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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ten Weltweisen; ja wenn des Käysers Anwe-
senheit nicht Zarmarn beschirmet hätte/ besorge
ich: man hätte ihn als einen Abergläubigen in
des Socrates Kercker und zu seinem Gift-
Trancke verdammet. Cheremon/ welcher in
dieser Zusammenkunfft der Jsis eingeführten
Gottes-Dienst rechtfertigen solte/ stand hiermit
auf; und an statt seines fürgesetzten Zweckes
schärffte er seine Zunge wider Zarmarn/ durch
dessen Widerlegung er sich für allen Weisen
gantz Griechenlands meynte sehen zu lassen.
Diesemnach fing er mit einer hochtrabenden
Stimme an: Jch halte nicht nöthig die der gan-
tzen Welt kündige Gottheit der grossen Jsis/
der Tochter des Saturnus/ die den mächtigen
Osiris zum Ehmanne/ Bruder/ und Sohne
gehabt/ auszuführen. Sie ist es/ welche die
Menschen mit Getreide/ Artzneyen und Gefe-
tzen am ersten beseliget/ und der Welt zum be-
sten die Glieder des vom Tiphon zerrissenen
Osiris mit höchster Sorgfalt zusammen gesucht
hat. Sie ist es/ welcher Krafft in den Stra-
len des glüenden Hunds-Sternes zu prüfen
ist. Wessentwegen die weisen Egyptier die
ältesten aller Völcker/ unter welcher Herrschaft
die Sonne viermal ihren grossen Lauff verän-
dert hat/ und zwey unterschiedene mal im
Abende aufgegangen ist/ bey die zwey Götter-
Bilder des Osiris und Jsis allezeit die Seule
des Horus gesetzet; welcher mit dem Finger
auf dem Munde gewarniget: daß niemand
diese Götter Menschen nennen solte. Dieser
Unwissende aber unterfängt sich durch Fürbil-
dung eines einigen Gottes/ nicht nur die un-
vergleichliche Jsis/ sondern so viel Göt-
ter Griechenlands von ihrem Throne zu stür-
tzen; und ausser seinem Gotte allen andern/
ja der Welt/ worüber Jsis die Gebieterin ist/
die Ewigkeit abzusprechen. Meynest du
wohl: daß eine so weitläufftige Aufficht/ als
Himmel/ Erde/ Meer/ und so viel tausenderley
Arten Thiere bedürffen/ von einem Gotte
[Spaltenumbruch] möglich zu bestreiten sind? Gläubest du? daß dem
höchsten Gotte sich aller geringen Händel an-
zumassen anständig sey; welches auch ein mit-
telmässiger Haus-Vater ihm zu verächtlich
schätzt? Benimmst du deinem Gotte alle Frucht-
barkeit seines gleichen zu zeugen; welche denen
auf dem Bauche kriechenden Thieren doch nicht
mangelt? Oder benimmst du ihm die den Göt-
tern sonst gemeine Art des männ- und weibli-
chen Geschlechtes? Entzeuchst du der aufrichti-
gen Vorwelt allen Glauben/ derer Augen sich
mehr als eine Gottheit offenbaret hat/ derer
Vielheit aus dem Unterscheide widerwertiger
Würckungen erhellet/ und derer Eigenschaften
sie mit so viel hundert Nahmen offenbaret? da
du aber Gott selbst für ewig hältst/ mit was für
Vernunft entzeuchst du die Ewigkeit der Welt/
welche ein Schatten ist des ewigen Lichtes; ein
sichtbares Bild des unsichtbaren? Ausser wel-
cher Gott vorher in nichts hätte würcken kön-
nen? Was für ein Talg soll denn für der Welt
gewesen seyn/ aus welchem sie ihren Ursprung
gewonnen? Oder was eignest du ihr für ein
anständiges Alter zu/ nach dem der einige Vo-
gel Fenix sieben tausend Jahr lebet? Wie
oder gläubest du: daß eine Welt aus der an-
dern/ wie der Fenix aus seiner eigenen Asche
entspringe? Zarmar hörete den hitzigen Che-
remon ohne einige Gemüths-Bewegung aus/
und antwortete: Mein lieber Cheremon/ der
allein ewige Gott erleuchte dich: daß du deine
heilige Jsis/ welcher Priester du seyn wilst/ bes-
ser/ und nach dem Verstande deiner klügern
Vorfahren erkennen lernest; welche unter ih-
rem Nahmen keine absondere/ sondern meiner
einigen Gottheit Weißheit und Versehung
verehret haben. Sihest du die alten Griechen
aber für so alber an: daß sie so viel Götter
gegläubt/ als sie des einigen Gottes Wür-
ckungen Nahmen gegeben; welcher/ ob er
zwar keinen eigenen Nahmen hat/ und
deshalben allhier zu Athen auch auf

dem
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ten Weltweiſen; ja wenn des Kaͤyſers Anwe-
ſenheit nicht Zarmarn beſchirmet haͤtte/ beſorge
ich: man haͤtte ihn als einen Aberglaͤubigen in
des Socrates Kercker und zu ſeinem Gift-
Trancke verdammet. Cheremon/ welcher in
dieſer Zuſammenkunfft der Jſis eingefuͤhrten
Gottes-Dienſt rechtfertigen ſolte/ ſtand hiermit
auf; und an ſtatt ſeines fuͤrgeſetzten Zweckes
ſchaͤrffte er ſeine Zunge wider Zarmarn/ durch
deſſen Widerlegung er ſich fuͤr allen Weiſen
gantz Griechenlands meynte ſehen zu laſſen.
Dieſemnach fing er mit einer hochtrabenden
Stimme an: Jch halte nicht noͤthig die der gan-
tzen Welt kuͤndige Gottheit der groſſen Jſis/
der Tochter des Saturnus/ die den maͤchtigen
Oſiris zum Ehmanne/ Bruder/ und Sohne
gehabt/ auszufuͤhren. Sie iſt es/ welche die
Menſchen mit Getreide/ Artzneyen und Gefe-
tzen am erſten beſeliget/ und der Welt zum be-
ſten die Glieder des vom Tiphon zerriſſenen
Oſiris mit hoͤchſter Sorgfalt zuſammen geſucht
hat. Sie iſt es/ welcher Krafft in den Stra-
len des gluͤenden Hunds-Sternes zu pruͤfen
iſt. Weſſentwegen die weiſen Egyptier die
aͤlteſten aller Voͤlcker/ unter welcher Herrſchaft
die Sonne viermal ihren groſſen Lauff veraͤn-
dert hat/ und zwey unterſchiedene mal im
Abende aufgegangen iſt/ bey die zwey Goͤtter-
Bilder des Oſiris und Jſis allezeit die Seule
des Horus geſetzet; welcher mit dem Finger
auf dem Munde gewarniget: daß niemand
dieſe Goͤtter Menſchen nennen ſolte. Dieſer
Unwiſſende aber unterfaͤngt ſich durch Fuͤrbil-
dung eines einigen Gottes/ nicht nur die un-
vergleichliche Jſis/ ſondern ſo viel Goͤt-
ter Griechenlands von ihrem Throne zu ſtuͤr-
tzen; und auſſer ſeinem Gotte allen andern/
ja der Welt/ woruͤber Jſis die Gebieterin iſt/
die Ewigkeit abzuſprechen. Meyneſt du
wohl: daß eine ſo weitlaͤufftige Aufficht/ als
Himmel/ Erde/ Meer/ und ſo viel tauſenderley
Arten Thiere beduͤrffen/ von einem Gotte
[Spaltenumbruch] moͤglich zu beſtreiten ſind? Glaͤubeſt du? daß dem
hoͤchſten Gotte ſich aller geringen Haͤndel an-
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telmaͤſſiger Haus-Vater ihm zu veraͤchtlich
ſchaͤtzt? Benim̃ſt du deinem Gotte alle Frucht-
barkeit ſeines gleichen zu zeugen; welche denen
auf dem Bauche kriechenden Thieren doch nicht
mangelt? Oder benim̃ſt du ihm die den Goͤt-
tern ſonſt gemeine Art des maͤnn- und weibli-
chen Geſchlechtes? Entzeuchſt du der aufrichti-
gen Vorwelt allen Glauben/ derer Augen ſich
mehr als eine Gottheit offenbaret hat/ derer
Vielheit aus dem Unterſcheide widerwertiger
Wuͤrckungen erhellet/ und derer Eigenſchaften
ſie mit ſo viel hundert Nahmen offenbaret? da
du aber Gott ſelbſt fuͤr ewig haͤltſt/ mit was fuͤr
Vernunft entzeuchſt du die Ewigkeit der Welt/
welche ein Schatten iſt des ewigen Lichtes; ein
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cher Gott vorher in nichts haͤtte wuͤrcken koͤn-
nen? Was fuͤr ein Talg ſoll denn fuͤr der Welt
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gewonnen? Oder was eigneſt du ihr fuͤr ein
anſtaͤndiges Alter zu/ nach dem der einige Vo-
gel Fenix ſieben tauſend Jahr lebet? Wie
oder glaͤubeſt du: daß eine Welt aus der an-
dern/ wie der Fenix aus ſeiner eigenen Aſche
entſpringe? Zarmar hoͤrete den hitzigen Che-
remon ohne einige Gemuͤths-Bewegung aus/
und antwortete: Mein lieber Cheremon/ der
allein ewige Gott erleuchte dich: daß du deine
heilige Jſis/ welcher Prieſter du ſeyn wilſt/ beſ-
ſer/ und nach dem Verſtande deiner kluͤgern
Vorfahren erkennen lerneſt; welche unter ih-
rem Nahmen keine abſondere/ ſondern meiner
einigen Gottheit Weißheit und Verſehung
verehret haben. Siheſt du die alten Griechen
aber fuͤr ſo alber an: daß ſie ſo viel Goͤtter
geglaͤubt/ als ſie des einigen Gottes Wuͤr-
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deshalben allhier zu Athen auch auf

dem
U u u u 3
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[709/0765] Arminius und Thußnelda. ten Weltweiſen; ja wenn des Kaͤyſers Anwe- ſenheit nicht Zarmarn beſchirmet haͤtte/ beſorge ich: man haͤtte ihn als einen Aberglaͤubigen in des Socrates Kercker und zu ſeinem Gift- Trancke verdammet. Cheremon/ welcher in dieſer Zuſammenkunfft der Jſis eingefuͤhrten Gottes-Dienſt rechtfertigen ſolte/ ſtand hiermit auf; und an ſtatt ſeines fuͤrgeſetzten Zweckes ſchaͤrffte er ſeine Zunge wider Zarmarn/ durch deſſen Widerlegung er ſich fuͤr allen Weiſen gantz Griechenlands meynte ſehen zu laſſen. Dieſemnach fing er mit einer hochtrabenden Stimme an: Jch halte nicht noͤthig die der gan- tzen Welt kuͤndige Gottheit der groſſen Jſis/ der Tochter des Saturnus/ die den maͤchtigen Oſiris zum Ehmanne/ Bruder/ und Sohne gehabt/ auszufuͤhren. Sie iſt es/ welche die Menſchen mit Getreide/ Artzneyen und Gefe- tzen am erſten beſeliget/ und der Welt zum be- ſten die Glieder des vom Tiphon zerriſſenen Oſiris mit hoͤchſter Sorgfalt zuſammen geſucht hat. Sie iſt es/ welcher Krafft in den Stra- len des gluͤenden Hunds-Sternes zu pruͤfen iſt. Weſſentwegen die weiſen Egyptier die aͤlteſten aller Voͤlcker/ unter welcher Herrſchaft die Sonne viermal ihren groſſen Lauff veraͤn- dert hat/ und zwey unterſchiedene mal im Abende aufgegangen iſt/ bey die zwey Goͤtter- Bilder des Oſiris und Jſis allezeit die Seule des Horus geſetzet; welcher mit dem Finger auf dem Munde gewarniget: daß niemand dieſe Goͤtter Menſchen nennen ſolte. Dieſer Unwiſſende aber unterfaͤngt ſich durch Fuͤrbil- dung eines einigen Gottes/ nicht nur die un- vergleichliche Jſis/ ſondern ſo viel Goͤt- ter Griechenlands von ihrem Throne zu ſtuͤr- tzen; und auſſer ſeinem Gotte allen andern/ ja der Welt/ woruͤber Jſis die Gebieterin iſt/ die Ewigkeit abzuſprechen. Meyneſt du wohl: daß eine ſo weitlaͤufftige Aufficht/ als Himmel/ Erde/ Meer/ und ſo viel tauſenderley Arten Thiere beduͤrffen/ von einem Gotte moͤglich zu beſtreiten ſind? Glaͤubeſt du? daß dem hoͤchſten Gotte ſich aller geringen Haͤndel an- zumaſſen anſtaͤndig ſey; welches auch ein mit- telmaͤſſiger Haus-Vater ihm zu veraͤchtlich ſchaͤtzt? Benim̃ſt du deinem Gotte alle Frucht- barkeit ſeines gleichen zu zeugen; welche denen auf dem Bauche kriechenden Thieren doch nicht mangelt? Oder benim̃ſt du ihm die den Goͤt- tern ſonſt gemeine Art des maͤnn- und weibli- chen Geſchlechtes? Entzeuchſt du der aufrichti- gen Vorwelt allen Glauben/ derer Augen ſich mehr als eine Gottheit offenbaret hat/ derer Vielheit aus dem Unterſcheide widerwertiger Wuͤrckungen erhellet/ und derer Eigenſchaften ſie mit ſo viel hundert Nahmen offenbaret? da du aber Gott ſelbſt fuͤr ewig haͤltſt/ mit was fuͤr Vernunft entzeuchſt du die Ewigkeit der Welt/ welche ein Schatten iſt des ewigen Lichtes; ein ſichtbares Bild des unſichtbaren? Auſſer wel- cher Gott vorher in nichts haͤtte wuͤrcken koͤn- nen? Was fuͤr ein Talg ſoll denn fuͤr der Welt geweſen ſeyn/ aus welchem ſie ihren Urſprung gewonnen? Oder was eigneſt du ihr fuͤr ein anſtaͤndiges Alter zu/ nach dem der einige Vo- gel Fenix ſieben tauſend Jahr lebet? Wie oder glaͤubeſt du: daß eine Welt aus der an- dern/ wie der Fenix aus ſeiner eigenen Aſche entſpringe? Zarmar hoͤrete den hitzigen Che- remon ohne einige Gemuͤths-Bewegung aus/ und antwortete: Mein lieber Cheremon/ der allein ewige Gott erleuchte dich: daß du deine heilige Jſis/ welcher Prieſter du ſeyn wilſt/ beſ- ſer/ und nach dem Verſtande deiner kluͤgern Vorfahren erkennen lerneſt; welche unter ih- rem Nahmen keine abſondere/ ſondern meiner einigen Gottheit Weißheit und Verſehung verehret haben. Siheſt du die alten Griechen aber fuͤr ſo alber an: daß ſie ſo viel Goͤtter geglaͤubt/ als ſie des einigen Gottes Wuͤr- ckungen Nahmen gegeben; welcher/ ob er zwar keinen eigenen Nahmen hat/ und deshalben allhier zu Athen auch auf dem U u u u 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 709. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/765>, abgerufen am 22.11.2024.