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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] ret aber dieses falsche Geschrey daher: Hertzog
Brennus schickte einen aus dichtem Golde ge-
machten Spieß/ derogleichen die Tectosager
nach der ältesten Völcker Art für ein göttliches
Bild verehrten/ in den Delphischen Tempel zu
einem Geschencke. Die aberwitzigen Priester
aber/ welche dieses Kriegrische Gewehre für ei-
ne Andeutung des Krieges hielten; da doch die
Säulen des Apollo selbst Lantzen und Pfeile
führen/ weigerten sich nicht alleine selbte anzu-
nehmen/ unter dem Vorwand: daß Gold und
andere unnütze Schätze der Tempel nur Anlaß
zu ihrer Entweihung und zum Kirchen-Raube
gebe/ wie sie es schon vom Philomelus/ und an-
dere reiche Tempel Griechenlands vom Phi-
lippus/ des Belus oder Didymeischen Jupi-
ters vom Antiochus und die Egyptischen Hei-
ligthümer vom Cambyses erfahren hätten; son-
dern sie liessen auch einem so mächtigen Fürsten
höchst unzeitig entbieten: daß ihr Gott am Ge-
schencke geraubter Güter kein Gefallen hätte.
Welches den Brennus derogestalt verbitterte:
daß er über die Priester Rache auszuüben mit
seinem Heere dem Tempel sich näherte. Es
traf sich aber ungefähr: daß als selbtes den Tem-
pel im Gesichte hatte/ die Sonne sich verfinster-
te; welches/ wie ieder zeit dem unwissenden Pö-
fel/ also auch dißmal den Tectosagern nicht ein
geringes Schrecken einjagte; die Delphischen
Priesterinnen aber zum Aberglauben meister-
lich zu gebrauchen wusten; in dem sie gleichsam
als verzückt mit zerstreuten Haaren und mit
Schlangen in Händen/ unter das zu Beschir-
mung des Tempels versammlete Volck lieffen/
vorgebende: Sie hätten den Apollo in Gestalt
eines schönen Jünglings mit zwey gewaffneten
Jungfrauen/ welches Diana und Minerva seyn
müste/ vom Himmel in den Tempel absteigen
gesehen; sie hätten gehört das Schwirren der
Waffen und der gespanneten Bogen; die Gei-
ster des längst verstorbenen Pyrrhus Hypero-
chus und Laodocus wären ihre Vorgänger; al-
so möchten sie nicht die Gelegenheit versäumen
[Spaltenumbruch] mit denen vorgehenden Göttern die vom Schre-
cken schon halb todte Feinde anzufallen. Für
diesen wütenden Leuten wäre der angefallene
Vortrab aus einer abergläubischen Bestürtzung
zurück gewichen/ und von selbtem an statt des
Fechtens mit seinen Waffen um der verfinster-
ten Sonne zu helffen/ ein grosses Gethöne ge-
macht worden. Rhemetalces fing an: Es ist
nichts ungemeines: daß die tapffersien Leute
durch ein solch unversehenes Schauspiel er-
schreckt/ oder durch eine aber glaubische Andacht
in die Flucht bracht worden. Also zerstreuten
die Valisker und Tarqvinier/ wie auch die Ve-
jenter und Fidenater zwey mal das Römische
Heer durch eine Menge als Priester angeklei-
deter Kriegsleute/ welche mit Schlangen und
Fackeln in Händen sie gleichsam rasende anfie-
len. Adgandester versetzte: Brennus aber ließ
sich diese Larven nicht schrecken; sondern sprach
seinem fortzurücken sich weigerndem Heere/
welches ihr Fürnehmen für ein Gott widriges
Erkühnen gehalten/ und ihm selbst den Unter-
gang wahrgesagt/ durch seine mit sich geführte
Priester/ welche hierinnen beym Pöfel vermö-
gender als Obrigkeiten sind/ vernünfftig zu/ und
versicherte es: daß diese aus natürlichen Ursachen
entstandene Finsternüß in einer Stunde über-
hin seyn würde. Worauf er denn auch bey der
darauf folgenden schönen Ausklärung des Him-
mels/ welche die Sonnen-Finsternüsse wie der
Wind die Monden-Finsternüsse insgemein zu
begleiten pflegt/ die ihm entgegen rasenden
Hauffen unschwer zerstreuete/ etliche schuldig
befundene Priesterinnen tödtete/ die andern aber
beschenckte/ in dem Tempel seine Andacht ver-
richtete/ ja zwey in seinem Heere befindliche Für-
sten aus Thessalien/ welche ein Marmelnes
Siegsbild aus dem Delphischen in einen Thes-
salischen Tempel gebracht hatte/ straffte/ und an
seinen ersten Ort setzen ließ. Ob auch wol die
Phocenser hernach aus einem blinden Eyver
und Aberglauben dem Brennus unter der
Stadt Ambrysus einfielen; wurden sie doch mit

bluti-

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] ret aber dieſes falſche Geſchrey daher: Hertzog
Brennus ſchickte einen aus dichtem Golde ge-
machten Spieß/ derogleichen die Tectoſager
nach der aͤlteſten Voͤlcker Art fuͤr ein goͤttliches
Bild verehrten/ in den Delphiſchen Tempel zu
einem Geſchencke. Die aberwitzigen Prieſter
aber/ welche dieſes Kriegriſche Gewehre fuͤr ei-
ne Andeutung des Krieges hielten; da doch die
Saͤulen des Apollo ſelbſt Lantzen und Pfeile
fuͤhren/ weigerten ſich nicht alleine ſelbte anzu-
nehmen/ unter dem Vorwand: daß Gold und
andere unnuͤtze Schaͤtze der Tempel nur Anlaß
zu ihrer Entweihung und zum Kirchen-Raube
gebe/ wie ſie es ſchon vom Philomelus/ und an-
dere reiche Tempel Griechenlands vom Phi-
lippus/ des Belus oder Didymeiſchen Jupi-
ters vom Antiochus und die Egyptiſchen Hei-
ligthuͤmer vom Cambyſes erfahren haͤtten; ſon-
dern ſie lieſſen auch einem ſo maͤchtigen Fuͤrſten
hoͤchſt unzeitig entbieten: daß ihr Gott am Ge-
ſchencke geraubter Guͤter kein Gefallen haͤtte.
Welches den Brennus derogeſtalt verbitterte:
daß er uͤber die Prieſter Rache auszuuͤben mit
ſeinem Heere dem Tempel ſich naͤherte. Es
traf ſich aber ungefaͤhr: daß als ſelbtes den Tem-
pel im Geſichte hatte/ die Sonne ſich verfinſter-
te; welches/ wie ieder zeit dem unwiſſenden Poͤ-
fel/ alſo auch dißmal den Tectoſagern nicht ein
geringes Schrecken einjagte; die Delphiſchen
Prieſterinnen aber zum Aberglauben meiſter-
lich zu gebrauchen wuſten; in dem ſie gleichſam
als verzuͤckt mit zerſtreuten Haaren und mit
Schlangen in Haͤnden/ unter das zu Beſchir-
mung des Tempels verſammlete Volck lieffen/
vorgebende: Sie haͤtten den Apollo in Geſtalt
eines ſchoͤnen Juͤnglings mit zwey gewaffneten
Jungfrauen/ welches Diana und Mineꝛva ſeyn
muͤſte/ vom Himmel in den Tempel abſteigen
geſehen; ſie haͤtten gehoͤrt das Schwirren der
Waffen und der geſpanneten Bogen; die Gei-
ſter des laͤngſt verſtorbenen Pyrrhus Hypero-
chus und Laodocus waͤren ihre Vorgaͤnger; al-
ſo moͤchten ſie nicht die Gelegenheit verſaͤumen
[Spaltenumbruch] mit denen vorgehenden Goͤtteꝛn die vom Schre-
cken ſchon halb todte Feinde anzufallen. Fuͤr
dieſen wuͤtenden Leuten waͤre der angefallene
Vortrab aus einer aberglaͤubiſchen Beſtuͤrtzung
zuruͤck gewichen/ und von ſelbtem an ſtatt des
Fechtens mit ſeinen Waffen um der verfinſter-
ten Sonne zu helffen/ ein groſſes Gethoͤne ge-
macht worden. Rhemetalces fing an: Es iſt
nichts ungemeines: daß die tapfferſien Leute
durch ein ſolch unverſehenes Schauſpiel er-
ſchreckt/ oder durch eine aber glaubiſche Andacht
in die Flucht bracht worden. Alſo zerſtreuten
die Valisker und Tarqvinier/ wie auch die Ve-
jenter und Fidenater zwey mal das Roͤmiſche
Heer durch eine Menge als Prieſter angeklei-
deter Kriegsleute/ welche mit Schlangen und
Fackeln in Haͤnden ſie gleichſam raſende anfie-
len. Adgandeſter verſetzte: Brennus aber ließ
ſich dieſe Larven nicht ſchrecken; ſondern ſprach
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welches ihr Fuͤrnehmen fuͤr ein Gott widriges
Erkuͤhnen gehalten/ und ihm ſelbſt den Unter-
gang wahrgeſagt/ durch ſeine mit ſich gefuͤhrte
Prieſter/ welche hierinnen beym Poͤfel vermoͤ-
gender als Obrigkeiten ſind/ vernuͤnfftig zu/ und
verſicherte es: daß dieſe aus natuͤrlichen Urſachen
entſtandene Finſternuͤß in einer Stunde uͤber-
hin ſeyn wuͤrde. Worauf er denn auch bey der
darauf folgenden ſchoͤnen Ausklaͤrung des Him-
mels/ welche die Sonnen-Finſternuͤſſe wie der
Wind die Monden-Finſternuͤſſe insgemein zu
begleiten pflegt/ die ihm entgegen raſenden
Hauffen unſchwer zerſtreuete/ etliche ſchuldig
befundene Prieſterinnen toͤdtete/ die andern abeꝛ
beſchenckte/ in dem Tempel ſeine Andacht ver-
richtete/ ja zwey in ſeinem Heere befindliche Fuͤr-
ſten aus Theſſalien/ welche ein Marmelnes
Siegsbild aus dem Delphiſchen in einen Theſ-
ſaliſchen Tempel gebracht hatte/ ſtraffte/ und an
ſeinen erſten Ort ſetzen ließ. Ob auch wol die
Phocenſer hernach aus einem blinden Eyver
und Aberglauben dem Brennus unter der
Stadt Ambryſus einfielen; wurden ſie doch mit

bluti-
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[782[784]/0844] Sechſtes Buch ret aber dieſes falſche Geſchrey daher: Hertzog Brennus ſchickte einen aus dichtem Golde ge- machten Spieß/ derogleichen die Tectoſager nach der aͤlteſten Voͤlcker Art fuͤr ein goͤttliches Bild verehrten/ in den Delphiſchen Tempel zu einem Geſchencke. Die aberwitzigen Prieſter aber/ welche dieſes Kriegriſche Gewehre fuͤr ei- ne Andeutung des Krieges hielten; da doch die Saͤulen des Apollo ſelbſt Lantzen und Pfeile fuͤhren/ weigerten ſich nicht alleine ſelbte anzu- nehmen/ unter dem Vorwand: daß Gold und andere unnuͤtze Schaͤtze der Tempel nur Anlaß zu ihrer Entweihung und zum Kirchen-Raube gebe/ wie ſie es ſchon vom Philomelus/ und an- dere reiche Tempel Griechenlands vom Phi- lippus/ des Belus oder Didymeiſchen Jupi- ters vom Antiochus und die Egyptiſchen Hei- ligthuͤmer vom Cambyſes erfahren haͤtten; ſon- dern ſie lieſſen auch einem ſo maͤchtigen Fuͤrſten hoͤchſt unzeitig entbieten: daß ihr Gott am Ge- ſchencke geraubter Guͤter kein Gefallen haͤtte. Welches den Brennus derogeſtalt verbitterte: daß er uͤber die Prieſter Rache auszuuͤben mit ſeinem Heere dem Tempel ſich naͤherte. Es traf ſich aber ungefaͤhr: daß als ſelbtes den Tem- pel im Geſichte hatte/ die Sonne ſich verfinſter- te; welches/ wie ieder zeit dem unwiſſenden Poͤ- fel/ alſo auch dißmal den Tectoſagern nicht ein geringes Schrecken einjagte; die Delphiſchen Prieſterinnen aber zum Aberglauben meiſter- lich zu gebrauchen wuſten; in dem ſie gleichſam als verzuͤckt mit zerſtreuten Haaren und mit Schlangen in Haͤnden/ unter das zu Beſchir- mung des Tempels verſammlete Volck lieffen/ vorgebende: Sie haͤtten den Apollo in Geſtalt eines ſchoͤnen Juͤnglings mit zwey gewaffneten Jungfrauen/ welches Diana und Mineꝛva ſeyn muͤſte/ vom Himmel in den Tempel abſteigen geſehen; ſie haͤtten gehoͤrt das Schwirren der Waffen und der geſpanneten Bogen; die Gei- ſter des laͤngſt verſtorbenen Pyrrhus Hypero- chus und Laodocus waͤren ihre Vorgaͤnger; al- ſo moͤchten ſie nicht die Gelegenheit verſaͤumen mit denen vorgehenden Goͤtteꝛn die vom Schre- cken ſchon halb todte Feinde anzufallen. Fuͤr dieſen wuͤtenden Leuten waͤre der angefallene Vortrab aus einer aberglaͤubiſchen Beſtuͤrtzung zuruͤck gewichen/ und von ſelbtem an ſtatt des Fechtens mit ſeinen Waffen um der verfinſter- ten Sonne zu helffen/ ein groſſes Gethoͤne ge- macht worden. Rhemetalces fing an: Es iſt nichts ungemeines: daß die tapfferſien Leute durch ein ſolch unverſehenes Schauſpiel er- ſchreckt/ oder durch eine aber glaubiſche Andacht in die Flucht bracht worden. Alſo zerſtreuten die Valisker und Tarqvinier/ wie auch die Ve- jenter und Fidenater zwey mal das Roͤmiſche Heer durch eine Menge als Prieſter angeklei- deter Kriegsleute/ welche mit Schlangen und Fackeln in Haͤnden ſie gleichſam raſende anfie- len. Adgandeſter verſetzte: Brennus aber ließ ſich dieſe Larven nicht ſchrecken; ſondern ſprach ſeinem fortzuruͤcken ſich weigerndem Heere/ welches ihr Fuͤrnehmen fuͤr ein Gott widriges Erkuͤhnen gehalten/ und ihm ſelbſt den Unter- gang wahrgeſagt/ durch ſeine mit ſich gefuͤhrte Prieſter/ welche hierinnen beym Poͤfel vermoͤ- gender als Obrigkeiten ſind/ vernuͤnfftig zu/ und verſicherte es: daß dieſe aus natuͤrlichen Urſachen entſtandene Finſternuͤß in einer Stunde uͤber- hin ſeyn wuͤrde. Worauf er denn auch bey der darauf folgenden ſchoͤnen Ausklaͤrung des Him- mels/ welche die Sonnen-Finſternuͤſſe wie der Wind die Monden-Finſternuͤſſe insgemein zu begleiten pflegt/ die ihm entgegen raſenden Hauffen unſchwer zerſtreuete/ etliche ſchuldig befundene Prieſterinnen toͤdtete/ die andern abeꝛ beſchenckte/ in dem Tempel ſeine Andacht ver- richtete/ ja zwey in ſeinem Heere befindliche Fuͤr- ſten aus Theſſalien/ welche ein Marmelnes Siegsbild aus dem Delphiſchen in einen Theſ- ſaliſchen Tempel gebracht hatte/ ſtraffte/ und an ſeinen erſten Ort ſetzen ließ. Ob auch wol die Phocenſer hernach aus einem blinden Eyver und Aberglauben dem Brennus unter der Stadt Ambryſus einfielen; wurden ſie doch mit bluti-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 782[784]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/844>, abgerufen am 22.11.2024.