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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] tigen. Wie nun aber die gantze Macht dar ankan/
sie auch sich nirgendswo das minste rühren hör-
ten/ drangen sie durch die Collinische Pforte mit
grossem Geschrey in die Stadt; fanden aber al-
lenthalben eine wüste Einsamkeit/ in dem sich alle
Weiber und Kinder des Nachts vorher an ande-
re Orte/ die streitbare Mannschafft aber un-
ter dem Manlius aufs Capitolium geflüchtet
hatten. Jn den innersten Gemächern alleine
fanden sie die alten verlebten Greisse/ welche sich
den obersten Priester Marcus Fabius für das
gemeine Heil den Göttern hatten zu Versöhn-
Opfern einweihen lassen/ auf helffenbeinernen
Stülen gantz unbeweglich sitzen; welche die
Semnoner anfangs für Gespenster ansahen/
hernach aber als Marcus Papirius einen
Deutschen/ der ihm seinen langen Bart strei-
chelte/ den helffenbeinernen Stab auf den Kopf
schlug/ in Stücken zerhieben. Hat Papirius/
fing Rhemetalces an/ die Anrührung seines
Bartes für eine unerträgliche Beschimpfung
angenommen? Oder hat er der Deutschen Zorn
durch seinen Eifer mit Fleiß erregen wollen:
wormit ihr Vorhaben für das Vaterland sich
aufzuopfern nicht zernichtet würde? Es mag
eines und das andere wohl die Ursache gewesen
seyn/ sagte Adgandester. Sintemal der/ wel-
cher sich schon einmal also zu sterben verlobt hat-
te/ wenn er nicht starb/ keinen Gottes-Dienst
mehr abwarten dorffte. Andern theils wur-
den die Haare/ und insonderheit der Bart nicht
nur bey den Römern und Lacedemoniern/ son-
dern auch bey fast allen Völckern in Ehren/ und
dessen Betastung so wohl/ als derselbten Absche-
rung für eine Beschimpfung gehalten. Wes-
wegen auch bey den Rhodiern ein Gesetze die
Abscherung des Bartes und der Haare verbot;
und insonderheit die Weltweisen mit langen
Bärthen prangten; ja auch die alten Bildnüsse
der Götter mit langen Bärten gezieret sind;
und Jupiter von denen Tichtern/ wie er bey sei-
nem unversehrlichen Barte schwere/ mehrmals
[Spaltenumbruch] eingeführet wird. Daher/ und weil der Bart
für eine Zierde der Männer und Götter gehal-
ten wird/ ungeachtet er sonst wenig nütze ist/ bey
den Griechen und Römern die bärtichte Glücks-
Göttin umb das Wachsthum der Haare an-
geruffen wird. Hingegen werden die Leibei-
genen/ und die Ruder-Knechte auch noch ietzt
gleichsam zur Schmach glatt beschoren/ gleich-
sam als wenn diese Leute nicht in das Geschlech-
te der Männer/ sondern der glatten Weiber
und der Verschnittenen zu rechnen wären. Ze-
no fiel ein: Von diesen alten Sitten aber schei-
nen die Griechen/ Römer/ insonderheit auch die
Deutschen/ ja bey nahe alle Völcker grossen
theils abgewichen zu seyn/ welche die Bärte ab-
scheren lassen/ und derselben Hegung entweder
für ein Kennzeichen der Verdammten/ oder der
euserst Betrübten brauchen. Also haben die
Catineer in Sicilien durch Gesandten/ welche zu
Bezeigung ihres Nothstandes ihnen die Bärte
derogestalt verwildern lassen/ zu Athen Hülffe
gesucht. Und der blut gierige Attalus gab auf sol-
che Weise seine Bestürtzung über seiner Mord-
Thaten zu erkennen. Käyser Julius ließ nach der
Titurianischen Niederlage ihm Bart und Haare
lange wachsen; und des Flavius Berichte nach
hat August nach des Varus Erlegung ihm kein
Schermesser wollen ansetzen lassen. Ja in
Griechenland lassen ihnen nach dem uhralten
Beyspiele des Theseus die Jünglinge ihre er-
sten Bart-Haare abnehmen/ und wiedmen selb-
te an ihrem Geburts-Tage zu Delphis dem
Apollo. Zu Troetzen/ und in andern Orten
Griechenlands opfern die Bräute ihre abge-
schnittenen Haare dem Hippolitus. Jn Si-
cyonien soll das Bild der Gesundheit kaum
für daran gehenckten Haaren zu sehen seyn.
Zu Rom habe ich gesehen: daß nicht nur die
edlen Jünglinge/ sondern auch ältere/ ihre in
Gold und Edelgesteine verwahrte Haare für
des gantzen Leibes Wohlstand dem Capitolini-
schen Jupiter geweihet haben. Jch erinnere

mich
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] tigẽ. Wie nun aber die gantze Macht dar ankã/
ſie auch ſich nirgendswo das minſte ruͤhren hoͤr-
ten/ drangen ſie durch die Colliniſche Pforte mit
groſſem Geſchrey in die Stadt; fanden aber al-
lenthalben eine wuͤſte Einſamkeit/ in dem ſich alle
Weiber und Kinder des Nachts vorher an ande-
re Orte/ die ſtreitbare Mannſchafft aber un-
ter dem Manlius aufs Capitolium gefluͤchtet
hatten. Jn den innerſten Gemaͤchern alleine
fanden ſie die alten verlebten Greiſſe/ welche ſich
den oberſten Prieſter Marcus Fabius fuͤr das
gemeine Heil den Goͤttern hatten zu Verſoͤhn-
Opfern einweihen laſſen/ auf helffenbeinernen
Stuͤlen gantz unbeweglich ſitzen; welche die
Semnoner anfangs fuͤr Geſpenſter anſahen/
hernach aber als Marcus Papirius einen
Deutſchen/ der ihm ſeinen langen Bart ſtrei-
chelte/ den helffenbeinernen Stab auf den Kopf
ſchlug/ in Stuͤcken zerhieben. Hat Papirius/
fing Rhemetalces an/ die Anruͤhrung ſeines
Bartes fuͤr eine unertraͤgliche Beſchimpfung
angenommen? Oder hat er der Deutſchen Zorn
durch ſeinen Eifer mit Fleiß erregen wollen:
wormit ihr Vorhaben fuͤr das Vaterland ſich
aufzuopfern nicht zernichtet wuͤrde? Es mag
eines und das andere wohl die Urſache geweſen
ſeyn/ ſagte Adgandeſter. Sintemal der/ wel-
cher ſich ſchon einmal alſo zu ſterben verlobt hat-
te/ wenn er nicht ſtarb/ keinen Gottes-Dienſt
mehr abwarten dorffte. Andern theils wur-
den die Haare/ und inſonderheit der Bart nicht
nur bey den Roͤmern und Lacedemoniern/ ſon-
dern auch bey faſt allen Voͤlckern in Ehren/ und
deſſen Betaſtung ſo wohl/ als derſelbten Abſche-
rung fuͤr eine Beſchimpfung gehalten. Wes-
wegen auch bey den Rhodiern ein Geſetze die
Abſcherung des Bartes und der Haare verbot;
und inſonderheit die Weltweiſen mit langen
Baͤrthen prangten; ja auch die alten Bildnuͤſſe
der Goͤtter mit langen Baͤrten gezieret ſind;
und Jupiter von denen Tichtern/ wie er bey ſei-
nem unverſehrlichen Barte ſchwere/ mehrmals
[Spaltenumbruch] eingefuͤhret wird. Daher/ und weil der Bart
fuͤr eine Zierde der Maͤnner und Goͤtter gehal-
ten wird/ ungeachtet er ſonſt wenig nuͤtze iſt/ bey
den Griechen und Roͤmern die baͤrtichte Gluͤcks-
Goͤttin umb das Wachsthum der Haare an-
geruffen wird. Hingegen werden die Leibei-
genen/ und die Ruder-Knechte auch noch ietzt
gleichſam zur Schmach glatt beſchoren/ gleich-
ſam als wenn dieſe Leute nicht in das Geſchlech-
te der Maͤnner/ ſondern der glatten Weiber
und der Verſchnittenen zu rechnen waͤren. Ze-
no fiel ein: Von dieſen alten Sitten aber ſchei-
nen die Griechen/ Roͤmer/ inſonderheit auch die
Deutſchen/ ja bey nahe alle Voͤlcker groſſen
theils abgewichen zu ſeyn/ welche die Baͤrte ab-
ſcheren laſſen/ und derſelben Hegung entweder
fuͤr ein Kennzeichen der Verdam̃ten/ oder der
euſerſt Betruͤbten brauchen. Alſo haben die
Catineer in Sicilien durch Geſandten/ welche zu
Bezeigung ihres Nothſtandes ihnen die Baͤrte
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geſucht. Und der blut gierige Attalus gab auf ſol-
che Weiſe ſeine Beſtuͤrtzung uͤber ſeiner Mord-
Thaten zu erkennẽ. Kaͤyſer Julius ließ nach der
Titurianiſchen Niederlage ihm Bart und Haare
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hat Auguſt nach des Varus Erlegung ihm kein
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Griechenland laſſen ihnen nach dem uhralten
Beyſpiele des Theſeus die Juͤnglinge ihre er-
ſten Bart-Haare abnehmen/ und wiedmen ſelb-
te an ihrem Geburts-Tage zu Delphis dem
Apollo. Zu Troetzen/ und in andern Orten
Griechenlands opfern die Braͤute ihre abge-
ſchnittenen Haare dem Hippolitus. Jn Si-
cyonien ſoll das Bild der Geſundheit kaum
fuͤr daran gehenckten Haaren zu ſehen ſeyn.
Zu Rom habe ich geſehen: daß nicht nur die
edlen Juͤnglinge/ ſondern auch aͤltere/ ihre in
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ſchen Jupiter geweihet haben. Jch erinnere

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 749[751]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/811>, abgerufen am 22.11.2024.