Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] che zur Feindschafft hätte/ solte man der Sache/
nicht der Person feind werden. Derenthal-
ben hätte er iederzeit dem Marcus Brutus in
dieser letzten Zeit den ersten Platz unter den
Römern ein geräumt/ weil er nicht als ein zu hi-
tziger Sohn sich auff die Seite des Julius/ son-
dern als ein treuer Bürger zu dem für die Frey-
heit streitenden Pompejus gesch lagen; ungeach-
tet dieser des Brutus Vater auffgerieben hät-
te; ja auch des Julius Wohlthaten sich hernach
nicht verblenden und abhalten ließ/ für die ge-
meine Freyheit seinem Wohlthäter den Dolch
ins Hertze zu stossen; Wodurch er sich zu einem
zweyfach danckbaren Sohne des gemeinen
Wesens gemacht hätte. Derogestalt wäre
numehro allein die Frage/ wie diß Werck/ wel-
ches er für wichtiger als schwerer hielte/ vor-
sichtig zu vollziehen wäre? Denn ein frommer
Fürst wäre zwar leicht anzugreiffen/ aber ge-
fährlicher zu erlegen; weil er todt am meisten
geliebt w[ü]rde. Hingegen wäre ein böser Herr-
scher zwar schwer anzutasten/ aber sonder Ge-
fahr zu stürtzen. Sintemahl ihn nach seinem
Tode auch seine eigene Schooß Kinder verdamm-
ten; womit sie nicht für so böse als ihr verlohr-
ner Rückenhalter möchten geachtet werden.
Solchem nach wäre seine Meinung: der glück-
liche Ausschlag hange von Fortsetzung eines ge-
schwinden Uberfalls/ und von Anführung ei-
nes erfahrnen Feldherrn. Langsamkeit sey
der Kern in zweiffelhafften Rathschlägen/ Ge-
schwindigkeit aber in der Bewerckstelligung
eines Schlusses. Uberdiß würden Auffleh-
nungen wider einen Unterdrücker gefährlicher
berathschlagt als ausgeübt. Wo es auch ums
gemeine Heyl zu thun wäre/ müste niemand
sich eigne Vermessenheit oder Ehrgeitz auff-
blehen lassen und zu Zwytracht Anlaß geben.
Denn seine Leibs-Stärcke/ seine Gemüths-
Kräfften und Erfahrung nur seinem eigenen
Ehrgeitze wiedmen/ wäre viehisch oder teuffe-
lisch; selbte zugleich dem gemeinen Wesen zum
[Spaltenumbruch] besten anwenden/ stünde Menschen zu; seinen
eigenen Vortheil aber gar davon abziehen/
schiene so gar etwas göttliches zu seyn. Die
sem nach wolte er den gerne für den hertzhaffte
sten halten/ und die Oberstelle demselben ohn
Widerrede einräumen/ welcher am ersten durch
den Wall des Römischen Lägers einbrechen
würde. Jnzwischen erkläre er sich/ daß er un-
ter dem Cheruskischen Hertzoge/ welcher die
Römische Kriegs-Art von Grund aus gefasset/
als er unter ihnen selbst einen Heerführer abge-
geben/ seine Catten willigst in Schlacht-Ord-
nung stellen wolle. Das Glücke sey eine Buh-
lerin junger Helden. Sein Geschlechte/ sei-
ne Tugend/ sein Eyfer für das gemeine Wesen/
und daß er der Urheber dieses heiligen Bünd-
nißes sey/ eigne ihm das Vorrecht zu/ und er-
kläre ihn zu ihrem obersten Feld-Herrn. Er a-
ber wolte durch sein Beyspiel lehren: daß ob
wohl viel fähig wären/ einem ein Oberhaupt
fürzusetzen/ gleichwohl es selbst nicht über sich
leiden könten; dennoch ihm und der deutschen
Freyheit nicht zu wider lieffe/ einem Beschirmer
des Landes zu folgen/ den man gleich selbst ans
Bret gehoben hätte.

Aller Anwesenden Angesichter schienen dem
Arpus Beyfall zu geben/ als Segesthes ihm
einfiel: Es wäre freylich wol zu wüntschen
Deutschland in völlige Freyheit/ das Volck in
Sicherheit/ sich in mehr Ansehen zu setzen; al-
lein es hätten die Deutschen die Römer wider
sich selbst/ durch unaufhörliche Einfälle in Gal-
lien/ gereitzet. Hätte Ariovist sich mit denen
gewonnenen Sequanern vergnügt/ die Heduer
und alle Gallier ihm nicht wollen unterthänig
machen/ dem Julius nicht spöttische Antwort
zugeboten/ so hätten die Römer so wenig/ als
vorher/ auf Deutschland ein Auge gehabt. Was
hätte Aembrich nicht den Römern für Hän-
del gemacht/ und für Schaden zugefügt? daß
August den Vinicius mit einem Kriegs-Heere
in Deutschland geschickt/ hätten die Catten erho-

let/
C 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] che zur Feindſchafft haͤtte/ ſolte man der Sache/
nicht der Perſon feind werden. Derenthal-
ben haͤtte er iederzeit dem Marcus Brutus in
dieſer letzten Zeit den erſten Platz unter den
Roͤmern ein geraͤumt/ weil er nicht als ein zu hi-
tziger Sohn ſich auff die Seite des Julius/ ſon-
dern als ein treuer Buͤrger zu dem fuͤr die Frey-
heit ſtreitenden Pompejus geſch lagen; ungeach-
tet dieſer des Brutus Vater auffgerieben haͤt-
te; ja auch des Julius Wohlthaten ſich hernach
nicht verblenden und abhalten ließ/ fuͤr die ge-
meine Freyheit ſeinem Wohlthaͤter den Dolch
ins Hertze zu ſtoſſen; Wodurch er ſich zu einem
zweyfach danckbaren Sohne des gemeinen
Weſens gemacht haͤtte. Derogeſtalt waͤre
numehro allein die Frage/ wie diß Werck/ wel-
ches er fuͤr wichtiger als ſchwerer hielte/ vor-
ſichtig zu vollziehen waͤre? Denn ein frommer
Fuͤrſt waͤre zwar leicht anzugreiffen/ aber ge-
faͤhrlicher zu erlegen; weil er todt am meiſten
geliebt w[uͤ]rde. Hingegen waͤre ein boͤſer Herr-
ſcher zwar ſchwer anzutaſten/ aber ſonder Ge-
fahr zu ſtuͤrtzen. Sintemahl ihn nach ſeinem
Tode auch ſeine eigene Schooß Kinder verdam̃-
ten; womit ſie nicht fuͤr ſo boͤſe als ihr verlohr-
ner Ruͤckenhalter moͤchten geachtet werden.
Solchem nach waͤre ſeine Meinung: der gluͤck-
liche Ausſchlag hange von Fortſetzung eines ge-
ſchwinden Uberfalls/ und von Anfuͤhrung ei-
nes erfahrnen Feldherrn. Langſamkeit ſey
der Kern in zweiffelhafften Rathſchlaͤgen/ Ge-
ſchwindigkeit aber in der Bewerckſtelligung
eines Schluſſes. Uberdiß wuͤrden Auffleh-
nungen wider einen Unterdruͤcker gefaͤhrlicher
berathſchlagt als ausgeuͤbt. Wo es auch ums
gemeine Heyl zu thun waͤre/ muͤſte niemand
ſich eigne Vermeſſenheit oder Ehrgeitz auff-
blehen laſſen und zu Zwytracht Anlaß geben.
Denn ſeine Leibs-Staͤrcke/ ſeine Gemuͤths-
Kraͤfften und Erfahrung nur ſeinem eigenen
Ehrgeitze wiedmen/ waͤre viehiſch oder teuffe-
liſch; ſelbte zugleich dem gemeinen Weſen zum
[Spaltenumbruch] beſten anwenden/ ſtuͤnde Menſchen zu; ſeinen
eigenen Vortheil aber gar davon abziehen/
ſchiene ſo gar etwas goͤttliches zu ſeyn. Die
ſem nach wolte er den gerne fuͤr den hertzhaffte
ſten halten/ und die Oberſtelle demſelben ohn
Widerrede einraͤumen/ welcher am erſten durch
den Wall des Roͤmiſchen Laͤgers einbrechen
wuͤrde. Jnzwiſchen erklaͤre er ſich/ daß er un-
ter dem Cheruskiſchen Hertzoge/ welcher die
Roͤmiſche Kriegs-Art von Grund aus gefaſſet/
als er unter ihnen ſelbſt einen Heerfuͤhrer abge-
geben/ ſeine Catten willigſt in Schlacht-Ord-
nung ſtellen wolle. Das Gluͤcke ſey eine Buh-
lerin junger Helden. Sein Geſchlechte/ ſei-
ne Tugend/ ſein Eyfer fuͤr das gemeine Weſen/
und daß er der Urheber dieſes heiligen Buͤnd-
nißes ſey/ eigne ihm das Vorrecht zu/ und er-
klaͤre ihn zu ihrem oberſten Feld-Herrn. Er a-
ber wolte durch ſein Beyſpiel lehren: daß ob
wohl viel faͤhig waͤren/ einem ein Oberhaupt
fuͤrzuſetzen/ gleichwohl es ſelbſt nicht uͤber ſich
leiden koͤnten; dennoch ihm und der deutſchen
Freyheit nicht zu wider lieffe/ einem Beſchirmer
des Landes zu folgen/ den man gleich ſelbſt ans
Bret gehoben haͤtte.

Aller Anweſenden Angeſichter ſchienen dem
Arpus Beyfall zu geben/ als Segeſthes ihm
einfiel: Es waͤre freylich wol zu wuͤntſchen
Deutſchland in voͤllige Freyheit/ das Volck in
Sicherheit/ ſich in mehr Anſehen zu ſetzen; al-
lein es haͤtten die Deutſchen die Roͤmer wider
ſich ſelbſt/ durch unaufhoͤrliche Einfaͤlle in Gal-
lien/ gereitzet. Haͤtte Arioviſt ſich mit denen
gewonnenen Sequanern vergnuͤgt/ die Heduer
und alle Gallier ihm nicht wollen unterthaͤnig
machen/ dem Julius nicht ſpoͤttiſche Antwort
zugeboten/ ſo haͤtten die Roͤmer ſo wenig/ als
vorher/ auf Deutſchland ein Auge gehabt. Was
haͤtte Aembrich nicht den Roͤmern fuͤr Haͤn-
del gemacht/ und fuͤr Schaden zugefuͤgt? daß
Auguſt den Vinicius mit einem Kriegs-Heere
in Deutſchland geſchickt/ haͤtten die Catten erho-

let/
C 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0069" n="21"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
che zur Feind&#x017F;chafft ha&#x0364;tte/ &#x017F;olte man der Sache/<lb/>
nicht der Per&#x017F;on feind werden. Derenthal-<lb/>
ben ha&#x0364;tte er iederzeit dem Marcus Brutus in<lb/>
die&#x017F;er letzten Zeit den er&#x017F;ten Platz unter den<lb/>
Ro&#x0364;mern ein gera&#x0364;umt/ weil er nicht als ein zu hi-<lb/>
tziger Sohn &#x017F;ich auff die Seite des Julius/ &#x017F;on-<lb/>
dern als ein treuer Bu&#x0364;rger zu dem fu&#x0364;r die Frey-<lb/>
heit &#x017F;treitenden Pompejus ge&#x017F;ch lagen; ungeach-<lb/>
tet die&#x017F;er des Brutus Vater auffgerieben ha&#x0364;t-<lb/>
te; ja auch des Julius Wohlthaten &#x017F;ich hernach<lb/>
nicht verblenden und abhalten ließ/ fu&#x0364;r die ge-<lb/>
meine Freyheit &#x017F;einem Wohltha&#x0364;ter den Dolch<lb/>
ins Hertze zu &#x017F;to&#x017F;&#x017F;en; Wodurch er &#x017F;ich zu einem<lb/>
zweyfach danckbaren Sohne des gemeinen<lb/>
We&#x017F;ens gemacht ha&#x0364;tte. Deroge&#x017F;talt wa&#x0364;re<lb/>
numehro allein die Frage/ wie diß Werck/ wel-<lb/>
ches er fu&#x0364;r wichtiger als &#x017F;chwerer hielte/ vor-<lb/>
&#x017F;ichtig zu vollziehen wa&#x0364;re? Denn ein frommer<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;t wa&#x0364;re zwar leicht anzugreiffen/ aber ge-<lb/>
fa&#x0364;hrlicher zu erlegen; weil er todt am mei&#x017F;ten<lb/>
geliebt w<supplied>u&#x0364;</supplied>rde. Hingegen wa&#x0364;re ein bo&#x0364;&#x017F;er Herr-<lb/>
&#x017F;cher zwar &#x017F;chwer anzuta&#x017F;ten/ aber &#x017F;onder Ge-<lb/>
fahr zu &#x017F;tu&#x0364;rtzen. Sintemahl ihn nach &#x017F;einem<lb/>
Tode auch &#x017F;eine eigene Schooß Kinder verdam&#x0303;-<lb/>
ten; womit &#x017F;ie nicht fu&#x0364;r &#x017F;o bo&#x0364;&#x017F;e als ihr verlohr-<lb/>
ner Ru&#x0364;ckenhalter mo&#x0364;chten geachtet werden.<lb/>
Solchem nach wa&#x0364;re &#x017F;eine Meinung: der glu&#x0364;ck-<lb/>
liche Aus&#x017F;chlag hange von Fort&#x017F;etzung eines ge-<lb/>
&#x017F;chwinden Uberfalls/ und von Anfu&#x0364;hrung ei-<lb/>
nes erfahrnen Feldherrn. Lang&#x017F;amkeit &#x017F;ey<lb/>
der Kern in zweiffelhafften Rath&#x017F;chla&#x0364;gen/ Ge-<lb/>
&#x017F;chwindigkeit aber in der Bewerck&#x017F;telligung<lb/>
eines Schlu&#x017F;&#x017F;es. Uberdiß wu&#x0364;rden Auffleh-<lb/>
nungen wider einen Unterdru&#x0364;cker gefa&#x0364;hrlicher<lb/>
berath&#x017F;chlagt als ausgeu&#x0364;bt. Wo es auch ums<lb/>
gemeine Heyl zu thun wa&#x0364;re/ mu&#x0364;&#x017F;te niemand<lb/>
&#x017F;ich eigne Verme&#x017F;&#x017F;enheit oder Ehrgeitz auff-<lb/>
blehen la&#x017F;&#x017F;en und zu Zwytracht Anlaß geben.<lb/>
Denn &#x017F;eine Leibs-Sta&#x0364;rcke/ &#x017F;eine Gemu&#x0364;ths-<lb/>
Kra&#x0364;fften und Erfahrung nur &#x017F;einem eigenen<lb/>
Ehrgeitze wiedmen/ wa&#x0364;re viehi&#x017F;ch oder teuffe-<lb/>
li&#x017F;ch; &#x017F;elbte zugleich dem gemeinen We&#x017F;en zum<lb/><cb/>
be&#x017F;ten anwenden/ &#x017F;tu&#x0364;nde Men&#x017F;chen zu; &#x017F;einen<lb/>
eigenen Vortheil aber gar davon abziehen/<lb/>
&#x017F;chiene &#x017F;o gar etwas go&#x0364;ttliches zu &#x017F;eyn. Die<lb/>
&#x017F;em nach wolte er den gerne fu&#x0364;r den hertzhaffte<lb/>
&#x017F;ten halten/ und die Ober&#x017F;telle dem&#x017F;elben ohn<lb/>
Widerrede einra&#x0364;umen/ welcher am er&#x017F;ten durch<lb/>
den Wall des Ro&#x0364;mi&#x017F;chen La&#x0364;gers einbrechen<lb/>
wu&#x0364;rde. Jnzwi&#x017F;chen erkla&#x0364;re er &#x017F;ich/ daß er un-<lb/>
ter dem Cheruski&#x017F;chen Hertzoge/ welcher die<lb/>
Ro&#x0364;mi&#x017F;che Kriegs-Art von Grund aus gefa&#x017F;&#x017F;et/<lb/>
als er unter ihnen &#x017F;elb&#x017F;t einen Heerfu&#x0364;hrer abge-<lb/>
geben/ &#x017F;eine Catten willig&#x017F;t in Schlacht-Ord-<lb/>
nung &#x017F;tellen wolle. Das Glu&#x0364;cke &#x017F;ey eine Buh-<lb/>
lerin junger Helden. Sein Ge&#x017F;chlechte/ &#x017F;ei-<lb/>
ne Tugend/ &#x017F;ein Eyfer fu&#x0364;r das gemeine We&#x017F;en/<lb/>
und daß er der Urheber die&#x017F;es heiligen Bu&#x0364;nd-<lb/>
nißes &#x017F;ey/ eigne ihm das Vorrecht zu/ und er-<lb/>
kla&#x0364;re ihn zu ihrem ober&#x017F;ten Feld-Herrn. Er a-<lb/>
ber wolte durch &#x017F;ein Bey&#x017F;piel lehren: daß ob<lb/>
wohl viel fa&#x0364;hig wa&#x0364;ren/ einem ein Oberhaupt<lb/>
fu&#x0364;rzu&#x017F;etzen/ gleichwohl es &#x017F;elb&#x017F;t nicht u&#x0364;ber &#x017F;ich<lb/>
leiden ko&#x0364;nten; dennoch ihm und der deut&#x017F;chen<lb/>
Freyheit nicht zu wider lieffe/ einem Be&#x017F;chirmer<lb/>
des Landes zu folgen/ den man gleich &#x017F;elb&#x017F;t ans<lb/>
Bret gehoben ha&#x0364;tte.</p><lb/>
          <p>Aller Anwe&#x017F;enden Ange&#x017F;ichter &#x017F;chienen dem<lb/>
Arpus Beyfall zu geben/ als Sege&#x017F;thes ihm<lb/>
einfiel: Es wa&#x0364;re freylich wol zu wu&#x0364;nt&#x017F;chen<lb/>
Deut&#x017F;chland in vo&#x0364;llige Freyheit/ das Volck in<lb/>
Sicherheit/ &#x017F;ich in mehr An&#x017F;ehen zu &#x017F;etzen; al-<lb/>
lein es ha&#x0364;tten die Deut&#x017F;chen die Ro&#x0364;mer wider<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t/ durch unaufho&#x0364;rliche Einfa&#x0364;lle in Gal-<lb/>
lien/ gereitzet. Ha&#x0364;tte Ariovi&#x017F;t &#x017F;ich mit denen<lb/>
gewonnenen Sequanern vergnu&#x0364;gt/ die Heduer<lb/>
und alle Gallier ihm nicht wollen untertha&#x0364;nig<lb/>
machen/ dem Julius nicht &#x017F;po&#x0364;tti&#x017F;che Antwort<lb/>
zugeboten/ &#x017F;o ha&#x0364;tten die Ro&#x0364;mer &#x017F;o wenig/ als<lb/>
vorher/ auf Deut&#x017F;chland ein Auge gehabt. Was<lb/>
ha&#x0364;tte Aembrich nicht den Ro&#x0364;mern fu&#x0364;r Ha&#x0364;n-<lb/>
del gemacht/ und fu&#x0364;r Schaden zugefu&#x0364;gt? daß<lb/>
Augu&#x017F;t den Vinicius mit einem Kriegs-Heere<lb/>
in Deut&#x017F;chland ge&#x017F;chickt/ ha&#x0364;tten die Catten erho-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 3</fw><fw place="bottom" type="catch">let/</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0069] Arminius und Thußnelda. che zur Feindſchafft haͤtte/ ſolte man der Sache/ nicht der Perſon feind werden. Derenthal- ben haͤtte er iederzeit dem Marcus Brutus in dieſer letzten Zeit den erſten Platz unter den Roͤmern ein geraͤumt/ weil er nicht als ein zu hi- tziger Sohn ſich auff die Seite des Julius/ ſon- dern als ein treuer Buͤrger zu dem fuͤr die Frey- heit ſtreitenden Pompejus geſch lagen; ungeach- tet dieſer des Brutus Vater auffgerieben haͤt- te; ja auch des Julius Wohlthaten ſich hernach nicht verblenden und abhalten ließ/ fuͤr die ge- meine Freyheit ſeinem Wohlthaͤter den Dolch ins Hertze zu ſtoſſen; Wodurch er ſich zu einem zweyfach danckbaren Sohne des gemeinen Weſens gemacht haͤtte. Derogeſtalt waͤre numehro allein die Frage/ wie diß Werck/ wel- ches er fuͤr wichtiger als ſchwerer hielte/ vor- ſichtig zu vollziehen waͤre? Denn ein frommer Fuͤrſt waͤre zwar leicht anzugreiffen/ aber ge- faͤhrlicher zu erlegen; weil er todt am meiſten geliebt wuͤrde. Hingegen waͤre ein boͤſer Herr- ſcher zwar ſchwer anzutaſten/ aber ſonder Ge- fahr zu ſtuͤrtzen. Sintemahl ihn nach ſeinem Tode auch ſeine eigene Schooß Kinder verdam̃- ten; womit ſie nicht fuͤr ſo boͤſe als ihr verlohr- ner Ruͤckenhalter moͤchten geachtet werden. Solchem nach waͤre ſeine Meinung: der gluͤck- liche Ausſchlag hange von Fortſetzung eines ge- ſchwinden Uberfalls/ und von Anfuͤhrung ei- nes erfahrnen Feldherrn. Langſamkeit ſey der Kern in zweiffelhafften Rathſchlaͤgen/ Ge- ſchwindigkeit aber in der Bewerckſtelligung eines Schluſſes. Uberdiß wuͤrden Auffleh- nungen wider einen Unterdruͤcker gefaͤhrlicher berathſchlagt als ausgeuͤbt. Wo es auch ums gemeine Heyl zu thun waͤre/ muͤſte niemand ſich eigne Vermeſſenheit oder Ehrgeitz auff- blehen laſſen und zu Zwytracht Anlaß geben. Denn ſeine Leibs-Staͤrcke/ ſeine Gemuͤths- Kraͤfften und Erfahrung nur ſeinem eigenen Ehrgeitze wiedmen/ waͤre viehiſch oder teuffe- liſch; ſelbte zugleich dem gemeinen Weſen zum beſten anwenden/ ſtuͤnde Menſchen zu; ſeinen eigenen Vortheil aber gar davon abziehen/ ſchiene ſo gar etwas goͤttliches zu ſeyn. Die ſem nach wolte er den gerne fuͤr den hertzhaffte ſten halten/ und die Oberſtelle demſelben ohn Widerrede einraͤumen/ welcher am erſten durch den Wall des Roͤmiſchen Laͤgers einbrechen wuͤrde. Jnzwiſchen erklaͤre er ſich/ daß er un- ter dem Cheruskiſchen Hertzoge/ welcher die Roͤmiſche Kriegs-Art von Grund aus gefaſſet/ als er unter ihnen ſelbſt einen Heerfuͤhrer abge- geben/ ſeine Catten willigſt in Schlacht-Ord- nung ſtellen wolle. Das Gluͤcke ſey eine Buh- lerin junger Helden. Sein Geſchlechte/ ſei- ne Tugend/ ſein Eyfer fuͤr das gemeine Weſen/ und daß er der Urheber dieſes heiligen Buͤnd- nißes ſey/ eigne ihm das Vorrecht zu/ und er- klaͤre ihn zu ihrem oberſten Feld-Herrn. Er a- ber wolte durch ſein Beyſpiel lehren: daß ob wohl viel faͤhig waͤren/ einem ein Oberhaupt fuͤrzuſetzen/ gleichwohl es ſelbſt nicht uͤber ſich leiden koͤnten; dennoch ihm und der deutſchen Freyheit nicht zu wider lieffe/ einem Beſchirmer des Landes zu folgen/ den man gleich ſelbſt ans Bret gehoben haͤtte. Aller Anweſenden Angeſichter ſchienen dem Arpus Beyfall zu geben/ als Segeſthes ihm einfiel: Es waͤre freylich wol zu wuͤntſchen Deutſchland in voͤllige Freyheit/ das Volck in Sicherheit/ ſich in mehr Anſehen zu ſetzen; al- lein es haͤtten die Deutſchen die Roͤmer wider ſich ſelbſt/ durch unaufhoͤrliche Einfaͤlle in Gal- lien/ gereitzet. Haͤtte Arioviſt ſich mit denen gewonnenen Sequanern vergnuͤgt/ die Heduer und alle Gallier ihm nicht wollen unterthaͤnig machen/ dem Julius nicht ſpoͤttiſche Antwort zugeboten/ ſo haͤtten die Roͤmer ſo wenig/ als vorher/ auf Deutſchland ein Auge gehabt. Was haͤtte Aembrich nicht den Roͤmern fuͤr Haͤn- del gemacht/ und fuͤr Schaden zugefuͤgt? daß Auguſt den Vinicius mit einem Kriegs-Heere in Deutſchland geſchickt/ haͤtten die Catten erho- let/ C 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/69
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/69>, abgerufen am 21.11.2024.