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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] aus dem Munde eurer Gottheit hervor schüssen
sehen? Frage den Plato und Zenon: Ob jener
nicht Gott/ als den Schöpffer aller Dinge/
ausser sich verehret/ und der Tauerung der
Welt ein gewiß Ziel steckt; dieser aber ihre
Geburt dem Sonnen-Staube zueigne? Be-
trachte ihr verterbliches Wesen/ und daß wir
Sternen gebohren werden/ und wieder erster-
ben sehen. Jst es aber wohl möglich: daß et-
was verterbliches von Ewigkeit her sey/ und
in Ewigkeit tauere? Unterstehestu dich aber
Gott einem Drechßler zu vergleichen; der ohne
Bein oder Holtz nichts verfertigen kan? O du
alberer Mensch! Siehe die elende Spinne/ den
ohnmächtigen Seiden-Wurm an; wie jene ihr
Netze/ dieses sein Gewebe aus sich selber spin-
net. Du aber wilst den/ der alles in sich begreif-
fet/ diesen geringen Würmern nachsetzen/ und
den/ der ohne Anfang ist/ nach dem Maße der
Zeit messen/ und die Wercke dessen/ für dem tau-
send Jahre keinen Augenblick machen; durch
deine Getichte in Zweiffel ziehen; ja wohl dem/
der mit einem Atheme zehn solche Welten er-
schaffen kan/ und derer Vielheit nicht nur die
Jndianischen Weisen/ sondern auch Epicurus
und Metrodorus geglaubet/ die Hände bin-
den? Wormit du aber an der Warheit meiner
Lehre so viel weniger zu zweiffeln hast; so will
ich selbte morgen für dem Altare des dir unbe-
kandten Gottes mit einem solchen beweglichen
Grunde bestetigen: daß du mir nicht einmahl
wirst widersprechen können; Euch aber allen
theils ein Beyspiel der Nachfolge lassen/ theils
ein Geheimniß eröffnen/ an welchem unser
und der Welt Wohlfarth henget. Jederman
hörte dem Zarmar/ den man anfangs für einen
Barbarn gehalten/ nunmehro aber so wohl in
der Griechen als Egyptier Weißheit genug-
sam erfahren zu seyn befand/ mit Vergnü-
gung zu; Jedoch waren aller Augen und Oh-
ren auff den Cheremon gewendet; was dieser
Zarmarn entgegen setzen würde. Nachdem
[Spaltenumbruch] er aber gäntzlich verstummte; machte er sich
allen Anwesenden zum Gelächter/ und dieser
Versammlung ein Ende. Zarmar hinge-
gen nahm mit grossem Ansehen seinen Ab-
schied; iedoch verlohr er sich in dem Gedrän-
ge des Volckes aus unsern Augen: daß wir
ihn biß an den Morgen auff dem bestimmten
Platze für dem Heiligthume des unbekandten
Gottes nicht zu Gesichte bekamen. Gantz
Athen drang sich mit anbrechendem Tage da-
hin; und als Masulipat/ Mecenas/ und ich
dahin aus Begierde eine sonderbare Neuig-
keit zu vernehmen ankamen/ fanden wir ihn
in seiner Jndianischen Tracht für dem Alta-
re/ auff welchem kein Bild/ sondern allein ein
Dreyeck/ und darinnen die Worte: Dem un-
bekanten Gotte/
in Stein eingegraben
zu sehen war/ auff dem Antlitze im Staube
ligen. Wie er nun seine Andacht vollendet;
richtete er sich mit freudigem Antlitze empor/
und stieg auff einen nah darbey auffgethürm-
ten Holtzhauffen. Auff diesem sahe er sich ei-
ne gute Weile um/ biß er unter der grossen
Menge Volckes den Käyser/ und uns auff
einer Seiten an etlichen Fenstern erblickte.
Hirmit fing er mit erhobener Stimme an:

Es ist heute gleich neun mahl neun Jahre/
da mich der einige und ewige Gott in diese
vergängliche Welt hat lassen gebohren werden.
Dieses Ziel des Alters halten viel Weisen für
das vollkommenste des menschlichen Lebens;
welche aus der siebenden Zahl dem Leibe/ aus
der neundten dem Gemüthe sonderbare Ge-
heimnisse ausrechnen. Aller Völcker Welt-
weisen/ die damahls in Griechenland waren/
haben euren Plato für göttlich gehalten/ und
ihm Opffer geschlachtet/ weil er in eben dem Ge-
burtstage seines ein und achzigsten Jahres die
Hülsen seines sterblichen Leibes abgelegt. Era-
tosthenes/ und Xenocrates haben in eben diesem
Jahre zu erblassen das Glück gehabt. Dionysius

Hera-

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] aus dem Munde eurer Gottheit hervor ſchuͤſſen
ſehen? Frage den Plato und Zenon: Ob jener
nicht Gott/ als den Schoͤpffer aller Dinge/
auſſer ſich verehret/ und der Tauerung der
Welt ein gewiß Ziel ſteckt; dieſer aber ihre
Geburt dem Sonnen-Staube zueigne? Be-
trachte ihr verterbliches Weſen/ und daß wir
Sternen gebohren werden/ und wieder erſter-
ben ſehen. Jſt es aber wohl moͤglich: daß et-
was verterbliches von Ewigkeit her ſey/ und
in Ewigkeit tauere? Unterſteheſtu dich aber
Gott einem Drechßler zu vergleichen; der ohne
Bein oder Holtz nichts verfertigen kan? O du
alberer Menſch! Siehe die elende Spinne/ den
ohnmaͤchtigen Seiden-Wurm an; wie jene ihr
Netze/ dieſes ſein Gewebe aus ſich ſelber ſpin-
net. Du aber wilſt den/ der alles in ſich begreif-
fet/ dieſen geringen Wuͤrmern nachſetzen/ und
den/ der ohne Anfang iſt/ nach dem Maße der
Zeit meſſen/ und die Wercke deſſen/ fuͤr dem tau-
ſend Jahre keinen Augenblick machen; durch
deine Getichte in Zweiffel ziehen; ja wohl dem/
der mit einem Atheme zehn ſolche Welten er-
ſchaffen kan/ und derer Vielheit nicht nur die
Jndianiſchen Weiſen/ ſondern auch Epicurus
und Metrodorus geglaubet/ die Haͤnde bin-
den? Wormit du aber an der Warheit meiner
Lehre ſo viel weniger zu zweiffeln haſt; ſo will
ich ſelbte morgen fuͤr dem Altare des dir unbe-
kandten Gottes mit einem ſolchen beweglichen
Grunde beſtetigen: daß du mir nicht einmahl
wirſt widerſprechen koͤnnen; Euch aber allen
theils ein Beyſpiel der Nachfolge laſſen/ theils
ein Geheimniß eroͤffnen/ an welchem unſer
und der Welt Wohlfarth henget. Jederman
hoͤrte dem Zarmar/ den man anfangs fuͤr einen
Barbarn gehalten/ nunmehro aber ſo wohl in
der Griechen als Egyptier Weißheit genug-
ſam erfahren zu ſeyn befand/ mit Vergnuͤ-
gung zu; Jedoch waren aller Augen und Oh-
ren auff den Cheremon gewendet; was dieſer
Zarmarn entgegen ſetzen wuͤrde. Nachdem
[Spaltenumbruch] er aber gaͤntzlich verſtummte; machte er ſich
allen Anweſenden zum Gelaͤchter/ und dieſer
Verſammlung ein Ende. Zarmar hinge-
gen nahm mit groſſem Anſehen ſeinen Ab-
ſchied; iedoch verlohr er ſich in dem Gedraͤn-
ge des Volckes aus unſern Augen: daß wir
ihn biß an den Morgen auff dem beſtimmten
Platze fuͤr dem Heiligthume des unbekandten
Gottes nicht zu Geſichte bekamen. Gantz
Athen drang ſich mit anbrechendem Tage da-
hin; und als Maſulipat/ Mecenas/ und ich
dahin aus Begierde eine ſonderbare Neuig-
keit zu vernehmen ankamen/ fanden wir ihn
in ſeiner Jndianiſchen Tracht fuͤr dem Alta-
re/ auff welchem kein Bild/ ſondern allein ein
Dreyeck/ und dariñen die Worte: Dem un-
bekanten Gotte/
in Stein eingegraben
zu ſehen war/ auff dem Antlitze im Staube
ligen. Wie er nun ſeine Andacht vollendet;
richtete er ſich mit freudigem Antlitze empor/
und ſtieg auff einen nah darbey auffgethuͤrm-
ten Holtzhauffen. Auff dieſem ſahe er ſich ei-
ne gute Weile um/ biß er unter der groſſen
Menge Volckes den Kaͤyſer/ und uns auff
einer Seiten an etlichen Fenſtern erblickte.
Hirmit fing er mit erhobener Stimme an:

Es iſt heute gleich neun mahl neun Jahre/
da mich der einige und ewige Gott in dieſe
vergaͤngliche Welt hat laſſen gebohren werden.
Dieſes Ziel des Alters halten viel Weiſen fuͤr
das vollkommenſte des menſchlichen Lebens;
welche aus der ſiebenden Zahl dem Leibe/ aus
der neundten dem Gemuͤthe ſonderbare Ge-
heimniſſe ausrechnen. Aller Voͤlcker Welt-
weiſen/ die damahls in Griechenland waren/
haben euren Plato fuͤr goͤttlich gehalten/ und
ihm Opffer geſchlachtet/ weil er in eben dem Ge-
burtstage ſeines ein und achzigſten Jahres die
Huͤlſen ſeines ſterblichen Leibes abgelegt. Era-
toſthenes/ und Xenocrates haben in eben dieſem
Jahre zu erblaſſen das Gluͤck gehabt. Dionyſius

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[712/0768] Fuͤnfftes Buch aus dem Munde eurer Gottheit hervor ſchuͤſſen ſehen? Frage den Plato und Zenon: Ob jener nicht Gott/ als den Schoͤpffer aller Dinge/ auſſer ſich verehret/ und der Tauerung der Welt ein gewiß Ziel ſteckt; dieſer aber ihre Geburt dem Sonnen-Staube zueigne? Be- trachte ihr verterbliches Weſen/ und daß wir Sternen gebohren werden/ und wieder erſter- ben ſehen. Jſt es aber wohl moͤglich: daß et- was verterbliches von Ewigkeit her ſey/ und in Ewigkeit tauere? Unterſteheſtu dich aber Gott einem Drechßler zu vergleichen; der ohne Bein oder Holtz nichts verfertigen kan? O du alberer Menſch! Siehe die elende Spinne/ den ohnmaͤchtigen Seiden-Wurm an; wie jene ihr Netze/ dieſes ſein Gewebe aus ſich ſelber ſpin- net. Du aber wilſt den/ der alles in ſich begreif- fet/ dieſen geringen Wuͤrmern nachſetzen/ und den/ der ohne Anfang iſt/ nach dem Maße der Zeit meſſen/ und die Wercke deſſen/ fuͤr dem tau- ſend Jahre keinen Augenblick machen; durch deine Getichte in Zweiffel ziehen; ja wohl dem/ der mit einem Atheme zehn ſolche Welten er- ſchaffen kan/ und derer Vielheit nicht nur die Jndianiſchen Weiſen/ ſondern auch Epicurus und Metrodorus geglaubet/ die Haͤnde bin- den? Wormit du aber an der Warheit meiner Lehre ſo viel weniger zu zweiffeln haſt; ſo will ich ſelbte morgen fuͤr dem Altare des dir unbe- kandten Gottes mit einem ſolchen beweglichen Grunde beſtetigen: daß du mir nicht einmahl wirſt widerſprechen koͤnnen; Euch aber allen theils ein Beyſpiel der Nachfolge laſſen/ theils ein Geheimniß eroͤffnen/ an welchem unſer und der Welt Wohlfarth henget. Jederman hoͤrte dem Zarmar/ den man anfangs fuͤr einen Barbarn gehalten/ nunmehro aber ſo wohl in der Griechen als Egyptier Weißheit genug- ſam erfahren zu ſeyn befand/ mit Vergnuͤ- gung zu; Jedoch waren aller Augen und Oh- ren auff den Cheremon gewendet; was dieſer Zarmarn entgegen ſetzen wuͤrde. Nachdem er aber gaͤntzlich verſtummte; machte er ſich allen Anweſenden zum Gelaͤchter/ und dieſer Verſammlung ein Ende. Zarmar hinge- gen nahm mit groſſem Anſehen ſeinen Ab- ſchied; iedoch verlohr er ſich in dem Gedraͤn- ge des Volckes aus unſern Augen: daß wir ihn biß an den Morgen auff dem beſtimmten Platze fuͤr dem Heiligthume des unbekandten Gottes nicht zu Geſichte bekamen. Gantz Athen drang ſich mit anbrechendem Tage da- hin; und als Maſulipat/ Mecenas/ und ich dahin aus Begierde eine ſonderbare Neuig- keit zu vernehmen ankamen/ fanden wir ihn in ſeiner Jndianiſchen Tracht fuͤr dem Alta- re/ auff welchem kein Bild/ ſondern allein ein Dreyeck/ und dariñen die Worte: Dem un- bekanten Gotte/ in Stein eingegraben zu ſehen war/ auff dem Antlitze im Staube ligen. Wie er nun ſeine Andacht vollendet; richtete er ſich mit freudigem Antlitze empor/ und ſtieg auff einen nah darbey auffgethuͤrm- ten Holtzhauffen. Auff dieſem ſahe er ſich ei- ne gute Weile um/ biß er unter der groſſen Menge Volckes den Kaͤyſer/ und uns auff einer Seiten an etlichen Fenſtern erblickte. Hirmit fing er mit erhobener Stimme an: Es iſt heute gleich neun mahl neun Jahre/ da mich der einige und ewige Gott in dieſe vergaͤngliche Welt hat laſſen gebohren werden. Dieſes Ziel des Alters halten viel Weiſen fuͤr das vollkommenſte des menſchlichen Lebens; welche aus der ſiebenden Zahl dem Leibe/ aus der neundten dem Gemuͤthe ſonderbare Ge- heimniſſe ausrechnen. Aller Voͤlcker Welt- weiſen/ die damahls in Griechenland waren/ haben euren Plato fuͤr goͤttlich gehalten/ und ihm Opffer geſchlachtet/ weil er in eben dem Ge- burtstage ſeines ein und achzigſten Jahres die Huͤlſen ſeines ſterblichen Leibes abgelegt. Era- toſthenes/ und Xenocrates haben in eben dieſem Jahre zu erblaſſen das Gluͤck gehabt. Dionyſius Hera-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 712. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/768>, abgerufen am 28.09.2024.