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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] schafft mehrmals die Brüste betastete; jener ge-
gen Annibaln/ der mit Servilien nicht viel an-
ders umgieng/ als ein Ehbrecher mit einer ge-
meinen Dirne im Hurenhause. Denn die un-
keusche Liebe ist nicht nur/ weil sie anfangs offt ei-
ne heßliche Eule für einen Par adiesvogel erkie-
set/ sondern auch/ weil sie ihr ein bildet: daß andere
Leute ihre offenbare Laster nicht sehen/ für blind
zu schelten. Aber die hundertäugichte Eiversucht
machte Porellen und den Barcellon allzu scharf-
sichtig. Denn wie Barcellon dem Taurea seine
eiserne Ruthe/ welche er als Mercur führte/ durch
den Leib trieb/ also stieß Porella in eben selbigem
Augenblicke/ gleich als hätten sie es mit einander
abgeredet/ Servilien einen Dolch in die Brüste;
daß beyde todt zur Erden fielen. Porella war
auch schon in vollem Stosse Annibaln eines zu
versetzen/ sein Vater Pacuvius Calavius aber
verrückte ihm den Stich. Hierüber fielen alle
anwesende Africaner den Porella an; Ob nun
wohl ihm seine drey Cyclopen zu Hülffe ka-
men/ und etliche Mohren verletzeten/ wurden sie
doch von der Menge bald erschlagen/ und nicht
nur Porella/ sondern auch der zwar hieran/ aber
nicht an Verrathung der Stadt Capua unschul-
dige Calavius mit mehr als hundert Stichen er-
mordet. Also sind die Strafen der göttlichen Ra-
che allezeit gerecht/ wenn selbte schon für mensch-
lichen Augen die Unschuld zu treffen scheinen.
Weil alles Annibaln zulieff/ hatte Barcellon in-
zwischen Zeit sich bey der finstern Nacht aus dem
nunmehr so traurigen Lustgarten zu spielen/ und
ins Läger zu seinen untergebenen Hispaniern zu
fliehen; weil doch Hannibal sein Beginnen für ein
mit dem Porella abgeredetes Werck auffneh-
men; die Verstörung seiner Lust/ und den Mord
des bey ihm hoch am Brete sitzenden Taurea mit
grausamen Strafen rächen würde. Die gantze
Versammlung kam hierüber in Bestürtzung/ die
gantze Stadt in Unruh/ also: daß Annibal alle
Kreutz-Gassen mit Kriegsvolcke besetzen muste.
Wie die Mohren nun die Leichen aus dem Gar-
[Spaltenumbruch] ten schlepten/ und also ihre Kleider durchsuchten/
fand einer zu allem Unglücke beym Porella ei-
nen Zettel mit diesen Worten: Bistu denn mit
sehenden Augen blind; daß du deiner Ehebreche-
rin so viel Luft zu ihren Lastern läst? Meinestu
nicht: daß es die Götter für keine geringere Sün-
de aufnehmen/ Laster verhängen/ als selbte be ge-
hen. Oder hastu kein Manns-Hertze in dir/ eines
so unreinen Brandes Licht auszuleschen? Der
Mohr lieff mit dieser Handschrifft/ welche er we-
der zu lesen noch zu erkennen wuste/ alsbald zu
Agathocleen; als durch welche alles zu gehen
pflegte/ was zu Annibaln kommen solte. Diese er-
kennte sie beym ersten Anblicke für der Fürstin
Chlotildis eigene Hand; daher ging sie unver-
wandten Fusses zu Annibal; verhetzte ihn wider
die ihr mehr als Spinnen verhaste Chlotildis/ als
welche nicht nur die Mordstiffterin des geschehe-
nen Trauer-Falls wäre/ sondern auch den Po-
rella zu Hinrichtung Annibals ihres eigenen
Ehgemahls angefrischt hätte. Annibal wolte
alsbald mit dem Degen in der Faust in Chlotil-
dens Zimmer eilen/ und sie in ihrem Bette seiner
Rache auffopffern. Agathoclea aber hielt ihm die
Gefahr/ den Haß/ den er ihm bey allen Deut-
schen zuziehen/ und die übele Nachrede bey der
gantzen Welt/ welche von seiner Gemahlin
schwerlich eine so grausame Missethat glauben
würden/ beweglich ein; und daß nichts alberers
wäre/ als eine plumpe Rache/ welche alle
Augen sehen/ und dem Rächer selbst Schaden
thäte. Sie versicherte ihn: daß Chlotildis den
folgenden Untergang der Sonnen nicht erle-
ben/ die Scharffsichtigsten aber des Todes Ursa-
che nicht er gründen solten. Hiermit gingen sie
zwar zur Ruhe; wiewohl ihrer wenigen der
Schlaff in die Augen kam. Auf den Morgen gab
Agathoclia achtung/ als der Chlotildis Cammer-
Jungfrau der Gewohnheit nach aus dem
Springbrunden frisches Wasser zu Begiessung
der Jesminsträuche hohlete; welche Chlotildis
für dem Fenster ihres Zimmers stehen hatte.

Dieser

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] ſchafft mehrmals die Bruͤſte betaſtete; jener ge-
gen Annibaln/ der mit Servilien nicht viel an-
ders umgieng/ als ein Ehbrecher mit einer ge-
meinen Dirne im Hurenhauſe. Denn die un-
keuſche Liebe iſt nicht nur/ weil ſie anfangs offt ei-
ne heßliche Eule fuͤr einen Par adiesvogel erkie-
ſet/ ſondern auch/ weil ſie ihr ein bildet: daß andere
Leute ihre offenbare Laſter nicht ſehen/ fuͤr blind
zu ſchelten. Aber die hundertaͤugichte Eiverſucht
machte Porellen und den Barcellon allzu ſcharf-
ſichtig. Denn wie Barcellon dem Taurea ſeine
eiſerne Ruthe/ welche er als Mercur fuͤhrte/ duꝛch
den Leib trieb/ alſo ſtieß Porella in eben ſelbigem
Augenblicke/ gleich als haͤtten ſie es mit einander
abgeredet/ Servilien einen Dolch in die Bruͤſte;
daß beyde todt zur Erden fielen. Porella war
auch ſchon in vollem Stoſſe Annibaln eines zu
verſetzen/ ſein Vater Pacuvius Calavius aber
verruͤckte ihm den Stich. Hieruͤber fielen alle
anweſende Africaner den Porella an; Ob nun
wohl ihm ſeine drey Cyclopen zu Huͤlffe ka-
men/ und etliche Mohren verletzeten/ wurden ſie
doch von der Menge bald erſchlagen/ und nicht
nur Porella/ ſondern auch der zwar hieran/ aber
nicht an Verrathung der Stadt Capua unſchul-
dige Calavius mit mehr als hundert Stichen er-
mordet. Alſo ſind die Strafen der goͤttlichen Ra-
che allezeit gerecht/ wenn ſelbte ſchon fuͤr menſch-
lichen Augen die Unſchuld zu treffen ſcheinen.
Weil alles Annibaln zulieff/ hatte Barcellon in-
zwiſchen Zeit ſich bey der finſtern Nacht aus dem
nunmehr ſo traurigen Luſtgarten zu ſpielen/ und
ins Laͤger zu ſeinen untergebenen Hiſpaniern zu
fliehen; weil doch Hannibal ſein Begiñen fuͤr ein
mit dem Porella abgeredetes Werck auffneh-
men; die Verſtoͤrung ſeiner Luſt/ und den Mord
des bey ihm hoch am Brete ſitzenden Taurea mit
grauſamen Strafen raͤchen wuͤrde. Die gantze
Verſam̃lung kam hieruͤber in Beſtuͤrtzung/ die
gantze Stadt in Unruh/ alſo: daß Annibal alle
Kreutz-Gaſſen mit Kriegsvolcke beſetzen muſte.
Wie die Mohren nun die Leichen aus dem Gar-
[Spaltenumbruch] ten ſchlepten/ und alſo ihre Kleider durchſuchten/
fand einer zu allem Ungluͤcke beym Porella ei-
nen Zettel mit dieſen Worten: Biſtu denn mit
ſehenden Augen blind; daß du deiner Ehebreche-
rin ſo viel Luft zu ihren Laſtern laͤſt? Meineſtu
nicht: daß es die Goͤtter fuͤr keine geringere Suͤn-
de aufnehmen/ Laſter verhaͤngen/ als ſelbte be ge-
hen. Oder haſtu kein Manns-Hertze in dir/ eines
ſo unreinen Brandes Licht auszuleſchen? Der
Mohr lieff mit dieſer Handſchrifft/ welche er we-
der zu leſen noch zu erkennen wuſte/ alsbald zu
Agathocleen; als durch welche alles zu gehen
pflegte/ was zu Annibaln kom̃en ſolte. Dieſe er-
kennte ſie beym erſten Anblicke fuͤr der Fuͤrſtin
Chlotildis eigene Hand; daher ging ſie unver-
wandten Fuſſes zu Annibal; verhetzte ihn wider
die ihr mehr als Spiñen verhaſte Chlotildis/ als
welche nicht nur die Mordſtiffterin des geſchehe-
nen Trauer-Falls waͤre/ ſondern auch den Po-
rella zu Hinrichtung Annibals ihres eigenen
Ehgemahls angefriſcht haͤtte. Annibal wolte
alsbald mit dem Degen in der Fauſt in Chlotil-
dens Zimmer eilen/ und ſie in ihrem Bette ſeiner
Rache auffopffern. Agathoclea aber hielt ihm die
Gefahr/ den Haß/ den er ihm bey allen Deut-
ſchen zuziehen/ und die uͤbele Nachrede bey der
gantzen Welt/ welche von ſeiner Gemahlin
ſchwerlich eine ſo grauſame Miſſethat glauben
wuͤrden/ beweglich ein; und daß nichts alberers
waͤre/ als eine plumpe Rache/ welche alle
Augen ſehen/ und dem Raͤcher ſelbſt Schaden
thaͤte. Sie verſicherte ihn: daß Chlotildis den
folgenden Untergang der Sonnen nicht erle-
ben/ die Scharffſichtigſten aber des Todes Urſa-
che nicht er gruͤnden ſolten. Hiermit gingen ſie
zwar zur Ruhe; wiewohl ihrer wenigen der
Schlaff in die Augen kam. Auf den Morgen gab
Agathoclia achtung/ als der Chlotildis Cammer-
Jungfrau der Gewohnheit nach aus dem
Springbruñen friſches Waſſer zu Begieſſung
der Jeſminſtraͤuche hohlete; welche Chlotildis
fuͤr dem Fenſter ihres Zimmers ſtehen hatte.

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 840[842]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/902>, abgerufen am 23.11.2024.