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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] Hauffen zu werffen angezielet; der lasterhafften
Seelen künfftige Angst aber durch ihre Sterb-
ligkeit angedeutet hat. Massen denn auch ei-
nige seiner Feinde gestehen/ daß er nicht so wohl
die Versehung Gottes/ als daß das ewige/ un-
sterbliche und allergütigste Wesen einiger
Schwachheit der Sorgfalt unterworffen sey/
geleugnet habe. Ja alle dieselben/ welche seine
vielleicht unrecht-verstandene Lehren verdam-
met/ oder seine drey hundert selbst gemachte und
nir gends ausgeschriebene Bücher vielleicht nie
gar/ und mit Bedacht gelesen haben/ seine tu-
gendhaffte und mäßige Lebens-Art aller andern
Weltweisen Wandel für gezogen. Denn E-
picurus hat zwar die Wollust auf den Königs-
Stul des höchsten Gutes erhoben/ nicht aber die
üppige und schlammichte/ sondern die ruhige/
welche aus dem Besitzthum der Tugend und in-
sonderheit aus der süssen Erinnerung dessen/
was man voriger Zeit gutes gethan hat/ ent-
springet; also auch zwischen Fesseln und Folter-
banck ihre unabtrennliche Gefährtin ist. Die-
se Wollust ist sicher nichts anders/ als die Beru-
higung des Gemüthes/ und die Freude eines
guten Gewissens. Wenn es hagelt und stür-
met/ wenn der Himmel einbricht/ und der Erd-
bodem berstet/ bleibet sodenn das Hertze der Un-
schuld unbeweglich/ und ein tugendhafftes Le-
ben balsamet in den stinckenden Kerckern die
verfaulte Lufft ein/ welche eine reine Seele durch
den Athem in sich ziehen soll. Dannenhero
verhüllten Geilheit und Schwelgerey nicht al-
lein mit dem Mantel des Epicurus ihre Gifft-
Drüsen/ sondern sie besudelten auch mit ihrem
Unflate seine Reinligkeit. Er selbst verschmä-
hete die weibische Wollust/ welche einige Reue
nach sich ziehen könte/ und sehnte sich nach den
Schmertzen/ der das Gemüthe erleichterte. Er
hielt die Angst in dem glühenden Ochsen des
Phalaris für Süßigkeit/ und das Feuer könte/
seinem Urthel nach/ ihn zur Noth ja wol bren-
nen/ aber nicht überwünden. Es könte ein
[Spaltenumbruch] streitbarer Arm ja wohl in Seide eingehüllet/
und ein unerschrockener mit Sammet bekleidet
seyn. Das Glücke habe keine Herrschafft über
einen Weisen/ weniger Gewalt selbten umzu-
drehen. Dieselben wären nichts minder straf-
bar/ die ihren Tod wünschten/ als die ihn nicht
verlangten. Zumal jenes nothwendig von einem
bösen Leben den Ursprung haben müste. Kurtz
zu sagen: Epicurus wäre die selbstständige
Mäßigkeit/ aber die Verleumdung hätte ihm
ein Huren-Kleid angezogen/ und ihn auff das
Faß des schwelgerischen Bacchus gesetzt. Sei-
nem Urthel nach aber habe Epicurus nicht wei-
ter/ als Zeno/ welcher die rohe Tugend an sich
selbst zum höchsten Gute gemacht/ vom Zwecke
gefehlet/ da doch solches aus beyder/ nehmlich
der Tugend und der daraus erwachsender Wol-
lust Zusammenfügung bestünde. Bey welcher
Bewandnüß er dem Epicur als einem noch nie
Uberwundenen die Ertztene Ehren-Säule
nicht abbrechen helffen könte/ die ihm sein Va-
terland nach dem Tode aufgerichtet hätte.

Zeno fing an: Jch muß von diesen Weltwei-
sen nun wieder nach Chunking zu dem grossen
Könige der Scythen kehren/ für welchem/ nach
reicher Beschenckung der Königin Syrmanis/
eine herrlich ausgeputzte Frau erschien/ und zum
Zeichen/ daß sie das Reich Suchuen abbildete/
dessen Wapen auf ihrem Schilde führte. Jhr
folgten zwölf Jungfrauen/ alle mit entblösten
Brüsten und wie Liebes-Göttinnen mit Rosen-
Kräntzen auf den Häuptern ausgekleidet. Das
Reichthum der an ihnen schimmernden Edel-
gesteine mühte sich zwar der Zuschauer Hertz zu
gewinnen/ aber ihre lebhaffte Schönheit stach
die Pracht der todten Steine weit weg/ und ihre
anmuthige Gebehrdung gab ihnen noch darzu
eine herrliche Folge. Wie sie alle für dem Kö-
nige Huhansien nieder gesuncken/ redete ihre
Führerin den König an: Sie übergäbe ihm
hiermit zwölf Geschöpffe der Natur/ an welchen
der Neid keinen Tadel/ und tausend Augen

nicht

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] Hauffen zu werffen angezielet; der laſterhafften
Seelen kuͤnfftige Angſt aber durch ihre Sterb-
ligkeit angedeutet hat. Maſſen denn auch ei-
nige ſeiner Feinde geſtehen/ daß er nicht ſo wohl
die Verſehung Gottes/ als daß das ewige/ un-
ſterbliche und allerguͤtigſte Weſen einiger
Schwachheit der Sorgfalt unterworffen ſey/
geleugnet habe. Ja alle dieſelben/ welche ſeine
vielleicht unrecht-verſtandene Lehren verdam-
met/ oder ſeine drey hundert ſelbſt gemachte und
nir gends ausgeſchriebene Buͤcher vielleicht nie
gar/ und mit Bedacht geleſen haben/ ſeine tu-
gendhaffte und maͤßige Lebens-Art aller andern
Weltweiſen Wandel fuͤr gezogen. Denn E-
picurus hat zwar die Wolluſt auf den Koͤnigs-
Stul des hoͤchſten Gutes erhoben/ nicht aber die
uͤppige und ſchlammichte/ ſondern die ruhige/
welche aus dem Beſitzthum der Tugend und in-
ſonderheit aus der ſuͤſſen Erinnerung deſſen/
was man voriger Zeit gutes gethan hat/ ent-
ſpringet; alſo auch zwiſchen Feſſeln und Folter-
banck ihre unabtrennliche Gefaͤhrtin iſt. Die-
ſe Wolluſt iſt ſicher nichts anders/ als die Beru-
higung des Gemuͤthes/ und die Freude eines
guten Gewiſſens. Wenn es hagelt und ſtuͤr-
met/ wenn der Himmel einbricht/ und der Erd-
bodem berſtet/ bleibet ſodenn das Hertze der Un-
ſchuld unbeweglich/ und ein tugendhafftes Le-
ben balſamet in den ſtinckenden Kerckern die
verfaulte Lufft ein/ welche eine reine Seele durch
den Athem in ſich ziehen ſoll. Dannenhero
verhuͤllten Geilheit und Schwelgerey nicht al-
lein mit dem Mantel des Epicurus ihre Gifft-
Druͤſen/ ſondern ſie beſudelten auch mit ihrem
Unflate ſeine Reinligkeit. Er ſelbſt verſchmaͤ-
hete die weibiſche Wolluſt/ welche einige Reue
nach ſich ziehen koͤnte/ und ſehnte ſich nach den
Schmertzen/ deꝛ das Gemuͤthe erleichterte. Er
hielt die Angſt in dem gluͤhenden Ochſen des
Phalaris fuͤr Suͤßigkeit/ und das Feuer koͤnte/
ſeinem Urthel nach/ ihn zur Noth ja wol bren-
nen/ aber nicht uͤberwuͤnden. Es koͤnte ein
[Spaltenumbruch] ſtreitbarer Arm ja wohl in Seide eingehuͤllet/
und ein unerſchrockener mit Sammet bekleidet
ſeyn. Das Gluͤcke habe keine Herrſchafft uͤber
einen Weiſen/ weniger Gewalt ſelbten umzu-
drehen. Dieſelben waͤren nichts minder ſtraf-
bar/ die ihren Tod wuͤnſchten/ als die ihn nicht
verlangten. Zumal jenes nothwendig von einem
boͤſen Leben den Urſprung haben muͤſte. Kurtz
zu ſagen: Epicurus waͤre die ſelbſtſtaͤndige
Maͤßigkeit/ aber die Verleumdung haͤtte ihm
ein Huren-Kleid angezogen/ und ihn auff das
Faß des ſchwelgeriſchen Bacchus geſetzt. Sei-
nem Urthel nach aber habe Epicurus nicht wei-
ter/ als Zeno/ welcher die rohe Tugend an ſich
ſelbſt zum hoͤchſten Gute gemacht/ vom Zwecke
gefehlet/ da doch ſolches aus beyder/ nehmlich
der Tugend und der daraus erwachſender Wol-
luſt Zuſammenfuͤgung beſtuͤnde. Bey welcher
Bewandnuͤß er dem Epicur als einem noch nie
Uberwundenen die Ertztene Ehren-Saͤule
nicht abbrechen helffen koͤnte/ die ihm ſein Va-
terland nach dem Tode aufgerichtet haͤtte.

Zeno fing an: Jch muß von dieſen Weltwei-
ſen nun wieder nach Chunking zu dem groſſen
Koͤnige der Scythen kehren/ fuͤr welchem/ nach
reicher Beſchenckung der Koͤnigin Syrmanis/
eine herrlich ausgeputzte Frau erſchien/ und zum
Zeichen/ daß ſie das Reich Suchuen abbildete/
deſſen Wapen auf ihrem Schilde fuͤhrte. Jhr
folgten zwoͤlf Jungfrauen/ alle mit entbloͤſten
Bruͤſten und wie Liebes-Goͤttinnen mit Roſen-
Kraͤntzen auf den Haͤuptern ausgekleidet. Das
Reichthum der an ihnen ſchimmernden Edel-
geſteine muͤhte ſich zwar der Zuſchauer Hertz zu
gewinnen/ aber ihre lebhaffte Schoͤnheit ſtach
die Pracht der todten Steine weit weg/ und ihre
anmuthige Gebehrdung gab ihnen noch darzu
eine herrliche Folge. Wie ſie alle fuͤr dem Koͤ-
nige Huhanſien nieder geſuncken/ redete ihre
Fuͤhrerin den Koͤnig an: Sie uͤbergaͤbe ihm
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[618/0674] Fuͤnfftes Buch Hauffen zu werffen angezielet; der laſterhafften Seelen kuͤnfftige Angſt aber durch ihre Sterb- ligkeit angedeutet hat. Maſſen denn auch ei- nige ſeiner Feinde geſtehen/ daß er nicht ſo wohl die Verſehung Gottes/ als daß das ewige/ un- ſterbliche und allerguͤtigſte Weſen einiger Schwachheit der Sorgfalt unterworffen ſey/ geleugnet habe. Ja alle dieſelben/ welche ſeine vielleicht unrecht-verſtandene Lehren verdam- met/ oder ſeine drey hundert ſelbſt gemachte und nir gends ausgeſchriebene Buͤcher vielleicht nie gar/ und mit Bedacht geleſen haben/ ſeine tu- gendhaffte und maͤßige Lebens-Art aller andern Weltweiſen Wandel fuͤr gezogen. Denn E- picurus hat zwar die Wolluſt auf den Koͤnigs- Stul des hoͤchſten Gutes erhoben/ nicht aber die uͤppige und ſchlammichte/ ſondern die ruhige/ welche aus dem Beſitzthum der Tugend und in- ſonderheit aus der ſuͤſſen Erinnerung deſſen/ was man voriger Zeit gutes gethan hat/ ent- ſpringet; alſo auch zwiſchen Feſſeln und Folter- banck ihre unabtrennliche Gefaͤhrtin iſt. Die- ſe Wolluſt iſt ſicher nichts anders/ als die Beru- higung des Gemuͤthes/ und die Freude eines guten Gewiſſens. Wenn es hagelt und ſtuͤr- met/ wenn der Himmel einbricht/ und der Erd- bodem berſtet/ bleibet ſodenn das Hertze der Un- ſchuld unbeweglich/ und ein tugendhafftes Le- ben balſamet in den ſtinckenden Kerckern die verfaulte Lufft ein/ welche eine reine Seele durch den Athem in ſich ziehen ſoll. Dannenhero verhuͤllten Geilheit und Schwelgerey nicht al- lein mit dem Mantel des Epicurus ihre Gifft- Druͤſen/ ſondern ſie beſudelten auch mit ihrem Unflate ſeine Reinligkeit. Er ſelbſt verſchmaͤ- hete die weibiſche Wolluſt/ welche einige Reue nach ſich ziehen koͤnte/ und ſehnte ſich nach den Schmertzen/ deꝛ das Gemuͤthe erleichterte. Er hielt die Angſt in dem gluͤhenden Ochſen des Phalaris fuͤr Suͤßigkeit/ und das Feuer koͤnte/ ſeinem Urthel nach/ ihn zur Noth ja wol bren- nen/ aber nicht uͤberwuͤnden. Es koͤnte ein ſtreitbarer Arm ja wohl in Seide eingehuͤllet/ und ein unerſchrockener mit Sammet bekleidet ſeyn. Das Gluͤcke habe keine Herrſchafft uͤber einen Weiſen/ weniger Gewalt ſelbten umzu- drehen. Dieſelben waͤren nichts minder ſtraf- bar/ die ihren Tod wuͤnſchten/ als die ihn nicht verlangten. Zumal jenes nothwendig von einem boͤſen Leben den Urſprung haben muͤſte. Kurtz zu ſagen: Epicurus waͤre die ſelbſtſtaͤndige Maͤßigkeit/ aber die Verleumdung haͤtte ihm ein Huren-Kleid angezogen/ und ihn auff das Faß des ſchwelgeriſchen Bacchus geſetzt. Sei- nem Urthel nach aber habe Epicurus nicht wei- ter/ als Zeno/ welcher die rohe Tugend an ſich ſelbſt zum hoͤchſten Gute gemacht/ vom Zwecke gefehlet/ da doch ſolches aus beyder/ nehmlich der Tugend und der daraus erwachſender Wol- luſt Zuſammenfuͤgung beſtuͤnde. Bey welcher Bewandnuͤß er dem Epicur als einem noch nie Uberwundenen die Ertztene Ehren-Saͤule nicht abbrechen helffen koͤnte/ die ihm ſein Va- terland nach dem Tode aufgerichtet haͤtte. Zeno fing an: Jch muß von dieſen Weltwei- ſen nun wieder nach Chunking zu dem groſſen Koͤnige der Scythen kehren/ fuͤr welchem/ nach reicher Beſchenckung der Koͤnigin Syrmanis/ eine herrlich ausgeputzte Frau erſchien/ und zum Zeichen/ daß ſie das Reich Suchuen abbildete/ deſſen Wapen auf ihrem Schilde fuͤhrte. Jhr folgten zwoͤlf Jungfrauen/ alle mit entbloͤſten Bruͤſten und wie Liebes-Goͤttinnen mit Roſen- Kraͤntzen auf den Haͤuptern ausgekleidet. Das Reichthum der an ihnen ſchimmernden Edel- geſteine muͤhte ſich zwar der Zuſchauer Hertz zu gewinnen/ aber ihre lebhaffte Schoͤnheit ſtach die Pracht der todten Steine weit weg/ und ihre anmuthige Gebehrdung gab ihnen noch darzu eine herrliche Folge. Wie ſie alle fuͤr dem Koͤ- nige Huhanſien nieder geſuncken/ redete ihre Fuͤhrerin den Koͤnig an: Sie uͤbergaͤbe ihm hiermit zwoͤlf Geſchoͤpffe der Natur/ an welchen der Neid keinen Tadel/ und tauſend Augen nicht

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/674>, abgerufen am 22.11.2024.