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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] Letus und Balista. Worauf Claudius hochmü-
thig nach Rom schrieb: Seine Tugend und Glü-
cke hätte nunmehr zu wege gebracht: daß Rom
disseits der Alpen keinen Feind mehr hätte.
Gleichwol aber reckten diese Untergedrückten
aus Liebe der Freyheit bald wieder ihre Hörner
empor/ erschlugen den Bürgermeister Petilius
mit etlichen tausend Römern. Der Bürger-
meister Popilius wolte diese Schande an denen
allezeit Römisch-gesinnten Statellatischen Li-
guriern rächen/ und gerieth bey der Stadt Ca-
ristum mit ihnen in eine blutige Schlacht; also:
daß er sich zwar des Sieges/ aber schlechten
Vorthels zu rühmen hatte; Wie denn auch der
Römische Rath dieses Unrecht ihres Bürgers
verdammten/ und die Ligurier in ihre Freyheit
zu setzen befahl. Aber bey Verwechselung der
Aempter blieb es nach; iedoch empfand es das
Römische Volck so sehr: daß es in dem Heilig-
thume Bellonens den Bürgermeister Popilius
schimpflich fragte: Warum er die durch seines
Bruders Betrug unter gedrückte Deutschen in
Ligurien nicht wieder in Freyheit gesetzt hätte?
Welche Mäßigung denn hernach die Ligurier
und Deutsche ziemlich beruhigte; biß die wegen
des eroberten Macedoniens des durch eigene
Zwytracht entkräffteten Syriens und zur
Dienstbarkeit geneigtens hoffärtigen Römer in
Ligurien den Krieg ohne einige andere Ursache/
als aus Begierde sich durch viel Siege berühmt
zu machen den Krieg erneuerten; und die Bür-
germeister wegen etlicher vortheilhafften Tref-
fen nebst dem Publius Scipio/ welcher mit der
Stadt Delmin gantz Dalmatien zum Gehor-
sam gebracht hatte/ ein Siegs-Gepränge hiel-
ten. Weil die Deutschen nun von den Maßi-
liern der Römer geschwornen Gefärthen lange
Zeit Uberlast/ und beym Kriege Abbruch gelit-
ten hatten/ fielen sie in Gallien in ihr Gebiete
ein; eroberten die Seestadt Nica/ setzten über
den Fluß Varus/ und belägerten Antipolis.
Wie nun die Maßilier zu Rom hierüber klag-
[Spaltenumbruch] ten/ reisten alsofort Flaminius/ Popillius Le-
nas und Pupius dahin/ stiegen zu Egitica/ wel-
che Stadt den Oxybischen Liguriern gehöret/
aus; und befahlen ihnen die Belägerung aufzu-
heben. Die Ligurier hingegen befahlen den
Römern ihre Gräntze zu räumen; und als sie
von Dräuen und Scheltworten nicht abliessen/
trieben sie sie mit Gewalt in die Schiffe/ und
verwundeten den Flaminius. Hierauf folgte
alsbald der Bürgermeister Qvintus Opinius
mit einem mächtigen Heere; drang über alle
Gebürge biß an den Strom Acro/ nahm die
Stadt Egitra ein/ und schickte die Fürnehmsten
in Band und Eisen nach Rom. Dieses ver-
bitterte die Oxybier: daß sie unerwartet der ih-
nen zu Hülffe anziehenden Deciaten die wol
viermal stärckern Römer aus blinder Rachgier
aber mit grossem Verlust anfielen. Die De-
ciaten kamen zwar noch zum Treffen/ und strit-
ten mit grosser Hertzhafftigkeit wider den allge-
meinen Feind; der ihnen aber überlegen war/
ihnen ein Stück Landes abnahm/ und den
Maßiliern gewisse Geissel zu geben aufbürdete.
Folgendes Jahr kriegte der Bürgermeister Ti-
tus Annius abermals mit den Galliern über
dem Po. Und durch diese unauffhörliche Be-
drängung wurden alle Kräffte der Deutschen in
Jtalien/ wie die Schliefsteine von dem Eisen
unempfindlich verzehret: daß sie nur ihre Ach-
seln/ wie andere entferntere Völcker unter ihr
Joch beugen musten. Jedoch waren nicht so
wol der Römer Waffen als ihre Arglist/ und der
Deutschen selbsteigene Veränderung die für-
nehmste Ursache ihrer scheiternden Freyheit.
Sintemal jene bald diesen/ bald einen andern
Deutschen Fürsten durch einen vergüldeten
Schild/ ein zugerittenes Pferd/ einen mit fal-
schen Edelgesteinen versetzten Degen/ oder durch
eine gemahlte Lantze bethörten; den Kern ihrer
streitbaren Jugend zu Uberwindung anderer
Völcker oder der Deutschen selbst an sich zohen/
und durch öfftere Botschafften die Beschaffen-

heit

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] Letus und Baliſta. Worauf Claudius hochmuͤ-
thig nach Rom ſchrieb: Seine Tugend und Gluͤ-
cke haͤtte nunmehr zu wege gebracht: daß Rom
disſeits der Alpen keinen Feind mehr haͤtte.
Gleichwol aber reckten dieſe Untergedruͤckten
aus Liebe der Freyheit bald wieder ihre Hoͤrner
empor/ erſchlugen den Buͤrgermeiſter Petilius
mit etlichen tauſend Roͤmern. Der Buͤrger-
meiſter Popilius wolte dieſe Schande an denen
allezeit Roͤmiſch-geſinnten Statellatiſchen Li-
guriern raͤchen/ und gerieth bey der Stadt Ca-
riſtum mit ihnen in eine blutige Schlacht; alſo:
daß er ſich zwar des Sieges/ aber ſchlechten
Vorthels zu ruͤhmen hatte; Wie denn auch der
Roͤmiſche Rath dieſes Unrecht ihres Buͤrgers
verdammten/ und die Ligurier in ihre Freyheit
zu ſetzen befahl. Aber bey Verwechſelung der
Aempter blieb es nach; iedoch empfand es das
Roͤmiſche Volck ſo ſehr: daß es in dem Heilig-
thume Bellonens den Buͤrgermeiſter Popilius
ſchimpflich fragte: Warum er die durch ſeines
Bruders Betrug unter gedruͤckte Deutſchen in
Ligurien nicht wieder in Freyheit geſetzt haͤtte?
Welche Maͤßigung denn hernach die Ligurier
und Deutſche ziemlich beruhigte; biß die wegen
des eroberten Macedoniens des durch eigene
Zwytracht entkraͤffteten Syriens und zur
Dienſtbarkeit geneigtens hoffaͤrtigen Roͤmer in
Ligurien den Krieg ohne einige andere Urſache/
als aus Begierde ſich durch viel Siege beruͤhmt
zu machen den Krieg erneuerten; und die Buͤr-
germeiſter wegen etlicher vortheilhafften Tref-
fen nebſt dem Publius Scipio/ welcher mit der
Stadt Delmin gantz Dalmatien zum Gehor-
ſam gebracht hatte/ ein Siegs-Gepraͤnge hiel-
ten. Weil die Deutſchen nun von den Maßi-
liern der Roͤmer geſchwornen Gefaͤrthen lange
Zeit Uberlaſt/ und beym Kriege Abbruch gelit-
ten hatten/ fielen ſie in Gallien in ihr Gebiete
ein; eroberten die Seeſtadt Nica/ ſetzten uͤber
den Fluß Varus/ und belaͤgerten Antipolis.
Wie nun die Maßilier zu Rom hieruͤber klag-
[Spaltenumbruch] ten/ reiſten alſofort Flaminius/ Popillius Le-
nas und Pupius dahin/ ſtiegen zu Egitica/ wel-
che Stadt den Oxybiſchen Liguriern gehoͤret/
aus; und befahlen ihnen die Belaͤgerung aufzu-
heben. Die Ligurier hingegen befahlen den
Roͤmern ihre Graͤntze zu raͤumen; und als ſie
von Draͤuen und Scheltworten nicht ablieſſen/
trieben ſie ſie mit Gewalt in die Schiffe/ und
verwundeten den Flaminius. Hierauf folgte
alsbald der Buͤrgermeiſter Qvintus Opinius
mit einem maͤchtigen Heere; drang uͤber alle
Gebuͤrge biß an den Strom Acro/ nahm die
Stadt Egitra ein/ und ſchickte die Fuͤrnehmſten
in Band und Eiſen nach Rom. Dieſes ver-
bitterte die Oxybier: daß ſie unerwartet der ih-
nen zu Huͤlffe anziehenden Deciaten die wol
viermal ſtaͤrckern Roͤmer aus blinder Rachgier
aber mit groſſem Verluſt anfielen. Die De-
ciaten kamen zwar noch zum Treffen/ und ſtrit-
ten mit groſſer Hertzhafftigkeit wider den allge-
meinen Feind; der ihnen aber uͤberlegen war/
ihnen ein Stuͤck Landes abnahm/ und den
Maßiliern gewiſſe Geiſſel zu geben aufbuͤrdete.
Folgendes Jahr kriegte der Buͤrgermeiſter Ti-
tus Annius abermals mit den Galliern uͤber
dem Po. Und durch dieſe unauffhoͤrliche Be-
draͤngung wurden alle Kraͤffte der Deutſchen in
Jtalien/ wie die Schliefſteine von dem Eiſen
unempfindlich verzehret: daß ſie nur ihre Ach-
ſeln/ wie andere entferntere Voͤlcker unter ihr
Joch beugen muſten. Jedoch waren nicht ſo
wol der Roͤmer Waffen als ihre Argliſt/ und der
Deutſchen ſelbſteigene Veraͤnderung die fuͤr-
nehmſte Urſache ihrer ſcheiternden Freyheit.
Sintemal jene bald dieſen/ bald einen andern
Deutſchen Fuͤrſten durch einen verguͤldeten
Schild/ ein zugerittenes Pferd/ einen mit fal-
ſchen Edelgeſteinen verſetzten Degen/ oder durch
eine gemahlte Lantze bethoͤrten; den Kern ihrer
ſtreitbaren Jugend zu Uberwindung anderer
Voͤlcker oder der Deutſchen ſelbſt an ſich zohen/
und durch oͤfftere Botſchafften die Beſchaffen-

heit
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 884[886]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/946>, abgerufen am 23.11.2024.