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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] Kriegs-Geräthe absacken. Wie nun Bojo-
rich hierdurch verführet ward/ und folgenden
Tages sein Heer gleichfalls zurücke gehen ließ/
ging Catulus des Nachts in aller Stille über
des Aureolus Brücke/ und kam nach Mogrun-
tiacum an den Fluß Lamber; ehe die müden
Deutschen des Aufbruchs inne wurden. Bojo-
rich ward hierüber unwillig: daß der Feind nir-
gends stand halten wolte; ließ also den Hertzog
Cesorich und Claudicus selbten verfolgen; er
aber schlug oberhalb Placentz eine Brücke über
den Po/ und streiffte biß an das Apenninische
Gebürge gegen Hetrurien; ja der Sicambri-
sche Fürst Merodach kam biß unter die Stadt-
Mauer zu Ravenna. Also verfiel dieser sonst
kluge Fürst durch einen geheimen Trieb des Ver-
hängnüsses in die Fehler des Annibals; welcher
hernach zu langsam beklagt: daß er nach der Can-
nischen Schlacht nicht Rom gestürmt hatte.

Allein es überfällt zuweilen auch die wach-
samsten Kriegs-Helden nach einem grossen
Wercke eine Schlafsucht/ wie das Meer nach
heftigem Sturme eine Windstille. Entwe-
der/ weil sie die Geschwindigkeit für eine Uber-
eilung der Unvorsichtigen; die Langsamkeit aber
für eine Schwester der Klugheit/ und eine Gefer-
tin der Glückseligkeit halten; oder: weil sie die über-
standene Gefahr und die noch übrigen Schwerig-
keiten durchs Vergrösserungs-ihr Vermögen
durchs Verkleinerungs-Glaß ansehen; und den
Sieg mehr für einen Zuwurff des Glückes; als
desselbten Ausmachung für ein mögliches Werck
ihrer Tugend halten; und am füglichsten denen Vö-
geln zu vergleichen sind: welche wol Eyer legen/ aber
sie nicht ausbrütten. Nach welcher Art auch der
Atheniensische Feldherr Nicias in Sicilien/ und
der Spartaner Brasidas durch seine Langsam-
keit den Sieg aus den Händen verspielte/ und
sein Thun eine unzeitige Frucht bleiben; hinge-
gen aber Käyser Julius nichts unausgemacht
ließ. Gleich als wenn nichts gethan wäre/ wenn
noch was zu thun übrig bliebe. Also war auch
Hermocrates mit seinem Vaterlande nicht ver-
[Spaltenumbruch] gnügt: daß die von Athen die Belägerung der
Stadt Syracusa aufheben musten; sondern er
ließ nicht nach/ biß er sie aus gantz Sicilien ver-
jagt/ und dem gantzen Kriege ein Loch gemacht
hatte. Wie nun der einmal ins stecken kom-
mende Fortgang der Waffen den Siegenden
selbst den Glauben ihrer Oberhand zweifelhaft;
den Feinden aber Lufft/ und den Furchtsamsten
ein Hertze macht; also kam auch das über Bojo-
richs Einbruche bebende Rom/ als die Cimbern
nicht gleich den Apennin überstiegen/ wieder zu
sich; und zu dieser heilsamen Entschlüssung: daß
sie den Marius sein Sieges-Gepränge verschie-
ben/ und mit einem mächtigen Heere sich gegen
den Bojorich aufmachen liessen; von dem ihm
im Mogellischen Thale eine Gesandschafft be-
gegnete/ welche den Römern gegen Einräu-
mung eines auskommentlichen Erdreichs für
sein und König Teutobachs Volck Frieden an-
trug. Marius lächelte über dem Vortrage der
Deutschen; und antwortete ihnen: Die Römer
hätten für sie nichts übrig; für den Teutobach und
ihre Brüder aber möchten sie ausser Sorgen ste-
hen. Denn diese hätten schon Erde genung; wür-
den selbte auch immer behalten. Wie er nun zu-
gleich den Teutobach und etliche andere gefange-
ne Fürsten ins Zelt führen ließ; erstauneten die
von solcher Niederlage nichts wissenden Gesand-
ten so sehr: daß sie ohne fernere Wortwechselung
zurück ins Läger kehrten/ und dem Könige Bo-
jorich hiervon die traurige Zeitung brachten.
Bojorich schäumte hierüber für Zorne; frischte
sein Kriegsheer zu gerechter Rache ihrer erwür-
gten Brüd[e]r auf; rückte dem Marius/ welcher
nun über das Apenninische Gebürge kommen
war/ entgegen/ und forderte ihn zur Schlacht
aus; mit der Andeutung: Es wäre der Deutschen
Art/ ohne Verzug umb die Oberhand zu käm-
pfen; nicht aber zum Vortheil der Kriegs-Ober-
sten/ zum Verterb des unschuldigen Landman-
nes den Krieg zu schleppen/ die gemeinen Schatz-
Kammern zu erschöpfen/ und so [d]enn aller-
erst/ wenn beyde Theile mit ihrer Grausamkeit

müde/

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] Kriegs-Geraͤthe abſacken. Wie nun Bojo-
rich hierdurch verfuͤhret ward/ und folgenden
Tages ſein Heer gleichfalls zuruͤcke gehen ließ/
ging Catulus des Nachts in aller Stille uͤber
des Aureolus Bruͤcke/ und kam nach Mogrun-
tiacum an den Fluß Lamber; ehe die muͤden
Deutſchen des Aufbruchs inne wurden. Bojo-
rich ward hieruͤber unwillig: daß der Feind nir-
gends ſtand halten wolte; ließ alſo den Hertzog
Ceſorich und Claudicus ſelbten verfolgen; er
aber ſchlug oberhalb Placentz eine Bruͤcke uͤber
den Po/ und ſtreiffte biß an das Apenniniſche
Gebuͤrge gegen Hetrurien; ja der Sicambri-
ſche Fuͤrſt Merodach kam biß unter die Stadt-
Mauer zu Ravenna. Alſo verfiel dieſer ſonſt
kluge Fuͤrſt durch einen geheimen Trieb des Ver-
haͤngnuͤſſes in die Fehler des Annibals; welcher
hernach zu langſam beklagt: daß er nach der Can-
niſchen Schlacht nicht Rom geſtuͤrmt hatte.

Allein es uͤberfaͤllt zuweilen auch die wach-
ſamſten Kriegs-Helden nach einem groſſen
Wercke eine Schlafſucht/ wie das Meer nach
heftigem Sturme eine Windſtille. Entwe-
der/ weil ſie die Geſchwindigkeit fuͤr eine Uber-
eilung der Unvorſichtigen; die Langſamkeit abeꝛ
fuͤr eine Schweſter der Klugheit/ und eine Gefer-
tin der Gluͤckſeligkeit haltẽ; oder: weil ſie die uͤber-
ſtandene Gefahr und die noch uͤbrigẽ Schwerig-
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Sieg mehr fuͤr einen Zuwurff des Gluͤckes; als
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ihrer Tugend haltẽ; und am fuͤglichſtẽ denen Voͤ-
geln zu vergleichẽ ſind: welche wol Eyer legẽ/ aber
ſie nicht ausbruͤtten. Nach welcher Art auch der
Athenienſiſche Feldherr Nicias in Sicilien/ und
der Spartaner Braſidas durch ſeine Langſam-
keit den Sieg aus den Haͤnden verſpielte/ und
ſein Thun eine unzeitige Frucht bleiben; hinge-
gen aber Kaͤyſer Julius nichts unausgemacht
ließ. Gleich als wenn nichts gethan waͤre/ wenn
noch was zu thun uͤbrig bliebe. Alſo war auch
Hermocrates mit ſeinem Vaterlande nicht ver-
[Spaltenumbruch] gnuͤgt: daß die von Athen die Belaͤgerung der
Stadt Syracuſa aufheben muſten; ſondern er
ließ nicht nach/ biß er ſie aus gantz Sicilien ver-
jagt/ und dem gantzen Kriege ein Loch gemacht
hatte. Wie nun der einmal ins ſtecken kom-
mende Fortgang der Waffen den Siegenden
ſelbſt den Glauben ihrer Oberhand zweifelhaft;
den Feinden aber Lufft/ und den Furchtſamſten
ein Hertze macht; alſo kam auch das uͤber Bojo-
richs Einbruche bebende Rom/ als die Cimbern
nicht gleich den Apennin uͤberſtiegen/ wieder zu
ſich; und zu dieſer heilſamen Entſchluͤſſung: daß
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ben/ und mit einem maͤchtigen Heere ſich gegen
den Bojorich aufmachen lieſſen; von dem ihm
im Mogelliſchen Thale eine Geſandſchafft be-
gegnete/ welche den Roͤmern gegen Einraͤu-
mung eines auskommentlichen Erdreichs fuͤr
ſein und Koͤnig Teutobachs Volck Frieden an-
trug. Marius laͤchelte uͤber dem Vortrage der
Deutſchen; und antwortete ihnen: Die Roͤmer
haͤttẽ fuͤr ſie nichts uͤbrig; fuͤr den Teutobach und
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hen. Denn dieſe haͤtten ſchon Erde genung; wuͤꝛ-
den ſelbte auch immer behalten. Wie er nun zu-
gleich den Teutobach und etliche andere gefange-
ne Fuͤrſten ins Zelt fuͤhren ließ; erſtauneten die
von ſolcher Niederlage nichts wiſſenden Geſand-
ten ſo ſehr: daß ſie ohne fernere Wortwechſelung
zuruͤck ins Laͤger kehrten/ und dem Koͤnige Bo-
jorich hiervon die traurige Zeitung brachten.
Bojorich ſchaͤumte hieruͤber fuͤr Zorne; friſchte
ſein Kriegsheer zu gerechter Rache ihrer erwuͤr-
gten Bruͤd[e]r auf; ruͤckte dem Marius/ welcher
nun uͤber das Apenniniſche Gebuͤrge kommen
war/ entgegen/ und forderte ihn zur Schlacht
aus; mit der Andeutung: Es waͤre der Deutſchẽ
Art/ ohne Verzug umb die Oberhand zu kaͤm-
pfen; nicht aber zum Vortheil der Kriegs-Ober-
ſten/ zum Verterb des unſchuldigen Landman-
nes den Krieg zu ſchleppen/ die gemeinen Schatz-
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erſt/ wenn beyde Theile mit ihrer Grauſamkeit

muͤde/
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 916[918]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/978>, abgerufen am 22.11.2024.