;dig empfangen/<lb/>
und ehrlich verhalten werde. Als wir nun aus<lb/>
der Noth eine Tugend machen/ und al&#x017F;o un&#x017F;ere<lb/>
Freywilligkeit dem Zwange vorkommen mu&#x017F;te/<lb/>
ließ er uns etliche &#x017F;cho&#x0364;ne Pferde/ und einen Vor-<lb/>
rath Scythi&#x017F;cher Waffen herzu bringen/ wor-<lb/>
durch wir uns nach eigener Wahl ausru&#x0364;&#x017F;teten.<lb/>
Wir rei&#x017F;eten al&#x017F;o drey Tage harte an dem Ufer<lb/>
des Oxus/ aber weil wir alles Wa&#x017F;&#x017F;er mit uns<lb/>
fu&#x0364;hren mu&#x017F;ten/ nicht ohne gro&#x017F;&#x017F;e Be&#x017F;chwerlig-<lb/>
keit/ und deroge&#x017F;talt bey einem &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;en Stro-<lb/>
me in gro&#x017F;&#x017F;er Armuth des Wa&#x017F;&#x017F;ers. Sintemal<lb/>
das in dem Flu&#x017F;&#x017F;e Oxus &#x017F;o &#x017F;chwer und &#x017F;o tru&#x0364;be/<lb/>
daß man von de&#x017F;&#x017F;en offtere&#x0303; Genu&#x0364;ß gefa&#x0364;hrlich er-<lb/>
krancket. Den vierdten Taglenckten wir uns<lb/>
Nordwerts/ und rei&#x017F;eten u&#x0364;ber eine &#x017F;a&#x0364;ndichte Fla&#x0364;-<lb/>
che/ welche aber durch unzehlich viel aus dem<lb/>
Flu&#x017F;&#x017F;e Oxus abgeleitete Ba&#x0364;che/ die &#x017F;einen be-<lb/>
ru&#x0364;hmten Strom &#x017F;o &#x017F;ehr vermindern/ daß &#x017F;eine<lb/>
ga&#x0364;ntzliche Ver&#x017F;a&#x0364;ndung mit der Zeit zu be&#x017F;orgen/<lb/>
bewa&#x0364;&#x017F;&#x017F;ert/ auch &#x017F;ein &#x017F;on&#x017F;t untrinckbares Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
durch &#x017F;o vielen Sand mercklich gela&#x0364;utert und<lb/>
verbe&#x017F;&#x017F;ert ward. Den &#x017F;iebenden Tag lendeten<lb/>
wir nicht ferne von dem Sogdiani&#x017F;che&#x0303; Steinfels<lb/>
an/ welcher 30. Stadia hoch &#x017F;eyn &#x017F;oll/ und eine<lb/>
unu&#x0364;berwindliche Fe&#x017F;tung auf &#x017F;ich hat/ die Ale-<lb/>
xander durch Verra&#x0364;therey erobert. Wir u&#x0364;ber-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nach-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[591/0647] Arminius und Thußnelda. in der Feſtung Maracande 5. Monat belaͤgert/ mit 300. Reitern zernichtet/ hernach ſich Jndi- ens biß an Ganges gar bemaͤchtiget haͤtte. Wie aber des Encradites Sohn und Reichs-Geferte Zariaſpes die Unterthanen allzu harte gehalten/ waͤren die Sogdianer von ihm abgefallen/ und als Zariaſpes endlich gar ſeinen Vater ermor- det/ uͤber ſeinen blutigen Leib/ gleich als uͤber ei- nen beſiegten Feind mit den Pferden geſpren- get/ und die Leiche zu begraben verboten/ haͤtten die uͤber dem Jaxarthes wohnenden Nomades/ und Mithridates/ der Parther Koͤnig/ das Ba- ctrianiſche Reich unter einander getheilet/ und den unferne von dar fluͤſſenden Oxus zu ihrer Reichs-Graͤntze gemacht. Jtzo beherrſchte dis Land der groſſe Koͤnig der ſaͤm̃tlichen Scythen/ deſſen Gebiete ſich von dem Fluſſe Rha biß an das Reich des Koͤnigs Sophites/ welcher ſich dem groſſen Alexander ohne Schwerdt-Streich un- terworffen/ erſtreckete. Hierauf deutete uns der anſehlichſte unter dieſen Scythen an/ daß wir ih- nen zu ihrem von dar nicht weit entfernten Fuͤr- ſten folgen muͤſten; wordurch die mit uns ge- ſtrandetẽ Gefaͤrthen nicht wenig erſchrecket wur- den. Dieſes nahm vorerwehnter Scythe wahr; daher redete er uns aufs freundlichſte zu: Wir moͤchten kuͤhnlich alle Furcht und Verdacht ſin- cken laſſen. Sie wuͤſten gar wohl/ daß einige Auslaͤnder ſie nur fuͤr Halb-Menſchen hielten/ welche alle Frembdlinge ſchlachteten/ ſich mit ih- rem geroͤſteten Fleiſche ſpeiſeten/ und aus ihren Hirnſchaͤlen traͤncken. Alleine die Erfahrung wuͤrde ihnen die Scythen nicht nur als vollkom- mene Menſchen/ ſondern auch als die gerechteſtẽ unter allen Sterblichen fuͤrbilden. Jnſonderheit ſolten ſie nicht glaͤuben/ daß man daſelbſt wider ſie grauſamer/ als die ihrer verſchonende wilde Wellen ſeyn wuͤrde. Wir kamen nach ein paar Stunden an den beruͤhmten Strom Oxus/ an deſſen Ufer der Koͤnigliche Stadthalter uͤber Sogdiana ſein Zelt aufgeſchlagen hatte. Dieſer bewillkom̃te uns mit freundlichen Geberden/ und nachdem er unſer Vaterland und Unfall verſtanden/ ließ er uns alſofort eine Trachtvoll Speiſen/ unter denen geſaͤuerte Pferde-Milch und gebratenes Cameel-Fleiſch die koͤſtlichſten Geruͤchte waren/ auftragen. Hierauf tranck er uns dreyen ſelbſt eine Schale Waſſer aus dem See Kia zu/ wor aus der Fluß Ganges entſprin- get/ welches alle Groſſen bey den Scythen holen laſſen. Nach vielen erwieſenẽ Hoͤfligkeiten ſagte er uns: Weil der groſſe Koͤnig der Scythen Hu- hanſien gegen die Seren einen maͤchtigen Zug fuͤr haͤtte/ zu dem er bey dem Urſprunge des Fluſ- ſes Ganges zu ſtoſſen befehlicht waͤre/ muͤſten wir zwar nach ihren Reichs-Geſetzen/ welche alle ſtreitbare Frembdlingen in Koͤnigs-Dienſte noͤ- thiget/ dem Koͤniglichen Heerlager folgen; er verſicherte uns aber/ daß der Koͤnig/ als ein Lieb- haber der Auslaͤnder/ uns gnaͤdig empfangen/ und ehrlich verhalten werde. Als wir nun aus der Noth eine Tugend machen/ und alſo unſere Freywilligkeit dem Zwange vorkommen muſte/ ließ er uns etliche ſchoͤne Pferde/ und einen Vor- rath Scythiſcher Waffen herzu bringen/ wor- durch wir uns nach eigener Wahl ausruͤſteten. Wir reiſeten alſo drey Tage harte an dem Ufer des Oxus/ aber weil wir alles Waſſer mit uns fuͤhren muſten/ nicht ohne groſſe Beſchwerlig- keit/ und derogeſtalt bey einem ſo groſſen Stro- me in groſſer Armuth des Waſſers. Sintemal das in dem Fluſſe Oxus ſo ſchwer und ſo truͤbe/ daß man von deſſen offterẽ Genuͤß gefaͤhrlich er- krancket. Den vierdten Taglenckten wir uns Nordwerts/ und reiſeten uͤber eine ſaͤndichte Flaͤ- che/ welche aber durch unzehlich viel aus dem Fluſſe Oxus abgeleitete Baͤche/ die ſeinen be- ruͤhmten Strom ſo ſehr vermindern/ daß ſeine gaͤntzliche Verſaͤndung mit der Zeit zu beſorgen/ bewaͤſſert/ auch ſein ſonſt untrinckbares Waſſer durch ſo vielen Sand mercklich gelaͤutert und verbeſſert ward. Den ſiebenden Tag lendeten wir nicht ferne von dem Sogdianiſchẽ Steinfels an/ welcher 30. Stadia hoch ſeyn ſoll/ und eine unuͤberwindliche Feſtung auf ſich hat/ die Ale- xander durch Verraͤtherey erobert. Wir uͤber- nach-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/647
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 591. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/647>, abgerufen am 26.06.2024.