Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
die kärgsten; sintemal sie das Lob der Tugenddem Gelde gleich achten/ dessen man so viel we- niger behält/ als man davon ausgiebt. Weil über diesem Ehren-Maale gearbeitet ward/ sagte Zeno/ verfolgte der König Huhansien mit dem grösten Theile seines Heeres den Feind/ machte auch seinem zeither durch tapfere Gegen- wehr der Serer an dem Saffran-Flusse aufge- haltenen Unter-Könige in Tibet Lufft/ daß er mit seinen 200000. Mann über solchen Strom setzen konte. Jnzwischen befahl mir der König mit 100000. Mann mein Heil gegen dem Königli- chen Sitze und der überaus grossen Haupt- Stadt Sigan zu versuchen. Wiewohl ich nun nicht wuste/ ob diß aus grossem Vertrauen/ oder wegen scheinbarer Unmögligkeit mich ins Verderben zu stürtzen geschahe/ indem der Weg von Hanchung dahin von des Königs Lieupang welt - berühmtem Feldherrn Changleang mit vieler 100000. Menschen unglaublicher Arbeit durch die Himmel-hohen Stein-Klüffte gehau- en worden/ welche nah auf beyden Seiten die zwölf Ellenbogen weite Strasse derogestalt ver- düstern/ daß die Sonne niemals darein scheinen kan. Uber diß besteht das dritte Theil dieser 30. deutscher Meilen langen Strasse an wun- derwürdigen Brücken/ welche über so hohe Thä- ler/ daß einem hinunter zu schauen grauset/ von einem Berge zum andern gebaut/ und von hohen Pfeilern unterstützt/ auf der Seiten aber mit 7. fast unüberwindlichen Festungen ver- wahret sind. Der Mangel einiger Beywege nöthigte mich diesen Pfad auf des Königs Be- fehl/ welche ausser Augen zu setzen keine Todes- Gefahr erlaubet/ inne zu halten. Jch fand aber den ersten Tag alsbald zwar eine Festung verlassen/ aber die Brücke abgeworffen; also/ daß die Scythen mich fragten: Ob ich ihnen Flügel geben könte über diesen Abgrund sich zu schwingen? Nichts desto weniger sprach ich ihnen ein Hertz ein/ stellte ihnen für Augen: Wie die Scythen ohne unausleschliche Schande nicht [Spaltenumbruch] für unmöglich halten könten/ was die Serer vermocht hätten vorzuthun. Also legte alles/ was sich nur regen konte/ Hand ans Werck/ die Pfeiler zu ergäntzen/ die abgeworffenen Dielen empor zu ziehen/ und hiermit ward zu meiner selbst eigenen Verwunderung eine Brücke ei- ner Meile lang ergäntzet. Noch schleuniger ward ich mit der andern nicht viel kleinern Brü- cke fertig/ weil die Scythen schon die Handgrieffe etwas besser gelernt/ auch aus der Stadt Han- chung viel Bauzeug und Werckleute herzu ge- schleppt hatten. Zu der drittern kamen wir als die flüchtigen Serer/ die sich hier sicherer als in der Schoß ihrer Schutz-Götter schätzten/ selbte abzubrechen allererst den Anfang mach- ten/ und ich mich also derselben und etlicher tausend Serer bemächtigte. Diesen ließ ich alsofort ihre Kleider aus- und den Scythen anziehen/ mit welchen ich die vierdte Brücke und die darbey besetzte Festung durch Krieges-List/ indem sie ihnen von keinem Feinde träumen/ die halb-bewachten Pforten auch unverschlossen liessen/ eroberte/ und in selbter des Unter-Königs in Sigan Sohn/ als obersten Befehlhaber/ ge- fangen bekam. Zwey folgende Schlösser und Brücken fanden wir gantz unbesetzt; bey deräuser- sten und grösten aber kam unser Glück ins ste- cken; denn da war nicht allein die überaus lan- ge Brücke abgebrochen/ sondern auch in das Thal wie in den höllischen Abgrund nicht ohne Grausen zu schauen/ und die gegen über liegen- de Festung mit viel tausend Serern verwahret. Weil ich nun die Unmögligkeit geraden We- ges aus diesem Gedränge zu kommen für Au- gen sahe; ließ ich einen Preiß von 10. Talent Silbers ausruffen/ wenn iemand einen Sei- ten-Weg ausspüren würde. Dieser Lohn ge- wan alsbald einen gewinnsüchtigen Serer/ welcher meinem Volcke und hiermit auch mir einen Fuß-Steig gegen der Stadt Linchang über den Berg Limon weisete/ darauf ich selbst mit Verwunderung einen Brunn fand/ der wie K k k k 2
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
die kaͤrgſten; ſintemal ſie das Lob der Tugenddem Gelde gleich achten/ deſſen man ſo viel we- niger behaͤlt/ als man davon ausgiebt. Weil uͤber dieſem Ehren-Maale gearbeitet ward/ ſagte Zeno/ verfolgte der Koͤnig Huhanſien mit dem groͤſten Theile ſeines Heeres den Feind/ machte auch ſeinem zeither durch tapfere Gegen- wehr der Serer an dem Saffran-Fluſſe aufge- haltenen Unter-Koͤnige in Tibet Lufft/ daß er mit ſeinen 200000. Mann uͤber ſolchen Strom ſetzen konte. Jnzwiſchẽ befahl mir der Koͤnig mit 100000. Mann mein Heil gegen dem Koͤnigli- chen Sitze und der uͤberaus groſſen Haupt- Stadt Sigan zu verſuchen. Wiewohl ich nun nicht wuſte/ ob diß aus groſſem Vertrauen/ oder wegen ſcheinbarer Unmoͤgligkeit mich ins Verderben zu ſtuͤrtzen geſchahe/ indem der Weg von Hanchung dahin von des Koͤnigs Lieupang welt - beruͤhmtem Feldherrn Changleang mit vieler 100000. Menſchen unglaublicher Arbeit durch die Himmel-hohen Stein-Kluͤffte gehau- en worden/ welche nah auf beyden Seiten die zwoͤlf Ellenbogen weite Straſſe derogeſtalt ver- duͤſtern/ daß die Sonne niemals darein ſcheinen kan. Uber diß beſteht das dritte Theil dieſer 30. deutſcher Meilen langen Straſſe an wun- derwuͤrdigen Bruͤcken/ welche uͤber ſo hohe Thaͤ- ler/ daß einem hinunter zu ſchauen grauſet/ von einem Berge zum andern gebaut/ und von hohen Pfeilern unterſtuͤtzt/ auf der Seiten aber mit 7. faſt unuͤberwindlichen Feſtungen ver- wahret ſind. Der Mangel einiger Beywege noͤthigte mich dieſen Pfad auf des Koͤnigs Be- fehl/ welche auſſer Augen zu ſetzen keine Todes- Gefahr erlaubet/ inne zu halten. Jch fand aber den erſten Tag alsbald zwar eine Feſtung verlaſſen/ aber die Bruͤcke abgeworffen; alſo/ daß die Scythen mich fragten: Ob ich ihnen Fluͤgel geben koͤnte uͤber dieſen Abgrund ſich zu ſchwingen? Nichts deſto weniger ſprach ich ihnẽ ein Hertz ein/ ſtellte ihnen fuͤr Augen: Wie die Scythen ohne unausleſchliche Schande nicht [Spaltenumbruch] fuͤr unmoͤglich halten koͤnten/ was die Serer vermocht haͤtten vorzuthun. Alſo legte alles/ was ſich nur regen konte/ Hand ans Werck/ die Pfeiler zu ergaͤntzen/ die abgeworffenen Dielen empor zu ziehen/ und hiermit ward zu meiner ſelbſt eigenen Verwunderung eine Bruͤcke ei- ner Meile lang ergaͤntzet. Noch ſchleuniger ward ich mit der andern nicht viel kleinern Bruͤ- cke fertig/ weil die Scythen ſchon die Handgrieffe etwas beſſer gelernt/ auch aus der Stadt Han- chung viel Bauzeug und Werckleute herzu ge- ſchleppt hatten. Zu der drittern kamen wir als die fluͤchtigen Serer/ die ſich hier ſicherer als in der Schoß ihrer Schutz-Goͤtter ſchaͤtzten/ ſelbte abzubrechen allererſt den Anfang mach- ten/ und ich mich alſo derſelben und etlicher tauſend Serer bemaͤchtigte. Dieſen ließ ich alſofort ihre Kleider aus- und den Scythen anziehen/ mit welchen ich die vierdte Bruͤcke und die darbey beſetzte Feſtung durch Krieges-Liſt/ indem ſie ihnen von keinem Feinde traͤumen/ die halb-bewachten Pforten auch unverſchloſſen lieſſen/ eroberte/ und in ſelbter des Unter-Koͤnigs in Sigan Sohn/ als oberſten Befehlhaber/ ge- fangen bekam. Zwey folgende Schloͤſſer und Bruͤckẽ fanden wir gantz unbeſetzt; bey deraͤuſer- ſten und groͤſten aber kam unſer Gluͤck ins ſte- cken; denn da war nicht allein die uͤberaus lan- ge Bruͤcke abgebrochen/ ſondern auch in das Thal wie in den hoͤlliſchen Abgrund nicht ohne Grauſen zu ſchauen/ und die gegen uͤber liegen- de Feſtung mit viel tauſend Serern verwahret. Weil ich nun die Unmoͤgligkeit geraden We- ges aus dieſem Gedraͤnge zu kommen fuͤr Au- gen ſahe; ließ ich einen Preiß von 10. Talent Silbers ausruffen/ wenn iemand einen Sei- ten-Weg ausſpuͤren wuͤrde. Dieſer Lohn ge- wan alsbald einen gewinnſuͤchtigen Serer/ welcher meinem Volcke und hiermit auch mir einen Fuß-Steig gegen der Stadt Linchang uͤber den Berg Limon weiſete/ darauf ich ſelbſt mit Verwunderung einen Brunn fand/ der wie K k k k 2
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Arminius und Thußnelda.
die kaͤrgſten; ſintemal ſie das Lob der Tugend
dem Gelde gleich achten/ deſſen man ſo viel we-
niger behaͤlt/ als man davon ausgiebt. Weil
uͤber dieſem Ehren-Maale gearbeitet ward/
ſagte Zeno/ verfolgte der Koͤnig Huhanſien mit
dem groͤſten Theile ſeines Heeres den Feind/
machte auch ſeinem zeither durch tapfere Gegen-
wehr der Serer an dem Saffran-Fluſſe aufge-
haltenen Unter-Koͤnige in Tibet Lufft/ daß er
mit ſeinen 200000. Mann uͤber ſolchen Strom
ſetzen konte. Jnzwiſchẽ befahl mir der Koͤnig mit
100000. Mann mein Heil gegen dem Koͤnigli-
chen Sitze und der uͤberaus groſſen Haupt-
Stadt Sigan zu verſuchen. Wiewohl ich nun
nicht wuſte/ ob diß aus groſſem Vertrauen/
oder wegen ſcheinbarer Unmoͤgligkeit mich ins
Verderben zu ſtuͤrtzen geſchahe/ indem der Weg
von Hanchung dahin von des Koͤnigs Lieupang
welt - beruͤhmtem Feldherrn Changleang mit
vieler 100000. Menſchen unglaublicher Arbeit
durch die Himmel-hohen Stein-Kluͤffte gehau-
en worden/ welche nah auf beyden Seiten die
zwoͤlf Ellenbogen weite Straſſe derogeſtalt ver-
duͤſtern/ daß die Sonne niemals darein ſcheinen
kan. Uber diß beſteht das dritte Theil dieſer
30. deutſcher Meilen langen Straſſe an wun-
derwuͤrdigen Bruͤcken/ welche uͤber ſo hohe Thaͤ-
ler/ daß einem hinunter zu ſchauen grauſet/ von
einem Berge zum andern gebaut/ und von
hohen Pfeilern unterſtuͤtzt/ auf der Seiten aber
mit 7. faſt unuͤberwindlichen Feſtungen ver-
wahret ſind. Der Mangel einiger Beywege
noͤthigte mich dieſen Pfad auf des Koͤnigs Be-
fehl/ welche auſſer Augen zu ſetzen keine Todes-
Gefahr erlaubet/ inne zu halten. Jch fand
aber den erſten Tag alsbald zwar eine Feſtung
verlaſſen/ aber die Bruͤcke abgeworffen; alſo/
daß die Scythen mich fragten: Ob ich ihnen
Fluͤgel geben koͤnte uͤber dieſen Abgrund ſich zu
ſchwingen? Nichts deſto weniger ſprach ich ihnẽ
ein Hertz ein/ ſtellte ihnen fuͤr Augen: Wie die
Scythen ohne unausleſchliche Schande nicht
fuͤr unmoͤglich halten koͤnten/ was die Serer
vermocht haͤtten vorzuthun. Alſo legte alles/
was ſich nur regen konte/ Hand ans Werck/ die
Pfeiler zu ergaͤntzen/ die abgeworffenen Dielen
empor zu ziehen/ und hiermit ward zu meiner
ſelbſt eigenen Verwunderung eine Bruͤcke ei-
ner Meile lang ergaͤntzet. Noch ſchleuniger
ward ich mit der andern nicht viel kleinern Bruͤ-
cke fertig/ weil die Scythen ſchon die Handgrieffe
etwas beſſer gelernt/ auch aus der Stadt Han-
chung viel Bauzeug und Werckleute herzu ge-
ſchleppt hatten. Zu der drittern kamen wir
als die fluͤchtigen Serer/ die ſich hier ſicherer als
in der Schoß ihrer Schutz-Goͤtter ſchaͤtzten/
ſelbte abzubrechen allererſt den Anfang mach-
ten/ und ich mich alſo derſelben und etlicher
tauſend Serer bemaͤchtigte. Dieſen ließ ich
alſofort ihre Kleider aus- und den Scythen
anziehen/ mit welchen ich die vierdte Bruͤcke und
die darbey beſetzte Feſtung durch Krieges-Liſt/
indem ſie ihnen von keinem Feinde traͤumen/ die
halb-bewachten Pforten auch unverſchloſſen
lieſſen/ eroberte/ und in ſelbter des Unter-Koͤnigs
in Sigan Sohn/ als oberſten Befehlhaber/ ge-
fangen bekam. Zwey folgende Schloͤſſer und
Bruͤckẽ fanden wir gantz unbeſetzt; bey deraͤuſer-
ſten und groͤſten aber kam unſer Gluͤck ins ſte-
cken; denn da war nicht allein die uͤberaus lan-
ge Bruͤcke abgebrochen/ ſondern auch in das
Thal wie in den hoͤlliſchen Abgrund nicht ohne
Grauſen zu ſchauen/ und die gegen uͤber liegen-
de Feſtung mit viel tauſend Serern verwahret.
Weil ich nun die Unmoͤgligkeit geraden We-
ges aus dieſem Gedraͤnge zu kommen fuͤr Au-
gen ſahe; ließ ich einen Preiß von 10. Talent
Silbers ausruffen/ wenn iemand einen Sei-
ten-Weg ausſpuͤren wuͤrde. Dieſer Lohn ge-
wan alsbald einen gewinnſuͤchtigen Serer/
welcher meinem Volcke und hiermit auch mir
einen Fuß-Steig gegen der Stadt Linchang
uͤber den Berg Limon weiſete/ darauf ich ſelbſt
mit Verwunderung einen Brunn fand/ der
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/683>, abgerufen am 29.06.2024. |