Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Sechstes Buch [Spaltenumbruch]
mich auch allhier gehört zu haben: daß kein Cat-te für Erlegung eines Feindes sich nicht dörffe bescheren lassen. Es ist nicht ohne/ versetzte Ad- gandester: daß bey vielen Völckern andere Ge- wohnheiten aufkommen; iedoch bleibet die gäntz- liche Abnehmung der Haare allenthalben ein Schandmaal. Und werden bey uns Deutschen de- nen Ehebrecherinnen die Haare zum höchsten Schimpf gantz abgeschnitten. Ausser dem pflegen wir Deutschen zwar aus eben der Ursache/ als es der grosse Alexander bey seinem Heere einführ- te/ den untersten Bart abzuschneiden/ wormit er beym Gefechte denen Kriegsleuten keine Hin- derung/ denen Feinden aber einen Vortheil selben zu fassen abgebe. Uber diß tragen wir Deutschen einen starcken Knebel-Bart/ und lange kräußlichte Haare/ welche wir aber nur in Schlachten über dem Haupte in einen Knoten zusammen knipfen/ wormit sien uns nicht für die Augen stügen/ und wir den Feinden desto schreck- licher aussehen. Malovend brach hierüber ein: Es ist allerdings wahr/ daß alle Völcker die An- tastung der Haare und Bärte für eine Beschim- pfung halten; ich glaube aber: daß der deutsche des Papirius Bart mehr aus Vorwitz/ und umb zu erfahren: Ob die unbeweglichen Alten lebten/ als selbten zu spotten angerühret habe. Hätte also Papirius wohl nicht Ursache gehabt ein zweydeutig Ding so übel aufzunehmen/ und durch unzeitigen Eifer die Sieger zu verbittern. Zumal daß die Betastung deß Bartes offt als eine Liebkosung gebraucht wird. Und hätte er sich erinnern sollen: daß Castor und Pollux den Enobarbus eben so gestreichelt/ und ihm seinen schwartzen Bart geröthet haben. Adgandester fiel ein: Man kan solche Sa- bevor-
Sechſtes Buch [Spaltenumbruch]
mich auch allhier gehoͤrt zu haben: daß kein Cat-te fuͤr Erlegung eines Feindes ſich nicht doͤrffe beſcheren laſſen. Es iſt nicht ohne/ verſetzte Ad- gandeſter: daß bey vielen Voͤlckern andere Ge- wohnheiten aufkommen; iedoch bleibet die gaͤntz- liche Abnehmung der Haare allenthalben ein Schandmaal. Und werdẽ bey uns Deutſchẽ de- nen Ehebrecherinnen die Haare zum hoͤchſten Schimpf gantz abgeſchnittẽ. Auſſer dem pflegen wir Deutſchen zwar aus eben der Urſache/ als es der groſſe Alexander bey ſeinem Heere einfuͤhr- te/ den unterſten Bart abzuſchneiden/ wormit er beym Gefechte denen Kriegsleuten keine Hin- derung/ denen Feinden aber einen Vortheil ſelben zu faſſen abgebe. Uber diß tragen wir Deutſchen einen ſtarcken Knebel-Bart/ und lange kraͤußlichte Haare/ welche wir aber nur in Schlachten uͤber dem Haupte in einen Knoten zuſammen knipfen/ wormit ſiẽ uns nicht fuͤr die Augen ſtuͤgen/ und wir den Feindẽ deſto ſchreck- licher ausſehen. Malovend brach hieruͤber ein: Es iſt allerdings wahr/ daß alle Voͤlcker die An- taſtung der Haare und Baͤrte fuͤr eine Beſchim- pfung halten; ich glaube aber: daß der deutſche des Papirius Bart mehr aus Vorwitz/ und umb zu erfahren: Ob die unbeweglichen Alten lebten/ als ſelbten zu ſpotten angeruͤhret habe. Haͤtte alſo Papirius wohl nicht Urſache gehabt ein zweydeutig Ding ſo uͤbel aufzunehmen/ und durch unzeitigen Eifer die Sieger zu verbittern. Zumal daß die Betaſtung deß Bartes offt als eine Liebkoſung gebraucht wird. Und haͤtte er ſich erinnern ſollen: daß Caſtor und Pollux den Enobarbus eben ſo geſtreichelt/ und ihm ſeinen ſchwartzen Bart geroͤthet haben. Adgandeſter fiel ein: Man kan ſolche Sa- bevor-
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Sechſtes Buch
mich auch allhier gehoͤrt zu haben: daß kein Cat-
te fuͤr Erlegung eines Feindes ſich nicht doͤrffe
beſcheren laſſen. Es iſt nicht ohne/ verſetzte Ad-
gandeſter: daß bey vielen Voͤlckern andere Ge-
wohnheiten aufkommen; iedoch bleibet die gaͤntz-
liche Abnehmung der Haare allenthalben ein
Schandmaal. Und werdẽ bey uns Deutſchẽ de-
nen Ehebrecherinnen die Haare zum hoͤchſten
Schimpf gantz abgeſchnittẽ. Auſſer dem pflegen
wir Deutſchen zwar aus eben der Urſache/ als es
der groſſe Alexander bey ſeinem Heere einfuͤhr-
te/ den unterſten Bart abzuſchneiden/ wormit er
beym Gefechte denen Kriegsleuten keine Hin-
derung/ denen Feinden aber einen Vortheil
ſelben zu faſſen abgebe. Uber diß tragen wir
Deutſchen einen ſtarcken Knebel-Bart/ und
lange kraͤußlichte Haare/ welche wir aber nur in
Schlachten uͤber dem Haupte in einen Knoten
zuſammen knipfen/ wormit ſiẽ uns nicht fuͤr die
Augen ſtuͤgen/ und wir den Feindẽ deſto ſchreck-
licher ausſehen. Malovend brach hieruͤber ein:
Es iſt allerdings wahr/ daß alle Voͤlcker die An-
taſtung der Haare und Baͤrte fuͤr eine Beſchim-
pfung halten; ich glaube aber: daß der deutſche
des Papirius Bart mehr aus Vorwitz/ und
umb zu erfahren: Ob die unbeweglichen Alten
lebten/ als ſelbten zu ſpotten angeruͤhret habe.
Haͤtte alſo Papirius wohl nicht Urſache gehabt
ein zweydeutig Ding ſo uͤbel aufzunehmen/ und
durch unzeitigen Eifer die Sieger zu verbittern.
Zumal daß die Betaſtung deß Bartes offt als
eine Liebkoſung gebraucht wird. Und haͤtte
er ſich erinnern ſollen: daß Caſtor und Pollux
den Enobarbus eben ſo geſtreichelt/ und ihm
ſeinen ſchwartzen Bart geroͤthet haben.
Adgandeſter fiel ein: Man kan ſolche Sa-
chen hin und wieder verwerffen; unterdeſſen
gerieth Rom hieruͤber wider des Hertzogen
Brennus Verbot aus vermuthlicher Rache in
Brand/ und in die Aſche. Die Semnoner
belaͤgerten das Capitolium/ und durchſtreifften
das Land biß an den Fluß Vulturus. Jenes
wuͤrden ſie unſchwer erobert haben/ wenn nicht
die Semnoner des Lucius Albinus Frau und
Tochter/ welche auf ſeinen Befehl vom Wagen
abſteigen/ und ſelbten denen ſich baarfuͤſſig-
fluͤchtenden Veſtaliſchen Jungfrauen einraͤu-
men muͤſſen/ gefangen bekommen haͤtten. Denn
Hertzog Brennus verliebte ſich ſo ſehr in die letz-
tere: daß er ihr zu Liebe das Capitolium nicht
zu ſtuͤrmen/ und alſo ihre Bluts-Verwandten
zu toͤdten/ ſondern nur durch Abſchneidung der
Lebens-Mittel zur Ubergabe zu noͤthigen an-
gelobte. Welches er ſo treulich hielt: daß als
einsmals in der Nacht die Semnoner ſtillſchwei-
gend ſchon biß auf die Mauren geſtiegen/ die
ſchlafenden Roͤmer aber viel zu ſpaͤt von dem
Geſchnater der Gaͤnſe erweckt waren/ Bren-
nus die Uberſteigung zu verfolgen verbot. Jn-
zwiſchen brachte er gleichwohl die Roͤmer durch
Hungers-Noth und ſein mit dem Koͤnige Dio-
nyſius aus Sicilien gemachtes Buͤndnuͤß/ der
damals gleich mit den Locrenſern in Jtalien
Krieg fuͤhrte/ ſo weit: daß ſie die Aufhebung
der Belaͤgerung/ und die Einraͤumung der
eingeaͤſcherten Stadt mit tauſend Pfund Gol-
des abzukauffen willigten. Brennus verließ
ſich auf den mit dem Sulpitius abgehandelten
Frieden; zohe alſo mit dem groͤſten Theile ſei-
nes Heeres zuruͤck. Denn die Hetrurier hat-
ten mit vielem Golde und noch groͤſſern Ver-
troͤſtungen die Veneter beredet: daß ſie denen
Semnonern ins Land gefallen waren/ auch be-
reit an dem Fluſſe Sapis/ Saſſina erobert hat-
ten. Gleicher geſtalt belaͤgerten die Hetrurier
ihre verlohrne Stadt Croton/ und draͤuten zu-
gleich einen Einfall gegen Seſtin. Jnzwiſchen
blieb der oberſte Eiſenberg zu Rom/ und warte-
te auf die verſprochenen tauſend Pfund Gol-
des/ welches die damals arme Stadt/ ungeach-
tet das Frauenzimmer alle ihr guͤldenes Ge-
ſchmeide beytrug/ ohne Angreiffung der Hei-
ligthuͤmer nicht zuwege bringen konte. Da-
hero ſie anfangs die Deutſchen im Gewichte zu
bevor-
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