Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] erfreuet/ und daher ergrieff er den damals nur
9. jährigen Annibal bey der Hand/ führte ihn für
das Altar des rächenden Jupiters/ um ihm bey sei-
nen Opfern die benöthigte Handreichung zu thun.
Nach vollbrachtem Gottes-Dienste umbhalsete
und küßte er seinen Sohn/ fragende: Ob er
wohl Lust hätte mit ihm in Krieg nach Hispanien
abzusegeln? Wie ein von dem mütterlichen
Geblüte noch nasser Löwe schon seine Klauen
zeigt; ja Helden-Kinder in der Wiege Schlan-
gen zu zerreissen begierig sind; also brach beym
noch so zarten Hannibal mit seinen Freuden-
Thränen schon das Feuer seines Gemüthes
für. Er umbarmte die Knie seines Vaters/
und küssete den Staub seiner Fußstapfen/ mit
Bitte: Er möchte ihn ja nicht zurück lassen. Amil-
car küßte Annibaln mit noch mehrer Brünstig-
keit/ nahm seine rechte Hand/ legte selbte auf
das Bild Jupiters/ sprach ihm einen Eyd für/
in welchem Annibal der Römer Tod-Feind zu
sterben angeloben muste. Diesen sprach er
nicht nur mit tausend Freuden nach; sondern
er war in Hispanien die neun Jahr über ein
unabtrennlicher Geferte in den Kriegs-Zelten
seines sieghaften Vaters/ der durch seine Tha-
ten den ersten Stein zu einem neuen Reiche
legte/ und seinen Nachfolgern den Weg zu noch
grössern Wercken bähnte. Auf der einen
Seite des Flusses Jberus war alleine der tapfe-
re und mächtige König Orisso noch übrig/ der
sein Haupt für Amilcarn nicht beugte. Da-
her kamen beyde mit einander zum Haupt-
Treffen. Wie nun die Jberier überaus hart-
näckicht fochten/ drang Amilcar aus Ungedult
mit einer wunderwürdigen Kühnheit auf das
Haupt der Feinde zu/ durchrennte den König
Orisso; verfiel aber in solchem Gedränge mit
seinem Pferde in einen Sumpf/ und muste dar-
innen mit seinem Leben auch die unersättliche
Begierde der Ehren ausblasen. Der achzehn-
jährige Hannibal aber ließ sich weder die An-
zahl der Feinde/ noch seines Vaters Tod irre
machen; sondern gewan durch seine Tapferkeit
[Spaltenumbruch] die Schlacht. Asdrubal/ der bißher über die
Kriegs-Flotte bestellt war/ kam in Amilcars
Stelle; welches bey Annibaln schon etlicher
massen Schälsucht erweckte. Also düncket ein
ruhmsüchtiger Geist niemals einen zu kurtzen
Degen/ und zu wenig Jahre zu haben/ wenn er
grosse Unterfang ungen im Schilde führt. As-
drubal stand seinem hohen Ampte mit grossem
Fleisse und Klugheit acht Jahr für/ erweiterte
der Carthaginenser Gräntzen sehr weit/ und
zwar nicht so wohl durch die Waffen/ als seine
Leutseligkeit/ wormit er der meisten Hispani-
schen Fürsten Gemüther an sich zoh. Denn
es lassen sich durch keine Wünschel-Ruthe so
wohl die heimlichen Ertzt-Adern erforschen/
als menschliche Hertzen durch den Trieb der
Freundschafft; und keine Zauber-Gärthe kan
so wohl die Gespenster/ als Freundligkeit und
Wohlthun die Gemüther an sich ziehen. Er
erbaute die mächtige und überaus wohlgelege-
ne Stadt Neu-Carthago; welche die Römer sehr
ins Gesichte stach/ und sie gleichsam aus einem
tieffen Schlafe gegen Carthago aufweckte.
Alldieweil sie sich aber noch nicht völlig aus dem
Jllyrischen Kriege mit der Königin Teuta aus-
gewickelt/ auch von denen Deutschen und Celten
einen neuen Anfall zu gewarten hatten/ mach-
ten sie zwar einen grossen Ruff/ als auf dessen
Gewichte die Kriege offtmals mehr als auf der
Schwerde der Waffen bestehen: daß von Ostia
und Cajeta ein mächtiges Heer nach Hispanien
überfahren solte; ihr gröstes Absehn aber hatten
sie auf ihre an Asdrubaln mit vielen Geschen-
cken abgehende Gesandschafft. Wiewohl
nun die in Jtalien noch seßhaften Deutschen/
König Aneroest und Viridomar Asdrubaln
durch vertrösteten Beystand beweglich in
Ohren lagen/ nunmehr die Waffen wider
Rom und Sagunt zu ergreiffen; ließ er
sich doch die Römische Kriegs-Rüstung ent-
weder schrecken/ oder ihre Geschencke blenden:
daß er ohne des Raths zu Carthago Vor-
bewust/ und zum Nachtheil des Vaterlands

den
L l l l l 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] erfreuet/ und daher ergrieff er den damals nur
9. jaͤhrigen Annibal bey der Hand/ fuͤhrte ihn fuͤr
das Altar des raͤchendẽ Jupiters/ um ihm bey ſei-
nẽ Opfern die benoͤthigte Handreichung zu thun.
Nach vollbrachtem Gottes-Dienſte umbhalſete
und kuͤßte er ſeinen Sohn/ fragende: Ob er
wohl Luſt haͤtte mit ihm in Krieg nach Hiſpanien
abzuſegeln? Wie ein von dem muͤtterlichen
Gebluͤte noch naſſer Loͤwe ſchon ſeine Klauen
zeigt; ja Helden-Kinder in der Wiege Schlan-
gen zu zerreiſſen begierig ſind; alſo brach beym
noch ſo zarten Hannibal mit ſeinen Freuden-
Thraͤnen ſchon das Feuer ſeines Gemuͤthes
fuͤr. Er umbarmte die Knie ſeines Vaters/
und kuͤſſete den Staub ſeiner Fußſtapfen/ mit
Bitte: Er moͤchte ihn ja nicht zuruͤck laſſẽ. Amil-
car kuͤßte Annibaln mit noch mehrer Bruͤnſtig-
keit/ nahm ſeine rechte Hand/ legte ſelbte auf
das Bild Jupiters/ ſprach ihm einen Eyd fuͤr/
in welchem Annibal der Roͤmer Tod-Feind zu
ſterben angeloben muſte. Dieſen ſprach er
nicht nur mit tauſend Freuden nach; ſondern
er war in Hiſpanien die neun Jahr uͤber ein
unabtrennlicher Geferte in den Kriegs-Zelten
ſeines ſieghaften Vaters/ der durch ſeine Tha-
ten den erſten Stein zu einem neuen Reiche
legte/ und ſeinen Nachfolgern den Weg zu noch
groͤſſern Wercken baͤhnte. Auf der einen
Seite des Fluſſes Jberus war alleine der tapfe-
re und maͤchtige Koͤnig Oriſſo noch uͤbrig/ der
ſein Haupt fuͤr Amilcarn nicht beugte. Da-
her kamen beyde mit einander zum Haupt-
Treffen. Wie nun die Jberier uͤberaus hart-
naͤckicht fochten/ drang Amilcar aus Ungedult
mit einer wunderwuͤrdigen Kuͤhnheit auf das
Haupt der Feinde zu/ durchrennte den Koͤnig
Oriſſo; verfiel aber in ſolchem Gedraͤnge mit
ſeinem Pferde in einen Sumpf/ und muſte dar-
innen mit ſeinem Leben auch die unerſaͤttliche
Begierde der Ehren ausblaſen. Der achzehn-
jaͤhrige Hannibal aber ließ ſich weder die An-
zahl der Feinde/ noch ſeines Vaters Tod irre
machen; ſondern gewan durch ſeine Tapferkeit
[Spaltenumbruch] die Schlacht. Asdrubal/ der bißher uͤber die
Kriegs-Flotte beſtellt war/ kam in Amilcars
Stelle; welches bey Annibaln ſchon etlicher
maſſen Schaͤlſucht erweckte. Alſo duͤncket ein
ruhmſuͤchtiger Geiſt niemals einen zu kurtzen
Degen/ und zu wenig Jahre zu haben/ wenn er
groſſe Unterfang ungen im Schilde fuͤhrt. As-
drubal ſtand ſeinem hohen Ampte mit groſſem
Fleiſſe und Klugheit acht Jahr fuͤr/ erweiterte
der Carthaginenſer Graͤntzen ſehr weit/ und
zwar nicht ſo wohl durch die Waffen/ als ſeine
Leutſeligkeit/ wormit er der meiſten Hiſpani-
ſchen Fuͤrſten Gemuͤther an ſich zoh. Denn
es laſſen ſich durch keine Wuͤnſchel-Ruthe ſo
wohl die heimlichen Ertzt-Adern erforſchen/
als menſchliche Hertzen durch den Trieb der
Freundſchafft; und keine Zauber-Gaͤrthe kan
ſo wohl die Geſpenſter/ als Freundligkeit und
Wohlthun die Gemuͤther an ſich ziehen. Er
erbaute die maͤchtige und uͤberaus wohlgelege-
ne Stadt Neu-Carthago; welche die Roͤmer ſehr
ins Geſichte ſtach/ und ſie gleichſam aus einem
tieffen Schlafe gegen Carthago aufweckte.
Alldieweil ſie ſich aber noch nicht voͤllig aus dem
Jllyriſchen Kriege mit der Koͤnigin Teuta aus-
gewickelt/ auch von denen Deutſchen und Celten
einen neuen Anfall zu gewarten hatten/ mach-
ten ſie zwar einen groſſen Ruff/ als auf deſſen
Gewichte die Kriege offtmals mehr als auf der
Schwerde der Waffen beſtehen: daß von Oſtia
und Cajeta ein maͤchtiges Heer nach Hiſpanien
uͤberfahren ſolte; ihr groͤſtes Abſehn aber hatten
ſie auf ihre an Asdrubaln mit vielen Geſchen-
cken abgehende Geſandſchafft. Wiewohl
nun die in Jtalien noch ſeßhaften Deutſchen/
Koͤnig Aneroeſt und Viridomar Asdrubaln
durch vertroͤſteten Beyſtand beweglich in
Ohren lagen/ nunmehr die Waffen wider
Rom und Sagunt zu ergreiffen; ließ er
ſich doch die Roͤmiſche Kriegs-Ruͤſtung ent-
weder ſchrecken/ oder ihre Geſchencke blenden:
daß er ohne des Raths zu Carthago Vor-
bewuſt/ und zum Nachtheil des Vaterlands

den
L l l l l 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0881" n="819[821]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
erfreuet/ und daher ergrieff er den damals nur<lb/>
9. ja&#x0364;hrigen Annibal bey der Hand/ fu&#x0364;hrte ihn fu&#x0364;r<lb/>
das Altar des ra&#x0364;chende&#x0303; Jupiters/ um ihm bey &#x017F;ei-<lb/>
ne&#x0303; Opfern die beno&#x0364;thigte Handreichung zu thun.<lb/>
Nach vollbrachtem Gottes-Dien&#x017F;te umbhal&#x017F;ete<lb/>
und ku&#x0364;ßte er &#x017F;einen Sohn/ fragende: Ob er<lb/>
wohl Lu&#x017F;t ha&#x0364;tte mit ihm in Krieg nach Hi&#x017F;panien<lb/>
abzu&#x017F;egeln? Wie ein von dem mu&#x0364;tterlichen<lb/>
Geblu&#x0364;te noch na&#x017F;&#x017F;er Lo&#x0364;we &#x017F;chon &#x017F;eine Klauen<lb/>
zeigt; ja Helden-Kinder in der Wiege Schlan-<lb/>
gen zu zerrei&#x017F;&#x017F;en begierig &#x017F;ind; al&#x017F;o brach beym<lb/>
noch &#x017F;o zarten Hannibal mit &#x017F;einen Freuden-<lb/>
Thra&#x0364;nen &#x017F;chon das Feuer &#x017F;eines Gemu&#x0364;thes<lb/>
fu&#x0364;r. Er umbarmte die Knie &#x017F;eines Vaters/<lb/>
und ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;ete den Staub &#x017F;einer Fuß&#x017F;tapfen/ mit<lb/>
Bitte: Er mo&#x0364;chte ihn ja nicht zuru&#x0364;ck la&#x017F;&#x017F;e&#x0303;. Amil-<lb/>
car ku&#x0364;ßte Annibaln mit noch mehrer Bru&#x0364;n&#x017F;tig-<lb/>
keit/ nahm &#x017F;eine rechte Hand/ legte &#x017F;elbte auf<lb/>
das Bild Jupiters/ &#x017F;prach ihm einen Eyd fu&#x0364;r/<lb/>
in welchem Annibal der Ro&#x0364;mer Tod-Feind zu<lb/>
&#x017F;terben angeloben mu&#x017F;te. Die&#x017F;en &#x017F;prach er<lb/>
nicht nur mit tau&#x017F;end Freuden nach; &#x017F;ondern<lb/>
er war in Hi&#x017F;panien die neun Jahr u&#x0364;ber ein<lb/>
unabtrennlicher Geferte in den Kriegs-Zelten<lb/>
&#x017F;eines &#x017F;ieghaften Vaters/ der durch &#x017F;eine Tha-<lb/>
ten den er&#x017F;ten Stein zu einem neuen Reiche<lb/>
legte/ und &#x017F;einen Nachfolgern den Weg zu noch<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Wercken ba&#x0364;hnte. Auf der einen<lb/>
Seite des Flu&#x017F;&#x017F;es Jberus war alleine der tapfe-<lb/>
re und ma&#x0364;chtige Ko&#x0364;nig Ori&#x017F;&#x017F;o noch u&#x0364;brig/ der<lb/>
&#x017F;ein Haupt fu&#x0364;r Amilcarn nicht beugte. Da-<lb/>
her kamen beyde mit einander zum Haupt-<lb/>
Treffen. Wie nun die Jberier u&#x0364;beraus hart-<lb/>
na&#x0364;ckicht fochten/ drang Amilcar aus Ungedult<lb/>
mit einer wunderwu&#x0364;rdigen Ku&#x0364;hnheit auf das<lb/>
Haupt der Feinde zu/ durchrennte den Ko&#x0364;nig<lb/>
Ori&#x017F;&#x017F;o; verfiel aber in &#x017F;olchem Gedra&#x0364;nge mit<lb/>
&#x017F;einem Pferde in einen Sumpf/ und mu&#x017F;te dar-<lb/>
innen mit &#x017F;einem Leben auch die uner&#x017F;a&#x0364;ttliche<lb/>
Begierde der Ehren ausbla&#x017F;en. Der achzehn-<lb/>
ja&#x0364;hrige Hannibal aber ließ &#x017F;ich weder die An-<lb/>
zahl der Feinde/ noch &#x017F;eines Vaters Tod irre<lb/>
machen; &#x017F;ondern gewan durch &#x017F;eine Tapferkeit<lb/><cb/>
die Schlacht. Asdrubal/ der bißher u&#x0364;ber die<lb/>
Kriegs-Flotte be&#x017F;tellt war/ kam in Amilcars<lb/>
Stelle; welches bey Annibaln &#x017F;chon etlicher<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;en Scha&#x0364;l&#x017F;ucht erweckte. Al&#x017F;o du&#x0364;ncket ein<lb/>
ruhm&#x017F;u&#x0364;chtiger Gei&#x017F;t niemals einen zu kurtzen<lb/>
Degen/ und zu wenig Jahre zu haben/ wenn er<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;e Unterfang ungen im Schilde fu&#x0364;hrt. As-<lb/>
drubal &#x017F;tand &#x017F;einem hohen Ampte mit gro&#x017F;&#x017F;em<lb/>
Flei&#x017F;&#x017F;e und Klugheit acht Jahr fu&#x0364;r/ erweiterte<lb/>
der Carthaginen&#x017F;er Gra&#x0364;ntzen &#x017F;ehr weit/ und<lb/>
zwar nicht &#x017F;o wohl durch die Waffen/ als &#x017F;eine<lb/>
Leut&#x017F;eligkeit/ wormit er der mei&#x017F;ten Hi&#x017F;pani-<lb/>
&#x017F;chen Fu&#x0364;r&#x017F;ten Gemu&#x0364;ther an &#x017F;ich zoh. Denn<lb/>
es la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich durch keine Wu&#x0364;n&#x017F;chel-Ruthe &#x017F;o<lb/>
wohl die heimlichen Ertzt-Adern erfor&#x017F;chen/<lb/>
als men&#x017F;chliche Hertzen durch den Trieb der<lb/>
Freund&#x017F;chafft; und keine Zauber-Ga&#x0364;rthe kan<lb/>
&#x017F;o wohl die Ge&#x017F;pen&#x017F;ter/ als Freundligkeit und<lb/>
Wohlthun die Gemu&#x0364;ther an &#x017F;ich ziehen. Er<lb/>
erbaute die ma&#x0364;chtige und u&#x0364;beraus wohlgelege-<lb/>
ne Stadt Neu-Carthago; welche die Ro&#x0364;mer &#x017F;ehr<lb/>
ins Ge&#x017F;ichte &#x017F;tach/ und &#x017F;ie gleich&#x017F;am aus einem<lb/>
tieffen Schlafe gegen Carthago aufweckte.<lb/>
Alldieweil &#x017F;ie &#x017F;ich aber noch nicht vo&#x0364;llig aus dem<lb/>
Jllyri&#x017F;chen Kriege mit der Ko&#x0364;nigin Teuta aus-<lb/>
gewickelt/ auch von denen Deut&#x017F;chen und Celten<lb/>
einen neuen Anfall zu gewarten hatten/ mach-<lb/>
ten &#x017F;ie zwar einen gro&#x017F;&#x017F;en Ruff/ als auf de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Gewichte die Kriege offtmals mehr als auf der<lb/>
Schwerde der Waffen be&#x017F;tehen: daß von O&#x017F;tia<lb/>
und Cajeta ein ma&#x0364;chtiges Heer nach Hi&#x017F;panien<lb/>
u&#x0364;berfahren &#x017F;olte; ihr gro&#x0364;&#x017F;tes Ab&#x017F;ehn aber hatten<lb/>
&#x017F;ie auf ihre an Asdrubaln mit vielen Ge&#x017F;chen-<lb/>
cken abgehende Ge&#x017F;and&#x017F;chafft. Wiewohl<lb/>
nun die in Jtalien noch &#x017F;eßhaften Deut&#x017F;chen/<lb/>
Ko&#x0364;nig Aneroe&#x017F;t und Viridomar Asdrubaln<lb/>
durch vertro&#x0364;&#x017F;teten Bey&#x017F;tand beweglich in<lb/>
Ohren lagen/ nunmehr die Waffen wider<lb/>
Rom und Sagunt zu ergreiffen; ließ er<lb/>
&#x017F;ich doch die Ro&#x0364;mi&#x017F;che Kriegs-Ru&#x0364;&#x017F;tung ent-<lb/>
weder &#x017F;chrecken/ oder ihre Ge&#x017F;chencke blenden:<lb/>
daß er ohne des Raths zu Carthago Vor-<lb/>
bewu&#x017F;t/ und zum Nachtheil des Vaterlands<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L l l l l 2</fw><fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[819[821]/0881] Arminius und Thußnelda. erfreuet/ und daher ergrieff er den damals nur 9. jaͤhrigen Annibal bey der Hand/ fuͤhrte ihn fuͤr das Altar des raͤchendẽ Jupiters/ um ihm bey ſei- nẽ Opfern die benoͤthigte Handreichung zu thun. Nach vollbrachtem Gottes-Dienſte umbhalſete und kuͤßte er ſeinen Sohn/ fragende: Ob er wohl Luſt haͤtte mit ihm in Krieg nach Hiſpanien abzuſegeln? Wie ein von dem muͤtterlichen Gebluͤte noch naſſer Loͤwe ſchon ſeine Klauen zeigt; ja Helden-Kinder in der Wiege Schlan- gen zu zerreiſſen begierig ſind; alſo brach beym noch ſo zarten Hannibal mit ſeinen Freuden- Thraͤnen ſchon das Feuer ſeines Gemuͤthes fuͤr. Er umbarmte die Knie ſeines Vaters/ und kuͤſſete den Staub ſeiner Fußſtapfen/ mit Bitte: Er moͤchte ihn ja nicht zuruͤck laſſẽ. Amil- car kuͤßte Annibaln mit noch mehrer Bruͤnſtig- keit/ nahm ſeine rechte Hand/ legte ſelbte auf das Bild Jupiters/ ſprach ihm einen Eyd fuͤr/ in welchem Annibal der Roͤmer Tod-Feind zu ſterben angeloben muſte. Dieſen ſprach er nicht nur mit tauſend Freuden nach; ſondern er war in Hiſpanien die neun Jahr uͤber ein unabtrennlicher Geferte in den Kriegs-Zelten ſeines ſieghaften Vaters/ der durch ſeine Tha- ten den erſten Stein zu einem neuen Reiche legte/ und ſeinen Nachfolgern den Weg zu noch groͤſſern Wercken baͤhnte. Auf der einen Seite des Fluſſes Jberus war alleine der tapfe- re und maͤchtige Koͤnig Oriſſo noch uͤbrig/ der ſein Haupt fuͤr Amilcarn nicht beugte. Da- her kamen beyde mit einander zum Haupt- Treffen. Wie nun die Jberier uͤberaus hart- naͤckicht fochten/ drang Amilcar aus Ungedult mit einer wunderwuͤrdigen Kuͤhnheit auf das Haupt der Feinde zu/ durchrennte den Koͤnig Oriſſo; verfiel aber in ſolchem Gedraͤnge mit ſeinem Pferde in einen Sumpf/ und muſte dar- innen mit ſeinem Leben auch die unerſaͤttliche Begierde der Ehren ausblaſen. Der achzehn- jaͤhrige Hannibal aber ließ ſich weder die An- zahl der Feinde/ noch ſeines Vaters Tod irre machen; ſondern gewan durch ſeine Tapferkeit die Schlacht. Asdrubal/ der bißher uͤber die Kriegs-Flotte beſtellt war/ kam in Amilcars Stelle; welches bey Annibaln ſchon etlicher maſſen Schaͤlſucht erweckte. Alſo duͤncket ein ruhmſuͤchtiger Geiſt niemals einen zu kurtzen Degen/ und zu wenig Jahre zu haben/ wenn er groſſe Unterfang ungen im Schilde fuͤhrt. As- drubal ſtand ſeinem hohen Ampte mit groſſem Fleiſſe und Klugheit acht Jahr fuͤr/ erweiterte der Carthaginenſer Graͤntzen ſehr weit/ und zwar nicht ſo wohl durch die Waffen/ als ſeine Leutſeligkeit/ wormit er der meiſten Hiſpani- ſchen Fuͤrſten Gemuͤther an ſich zoh. Denn es laſſen ſich durch keine Wuͤnſchel-Ruthe ſo wohl die heimlichen Ertzt-Adern erforſchen/ als menſchliche Hertzen durch den Trieb der Freundſchafft; und keine Zauber-Gaͤrthe kan ſo wohl die Geſpenſter/ als Freundligkeit und Wohlthun die Gemuͤther an ſich ziehen. Er erbaute die maͤchtige und uͤberaus wohlgelege- ne Stadt Neu-Carthago; welche die Roͤmer ſehr ins Geſichte ſtach/ und ſie gleichſam aus einem tieffen Schlafe gegen Carthago aufweckte. Alldieweil ſie ſich aber noch nicht voͤllig aus dem Jllyriſchen Kriege mit der Koͤnigin Teuta aus- gewickelt/ auch von denen Deutſchen und Celten einen neuen Anfall zu gewarten hatten/ mach- ten ſie zwar einen groſſen Ruff/ als auf deſſen Gewichte die Kriege offtmals mehr als auf der Schwerde der Waffen beſtehen: daß von Oſtia und Cajeta ein maͤchtiges Heer nach Hiſpanien uͤberfahren ſolte; ihr groͤſtes Abſehn aber hatten ſie auf ihre an Asdrubaln mit vielen Geſchen- cken abgehende Geſandſchafft. Wiewohl nun die in Jtalien noch ſeßhaften Deutſchen/ Koͤnig Aneroeſt und Viridomar Asdrubaln durch vertroͤſteten Beyſtand beweglich in Ohren lagen/ nunmehr die Waffen wider Rom und Sagunt zu ergreiffen; ließ er ſich doch die Roͤmiſche Kriegs-Ruͤſtung ent- weder ſchrecken/ oder ihre Geſchencke blenden: daß er ohne des Raths zu Carthago Vor- bewuſt/ und zum Nachtheil des Vaterlands den L l l l l 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/881
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 819[821]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/881>, abgerufen am 22.11.2024.