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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] theils die zeugende/ theils die empfangende
Krafft der fruchtbaren Natur andächtig fürbil-
dete. Am allerwenigsten aber wäre sich zu ver-
wundern/ daß sie sich so sehr für Speisung des
Rindfleisches enteuserten/ welches so vielen
Völckern ein göttliches Vorbild gegeben hätte;
nach dem auch die Juden lieber stürben/ als von
Schweinen nur wegen ihrer Unreinigkeit spei-
seten/ Sostrates und andere hätten ihr Lebetage
sich alles Fleisches enthalten/ und mit Milch
vergnüget/ weil sie gesehen/ daß weder das
Fleisch zur Nahrung dienlich wäre/ noch die
Natur uns mit einigen zum Fleisch-Essen ge-
schickten Werckzeugen geschaffen hätte. Zeno
berichtete hierauf: Er hätte bey dieser Gelegen-
heit dem Brahman einen Einwurff gethan/
daß sie aber auch keines andern Thieres Fleisch
zu essen pflegten/ ob diese denn alle göttliche
Bilder wären? So könte er auch nicht begreif-
fen/ warum die Brahminen des Tages nur ein-
mal/ und zwar mit keinem Menschen/ ja so gar
mit ihren eigenen Ehweibern/ die eines an-
dern Geschlechts wären/ nicht speiseten/ noch
ihre Gefässe brauchten/ oder doch im Nothfalle
das Wasser daraus in ihren Mund ohne Be-
rührung der Lippen schütteten/ und so gar den
König selbst ihrem Essen nicht zuschauen liessen.
Worauf ihm Zarmar geantwortet hätte: Wol-
te Gott! unsere Natur vertrüge/ daß wir gar
nicht essen dörfften/ wormit der Leib mit der Zeit
die Seele nicht wegen der ihm durch Ubermaß
angefügten Feindschafft verklagen dörffte/ hin-
gegen man Gott täglich mit Fasten dienen kön-
te. Denn wie Gott der Trunckenheit und
Schwelgerey todt-feind ist/ also daß/ vermöge
eines alten Gefetzes/ ein iedes Weib bey uns ei-
nen trunckenen König nicht allein unsträflich
tödtet/ sondern auch dem folgenden Könige
zur Belohnung vermählet wird; also ist Gott
ein nüchterner Mund/ und ein andächtiges
Hertze das annehmlichste Heiligthum. Wel-
[Spaltenumbruch] ches auch euer Empedockes verstanden/ welcher
allezeit zu fasten rieth/ so offt ein Mensch was
übels gethan hatte/ oder in Nöthen steckte. Ja
die bey euch das Feyer der reichen Ceres bege-
hen/ müssen ihr für ihren Uberfluß mit Fasten
dienen. Zu dem hat Gott dem allerersten
Menschen ein Gesetze gegeben/ daß er sich des
Fleisches enthalten/ und nur von Feldfrüchten
leben solte. Unsere Einsamkeit aber rühret aus
keiner Hoffarth her/ sondern es dienet uns zu
steter Erinnerung/ daß die/ welche allein Gott
zu dienen gewiedmet seyn/ nicht viel Gemein-
schafft mit Weltgesinnten haben sollen. Denn
die Gemüther der Sterblichen bleiben leichter
an irrdischer Wollust/ als die Vogel an der
Leimruthe kleben. Die Mücke fleucht in das
Feuer/ ob sie gleich darinn eingeäschert wird/
und der Fisch greisset nach der Angel/ ob gleich
nur ein Stücke Aas daran klebt/ und es ihm
das Leben kostet. Und warum halten auch bey
euch unterschiedene Völcker die für unrein/ die
nur eine Leiche anrühren? Warum dörffen die
Priester des Jupiters zu Rom die Bohnen/ weil
man sie zu Todten-Mahlzeiten und Leichen-
bestattungen gebrauchte/ weder anrühren noch
nennen? Glaube aber/ daß niemand mehr todt
sey/ als in dem die Begierde Gott unaufhörlich
zu dienen erkaltet ist. Dannenhero müssen un-
sere sündigen Pereaes ihre Brunnen und Häu-
ser mit Todtenbeinen bezeichnen; wormit selbte
iederman fliehe/ und niemand sich auch nur
durch ihr Wasser/ oder den Schatten ihres Da-
ches verunreinige. Und zu Memphis habe
ich selbst wahrgenommen/ daß die/ welche mit
Schweinen umgehen/ weder die Tempel/ noch
die Wohnungen der Priester betreten dörffen.
Uberdiß verträgt auch unser bey der Mahlzeit
gewöhnlicher Dienst so wenig/ als die Kost keine
Gemeinschafft der Unwissenden. Wir selbst
müssen uns mit Jsop und Springwasser
reinigen/ unsere Stirne zur Erinnerung

der

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] theils die zeugende/ theils die empfangende
Krafft der fruchtbaren Natur andaͤchtig fuͤrbil-
dete. Am allerwenigſten aber waͤre ſich zu ver-
wundern/ daß ſie ſich ſo ſehr fuͤr Speiſung des
Rindfleiſches enteuſerten/ welches ſo vielen
Voͤlckern ein goͤttliches Vorbild gegeben haͤtte;
nach dem auch die Juden lieber ſtuͤrben/ als von
Schweinen nur wegen ihrer Unreinigkeit ſpei-
ſeten/ Soſtrates und andere haͤtten ihr Lebetage
ſich alles Fleiſches enthalten/ und mit Milch
vergnuͤget/ weil ſie geſehen/ daß weder das
Fleiſch zur Nahrung dienlich waͤre/ noch die
Natur uns mit einigen zum Fleiſch-Eſſen ge-
ſchickten Werckzeugen geſchaffen haͤtte. Zeno
berichtete hierauf: Er haͤtte bey dieſer Gelegen-
heit dem Brahman einen Einwurff gethan/
daß ſie aber auch keines andern Thieres Fleiſch
zu eſſen pflegten/ ob dieſe denn alle goͤttliche
Bilder waͤren? So koͤnte er auch nicht begreif-
fen/ warum die Brahminen des Tages nur ein-
mal/ und zwar mit keinem Menſchen/ ja ſo gar
mit ihren eigenen Ehweibern/ die eines an-
dern Geſchlechts waͤren/ nicht ſpeiſeten/ noch
ihre Gefaͤſſe brauchten/ oder doch im Nothfalle
das Waſſer daraus in ihren Mund ohne Be-
ruͤhrung der Lippen ſchuͤtteten/ und ſo gar den
Koͤnig ſelbſt ihrem Eſſen nicht zuſchauen lieſſen.
Worauf ihm Zarmar geantwortet haͤtte: Wol-
te Gott! unſere Natur vertruͤge/ daß wir gar
nicht eſſen doͤrfften/ wormit der Leib mit der Zeit
die Seele nicht wegen der ihm durch Ubermaß
angefuͤgten Feindſchafft verklagen doͤrffte/ hin-
gegen man Gott taͤglich mit Faſten dienen koͤn-
te. Denn wie Gott der Trunckenheit und
Schwelgerey todt-feind iſt/ alſo daß/ vermoͤge
eines alten Gefetzes/ ein iedes Weib bey uns ei-
nen trunckenen Koͤnig nicht allein unſtraͤflich
toͤdtet/ ſondern auch dem folgenden Koͤnige
zur Belohnung vermaͤhlet wird; alſo iſt Gott
ein nuͤchterner Mund/ und ein andaͤchtiges
Hertze das annehmlichſte Heiligthum. Wel-
[Spaltenumbruch] ches auch euer Empedockes verſtanden/ welcher
allezeit zu faſten rieth/ ſo offt ein Menſch was
uͤbels gethan hatte/ oder in Noͤthen ſteckte. Ja
die bey euch das Feyer der reichen Ceres bege-
hen/ muͤſſen ihr fuͤr ihren Uberfluß mit Faſten
dienen. Zu dem hat Gott dem allererſten
Menſchen ein Geſetze gegeben/ daß er ſich des
Fleiſches enthalten/ und nur von Feldfruͤchten
leben ſolte. Unſere Einſamkeit aber ruͤhret aus
keiner Hoffarth her/ ſondern es dienet uns zu
ſteter Erinnerung/ daß die/ welche allein Gott
zu dienen gewiedmet ſeyn/ nicht viel Gemein-
ſchafft mit Weltgeſinnten haben ſollen. Denn
die Gemuͤther der Sterblichen bleiben leichter
an irrdiſcher Wolluſt/ als die Vogel an der
Leimruthe kleben. Die Muͤcke fleucht in das
Feuer/ ob ſie gleich darinn eingeaͤſchert wird/
und der Fiſch greiſſet nach der Angel/ ob gleich
nur ein Stuͤcke Aas daran klebt/ und es ihm
das Leben koſtet. Und warum halten auch bey
euch unterſchiedene Voͤlcker die fuͤr unrein/ die
nur eine Leiche anruͤhren? Warum doͤrffen die
Prieſter des Jupiters zu Rom die Bohnen/ weil
man ſie zu Todten-Mahlzeiten und Leichen-
beſtattungen gebrauchte/ weder anruͤhren noch
nennen? Glaube aber/ daß niemand mehr todt
ſey/ als in dem die Begierde Gott unaufhoͤrlich
zu dienen erkaltet iſt. Dannenhero muͤſſen un-
ſere ſuͤndigen Pereaes ihre Brunnen und Haͤu-
ſer mit Todtenbeinen bezeichnen; wormit ſelbte
iederman fliehe/ und niemand ſich auch nur
durch ihr Waſſer/ oder den Schatten ihres Da-
ches verunreinige. Und zu Memphis habe
ich ſelbſt wahrgenommen/ daß die/ welche mit
Schweinen umgehen/ weder die Tempel/ noch
die Wohnungen der Prieſter betreten doͤrffen.
Uberdiß vertraͤgt auch unſer bey der Mahlzeit
gewoͤhnlicher Dienſt ſo wenig/ als die Koſt keine
Gemeinſchafft der Unwiſſenden. Wir ſelbſt
muͤſſen uns mit Jſop und Springwaſſer
reinigen/ unſere Stirne zur Erinnerung

der
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 662[663]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/719>, abgerufen am 22.11.2024.