Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] Vieh nachgegeben haben. Da sie sich doch
leicht hätten bescheiden können: daß die Seele
als ein Geist in und von sich selbst den Ursprung
ihrer Bewegung und Würckung habe/ und des
Leibes als eines unentbehrlichen Werckzeuges
keinesweges bedürffe. Welch Erkäntnüß auch
die Stoischen Weltweisen zu glauben bewogen:
daß die tugendhaften Seelen umb den Mon-
den sich an Beschauung der himmlischen Dinge
erlustigten/ die Lasterhaften aber umb die Erde/
oder gar umb die düsteren Gräber so lange/
biß sie nach und nach von ihren irrdischen Be-
gierden gesaubert würden/ herumb schwerme-
ten; ja Pythagoras selbst hat geglaubt: daß die
allerärgsten Seelen in uneingefleischte Teuffel
verwandelt würden. Jch gestehe übrigens
gerne: daß bey uns eben so wohl das gemeine
Volck viel Schatten für das Licht erwische/
und ihre Andacht eben so wohl als in Griechen-
land und Egypten mit Wahn vermischet sey.
Alleine es ist besser selbten bey irrigem Got-
tes-Dienste unter der Furcht für dem gerech-
ten Gotte/ und dem Gehorsam seiner Obrigkeit
zu halten/ als selbten ohne einige Gottes-Furcht
in allerley Laster ohne Scheu rennen zu lassen.
Uber diß ist Gott ein so verborgenes Wesen/
daß ie mehr wir selbtes zu ergründen uns be-
mühen/ ie mehr unsere Gemüths-Augen/ wie
derer/ welche in die Sonne sehen/ von über-
mäßigem Lichte verdüstert werden. Denn ob
wohl Gott sein Wesen und Würcken auch durch
den verächtlichsten Käfer/ durch den niedrigsten
Jsop erhärtet/ und also des Protagoras und
Diagoras Nachfolger/ welche nicht gläuben:
daß ein Gott sey/ für Unmenschen zu halten
sind; so sind doch seine Eigenschafften so ver-
borgen: daß die Welt noch keinen ihm anstän-
digen Nahmen zu finden gewüst/ ob man auch
schon mit unsern tausend Nahmen seine All-
macht und Güte nicht aussprechen kan.
Gottes Weißheit/ Macht/ Gerechtigkeit sind
nur Worte und Erfindungen unserer Einfalt;
[Spaltenumbruch] diß aber/ was wir darmit meynen/ ist seine
Gottheit selbst/ welche ein einfaches Wesen hat/
und keine Zusammensetzung einiger Zahlen oder
Tugenden verträget. Dannenher auch die
Weisen dem unbekandten Gotte Tempel und
Altar aufzurichten veranlasset worden. Ver-
birget doch der gestirnte Himmel mehr als die
Helfte seiner Lichter/ für unsern Augen; ja die
Kräfften der Kräuter/ die wir mit Füssen treten/
vermögen wir durch unser Nachsinnen nicht zu
erforschen. Wie viel weniger werden wir das
Meer der so tieffen Gottheit erschöpfen. Wo-
hin denn auch/ der Griechen Bericht nach/ des
Saturnus Gesetze/ daß man bey schwerer
Straffe die Götter nicht nackt sehen solte/
und das Gedichte: samb der die Diana nackt
sehende Actäon von Hunden zerrissen/ der die
badende Minerva ins Gesicht bekommende
Tiresias blind worden wäre/ ihr Absehen hat.
Also/ daß nach dem die Weisen hier auch im blin-
den tappen müssen/ einigerley Weise zu entschul-
digen ist: daß die Griechrn alle Geheimnüsse
unter Gedichte verstecket/ und den Pöfel durch
solchen Aberglauben im Zaume gehalten haben.
Massen ohne diß Gott durch Unwissenheit am
meisten erkennet; und mehr durch demüthiges
Gebet/ als durch spitzige Nachforschung verehret
wird. Und wie das grosse Auge der Welt sei-
nen Glantz auch den Neben- Sonnen mitthei-
let; also mißgönnet auch Gott nicht die Ehre sei-
nem Schatten/ den blöde Augen für ihn als das
selbstständige Licht erkiesen

Mit diesen und andern tieffsinnigen Ge-
sprächen/ sagte Zeno/ verkürtzten wir unsern
Weg und die Zeit/ wiewohl mir die Beysorge:
Jch möchte durch allzu grossen Vorwitz diesen
weisen Mann gar aus der Wiege werf-
fen/ verbot/ ein und anders Bedencken wider sei-
ne Lehren aufzuwerffen; und insonderheit zu er-
härten/ daß weil Gott seine Ehre keinem an-
dern geben wolte/ sondern er darumb
gerechtest eiferte; der Einfalt so wenig

ein

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] Vieh nachgegeben haben. Da ſie ſich doch
leicht haͤtten beſcheiden koͤnnen: daß die Seele
als ein Geiſt in und von ſich ſelbſt den Urſprung
ihrer Bewegung und Wuͤrckung habe/ und des
Leibes als eines unentbehrlichen Werckzeuges
keinesweges beduͤrffe. Welch Erkaͤntnuͤß auch
die Stoiſchen Weltweiſen zu glauben bewogen:
daß die tugendhaften Seelen umb den Mon-
den ſich an Beſchauung der him̃liſchen Dinge
erluſtigten/ die Laſterhaften aber umb die Erde/
oder gar umb die duͤſteren Graͤber ſo lange/
biß ſie nach und nach von ihren irrdiſchen Be-
gierden geſaubert wuͤrden/ herumb ſchwerme-
ten; ja Pythagoras ſelbſt hat geglaubt: daß die
alleraͤrgſten Seelen in uneingefleiſchte Teuffel
verwandelt wuͤrden. Jch geſtehe uͤbrigens
gerne: daß bey uns eben ſo wohl das gemeine
Volck viel Schatten fuͤr das Licht erwiſche/
und ihre Andacht eben ſo wohl als in Griechen-
land und Egypten mit Wahn vermiſchet ſey.
Alleine es iſt beſſer ſelbten bey irrigem Got-
tes-Dienſte unter der Furcht fuͤr dem gerech-
ten Gotte/ und dem Gehorſam ſeiner Obrigkeit
zu halten/ als ſelbten ohne einige Gottes-Furcht
in allerley Laſter ohne Scheu rennen zu laſſen.
Uber diß iſt Gott ein ſo verborgenes Weſen/
daß ie mehr wir ſelbtes zu ergruͤnden uns be-
muͤhen/ ie mehr unſere Gemuͤths-Augen/ wie
derer/ welche in die Sonne ſehen/ von uͤber-
maͤßigem Lichte verduͤſtert werden. Denn ob
wohl Gott ſein Weſen und Wuͤrcken auch durch
den veraͤchtlichſten Kaͤfer/ durch den niedrigſten
Jſop erhaͤrtet/ und alſo des Protagoras und
Diagoras Nachfolger/ welche nicht glaͤuben:
daß ein Gott ſey/ fuͤr Unmenſchen zu halten
ſind; ſo ſind doch ſeine Eigenſchafften ſo ver-
borgen: daß die Welt noch keinen ihm anſtaͤn-
digen Nahmen zu finden gewuͤſt/ ob man auch
ſchon mit unſern tauſend Nahmen ſeine All-
macht und Guͤte nicht ausſprechen kan.
Gottes Weißheit/ Macht/ Gerechtigkeit ſind
nur Worte und Erfindungen unſerer Einfalt;
[Spaltenumbruch] diß aber/ was wir darmit meynen/ iſt ſeine
Gottheit ſelbſt/ welche ein einfaches Weſen hat/
und keine Zuſammenſetzung einiger Zahlen oder
Tugenden vertraͤget. Dannenher auch die
Weiſen dem unbekandten Gotte Tempel und
Altar aufzurichten veranlaſſet worden. Ver-
birget doch der geſtirnte Himmel mehr als die
Helfte ſeiner Lichter/ fuͤr unſern Augen; ja die
Kraͤfften der Kraͤuter/ die wir mit Fuͤſſen treten/
vermoͤgen wir durch unſer Nachſinnen nicht zu
erforſchen. Wie viel weniger werden wir das
Meer der ſo tieffen Gottheit erſchoͤpfen. Wo-
hin denn auch/ der Griechen Bericht nach/ des
Saturnus Geſetze/ daß man bey ſchwerer
Straffe die Goͤtter nicht nackt ſehen ſolte/
und das Gedichte: ſamb der die Diana nackt
ſehende Actaͤon von Hunden zerriſſen/ der die
badende Minerva ins Geſicht bekommende
Tireſias blind worden waͤre/ ihr Abſehen hat.
Alſo/ daß nach dem die Weiſen hier auch im blin-
den tappen muͤſſen/ einigerley Weiſe zu entſchul-
digen iſt: daß die Griechrn alle Geheimnuͤſſe
unter Gedichte verſtecket/ und den Poͤfel durch
ſolchen Aberglauben im Zaume gehalten haben.
Maſſen ohne diß Gott durch Unwiſſenheit am
meiſten erkennet; und mehr durch demuͤthiges
Gebet/ als durch ſpitzige Nachforſchung verehret
wird. Und wie das groſſe Auge der Welt ſei-
nen Glantz auch den Neben- Sonnen mitthei-
let; alſo mißgoͤnnet auch Gott nicht die Ehre ſei-
nem Schatten/ den bloͤde Augen fuͤr ihn als das
ſelbſtſtaͤndige Licht erkieſen

Mit dieſen und andern tieffſinnigen Ge-
ſpraͤchen/ ſagte Zeno/ verkuͤrtzten wir unſern
Weg und die Zeit/ wiewohl mir die Beyſorge:
Jch moͤchte durch allzu groſſen Vorwitz dieſen
weiſen Mann gar aus der Wiege werf-
fen/ verbot/ ein und anders Bedencken wider ſei-
ne Lehren aufzuwerffen; und inſonderheit zu er-
haͤrten/ daß weil Gott ſeine Ehre keinem an-
dern geben wolte/ ſondern er darumb
gerechteſt eiferte; der Einfalt ſo wenig

ein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0724" n="668"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Fu&#x0364;nfftes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
Vieh nachgegeben haben. Da &#x017F;ie &#x017F;ich doch<lb/>
leicht ha&#x0364;tten be&#x017F;cheiden ko&#x0364;nnen: daß die Seele<lb/>
als ein Gei&#x017F;t in und von &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t den Ur&#x017F;prung<lb/>
ihrer Bewegung und Wu&#x0364;rckung habe/ und des<lb/>
Leibes als eines unentbehrlichen Werckzeuges<lb/>
keinesweges bedu&#x0364;rffe. Welch Erka&#x0364;ntnu&#x0364;ß auch<lb/>
die Stoi&#x017F;chen Weltwei&#x017F;en zu glauben bewogen:<lb/>
daß die tugendhaften Seelen umb den Mon-<lb/>
den &#x017F;ich an Be&#x017F;chauung der him&#x0303;li&#x017F;chen Dinge<lb/>
erlu&#x017F;tigten/ die La&#x017F;terhaften aber umb die Erde/<lb/>
oder gar umb die du&#x0364;&#x017F;teren Gra&#x0364;ber &#x017F;o lange/<lb/>
biß &#x017F;ie nach und nach von ihren irrdi&#x017F;chen Be-<lb/>
gierden ge&#x017F;aubert wu&#x0364;rden/ herumb &#x017F;chwerme-<lb/>
ten; ja Pythagoras &#x017F;elb&#x017F;t hat geglaubt: daß die<lb/>
allera&#x0364;rg&#x017F;ten Seelen in uneingeflei&#x017F;chte Teuffel<lb/>
verwandelt wu&#x0364;rden. Jch ge&#x017F;tehe u&#x0364;brigens<lb/>
gerne: daß bey uns eben &#x017F;o wohl das gemeine<lb/>
Volck viel Schatten fu&#x0364;r das Licht erwi&#x017F;che/<lb/>
und ihre Andacht eben &#x017F;o wohl als in Griechen-<lb/>
land und Egypten mit Wahn vermi&#x017F;chet &#x017F;ey.<lb/>
Alleine es i&#x017F;t be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;elbten bey irrigem Got-<lb/>
tes-Dien&#x017F;te unter der Furcht fu&#x0364;r dem gerech-<lb/>
ten Gotte/ und dem Gehor&#x017F;am &#x017F;einer Obrigkeit<lb/>
zu halten/ als &#x017F;elbten ohne einige Gottes-Furcht<lb/>
in allerley La&#x017F;ter ohne Scheu rennen zu la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Uber diß i&#x017F;t Gott ein &#x017F;o verborgenes We&#x017F;en/<lb/>
daß ie mehr wir &#x017F;elbtes zu ergru&#x0364;nden uns be-<lb/>
mu&#x0364;hen/ ie mehr un&#x017F;ere Gemu&#x0364;ths-Augen/ wie<lb/>
derer/ welche in die Sonne &#x017F;ehen/ von u&#x0364;ber-<lb/>
ma&#x0364;ßigem Lichte verdu&#x0364;&#x017F;tert werden. Denn ob<lb/>
wohl Gott &#x017F;ein We&#x017F;en und Wu&#x0364;rcken auch durch<lb/>
den vera&#x0364;chtlich&#x017F;ten Ka&#x0364;fer/ durch den niedrig&#x017F;ten<lb/>
J&#x017F;op erha&#x0364;rtet/ und al&#x017F;o des Protagoras und<lb/>
Diagoras Nachfolger/ welche nicht gla&#x0364;uben:<lb/>
daß ein Gott &#x017F;ey/ fu&#x0364;r Unmen&#x017F;chen zu halten<lb/>
&#x017F;ind; &#x017F;o &#x017F;ind doch &#x017F;eine Eigen&#x017F;chafften &#x017F;o ver-<lb/>
borgen: daß die Welt noch keinen ihm an&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
digen Nahmen zu finden gewu&#x0364;&#x017F;t/ ob man auch<lb/>
&#x017F;chon mit un&#x017F;ern tau&#x017F;end Nahmen &#x017F;eine All-<lb/>
macht und Gu&#x0364;te nicht aus&#x017F;prechen kan.<lb/>
Gottes Weißheit/ Macht/ Gerechtigkeit &#x017F;ind<lb/>
nur Worte und Erfindungen un&#x017F;erer Einfalt;<lb/><cb/>
diß aber/ was wir darmit meynen/ i&#x017F;t &#x017F;eine<lb/>
Gottheit &#x017F;elb&#x017F;t/ welche ein einfaches We&#x017F;en hat/<lb/>
und keine Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung einiger Zahlen oder<lb/>
Tugenden vertra&#x0364;get. Dannenher auch die<lb/>
Wei&#x017F;en dem unbekandten Gotte Tempel und<lb/>
Altar aufzurichten veranla&#x017F;&#x017F;et worden. Ver-<lb/>
birget doch der ge&#x017F;tirnte Himmel mehr als die<lb/>
Helfte &#x017F;einer Lichter/ fu&#x0364;r un&#x017F;ern Augen; ja die<lb/>
Kra&#x0364;fften der Kra&#x0364;uter/ die wir mit Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en treten/<lb/>
vermo&#x0364;gen wir durch un&#x017F;er Nach&#x017F;innen nicht zu<lb/>
erfor&#x017F;chen. Wie viel weniger werden wir das<lb/>
Meer der &#x017F;o tieffen Gottheit er&#x017F;cho&#x0364;pfen. Wo-<lb/>
hin denn auch/ der Griechen Bericht nach/ des<lb/>
Saturnus Ge&#x017F;etze/ daß man bey &#x017F;chwerer<lb/>
Straffe die Go&#x0364;tter nicht nackt &#x017F;ehen &#x017F;olte/<lb/>
und das Gedichte: &#x017F;amb der die Diana nackt<lb/>
&#x017F;ehende Acta&#x0364;on von Hunden zerri&#x017F;&#x017F;en/ der die<lb/>
badende Minerva ins Ge&#x017F;icht bekommende<lb/>
Tire&#x017F;ias blind worden wa&#x0364;re/ ihr Ab&#x017F;ehen hat.<lb/>
Al&#x017F;o/ daß nach dem die Wei&#x017F;en hier auch im blin-<lb/>
den tappen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ einigerley Wei&#x017F;e zu ent&#x017F;chul-<lb/>
digen i&#x017F;t: daß die Griechrn alle Geheimnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
unter Gedichte ver&#x017F;tecket/ und den Po&#x0364;fel durch<lb/>
&#x017F;olchen Aberglauben im Zaume gehalten haben.<lb/>
Ma&#x017F;&#x017F;en ohne diß Gott durch Unwi&#x017F;&#x017F;enheit am<lb/>
mei&#x017F;ten erkennet; und mehr durch demu&#x0364;thiges<lb/>
Gebet/ als durch &#x017F;pitzige Nachfor&#x017F;chung verehret<lb/>
wird. Und wie das gro&#x017F;&#x017F;e Auge der Welt &#x017F;ei-<lb/>
nen Glantz auch den Neben- Sonnen mitthei-<lb/>
let; al&#x017F;o mißgo&#x0364;nnet auch Gott nicht die Ehre &#x017F;ei-<lb/>
nem Schatten/ den blo&#x0364;de Augen fu&#x0364;r ihn als das<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndige Licht erkie&#x017F;en</p><lb/>
          <p>Mit die&#x017F;en und andern tieff&#x017F;innigen Ge-<lb/>
&#x017F;pra&#x0364;chen/ &#x017F;agte Zeno/ verku&#x0364;rtzten wir un&#x017F;ern<lb/>
Weg und die Zeit/ wiewohl mir die Bey&#x017F;orge:<lb/>
Jch mo&#x0364;chte durch allzu gro&#x017F;&#x017F;en Vorwitz die&#x017F;en<lb/>
wei&#x017F;en Mann gar aus der Wiege werf-<lb/>
fen/ verbot/ ein und anders Bedencken wider &#x017F;ei-<lb/>
ne Lehren aufzuwerffen; und in&#x017F;onderheit zu er-<lb/>
ha&#x0364;rten/ daß weil Gott &#x017F;eine Ehre keinem an-<lb/>
dern geben wolte/ &#x017F;ondern er darumb<lb/>
gerechte&#x017F;t eiferte; der Einfalt &#x017F;o wenig<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ein</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[668/0724] Fuͤnfftes Buch Vieh nachgegeben haben. Da ſie ſich doch leicht haͤtten beſcheiden koͤnnen: daß die Seele als ein Geiſt in und von ſich ſelbſt den Urſprung ihrer Bewegung und Wuͤrckung habe/ und des Leibes als eines unentbehrlichen Werckzeuges keinesweges beduͤrffe. Welch Erkaͤntnuͤß auch die Stoiſchen Weltweiſen zu glauben bewogen: daß die tugendhaften Seelen umb den Mon- den ſich an Beſchauung der him̃liſchen Dinge erluſtigten/ die Laſterhaften aber umb die Erde/ oder gar umb die duͤſteren Graͤber ſo lange/ biß ſie nach und nach von ihren irrdiſchen Be- gierden geſaubert wuͤrden/ herumb ſchwerme- ten; ja Pythagoras ſelbſt hat geglaubt: daß die alleraͤrgſten Seelen in uneingefleiſchte Teuffel verwandelt wuͤrden. Jch geſtehe uͤbrigens gerne: daß bey uns eben ſo wohl das gemeine Volck viel Schatten fuͤr das Licht erwiſche/ und ihre Andacht eben ſo wohl als in Griechen- land und Egypten mit Wahn vermiſchet ſey. Alleine es iſt beſſer ſelbten bey irrigem Got- tes-Dienſte unter der Furcht fuͤr dem gerech- ten Gotte/ und dem Gehorſam ſeiner Obrigkeit zu halten/ als ſelbten ohne einige Gottes-Furcht in allerley Laſter ohne Scheu rennen zu laſſen. Uber diß iſt Gott ein ſo verborgenes Weſen/ daß ie mehr wir ſelbtes zu ergruͤnden uns be- muͤhen/ ie mehr unſere Gemuͤths-Augen/ wie derer/ welche in die Sonne ſehen/ von uͤber- maͤßigem Lichte verduͤſtert werden. Denn ob wohl Gott ſein Weſen und Wuͤrcken auch durch den veraͤchtlichſten Kaͤfer/ durch den niedrigſten Jſop erhaͤrtet/ und alſo des Protagoras und Diagoras Nachfolger/ welche nicht glaͤuben: daß ein Gott ſey/ fuͤr Unmenſchen zu halten ſind; ſo ſind doch ſeine Eigenſchafften ſo ver- borgen: daß die Welt noch keinen ihm anſtaͤn- digen Nahmen zu finden gewuͤſt/ ob man auch ſchon mit unſern tauſend Nahmen ſeine All- macht und Guͤte nicht ausſprechen kan. Gottes Weißheit/ Macht/ Gerechtigkeit ſind nur Worte und Erfindungen unſerer Einfalt; diß aber/ was wir darmit meynen/ iſt ſeine Gottheit ſelbſt/ welche ein einfaches Weſen hat/ und keine Zuſammenſetzung einiger Zahlen oder Tugenden vertraͤget. Dannenher auch die Weiſen dem unbekandten Gotte Tempel und Altar aufzurichten veranlaſſet worden. Ver- birget doch der geſtirnte Himmel mehr als die Helfte ſeiner Lichter/ fuͤr unſern Augen; ja die Kraͤfften der Kraͤuter/ die wir mit Fuͤſſen treten/ vermoͤgen wir durch unſer Nachſinnen nicht zu erforſchen. Wie viel weniger werden wir das Meer der ſo tieffen Gottheit erſchoͤpfen. Wo- hin denn auch/ der Griechen Bericht nach/ des Saturnus Geſetze/ daß man bey ſchwerer Straffe die Goͤtter nicht nackt ſehen ſolte/ und das Gedichte: ſamb der die Diana nackt ſehende Actaͤon von Hunden zerriſſen/ der die badende Minerva ins Geſicht bekommende Tireſias blind worden waͤre/ ihr Abſehen hat. Alſo/ daß nach dem die Weiſen hier auch im blin- den tappen muͤſſen/ einigerley Weiſe zu entſchul- digen iſt: daß die Griechrn alle Geheimnuͤſſe unter Gedichte verſtecket/ und den Poͤfel durch ſolchen Aberglauben im Zaume gehalten haben. Maſſen ohne diß Gott durch Unwiſſenheit am meiſten erkennet; und mehr durch demuͤthiges Gebet/ als durch ſpitzige Nachforſchung verehret wird. Und wie das groſſe Auge der Welt ſei- nen Glantz auch den Neben- Sonnen mitthei- let; alſo mißgoͤnnet auch Gott nicht die Ehre ſei- nem Schatten/ den bloͤde Augen fuͤr ihn als das ſelbſtſtaͤndige Licht erkieſen Mit dieſen und andern tieffſinnigen Ge- ſpraͤchen/ ſagte Zeno/ verkuͤrtzten wir unſern Weg und die Zeit/ wiewohl mir die Beyſorge: Jch moͤchte durch allzu groſſen Vorwitz dieſen weiſen Mann gar aus der Wiege werf- fen/ verbot/ ein und anders Bedencken wider ſei- ne Lehren aufzuwerffen; und inſonderheit zu er- haͤrten/ daß weil Gott ſeine Ehre keinem an- dern geben wolte/ ſondern er darumb gerechteſt eiferte; der Einfalt ſo wenig ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/724
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 668. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/724>, abgerufen am 22.11.2024.