Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Sechstes Buch [Spaltenumbruch]
get ward: daß er sich und sein Heer den Römernergab; aus welchem aber Viriaths Gemahlin Algarbe mit fünffhundert Celten nach Numan- tia entran; und mit ihr gleichsam des entleibten Viriaths Geist zum Schutz-Gotte dahin brach- te. Sintemal diese Stadt den Pompejus zum andern mahl von der Belägerung abtrieb/ und ihn zu einen Frieden zwang; welchen die Römer aber wieder brachen; Jedoch als Popilius Nu- mantia zum dritten mahl belägerte/ mit Einbüs- sung ihres gantzen Heeres den Fiedens-Bruch büsseten. Cajus Mancinius belägerte bernach Numantia zum vierdten mahl; die Numanti- er aber/ und insonderheit die dahin geflüchteten streitbaren Weiber der Celten/ wit welchen die Fürstin Algarbe aber/ welche kurtz vorher dem Bürgermeister Decius Brutus an dem Fluße Durius lange unglaublichen Widerstand ge- than hatten/ thaten in Ausfällen so grossen Scha- den/ und jagten den Römern solche Furcht ein: daß sie mehr weder das schreckliche Geschrey/ noch die feurige Augen der Numantier vertra- gen konten/ sondern Mantius des Nachts stille abziehen und das Läger verlassen muste. Die Fürstin Algarbe zohe durch ihre Tapferkeit zweyer Numantischen Fürsten Augen auf sich: daß sie beyde um ihre Liebe in Zwist geriethen. Sie aber entscheidete sie derogestalt: daß der/ welcher ihr die erste rechte Hand eines edlen Römers zur Morgengabe lieffern würde/ ihr Bräutigam seyn solte. Beyde liessen sich noch selbige Nacht über den Wall/ funden aber die Lauffgraben/ das Feld und endlich das gantze Römische Läger leer. Die von ihnen zurück gebrachte Nachricht munterte alsbald vier tau- send Numantier/ und darunter viel männliche Weiber auff/ den Römern zu folgen. Die Nacht/ die Geschwindigkeit/ und die Kundschafft der Oerter halff den Numantiern: daß sie das gantze Römische Heer in den Engen des Cauni- schen Gebürges umsetzten/ und zwantzig tau- send Römische Bürger/ und zehn tausend an- [Spaltenumbruch] dere Kriegs-Leute für dem fünfften Theile der Numantier die Waffen nieder zu legen. Als a- ber Mancinus/ Tiberius Gracchus und die an- dern Römischen Häupter einen Frieden und darinnen der Stadt Numantia ewige Freyheit beschworen hatten/ gaben sie ihnen die Waffen/ und ein Theil der im Läger eroberten Beute wieder. Als Numantia derogestalt in Ruhe war/ Brutus aber in Lusitanien biß an das grosse Meer kam/ über den Fluß der Vergessenheit und den Strom Minius sätzte/ eilte die großmüthige Fürstin Algarbe denen Bracarischen Völckern zu Hülffe; aus denen streitbaren Weibern sie ein absonderlich Heer zusammen zoh/ und des Bru- tus Waffen behertzt/ ja verzweiffelt die Spitze bot. Sintemahl die gefangenen Weiber/ um der Diestbarkeit zu entkommen/ sich und ihre Kinder selbst hinrichteten/ und den Tod für die edelste Art der Freylassung rühmten. Wie a- ber Brutus in einer Schlacht funfftig tausend Lusitanier durch eine besondere List erlegte/ ward sie gezwungen mit ihren Weibern in die Stadt Pallantia zu weichen/ daraus sie bey der vom Marcus Emilius vorgenommenen Beläge- rung ihre Anwesenheit durch unzehlbare Hel- den-Thaten bekand machte/ und bey des Emi- lius Abzuge eins der fürnehmsten Werckzeuge war/ welche den Römern einen nicht geringern Streich als die Numantiner versetzten. Dessen ungeachtet erklärte der Römische Rath den Nu- mantischen Frieden für nichtig/ schickten den Mancius nach Numantia; welche Stadt ihn aber als eines betrügerischen Friedens allzuun- würdiges Opffer anzunehmen verschmeheten. Wie nun Qvintus Piso in Hispanien ebenfals nichts ausrichtete/ ward endlich Publius Sci- pio zum Bürgermeister und Hispanischen Feld- herrn erkieset; gleich als wenn er und sein Ge- schlechte nur zu Zerstörung mächtiger Städte vom Verhängniße gewürdigt wäre. Er kam in Hispanien/ ergäntzte die verfallne Kriegs- Zucht/ vertrieb die Warsager/ schaffte alle da- hin
Sechſtes Buch [Spaltenumbruch]
get ward: daß er ſich und ſein Heer den Roͤmernergab; aus welchem aber Viriaths Gemahlin Algarbe mit fuͤnffhundert Celten nach Numan- tia entran; und mit ihr gleichſam des entleibten Viriaths Geiſt zum Schutz-Gotte dahin bꝛach- te. Sintemal dieſe Stadt den Pompejus zum andern mahl von der Belaͤgerung abtrieb/ und ihn zu einen Frieden zwang; welchen die Roͤmer aber wieder brachen; Jedoch als Popilius Nu- mantia zum dritten mahl belaͤgerte/ mit Einbuͤſ- ſung ihres gantzen Heeres den Fiedens-Bruch buͤſſeten. Cajus Mancinius belaͤgerte bernach Numantia zum vierdten mahl; die Numanti- er aber/ und inſonderheit die dahin gefluͤchteten ſtreitbaren Weiber der Celten/ wit welchen die Fuͤrſtin Algarbe aber/ welche kurtz vorher dem Buͤrgermeiſter Decius Brutus an dem Fluße Durius lange unglaublichen Widerſtand ge- than hatten/ thaten in Ausfaͤllen ſo gꝛoſſen Scha- den/ und jagten den Roͤmern ſolche Furcht ein: daß ſie mehr weder das ſchreckliche Geſchrey/ noch die feurige Augen der Numantier vertra- gen konten/ ſondern Mantius des Nachts ſtille abziehen und das Laͤger verlaſſen muſte. Die Fuͤrſtin Algarbe zohe durch ihre Tapferkeit zweyer Numantiſchen Fuͤrſten Augen auf ſich: daß ſie beyde um ihre Liebe in Zwiſt geriethen. Sie aber entſcheidete ſie derogeſtalt: daß der/ welcher ihr die erſte rechte Hand eines edlen Roͤmers zur Morgengabe lieffern wuͤrde/ ihr Braͤutigam ſeyn ſolte. Beyde lieſſen ſich noch ſelbige Nacht uͤber den Wall/ funden aber die Lauffgraben/ das Feld und endlich das gantze Roͤmiſche Laͤger leer. Die von ihnen zuruͤck gebrachte Nachricht munterte alsbald vier tau- ſend Numantier/ und darunter viel maͤnnliche Weiber auff/ den Roͤmern zu folgen. Die Nacht/ die Geſchwindigkeit/ und die Kundſchafft der Oerter halff den Numantiern: daß ſie das gantze Roͤmiſche Heer in den Engen des Cauni- ſchen Gebuͤrges umſetzten/ und zwantzig tau- ſend Roͤmiſche Buͤrger/ und zehn tauſend an- [Spaltenumbruch] dere Kriegs-Leute fuͤr dem fuͤnfften Theile der Numantier die Waffen nieder zu legen. Als a- ber Mancinus/ Tiberius Gracchus und die an- dern Roͤmiſchen Haͤupter einen Frieden und darinnen der Stadt Numantia ewige Freyheit beſchworen hatten/ gaben ſie ihnen die Waffen/ und ein Theil der im Laͤger eroberten Beute wieder. Als Numantia derogeſtalt in Ruhe war/ Brutus aber in Luſitanien biß an das groſſe Meer kam/ uͤber den Fluß der Vergeſſenheit uñ den Strom Minius ſaͤtzte/ eilte die großmuͤthige Fuͤrſtin Algarbe denen Bracariſchen Voͤlckern zu Huͤlffe; aus denen ſtreitbaren Weibern ſie ein abſonderlich Heer zuſammen zoh/ und des Bru- tus Waffen behertzt/ ja verzweiffelt die Spitze bot. Sintemahl die gefangenen Weiber/ um der Dieſtbarkeit zu entkommen/ ſich und ihre Kinder ſelbſt hinrichteten/ und den Tod fuͤr die edelſte Art der Freylaſſung ruͤhmten. Wie a- ber Brutus in einer Schlacht funfftig tauſend Luſitanier durch eine beſondere Liſt erlegte/ ward ſie gezwungen mit ihren Weibern in die Stadt Pallantia zu weichen/ daraus ſie bey der vom Marcus Emilius vorgenommenen Belaͤge- rung ihre Anweſenheit durch unzehlbare Hel- den-Thaten bekand machte/ und bey des Emi- lius Abzuge eins der fuͤrnehmſten Werckzeuge war/ welche den Roͤmern einen nicht geringern Streich als die Numantiner verſetzten. Deſſen ungeachtet erklaͤrte der Roͤmiſche Rath den Nu- mantiſchen Frieden fuͤr nichtig/ ſchickten den Mancius nach Numantia; welche Stadt ihn aber als eines betruͤgeriſchen Friedens allzuun- wuͤrdiges Opffer anzunehmen verſchmeheten. Wie nun Qvintus Piſo in Hiſpanien ebenfals nichts ausrichtete/ ward endlich Publius Sci- pio zum Buͤrgermeiſter und Hiſpaniſchen Feld- herrn erkieſet; gleich als wenn er und ſein Ge- ſchlechte nur zu Zerſtoͤrung maͤchtiger Staͤdte vom Verhaͤngniße gewuͤrdigt waͤre. Er kam in Hiſpanien/ ergaͤntzte die verfallne Kriegs- Zucht/ vertrieb die Warſager/ ſchaffte alle da- hin
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Sechſtes Buch
get ward: daß er ſich und ſein Heer den Roͤmern
ergab; aus welchem aber Viriaths Gemahlin
Algarbe mit fuͤnffhundert Celten nach Numan-
tia entran; und mit ihr gleichſam des entleibten
Viriaths Geiſt zum Schutz-Gotte dahin bꝛach-
te. Sintemal dieſe Stadt den Pompejus zum
andern mahl von der Belaͤgerung abtrieb/ und
ihn zu einen Frieden zwang; welchen die Roͤmer
aber wieder brachen; Jedoch als Popilius Nu-
mantia zum dritten mahl belaͤgerte/ mit Einbuͤſ-
ſung ihres gantzen Heeres den Fiedens-Bruch
buͤſſeten. Cajus Mancinius belaͤgerte bernach
Numantia zum vierdten mahl; die Numanti-
er aber/ und inſonderheit die dahin gefluͤchteten
ſtreitbaren Weiber der Celten/ wit welchen die
Fuͤrſtin Algarbe aber/ welche kurtz vorher dem
Buͤrgermeiſter Decius Brutus an dem Fluße
Durius lange unglaublichen Widerſtand ge-
than hatten/ thaten in Ausfaͤllen ſo gꝛoſſen Scha-
den/ und jagten den Roͤmern ſolche Furcht ein:
daß ſie mehr weder das ſchreckliche Geſchrey/
noch die feurige Augen der Numantier vertra-
gen konten/ ſondern Mantius des Nachts ſtille
abziehen und das Laͤger verlaſſen muſte. Die
Fuͤrſtin Algarbe zohe durch ihre Tapferkeit
zweyer Numantiſchen Fuͤrſten Augen auf ſich:
daß ſie beyde um ihre Liebe in Zwiſt geriethen.
Sie aber entſcheidete ſie derogeſtalt: daß der/
welcher ihr die erſte rechte Hand eines edlen
Roͤmers zur Morgengabe lieffern wuͤrde/ ihr
Braͤutigam ſeyn ſolte. Beyde lieſſen ſich noch
ſelbige Nacht uͤber den Wall/ funden aber die
Lauffgraben/ das Feld und endlich das gantze
Roͤmiſche Laͤger leer. Die von ihnen zuruͤck
gebrachte Nachricht munterte alsbald vier tau-
ſend Numantier/ und darunter viel maͤnnliche
Weiber auff/ den Roͤmern zu folgen. Die
Nacht/ die Geſchwindigkeit/ und die Kundſchafft
der Oerter halff den Numantiern: daß ſie das
gantze Roͤmiſche Heer in den Engen des Cauni-
ſchen Gebuͤrges umſetzten/ und zwantzig tau-
ſend Roͤmiſche Buͤrger/ und zehn tauſend an-
dere Kriegs-Leute fuͤr dem fuͤnfften Theile der
Numantier die Waffen nieder zu legen. Als a-
ber Mancinus/ Tiberius Gracchus und die an-
dern Roͤmiſchen Haͤupter einen Frieden und
darinnen der Stadt Numantia ewige Freyheit
beſchworen hatten/ gaben ſie ihnen die Waffen/
und ein Theil der im Laͤger eroberten Beute
wieder. Als Numantia derogeſtalt in Ruhe war/
Brutus aber in Luſitanien biß an das groſſe
Meer kam/ uͤber den Fluß der Vergeſſenheit uñ
den Strom Minius ſaͤtzte/ eilte die großmuͤthige
Fuͤrſtin Algarbe denen Bracariſchen Voͤlckern
zu Huͤlffe; aus denen ſtreitbaren Weibern ſie ein
abſonderlich Heer zuſammen zoh/ und des Bru-
tus Waffen behertzt/ ja verzweiffelt die Spitze
bot. Sintemahl die gefangenen Weiber/ um
der Dieſtbarkeit zu entkommen/ ſich und ihre
Kinder ſelbſt hinrichteten/ und den Tod fuͤr die
edelſte Art der Freylaſſung ruͤhmten. Wie a-
ber Brutus in einer Schlacht funfftig tauſend
Luſitanier durch eine beſondere Liſt erlegte/ ward
ſie gezwungen mit ihren Weibern in die Stadt
Pallantia zu weichen/ daraus ſie bey der vom
Marcus Emilius vorgenommenen Belaͤge-
rung ihre Anweſenheit durch unzehlbare Hel-
den-Thaten bekand machte/ und bey des Emi-
lius Abzuge eins der fuͤrnehmſten Werckzeuge
war/ welche den Roͤmern einen nicht geringern
Streich als die Numantiner verſetzten. Deſſen
ungeachtet erklaͤrte der Roͤmiſche Rath den Nu-
mantiſchen Frieden fuͤr nichtig/ ſchickten den
Mancius nach Numantia; welche Stadt ihn
aber als eines betruͤgeriſchen Friedens allzuun-
wuͤrdiges Opffer anzunehmen verſchmeheten.
Wie nun Qvintus Piſo in Hiſpanien ebenfals
nichts ausrichtete/ ward endlich Publius Sci-
pio zum Buͤrgermeiſter und Hiſpaniſchen Feld-
herrn erkieſet; gleich als wenn er und ſein Ge-
ſchlechte nur zu Zerſtoͤrung maͤchtiger Staͤdte
vom Verhaͤngniße gewuͤrdigt waͤre. Er kam
in Hiſpanien/ ergaͤntzte die verfallne Kriegs-
Zucht/ vertrieb die Warſager/ ſchaffte alle da-
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