Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Fünfftes Buch [Spaltenumbruch]
dem Altare des unbekandten Gottes am heilig-sten angebetet wird/ doch mit tausend Zungen nicht ausgesprochen werden kan. Betrachte selbst nur etwas tieffsinniger das Bild und die Eigenschafften der Jsis; so wirstu handgreifflich wahrnehmen: daß deine Jsis wegen ihrer Weiß- heit der Griechen Minerva/ wegen Fruchtbar- keit/ die Venus/ wegen ihrer Herrschafft in der Lufft/ die Juno/ wegen ihrer unterirrdischen Kräfte/ Proserpina/ wegen Erfindung des Wei- tzens/ Ceres/ wegen ihrer Waldsorge/ Diana/ wegen Beseelung der Erde/ Rhea/ wegen ihrer himmlischen Würckung Cynthia; dieses alles aber nur eine Jsis sey. Frage Römer und Griechen/ warum sie bey Anruffung ihres Ju- piters das Haupt/ der Minerva die Augen/ der Juno die Armen/ des Neptun die Brust/ anrühren? Ob ihre Andacht nicht dadurch auf ein einiges Göttliches Wesen/ wie ihr Finger auff einen einigen Leib ziele? Hastu von dem Lehrmeister des Plato Sechnuphim nicht geler- net: daß wie der Zirckel nur einen Mittelpunct/ also der Kreiß der gantzen Welt nur ein einiges Göttliches Wesen habe/ welches aber alle Thei- le bewohne und beseele? Frage deine Platoni- sche Weisen: Ob die Vielheit der Götter nicht nur ein Glaube des Pöfels/ Gottes Einigkeit aber ein Geheimnis der Weisen sey? Ob nicht Plato nur aus Furcht für dem Volcke mehrern Göttern geopfert/ wormit er nicht selbst/ wie So- crates/ ein Opffer ihrer Grausamkeit würde. So gehe zu deinen Landsleuten nach Thebe und frage: Ob sie nicht allein den Gott Kneph/ wel- chen wir Wistnou und Eßwara/ die Römer Ju- piter nennen/ für einen Gott ohne Ursprung und Ende anbeten. Wiewol auch diese Nahmen nicht seinem Wesen/ sondern nur unser Schwach- heit gemäß sind; und daß wie ein Mensch nach unterschiedenen Absehen drey und mehrerley Personen fürstellet; also das an sich selbst einige Göttliche Wesen nach dem Unterscheide seiner Hülffe und Würckungen vielerley Götter; und [Spaltenumbruch] daher von den Unwissenden auch so viel Nah- men bekommen habe. Lasse dich nur berichten: daß/ als der kluge Euripides die Sonne den gros- sen Allmosen-Meister Gottes nicht für einen Gott erkennet/ sondern einen güldenen Erd- schollen genennet/ er vom Pericles kaum aus den Händen des Pöfels errettet worden. Frage die Griechen: Ob nicht ihre Hermesianax öffent- lich gelehrt: daß Pluto/ Proserpina/ Ceres/ Ve- nus/ Cupido/ Triton/ Nereus/ Thetis/ Neptun/ Mercur/ Vulcan/ Pan und Apollo alles ein Gott sey? Pythagoras und Socrates hat zwar mehr dienstbare Geister Gottes als Mitteldin- ge zwischen ihm und den Menschen/ welche die- sen die Göttliche Gaben/ jenem die Menschliche Seuffzer zubrächten/ aber nur einen wahren Gott geglaubt. Ja mein lieber Cheremon/ lasse nur das Licht der Natur dir hierinnen den Weg zeigen: Hältestu nicht Gott für das voll- kommenste Wesen aller Dinge? Kan aber die Vollkommenheit also zerstücket seyn? Raubstu nicht Gott seine Eigenschafft der Vollkommen- heit/ wenn du selbte nicht der gantzen Welt Herr- schafft gewachsen zu seyn gläubest/ und dardurch der Vollkommenheit Mängel ausstellest; wenn du ihm unnöthige Gehülffen beysetzest? Warum setzestu dem sichtbaren Spiegel Gottes der Sonne/ nicht eine andere an die Seite? Mei- nestu deinem Schiffe besser zu rathen/ wenn du ihm noch ein Steuerruder ansetzen wirst? Wilstu Gott/ welchen die Egyptier einen unbegreiffli- chen Zirckel heissen/ seiner Unbegreiffligkeit be- rauben; wenn du seine Macht in so viel zerthei- lest/ da doch die Unbegreiffligkeit alles begreiffet/ nichts ausschleust/ und also nichts unbegreiffli- ches neben sich vertragen kan. Lasse dir aber auch nicht träumen/ daß der Schöpffer der Welt/ der in sich aller Dinge Bilder wie in einem Spiegel behält/ zu seiner Auffsicht einige Mühe bedürffe. Dessen blosser Wille genug zum Saamen aller Geschöpffe gewest; darff auch nichts beschwerli- chers zu ihrer Leitung. Hüte dich auch so wohl in seiner
Fuͤnfftes Buch [Spaltenumbruch]
dem Altare des unbekandten Gottes am heilig-ſten angebetet wird/ doch mit tauſend Zungen nicht ausgeſprochen werden kan. Betrachte ſelbſt nur etwas tieffſinniger das Bild und die Eigenſchafften der Jſis; ſo wirſtu handgreifflich wahrnehmen: daß deine Jſis wegen ihrer Weiß- heit der Griechen Minerva/ wegen Fruchtbar- keit/ die Venus/ wegen ihrer Herrſchafft in der Lufft/ die Juno/ wegen ihrer unterirrdiſchen Kraͤfte/ Proſerpina/ wegen Erfindung des Wei- tzens/ Ceres/ wegen ihrer Waldſorge/ Diana/ wegen Beſeelung der Erde/ Rhea/ wegen ihrer himmliſchen Wuͤrckung Cynthia; dieſes alles aber nur eine Jſis ſey. Frage Roͤmer und Griechen/ warum ſie bey Anruffung ihres Ju- piters das Haupt/ der Minerva die Augen/ der Juno die Armen/ des Neptun die Bruſt/ anruͤhren? Ob ihre Andacht nicht dadurch auf ein einiges Goͤttliches Weſen/ wie ihr Finger auff einen einigen Leib ziele? Haſtu von dem Lehrmeiſter des Plato Sechnuphim nicht geler- net: daß wie der Zirckel nur einen Mittelpunct/ alſo der Kreiß der gantzen Welt nur ein einiges Goͤttliches Weſen habe/ welches aber alle Thei- le bewohne und beſeele? Frage deine Platoni- ſche Weiſen: Ob die Vielheit der Goͤtter nicht nur ein Glaube des Poͤfels/ Gottes Einigkeit aber ein Geheimnis der Weiſen ſey? Ob nicht Plato nur aus Furcht fuͤr dem Volcke mehrern Goͤttern geopfert/ woꝛmit eꝛ nicht ſelbſt/ wie So- crates/ ein Opffer ihrer Grauſamkeit wuͤrde. So gehe zu deinen Landsleuten nach Thebe und frage: Ob ſie nicht allein den Gott Kneph/ wel- chen wir Wiſtnou und Eßwara/ die Roͤmer Ju- piter neñen/ fuͤr einen Gott ohne Urſprung und Ende anbetẽ. Wiewol auch dieſe Nahmen nicht ſeinem Weſen/ ſondern nur unſer Schwach- heit gemaͤß ſind; und daß wie ein Menſch nach unterſchiedenen Abſehen drey und mehrerley Perſonen fuͤrſtellet; alſo das an ſich ſelbſt einige Goͤttliche Weſen nach dem Unterſcheide ſeiner Huͤlffe und Wuͤrckungen vielerley Goͤtter; und [Spaltenumbruch] daher von den Unwiſſenden auch ſo viel Nah- men bekommen habe. Laſſe dich nur berichten: daß/ als der kluge Euripides die Soñe den groſ- ſen Allmoſen-Meiſter Gottes nicht fuͤr einen Gott erkennet/ ſondern einen guͤldenen Erd- ſchollen genennet/ er vom Pericles kaum aus den Haͤnden des Poͤfels errettet worden. Frage die Griechen: Ob nicht ihre Hermeſianax oͤffent- lich gelehrt: daß Pluto/ Proſerpina/ Ceres/ Ve- nus/ Cupido/ Triton/ Nereus/ Thetis/ Neptun/ Mercur/ Vulcan/ Pan und Apollo alles ein Gott ſey? Pythagoras und Socrates hat zwar mehr dienſtbare Geiſter Gottes als Mitteldin- ge zwiſchen ihm und den Menſchen/ welche die- ſen die Goͤttliche Gaben/ jenem die Menſchliche Seuffzer zubraͤchten/ aber nur einen wahren Gott geglaubt. Ja mein lieber Cheremon/ laſſe nur das Licht der Natur dir hierinnen den Weg zeigen: Haͤlteſtu nicht Gott fuͤr das voll- kommenſte Weſen aller Dinge? Kan aber die Vollkommenheit alſo zerſtuͤcket ſeyn? Raubſtu nicht Gott ſeine Eigenſchafft der Vollkommen- heit/ wenn du ſelbte nicht der gantzen Welt Herꝛ- ſchafft gewachſen zu ſeyn glaͤubeſt/ und dardurch der Vollkommenheit Maͤngel ausſtelleſt; wenn du ihm unnoͤthige Gehuͤlffen beyſetzeſt? Warum ſetzeſtu dem ſichtbaren Spiegel Gottes der Sonne/ nicht eine andere an die Seite? Mei- neſtu deinem Schiffe beſſer zu rathen/ wenn du ihm noch ein Steuerruder anſetzen wirſt? Wilſtu Gott/ welchen die Egyptier einen unbegreiffli- chen Zirckel heiſſen/ ſeiner Unbegreiffligkeit be- rauben; wenn du ſeine Macht in ſo viel zerthei- leſt/ da doch die Unbegreiffligkeit alles begreiffet/ nichts ausſchleuſt/ und alſo nichts unbegreiffli- ches neben ſich vertragen kan. Laſſe dir aber auch nicht traͤumen/ daß der Schoͤpffer der Welt/ der in ſich aller Dinge Bilder wie in einem Spiegel behaͤlt/ zu ſeiner Auffſicht einige Muͤhe beduͤrffe. Deſſen bloſſer Wille genug zum Saamen aller Geſchoͤpffe geweſt; darff auch nichts beſchwerli- chers zu ihrer Leitung. Huͤte dich auch ſo wohl in ſeiner
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Fuͤnfftes Buch
dem Altare des unbekandten Gottes am heilig-
ſten angebetet wird/ doch mit tauſend Zungen
nicht ausgeſprochen werden kan. Betrachte
ſelbſt nur etwas tieffſinniger das Bild und die
Eigenſchafften der Jſis; ſo wirſtu handgreifflich
wahrnehmen: daß deine Jſis wegen ihrer Weiß-
heit der Griechen Minerva/ wegen Fruchtbar-
keit/ die Venus/ wegen ihrer Herrſchafft in der
Lufft/ die Juno/ wegen ihrer unterirrdiſchen
Kraͤfte/ Proſerpina/ wegen Erfindung des Wei-
tzens/ Ceres/ wegen ihrer Waldſorge/ Diana/
wegen Beſeelung der Erde/ Rhea/ wegen ihrer
himmliſchen Wuͤrckung Cynthia; dieſes alles
aber nur eine Jſis ſey. Frage Roͤmer und
Griechen/ warum ſie bey Anruffung ihres Ju-
piters das Haupt/ der Minerva die Augen/
der Juno die Armen/ des Neptun die Bruſt/
anruͤhren? Ob ihre Andacht nicht dadurch auf
ein einiges Goͤttliches Weſen/ wie ihr Finger
auff einen einigen Leib ziele? Haſtu von dem
Lehrmeiſter des Plato Sechnuphim nicht geler-
net: daß wie der Zirckel nur einen Mittelpunct/
alſo der Kreiß der gantzen Welt nur ein einiges
Goͤttliches Weſen habe/ welches aber alle Thei-
le bewohne und beſeele? Frage deine Platoni-
ſche Weiſen: Ob die Vielheit der Goͤtter nicht
nur ein Glaube des Poͤfels/ Gottes Einigkeit
aber ein Geheimnis der Weiſen ſey? Ob nicht
Plato nur aus Furcht fuͤr dem Volcke mehrern
Goͤttern geopfert/ woꝛmit eꝛ nicht ſelbſt/ wie So-
crates/ ein Opffer ihrer Grauſamkeit wuͤrde.
So gehe zu deinen Landsleuten nach Thebe und
frage: Ob ſie nicht allein den Gott Kneph/ wel-
chen wir Wiſtnou und Eßwara/ die Roͤmer Ju-
piter neñen/ fuͤr einen Gott ohne Urſprung und
Ende anbetẽ. Wiewol auch dieſe Nahmen nicht
ſeinem Weſen/ ſondern nur unſer Schwach-
heit gemaͤß ſind; und daß wie ein Menſch nach
unterſchiedenen Abſehen drey und mehrerley
Perſonen fuͤrſtellet; alſo das an ſich ſelbſt einige
Goͤttliche Weſen nach dem Unterſcheide ſeiner
Huͤlffe und Wuͤrckungen vielerley Goͤtter; und
daher von den Unwiſſenden auch ſo viel Nah-
men bekommen habe. Laſſe dich nur berichten:
daß/ als der kluge Euripides die Soñe den groſ-
ſen Allmoſen-Meiſter Gottes nicht fuͤr einen
Gott erkennet/ ſondern einen guͤldenen Erd-
ſchollen genennet/ er vom Pericles kaum aus den
Haͤnden des Poͤfels errettet worden. Frage
die Griechen: Ob nicht ihre Hermeſianax oͤffent-
lich gelehrt: daß Pluto/ Proſerpina/ Ceres/ Ve-
nus/ Cupido/ Triton/ Nereus/ Thetis/ Neptun/
Mercur/ Vulcan/ Pan und Apollo alles ein
Gott ſey? Pythagoras und Socrates hat zwar
mehr dienſtbare Geiſter Gottes als Mitteldin-
ge zwiſchen ihm und den Menſchen/ welche die-
ſen die Goͤttliche Gaben/ jenem die Menſchliche
Seuffzer zubraͤchten/ aber nur einen wahren
Gott geglaubt. Ja mein lieber Cheremon/
laſſe nur das Licht der Natur dir hierinnen den
Weg zeigen: Haͤlteſtu nicht Gott fuͤr das voll-
kommenſte Weſen aller Dinge? Kan aber die
Vollkommenheit alſo zerſtuͤcket ſeyn? Raubſtu
nicht Gott ſeine Eigenſchafft der Vollkommen-
heit/ wenn du ſelbte nicht der gantzen Welt Herꝛ-
ſchafft gewachſen zu ſeyn glaͤubeſt/ und dardurch
der Vollkommenheit Maͤngel ausſtelleſt; wenn
du ihm unnoͤthige Gehuͤlffen beyſetzeſt? Warum
ſetzeſtu dem ſichtbaren Spiegel Gottes der
Sonne/ nicht eine andere an die Seite? Mei-
neſtu deinem Schiffe beſſer zu rathen/ wenn du
ihm noch ein Steuerruder anſetzen wirſt? Wilſtu
Gott/ welchen die Egyptier einen unbegreiffli-
chen Zirckel heiſſen/ ſeiner Unbegreiffligkeit be-
rauben; wenn du ſeine Macht in ſo viel zerthei-
leſt/ da doch die Unbegreiffligkeit alles begreiffet/
nichts ausſchleuſt/ und alſo nichts unbegreiffli-
ches neben ſich vertragen kan. Laſſe dir aber auch
nicht traͤumen/ daß der Schoͤpffer der Welt/ der
in ſich aller Dinge Bilder wie in einem Spiegel
behaͤlt/ zu ſeiner Auffſicht einige Muͤhe beduͤrffe.
Deſſen bloſſer Wille genug zum Saamen aller
Geſchoͤpffe geweſt; darff auch nichts beſchwerli-
chers zu ihrer Leitung. Huͤte dich auch ſo wohl in
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 710. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/766>, abgerufen am 29.06.2024. |