Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Sechstes Buch [Spaltenumbruch]
zu Heerführern der Clusier brauchen; ja einerunter ihnen hatte das Glücke einen Obersten der Semnoner/ Brand genennt/ als dieser dem Fein- de die Haupt-Fahne auszureissen bemüht war/ mit einer Lantze zu durchrennen/ und ihn seiner Waffen zu berauben; worüber dieser Römer von Semnonern auch erkennet ward; indem ein Semnonischer Edelmann herzu rennte/ und den Fabius nicht allein den Raub im Stiche zu lassen zwang/ sondern ihm auch seine Streitaxt auswand. Weßwegen ihm Brennus wegen eines darauff gemahlten goldenen Ochsens den Nahmen Gold-Axt/ und den Ochsen zu seinem Krieges-Zeichen gab. So bald nun die Clusier sich theils in die Stadt/ theils auff die Schiffe in den Clusischen See geflüchtet hatten/ schickte Hertzog Brennus eine Botschafft nach Rom/ durch welche er ihm die Fabier/ als Verletzer des Völcker-Rechts/ auszufolgen verlangte. Ob nun wohl der Römische Rath ihr Beginnen we- der loben noch entschuldigen konte/ so brachte es doch das Geschlechte der Fabier durch ihr Anse- hen und Reichthum bey dem Volcke so weit: daß der Rath dem Brennus nicht allein kein Recht verhalff/ sondern die Semnoner mit ei- nem Stücke Geldes befriedigen wolte; welches die Gesandten als eine bey den Deutschen ver- ächtliche Wahre anzunehmen weigerten; als bey denen es ungewöhnlich wäre/ die gerechte Ra- che um unnützes Ertzt zu verkauffen. Ja der Römische Pöfel/ welcher insgemein die hitzigsten Entschlüssungen für die klügsten/ und Wagehäl- se für die grösten Helden hält/ erklärte die Fried- brecher auf folgendes Jahr gar zu Kriegsobersten. Also verblendet das Glücke die Gemüther der Menschen/ wenn es iemanden seinem bestimmten Untergange nicht wil entkommen lassen. Die hierüber nicht unbillich verbitterten Semnoner hoben auf diese Zeitung alsbald die Belägerung der Stadt Clusium auff/ und nachdem sie vorher des Porsena prächtiges Grabmal eingeäschert/ zohen sie den geraden Weg auff Rom zu/ setzten aber unvermerckt unter dem Berge Soracte ü- [Spaltenumbruch] ber die Tiber. Den dritten Tag/ als inzwischen das gantze flüchtige Latium mit Schrecken der Stad zueilte/ und von der Feinde Ankunft Nach- richt brachte/ welche die Götter durch den Mar- cus Cöditius zwar vorher geweißagt/ die Römer aber verächtlich in Wind geschlagen hatten/ be- gegneten die Fabier/ Sulpitius Longus/ Qvin- tus Servilius und andere mit dem Römischen Heere bey dem Fluße Allia den Semnonern. Jene stellten ihre Legionen mitten in die Fläche/ die Hülffs-Völcker aber an beyden Seiten auff erhobene Hügel. Der Kriegsverständige Bren- nus trieb zum ersten mit seiner deutschen Reute- rey/ welche in der gantzen Welt damals schon/ wie das Spanische Fuß-Volck/ für andern be- rühmt war/ den Feind von den Hügeln/ wormit sie bey dem Treffen ihm nicht konten in die Sei- ten fallen; welche aber bald die Fersen kehrten. Hirmit fielen die Semnoner in die Römischen Legionen auff allen Seiten ein; allein weder Führer noch Kriegsknechte vermochten die blos- sen Gesichter der ergrimmten Semnoner ver- tragen; ergriffen also ohne einige Gegenwehre eine so blinde Flucht: daß sie ihren eigenen Hin- terhalt über Hauffen rennten/ ja daß das gröste Theil verzweiffelt durch die Tiber schwemmte/ und in die feindliche Stadt der Vejentier sich zu be- geben nicht scheuete. Der gantze lincke Flügel warff für Schrecken die Wasfen weg/ und stürtz- te sich in den Tiber-Strom; also: daß die Sem- noner anfangs nicht wissende: Ob die Römer aus Zagheit oder einer Kriegslist so schimpfflich wichen/ sie zu verfolgen Bedencken trugen/ her- nach aber die ereileten Flüchtigen nur zu schlach- ten hatten/ und von dem Heere nicht ein Bothe nach Rom kam. Die Semnoner schnitten den Todten dreißig tausend Köpffe ab/ hingen sie an die Mänen ihrer Pferde/ und bauten hernach für der Stadt Rom einen abscheulichen Thurm dar- von. Folgenden Morgen kamen sie mit dem Vordrab für Rom/ funden selbte zwar offen/ und unverwachet/ scheueten aber aus Beysorge eines verborgenen Hinterhals sich derselben zu bemäch- tigen.
Sechſtes Buch [Spaltenumbruch]
zu Heerfuͤhrern der Cluſier brauchen; ja einerunter ihnen hatte das Gluͤcke einen Oberſten der Semnoner/ Brand geneñt/ als dieſer dem Fein- de die Haupt-Fahne auszureiſſen bemuͤht war/ mit einer Lantze zu durchrennen/ und ihn ſeiner Waffen zu berauben; woruͤber dieſer Roͤmer von Semnonern auch erkeñet ward; indem ein Semnoniſcher Edelmann herzu rennte/ und den Fabius nicht allein den Raub im Stiche zu laſſen zwang/ ſondern ihm auch ſeine Streitaxt auswand. Weßwegen ihm Brennus wegen eines darauff gemahlten goldenen Ochſens den Nahmen Gold-Axt/ und den Ochſen zu ſeinem Krieges-Zeichen gab. So bald nun die Cluſier ſich theils in die Stadt/ theils auff die Schiffe in den Cluſiſchen See gefluͤchtet hatten/ ſchickte Hertzog Brennus eine Botſchafft nach Rom/ durch welche er ihm die Fabier/ als Verletzer des Voͤlcker-Rechts/ auszufolgen verlangte. Ob nun wohl der Roͤmiſche Rath ihr Beginnen we- der loben noch entſchuldigen konte/ ſo brachte es doch das Geſchlechte der Fabier durch ihr Anſe- hen und Reichthum bey dem Volcke ſo weit: daß der Rath dem Brennus nicht allein kein Recht verhalff/ ſondern die Semnoner mit ei- nem Stuͤcke Geldes befriedigen wolte; welches die Geſandten als eine bey den Deutſchen ver- aͤchtliche Wahre anzunehmen weigerten; als bey denen es ungewoͤhnlich waͤre/ die gerechte Ra- che um unnuͤtzes Ertzt zu verkauffen. Ja der Roͤmiſche Poͤfel/ welcher insgemein die hitzigſten Entſchluͤſſungen fuͤr die kluͤgſten/ und Wagehaͤl- ſe fuͤr die groͤſten Helden haͤlt/ erklaͤrte die Fried- brecheꝛ auf folgendes Jahꝛ gaꝛ zu Kriegsoberſten. Alſo verblendet das Gluͤcke die Gemuͤther der Menſchen/ wenn es iemanden ſeinem beſtim̃ten Untergange nicht wil entkommen laſſen. Die hieruͤber nicht unbillich verbitterten Semnoner hoben auf dieſe Zeitung alsbald die Belaͤgerung der Stadt Cluſium auff/ und nachdem ſie vorher des Porſena praͤchtiges Grabmal eingeaͤſchert/ zohen ſie den geraden Weg auff Rom zu/ ſetzten aber unvermerckt unter dem Berge Soracte uͤ- [Spaltenumbruch] ber die Tiber. Den dritten Tag/ als inzwiſchen das gantze fluͤchtige Latium mit Schrecken der Stad zueilte/ uñ von der Feinde Ankunft Nach- richt brachte/ welche die Goͤtter durch den Mar- cus Coͤditius zwar vorher geweißagt/ die Roͤmer aber veraͤchtlich in Wind geſchlagen hatten/ be- gegneten die Fabier/ Sulpitius Longus/ Qvin- tus Servilius und andere mit dem Roͤmiſchen Heere bey dem Fluße Allia den Semnonern. Jene ſtellten ihre Legionen mitten in die Flaͤche/ die Huͤlffs-Voͤlcker aber an beyden Seiten auff erhobene Huͤgel. Der Kriegsverſtaͤndige Bren- nus trieb zum erſten mit ſeiner deutſchen Reute- rey/ welche in der gantzen Welt damals ſchon/ wie das Spaniſche Fuß-Volck/ fuͤr andern be- ruͤhmt war/ den Feind von den Huͤgeln/ wormit ſie bey dem Treffen ihm nicht konten in die Sei- ten fallen; welche aber bald die Ferſen kehrten. Hirmit fielen die Semnoner in die Roͤmiſchen Legionen auff allen Seiten ein; allein weder Fuͤhrer noch Kriegsknechte vermochten die bloſ- ſen Geſichter der ergrimmten Semnoner ver- tragen; ergriffen alſo ohne einige Gegenwehre eine ſo blinde Flucht: daß ſie ihren eigenen Hin- terhalt uͤber Hauffen rennten/ ja daß das groͤſte Theil verzweiffelt durch die Tiber ſchwem̃te/ und in die feindliche Stadt der Vejentier ſich zu be- geben nicht ſcheuete. Der gantze lincke Fluͤgel warff fuͤr Schrecken die Waſfen weg/ und ſtuͤrtz- te ſich in den Tiber-Strom; alſo: daß die Sem- noner anfangs nicht wiſſende: Ob die Roͤmer aus Zagheit oder einer Kriegsliſt ſo ſchimpfflich wichen/ ſie zu verfolgen Bedencken trugen/ her- nach aber die ereileten Fluͤchtigen nur zu ſchlach- ten hatten/ und von dem Heere nicht ein Bothe nach Rom kam. Die Semnoner ſchnitten den Todten dreißig tauſend Koͤpffe ab/ hingen ſie an die Maͤnen ihrer Pferde/ und bauten hernach fuͤꝛ der Stadt Rom einen abſcheulichen Thurm dar- von. Folgenden Morgen kamen ſie mit dem Vordrab fuͤr Rom/ funden ſelbte zwar offen/ uñ unverwachet/ ſcheueten aber aus Beyſorge eines verborgenẽ Hinterhals ſich derſelben zu bemaͤch- tigen.
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Sechſtes Buch
zu Heerfuͤhrern der Cluſier brauchen; ja einer
unter ihnen hatte das Gluͤcke einen Oberſten der
Semnoner/ Brand geneñt/ als dieſer dem Fein-
de die Haupt-Fahne auszureiſſen bemuͤht war/
mit einer Lantze zu durchrennen/ und ihn ſeiner
Waffen zu berauben; woruͤber dieſer Roͤmer
von Semnonern auch erkeñet ward; indem ein
Semnoniſcher Edelmann herzu rennte/ und
den Fabius nicht allein den Raub im Stiche zu
laſſen zwang/ ſondern ihm auch ſeine Streitaxt
auswand. Weßwegen ihm Brennus wegen
eines darauff gemahlten goldenen Ochſens den
Nahmen Gold-Axt/ und den Ochſen zu ſeinem
Krieges-Zeichen gab. So bald nun die Cluſier
ſich theils in die Stadt/ theils auff die Schiffe in
den Cluſiſchen See gefluͤchtet hatten/ ſchickte
Hertzog Brennus eine Botſchafft nach Rom/
durch welche er ihm die Fabier/ als Verletzer des
Voͤlcker-Rechts/ auszufolgen verlangte. Ob
nun wohl der Roͤmiſche Rath ihr Beginnen we-
der loben noch entſchuldigen konte/ ſo brachte es
doch das Geſchlechte der Fabier durch ihr Anſe-
hen und Reichthum bey dem Volcke ſo weit:
daß der Rath dem Brennus nicht allein kein
Recht verhalff/ ſondern die Semnoner mit ei-
nem Stuͤcke Geldes befriedigen wolte; welches
die Geſandten als eine bey den Deutſchen ver-
aͤchtliche Wahre anzunehmen weigerten; als bey
denen es ungewoͤhnlich waͤre/ die gerechte Ra-
che um unnuͤtzes Ertzt zu verkauffen. Ja der
Roͤmiſche Poͤfel/ welcher insgemein die hitzigſten
Entſchluͤſſungen fuͤr die kluͤgſten/ und Wagehaͤl-
ſe fuͤr die groͤſten Helden haͤlt/ erklaͤrte die Fried-
brecheꝛ auf folgendes Jahꝛ gaꝛ zu Kriegsoberſten.
Alſo verblendet das Gluͤcke die Gemuͤther der
Menſchen/ wenn es iemanden ſeinem beſtim̃ten
Untergange nicht wil entkommen laſſen. Die
hieruͤber nicht unbillich verbitterten Semnoner
hoben auf dieſe Zeitung alsbald die Belaͤgerung
der Stadt Cluſium auff/ und nachdem ſie vorher
des Porſena praͤchtiges Grabmal eingeaͤſchert/
zohen ſie den geraden Weg auff Rom zu/ ſetzten
aber unvermerckt unter dem Berge Soracte uͤ-
ber die Tiber. Den dritten Tag/ als inzwiſchen
das gantze fluͤchtige Latium mit Schrecken der
Stad zueilte/ uñ von der Feinde Ankunft Nach-
richt brachte/ welche die Goͤtter durch den Mar-
cus Coͤditius zwar vorher geweißagt/ die Roͤmer
aber veraͤchtlich in Wind geſchlagen hatten/ be-
gegneten die Fabier/ Sulpitius Longus/ Qvin-
tus Servilius und andere mit dem Roͤmiſchen
Heere bey dem Fluße Allia den Semnonern.
Jene ſtellten ihre Legionen mitten in die Flaͤche/
die Huͤlffs-Voͤlcker aber an beyden Seiten auff
erhobene Huͤgel. Der Kriegsverſtaͤndige Bren-
nus trieb zum erſten mit ſeiner deutſchen Reute-
rey/ welche in der gantzen Welt damals ſchon/
wie das Spaniſche Fuß-Volck/ fuͤr andern be-
ruͤhmt war/ den Feind von den Huͤgeln/ wormit
ſie bey dem Treffen ihm nicht konten in die Sei-
ten fallen; welche aber bald die Ferſen kehrten.
Hirmit fielen die Semnoner in die Roͤmiſchen
Legionen auff allen Seiten ein; allein weder
Fuͤhrer noch Kriegsknechte vermochten die bloſ-
ſen Geſichter der ergrimmten Semnoner ver-
tragen; ergriffen alſo ohne einige Gegenwehre
eine ſo blinde Flucht: daß ſie ihren eigenen Hin-
terhalt uͤber Hauffen rennten/ ja daß das groͤſte
Theil verzweiffelt durch die Tiber ſchwem̃te/ und
in die feindliche Stadt der Vejentier ſich zu be-
geben nicht ſcheuete. Der gantze lincke Fluͤgel
warff fuͤr Schrecken die Waſfen weg/ und ſtuͤrtz-
te ſich in den Tiber-Strom; alſo: daß die Sem-
noner anfangs nicht wiſſende: Ob die Roͤmer
aus Zagheit oder einer Kriegsliſt ſo ſchimpfflich
wichen/ ſie zu verfolgen Bedencken trugen/ her-
nach aber die ereileten Fluͤchtigen nur zu ſchlach-
ten hatten/ und von dem Heere nicht ein Bothe
nach Rom kam. Die Semnoner ſchnitten den
Todten dreißig tauſend Koͤpffe ab/ hingen ſie an
die Maͤnen ihrer Pferde/ und bauten hernach fuͤꝛ
der Stadt Rom einen abſcheulichen Thurm dar-
von. Folgenden Morgen kamen ſie mit dem
Vordrab fuͤr Rom/ funden ſelbte zwar offen/ uñ
unverwachet/ ſcheueten aber aus Beyſorge eines
verborgenẽ Hinterhals ſich derſelben zu bemaͤch-
tigen.
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 748[750]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/810>, abgerufen am 29.06.2024. |