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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] zu Rom sich endigte/ und sie also ihm seine Bey-
schläfferin noch nicht zurücke lassen könte. Wel-
ches sie meines Bedünckens mehr uns frem-
den zum Anhören redete/ den erschollenen
Verdacht vom Käyser abzulehnen/ daß er mit
Terentien heimlich zuhielte. Wiewohl zu sa-
gen Weltkündig ist/ daß Livia anfangs mit Te-
rentien geeyfert/ und der Schönheit halber sich
gezancket habe/ biß sie hernach nicht alleine mit
mehrer Klugheit zu dieser geheimen Buhlschaft
ein Auge zugedrückt/ sondern auch andere
Frauenzimmer dem Käyser an ihre Stelle ins
Bette gelegt/ und durch diese verstattete Frey-
heit den Käyser ihr auffs festeste verknüpfft hat.
Hierbey aber konte ich dem Mecenas nichts
weniger als einen Unwillen oder Eyversucht
anmercken/ von welchem man mir vorher er-
zehlet hatte/ daß er mit Terentien deßhalben
in täglichem Gezäncke lebte/ mehrmahls ge-
wünscht haben solte Terentia/ nicht Mecenas
zu seyn; und daß die Römer deßwegen von
ihm schertzweise sagten: Er hätte zwar nur eine
Ehfrau/ aber sie mehr als tausend mahl gehey-
rathet. Wie wir nun den Käyser biß an den
Meer-Strand begleitet hatten/ führte uns
Mecenas durch einen langen Gang/ der auff
ieder Seite mit hohen Palmbäumen besetzt/
auff der einen Hand mit dem saltzichten Mee-
re/ auff der andern mit einem süssen Weyher/
in welchem die Feuerrothen Fische wie fallende
Sternen schimmerten/ angefrischet war/ in ei-
nen prächtigen Saal voller herrlichen Seulen
und Ertzt-Bilder. Wir betrachteten sie alle/
so viel es die Zeit vertrug/ und Mecenas nö-
thigte uns zu urtheilen/ welches ieder für das
beste Stücke hielte. Der Gesandte erwchlte
die Andromeda aus schwartzem Marmel/ viel-
leicht wegen Aehnligkeit seiner Farbe/ ich das
Bild der Verzweiffelung aus Corinthischem
Ertzte/ weil diese Unholdin wegen meiner ver-
lohrnen Erato ohne diß meine tägliche Gefer-
[Spaltenumbruch] thin war/ Zarmar aber das Vildniß des Todes
aus Helffenbeine. Hierauff wiese Mecenas
auff das Bild der Gemüths-Ruh/ aus Alaba-
ster/ meldende: dieses aber gebe ich nicht für al-
le Bilder und Edelgesteine der gantzen Welt.
Jch gestehe es/ sagte Zarmar/ daß die Gemüths-
Ruh oder ein gutes Gewissen der gröste Schatz
der Welt sey/ ich aber halte einen seligen Tod
noch weit höher; denn jene ist zwar das Para-
diß des Zeitlichen/ dieser aber die Pforte zu der
unvergänglichen Glückseligkeit. Jch höre
wohl/ sagte Mecenas/ Zarmar sey kein Schü-
ler des Dicearchus und Epicurus/ welche gläub-
ten/ daß die Seelen mit dem Leibe vergehen/
sondern vielmehr der Meinung/ welche Phe-
recydes zu erst in Griechenland gelehret/ Tha-
les/ Pythagoras/ Plato/ und Socrates aber
bekräfftigt haben/ daß der Tod nur eine Ver-
änderung/ aber keine Verderbung der Seelen
sey. Oder pflichtet er dem Cebes/ Zeno/ und
denen Stoischen Weltweisen bey/ daß die Seele
allererst mit Einäscherung der Welt verschwin-
den/ oder mit Gott ihrem Ursprunge wieder
würde vereinbaret werden? Zarmar antwor-
tete: Er wäre derer keinem zugethan. Die
erstern wären nicht für Menschen/ sondern für
Vieh zu halten; ja nicht werth/ daß ihnen Gott
eine unsterbliche Seele eingeflöst/ wenn selbte
ihnen nicht zur ewigen Pein dienete. Denn
haben sie nie mit Augen gesehen/ wie es den
Frommen in der Welt so übel/ die Boßhaff-
ten aber auff Rosen gehen? Wäre diß nun
nicht der Gerechtigkeit Gottes zuwider/ da in
dem andern Leben die Seelen der Frommen
nicht solten erqvicket/ der Lasterhafften gepei-
niget werden? Haben sie nie wahrgenommen/
daß die Seele ein eigenbewegliches Wesen und
ein Geist/ der Leib aber nur von verweßlichem
Talck zusammen gekleibet sey? Solte nun jener
herrliche Kern mit dieser leichten Spreu zer-
nichtet werden? Was sage ich aber zernichten?

Auch

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] zu Rom ſich endigte/ und ſie alſo ihm ſeine Bey-
ſchlaͤfferin noch nicht zuruͤcke laſſen koͤnte. Wel-
ches ſie meines Beduͤnckens mehr uns frem-
den zum Anhoͤren redete/ den erſchollenen
Verdacht vom Kaͤyſer abzulehnen/ daß er mit
Terentien heimlich zuhielte. Wiewohl zu ſa-
gen Weltkuͤndig iſt/ daß Livia anfangs mit Te-
rentien geeyfert/ und der Schoͤnheit halber ſich
gezancket habe/ biß ſie hernach nicht alleine mit
mehrer Klugheit zu dieſer geheimen Buhlſchaft
ein Auge zugedruͤckt/ ſondern auch andere
Frauenzimmer dem Kaͤyſer an ihre Stelle ins
Bette gelegt/ und durch dieſe verſtattete Frey-
heit den Kaͤyſer ihr auffs feſteſte verknuͤpfft hat.
Hierbey aber konte ich dem Mecenas nichts
weniger als einen Unwillen oder Eyverſucht
anmercken/ von welchem man mir vorher er-
zehlet hatte/ daß er mit Terentien deßhalben
in taͤglichem Gezaͤncke lebte/ mehrmahls ge-
wuͤnſcht haben ſolte Terentia/ nicht Mecenas
zu ſeyn; und daß die Roͤmer deßwegen von
ihm ſchertzweiſe ſagten: Er haͤtte zwar nur eine
Ehfrau/ aber ſie mehr als tauſend mahl gehey-
rathet. Wie wir nun den Kaͤyſer biß an den
Meer-Strand begleitet hatten/ fuͤhrte uns
Mecenas durch einen langen Gang/ der auff
ieder Seite mit hohen Palmbaͤumen beſetzt/
auff der einen Hand mit dem ſaltzichten Mee-
re/ auff der andern mit einem ſuͤſſen Weyher/
in welchem die Feuerrothen Fiſche wie fallende
Sternen ſchimmerten/ angefriſchet war/ in ei-
nen praͤchtigen Saal voller herrlichen Seulen
und Ertzt-Bilder. Wir betrachteten ſie alle/
ſo viel es die Zeit vertrug/ und Mecenas noͤ-
thigte uns zu urtheilen/ welches ieder fuͤr das
beſte Stuͤcke hielte. Der Geſandte erwchlte
die Andromeda aus ſchwartzem Marmel/ viel-
leicht wegen Aehnligkeit ſeiner Farbe/ ich das
Bild der Verzweiffelung aus Corinthiſchem
Ertzte/ weil dieſe Unholdin wegen meiner ver-
lohrnen Erato ohne diß meine taͤgliche Gefer-
[Spaltenumbruch] thin war/ Zarmar aber das Vildniß des Todes
aus Helffenbeine. Hierauff wieſe Mecenas
auff das Bild der Gemuͤths-Ruh/ aus Alaba-
ſter/ meldende: dieſes aber gebe ich nicht fuͤr al-
le Bilder und Edelgeſteine der gantzen Welt.
Jch geſtehe es/ ſagte Zarmar/ daß die Gemuͤths-
Ruh oder ein gutes Gewiſſen der groͤſte Schatz
der Welt ſey/ ich aber halte einen ſeligen Tod
noch weit hoͤher; denn jene iſt zwar das Para-
diß des Zeitlichen/ dieſer aber die Pforte zu der
unvergaͤnglichen Gluͤckſeligkeit. Jch hoͤre
wohl/ ſagte Mecenas/ Zarmar ſey kein Schuͤ-
ler des Dicearchus und Epicurus/ welche glaͤub-
ten/ daß die Seelen mit dem Leibe vergehen/
ſondern vielmehr der Meinung/ welche Phe-
recydes zu erſt in Griechenland gelehret/ Tha-
les/ Pythagoras/ Plato/ und Socrates aber
bekraͤfftigt haben/ daß der Tod nur eine Ver-
aͤnderung/ aber keine Verderbung der Seelen
ſey. Oder pflichtet er dem Cebes/ Zeno/ und
denen Stoiſchen Weltweiſen bey/ daß die Seele
allererſt mit Einaͤſcherung der Welt verſchwin-
den/ oder mit Gott ihrem Urſprunge wieder
wuͤrde vereinbaret werden? Zarmar antwor-
tete: Er waͤre derer keinem zugethan. Die
erſtern waͤren nicht fuͤr Menſchen/ ſondern fuͤr
Vieh zu halten; ja nicht werth/ daß ihnen Gott
eine unſterbliche Seele eingefloͤſt/ wenn ſelbte
ihnen nicht zur ewigen Pein dienete. Denn
haben ſie nie mit Augen geſehen/ wie es den
Frommen in der Welt ſo uͤbel/ die Boßhaff-
ten aber auff Roſen gehen? Waͤre diß nun
nicht der Gerechtigkeit Gottes zuwider/ da in
dem andern Leben die Seelen der Frommen
nicht ſolten erqvicket/ der Laſterhafften gepei-
niget werden? Haben ſie nie wahrgenommen/
daß die Seele ein eigenbewegliches Weſen und
ein Geiſt/ der Leib aber nur von verweßlichem
Talck zuſammen gekleibet ſey? Solte nun jener
herrliche Kern mit dieſer leichten Spreu zer-
nichtet werden? Was ſage ich aber zernichten?

Auch
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 695. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/751>, abgerufen am 29.06.2024.