Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Sechstes Buch [Spaltenumbruch]
den Sylla und Marius entsponnenen bürger-lichen Kriege ward vom Morden nicht ehe auf- gehöret/ als biß niemand fast zu erschlagen übrig war; weil beyder Ehrsucht von so vielem Blute mehr erhitzet; ihr Rachgier aber nicht gesättiget ward. Dahero tranck Sylla das Blut der Rö- mischen Bürgermeister aus güldenen Geschir- ren; Marius aber setzte die Köpffe der Raths- Herren zu Schau-Gerichten auff seine Tafel. Catulus verschlang glüende Kohlen; und der Priester Merula bespritzte mit dem Saffte sei- ner zerkerbten Adern die Augen des Jupiters. Mucius Scevola der hohe Priester äscherte sei- nen Leib über dem Vestalischen Feuer ein; ehe sie den Grimm dieser Tiger erwarteten; welche das Rath-Hauß zu einer Schlacht-Banck/ die Tempel zu Mord-Gruben/ das Capitolium zum Stein-Hauffen machten. Also: daß dieses mahl/ da die Römer nicht in ihre eigene Glieder ärger als wütende Wölffe raseten; ja die Rase- rey nicht auffhörte/ als die zwey Tod-Feinde Sylla und Marius gleich in zwey feindliche Gräber/ jener nehmlich ins Feuer/ dieser ins Wasser verscharret war; die Deutschen ihre Ra- che gegen die Römer durch ihre gäntzliche Ver- tilgung unschwer hätten ausüben können; wenn nicht die Deutschen theils mit den Galliern/ theils unter sich selbst täglich einander in Haaren gelegen/ und insonder heit zwischen dem Cherus- kischen Hertzoge Aembrich/ und dem Alemän- ner Könige Ariovist ein grausamer Krieg ent- brant wäre. Gleichwol mag ich nicht verschwei- gen: daß unter beyden kriegenden Theilen der Römer/ die Deutschen die Hand mit im Spie- le gehabt haben. Unter welchen ich alleine er- wehnen wil eines Marsingischen Ritters Schö- neich; welcher vom Marius in der mit dem Kö- nige Teutobach gehaltenen Schlacht gefangen/ und nach der Stadt Minturne an dem Flusse Liris verkaufft worden war. Dahin flüchtete sich auch der aus Rom vom Sylla vertriebene Marius; welchen der Römische Rath durch of- fene Befehl zu tödten bey Verlust des Lebens [Spaltenumbruch] anschaffte. Als diese Verordnung nach Min- turne/ wo Marius sich in einer geringen Hüt- te aufhielt/ ankam; war der Stadt-Rath zwi- schen Thür und Angel; weil dieser dem Befehl zu wiederstreben/ gleichwol aber den so hoch ver- dienten Marius/ der sechsmahl Bürgermeister gewest war/ hinzurichten billich anstand. Daher versprach der oberste Raths-Herr zu Mintur- ne/ der den Deutschen leibeigen gekaufft hatte/ ihm die Freyheit; da er einen vom Römischen Rathe verdammten Menschen in der ihm gezeig- ten Hütte ins geheim niedermachen würde. Schöneich/ der in denen Gedancken lebte: daß dieser ein frecher Ubelthäter wäre/ welchen sie anzutasten fürchteten/ ging behertzt in die Hüt- te/ und fand den Marius schlaffend. Weil er a- ber sein verdecktes Antlitz vorher sehen wolte; polterte er mit Fleiß um ihn zu erwecken. Wie nun der Schlaffende hierüber aufffuhr/ und der Ritter ihn für den grossen Marius erkennte; warff er seinen Degen zu Boden; lieff ohne einiges Wort zurücke/ und meldete seinem Her- ren an: Er begehrte seine Freyheit durch den Meuchelmord eines so tapffern Heldens nicht zu erkauffen; noch sich mit desselben Blute zu besudeln/ aus dessen Augen feurige Strahlen gegangen/ und etwas mehr/ als Menschliches geleuchtet hätte. Dieses bewegte den Rath: daß sie den Marius/ welchem ohne diß aus sieben in die Schoß gefallenen jungen Adlern gewahr- sagt worden war: er würde siebenmahl zu Rom Bürgermeister seyn/ aus der Stadt zwischen die Minturnischen Pfützen führten/ von dar er auff einem Fischer-Kahne entkam; und in dem Abraume der eingeäscherten Stadt Carthago den Wechsel des ungetreuen Glückes seuffzende überlegte. Von dar er aber/ als Sylla wider den Mithridates kriegte/ wieder nach Rom kam/ zum siebendenmal Bürgermeister ward/ in die- ser Würde starb/ und die Nachwelt zweiffelhafft ließ: Ob er im Kriege mehr genutzt/ oder im Friede mehr geschadet habe. Bey diesen gefährlichen Anstössen hatten die Deutschen
Sechſtes Buch [Spaltenumbruch]
den Sylla und Marius entſponnenen buͤrger-lichen Kriege ward vom Morden nicht ehe auf- gehoͤret/ als biß niemand faſt zu erſchlagen uͤbrig war; weil beyder Ehrſucht von ſo vielem Blute mehr erhitzet; ihr Rachgier aber nicht geſaͤttiget ward. Dahero tranck Sylla das Blut der Roͤ- miſchen Buͤrgermeiſter aus guͤldenen Geſchir- ren; Marius aber ſetzte die Koͤpffe der Raths- Herꝛen zu Schau-Gerichten auff ſeine Tafel. Catulus verſchlang gluͤende Kohlen; und der Prieſter Merula beſpritzte mit dem Saffte ſei- ner zerkerbten Adern die Augen des Jupiters. Mucius Scevola der hohe Prieſter aͤſcherte ſei- nen Leib uͤber dem Veſtaliſchen Feuer ein; ehe ſie den Grimm dieſer Tiger erwarteten; welche das Rath-Hauß zu einer Schlacht-Banck/ die Tempel zu Mord-Gruben/ das Capitolium zum Stein-Hauffen machten. Alſo: daß dieſes mahl/ da die Roͤmer nicht in ihre eigene Glieder aͤrger als wuͤtende Woͤlffe raſeten; ja die Raſe- rey nicht auffhoͤrte/ als die zwey Tod-Feinde Sylla und Marius gleich in zwey feindliche Graͤber/ jener nehmlich ins Feuer/ dieſer ins Waſſer verſcharret war; die Deutſchen ihre Ra- che gegen die Roͤmer durch ihre gaͤntzliche Ver- tilgung unſchwer haͤtten ausuͤben koͤnnen; wenn nicht die Deutſchen theils mit den Galliern/ theils unter ſich ſelbſt taͤglich einander in Haaren gelegen/ und inſonder heit zwiſchen dem Cherus- kiſchen Hertzoge Aembrich/ und dem Alemaͤn- ner Koͤnige Arioviſt ein grauſamer Krieg ent- brant waͤre. Gleichwol mag ich nicht verſchwei- gen: daß unter beyden kriegenden Theilen der Roͤmer/ die Deutſchen die Hand mit im Spie- le gehabt haben. Unter welchen ich alleine er- wehnen wil eines Marſingiſchen Ritteꝛs Schoͤ- neich; welcher vom Marius in der mit dem Koͤ- nige Teutobach gehaltenen Schlacht gefangen/ und nach der Stadt Minturne an dem Fluſſe Liris verkaufft worden war. Dahin fluͤchtete ſich auch der aus Rom vom Sylla vertriebene Marius; welchen der Roͤmiſche Rath durch of- fene Befehl zu toͤdten bey Verluſt des Lebens [Spaltenumbruch] anſchaffte. Als dieſe Verordnung nach Min- turne/ wo Marius ſich in einer geringen Huͤt- te aufhielt/ ankam; war der Stadt-Rath zwi- ſchen Thuͤr und Angel; weil dieſer dem Befehl zu wiederſtreben/ gleichwol aber den ſo hoch ver- dienten Marius/ der ſechsmahl Buͤrgermeiſter geweſt war/ hinzurichten billich anſtand. Daher verſprach der oberſte Raths-Herr zu Mintur- ne/ der den Deutſchen leibeigen gekaufft hatte/ ihm die Freyheit; da er einen vom Roͤmiſchen Rathe verdam̃ten Menſchen in der ihm gezeig- ten Huͤtte ins geheim niedermachen wuͤrde. Schoͤneich/ der in denen Gedancken lebte: daß dieſer ein frecher Ubelthaͤter waͤre/ welchen ſie anzutaſten fuͤrchteten/ ging behertzt in die Huͤt- te/ und fand den Marius ſchlaffend. Weil er a- ber ſein verdecktes Antlitz vorher ſehen wolte; polterte er mit Fleiß um ihn zu erwecken. Wie nun der Schlaffende hieruͤber aufffuhr/ und der Ritter ihn fuͤr den groſſen Marius erkennte; warff er ſeinen Degen zu Boden; lieff ohne einiges Wort zuruͤcke/ und meldete ſeinem Her- ren an: Er begehrte ſeine Freyheit durch den Meuchelmord eines ſo tapffern Heldens nicht zu erkauffen; noch ſich mit deſſelben Blute zu beſudeln/ aus deſſen Augen feurige Strahlen gegangen/ und etwas mehr/ als Menſchliches geleuchtet haͤtte. Dieſes bewegte den Rath: daß ſie den Marius/ welchem ohne diß aus ſieben in die Schoß gefallenen jungen Adlern gewahr- ſagt worden war: er wuͤrde ſiebenmahl zu Rom Buͤrgermeiſter ſeyn/ aus der Stadt zwiſchen die Minturniſchen Pfuͤtzen fuͤhrten/ von dar er auff einem Fiſcher-Kahne entkam; und in dem Abraume der eingeaͤſcherten Stadt Carthago den Wechſel des ungetreuen Gluͤckes ſeuffzende uͤberlegte. Von dar er aber/ als Sylla wider den Mithridates kriegte/ wieder nach Rom kam/ zum ſiebendenmal Buͤrgermeiſter ward/ in die- ſer Wuͤrde ſtarb/ und die Nachwelt zweiffelhafft ließ: Ob er im Kriege mehr genutzt/ oder im Friede mehr geſchadet habe. Bey dieſen gefaͤhrlichen Anſtoͤſſen hatten die Deutſchen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0988" n="926[928]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sechſtes Buch</hi></fw><lb/><cb/> den Sylla und Marius entſponnenen buͤrger-<lb/> lichen Kriege ward vom Morden nicht ehe auf-<lb/> gehoͤret/ als biß niemand faſt zu erſchlagen uͤbrig<lb/> war; weil beyder Ehrſucht von ſo vielem Blute<lb/> mehr erhitzet; ihr Rachgier aber nicht geſaͤttiget<lb/> ward. Dahero tranck Sylla das Blut der Roͤ-<lb/> miſchen Buͤrgermeiſter aus guͤldenen Geſchir-<lb/> ren; Marius aber ſetzte die Koͤpffe der Raths-<lb/> Herꝛen zu Schau-Gerichten auff ſeine Tafel.<lb/> Catulus verſchlang gluͤende Kohlen; und der<lb/> Prieſter Merula beſpritzte mit dem Saffte ſei-<lb/> ner zerkerbten Adern die Augen des Jupiters.<lb/> Mucius Scevola der hohe Prieſter aͤſcherte ſei-<lb/> nen Leib uͤber dem Veſtaliſchen Feuer ein; ehe<lb/> ſie den Grimm dieſer Tiger erwarteten; welche<lb/> das Rath-Hauß zu einer Schlacht-Banck/ die<lb/> Tempel zu Mord-Gruben/ das Capitolium<lb/> zum Stein-Hauffen machten. Alſo: daß dieſes<lb/> mahl/ da die Roͤmer nicht in ihre eigene Glieder<lb/> aͤrger als wuͤtende Woͤlffe raſeten; ja die Raſe-<lb/> rey nicht auffhoͤrte/ als die zwey Tod-Feinde<lb/> Sylla und Marius gleich in zwey feindliche<lb/> Graͤber/ jener nehmlich ins Feuer/ dieſer ins<lb/> Waſſer verſcharret war; die Deutſchen ihre Ra-<lb/> che gegen die Roͤmer durch ihre gaͤntzliche Ver-<lb/> tilgung unſchwer haͤtten ausuͤben koͤnnen; wenn<lb/> nicht die Deutſchen theils mit den Galliern/<lb/> theils unter ſich ſelbſt taͤglich einander in Haaren<lb/> gelegen/ und inſonder heit zwiſchen dem Cherus-<lb/> kiſchen Hertzoge Aembrich/ und dem Alemaͤn-<lb/> ner Koͤnige Arioviſt ein grauſamer Krieg ent-<lb/> brant waͤre. Gleichwol mag ich nicht verſchwei-<lb/> gen: daß unter beyden kriegenden Theilen der<lb/> Roͤmer/ die Deutſchen die Hand mit im Spie-<lb/> le gehabt haben. Unter welchen ich alleine er-<lb/> wehnen wil eines Marſingiſchen Ritteꝛs Schoͤ-<lb/> neich; welcher vom Marius in der mit dem Koͤ-<lb/> nige Teutobach gehaltenen Schlacht gefangen/<lb/> und nach der Stadt Minturne an dem Fluſſe<lb/> Liris verkaufft worden war. Dahin fluͤchtete<lb/> ſich auch der aus Rom vom Sylla vertriebene<lb/> Marius; welchen der Roͤmiſche Rath durch of-<lb/> fene Befehl zu toͤdten bey Verluſt des Lebens<lb/><cb/> anſchaffte. Als dieſe Verordnung nach Min-<lb/> turne/ wo Marius ſich in einer geringen Huͤt-<lb/> te aufhielt/ ankam; war der Stadt-Rath zwi-<lb/> ſchen Thuͤr und Angel; weil dieſer dem Befehl<lb/> zu wiederſtreben/ gleichwol aber den ſo hoch ver-<lb/> dienten Marius/ der ſechsmahl Buͤrgermeiſter<lb/> geweſt war/ hinzurichten billich anſtand. Daher<lb/> verſprach der oberſte Raths-Herr zu Mintur-<lb/> ne/ der den Deutſchen leibeigen gekaufft hatte/<lb/> ihm die Freyheit; da er einen vom Roͤmiſchen<lb/> Rathe verdam̃ten Menſchen in der ihm gezeig-<lb/> ten Huͤtte ins geheim niedermachen wuͤrde.<lb/> Schoͤneich/ der in denen Gedancken lebte: daß<lb/> dieſer ein frecher Ubelthaͤter waͤre/ welchen ſie<lb/> anzutaſten fuͤrchteten/ ging behertzt in die Huͤt-<lb/> te/ und fand den Marius ſchlaffend. Weil er a-<lb/> ber ſein verdecktes Antlitz vorher ſehen wolte;<lb/> polterte er mit Fleiß um ihn zu erwecken. Wie<lb/> nun der Schlaffende hieruͤber aufffuhr/ und der<lb/> Ritter ihn fuͤr den groſſen Marius erkennte;<lb/> warff er ſeinen Degen zu Boden; lieff ohne<lb/> einiges Wort zuruͤcke/ und meldete ſeinem Her-<lb/> ren an: Er begehrte ſeine Freyheit durch den<lb/> Meuchelmord eines ſo tapffern Heldens nicht<lb/> zu erkauffen; noch ſich mit deſſelben Blute zu<lb/> beſudeln/ aus deſſen Augen feurige Strahlen<lb/> gegangen/ und etwas mehr/ als Menſchliches<lb/> geleuchtet haͤtte. Dieſes bewegte den Rath: daß<lb/> ſie den Marius/ welchem ohne diß aus ſieben in<lb/> die Schoß gefallenen jungen Adlern gewahr-<lb/> ſagt worden war: er wuͤrde ſiebenmahl zu Rom<lb/> Buͤrgermeiſter ſeyn/ aus der Stadt zwiſchen<lb/> die Minturniſchen Pfuͤtzen fuͤhrten/ von dar er<lb/> auff einem Fiſcher-Kahne entkam; und in dem<lb/> Abraume der eingeaͤſcherten Stadt Carthago<lb/> den Wechſel des ungetreuen Gluͤckes ſeuffzende<lb/> uͤberlegte. Von dar er aber/ als Sylla wider den<lb/> Mithridates kriegte/ wieder nach Rom kam/<lb/> zum ſiebendenmal Buͤrgermeiſter ward/ in die-<lb/> ſer Wuͤrde ſtarb/ und die Nachwelt zweiffelhafft<lb/> ließ: Ob er im Kriege mehr genutzt/ oder im<lb/> Friede mehr geſchadet habe.</p><lb/> <p>Bey dieſen gefaͤhrlichen Anſtoͤſſen hatten die<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Deutſchen</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [926[928]/0988]
Sechſtes Buch
den Sylla und Marius entſponnenen buͤrger-
lichen Kriege ward vom Morden nicht ehe auf-
gehoͤret/ als biß niemand faſt zu erſchlagen uͤbrig
war; weil beyder Ehrſucht von ſo vielem Blute
mehr erhitzet; ihr Rachgier aber nicht geſaͤttiget
ward. Dahero tranck Sylla das Blut der Roͤ-
miſchen Buͤrgermeiſter aus guͤldenen Geſchir-
ren; Marius aber ſetzte die Koͤpffe der Raths-
Herꝛen zu Schau-Gerichten auff ſeine Tafel.
Catulus verſchlang gluͤende Kohlen; und der
Prieſter Merula beſpritzte mit dem Saffte ſei-
ner zerkerbten Adern die Augen des Jupiters.
Mucius Scevola der hohe Prieſter aͤſcherte ſei-
nen Leib uͤber dem Veſtaliſchen Feuer ein; ehe
ſie den Grimm dieſer Tiger erwarteten; welche
das Rath-Hauß zu einer Schlacht-Banck/ die
Tempel zu Mord-Gruben/ das Capitolium
zum Stein-Hauffen machten. Alſo: daß dieſes
mahl/ da die Roͤmer nicht in ihre eigene Glieder
aͤrger als wuͤtende Woͤlffe raſeten; ja die Raſe-
rey nicht auffhoͤrte/ als die zwey Tod-Feinde
Sylla und Marius gleich in zwey feindliche
Graͤber/ jener nehmlich ins Feuer/ dieſer ins
Waſſer verſcharret war; die Deutſchen ihre Ra-
che gegen die Roͤmer durch ihre gaͤntzliche Ver-
tilgung unſchwer haͤtten ausuͤben koͤnnen; wenn
nicht die Deutſchen theils mit den Galliern/
theils unter ſich ſelbſt taͤglich einander in Haaren
gelegen/ und inſonder heit zwiſchen dem Cherus-
kiſchen Hertzoge Aembrich/ und dem Alemaͤn-
ner Koͤnige Arioviſt ein grauſamer Krieg ent-
brant waͤre. Gleichwol mag ich nicht verſchwei-
gen: daß unter beyden kriegenden Theilen der
Roͤmer/ die Deutſchen die Hand mit im Spie-
le gehabt haben. Unter welchen ich alleine er-
wehnen wil eines Marſingiſchen Ritteꝛs Schoͤ-
neich; welcher vom Marius in der mit dem Koͤ-
nige Teutobach gehaltenen Schlacht gefangen/
und nach der Stadt Minturne an dem Fluſſe
Liris verkaufft worden war. Dahin fluͤchtete
ſich auch der aus Rom vom Sylla vertriebene
Marius; welchen der Roͤmiſche Rath durch of-
fene Befehl zu toͤdten bey Verluſt des Lebens
anſchaffte. Als dieſe Verordnung nach Min-
turne/ wo Marius ſich in einer geringen Huͤt-
te aufhielt/ ankam; war der Stadt-Rath zwi-
ſchen Thuͤr und Angel; weil dieſer dem Befehl
zu wiederſtreben/ gleichwol aber den ſo hoch ver-
dienten Marius/ der ſechsmahl Buͤrgermeiſter
geweſt war/ hinzurichten billich anſtand. Daher
verſprach der oberſte Raths-Herr zu Mintur-
ne/ der den Deutſchen leibeigen gekaufft hatte/
ihm die Freyheit; da er einen vom Roͤmiſchen
Rathe verdam̃ten Menſchen in der ihm gezeig-
ten Huͤtte ins geheim niedermachen wuͤrde.
Schoͤneich/ der in denen Gedancken lebte: daß
dieſer ein frecher Ubelthaͤter waͤre/ welchen ſie
anzutaſten fuͤrchteten/ ging behertzt in die Huͤt-
te/ und fand den Marius ſchlaffend. Weil er a-
ber ſein verdecktes Antlitz vorher ſehen wolte;
polterte er mit Fleiß um ihn zu erwecken. Wie
nun der Schlaffende hieruͤber aufffuhr/ und der
Ritter ihn fuͤr den groſſen Marius erkennte;
warff er ſeinen Degen zu Boden; lieff ohne
einiges Wort zuruͤcke/ und meldete ſeinem Her-
ren an: Er begehrte ſeine Freyheit durch den
Meuchelmord eines ſo tapffern Heldens nicht
zu erkauffen; noch ſich mit deſſelben Blute zu
beſudeln/ aus deſſen Augen feurige Strahlen
gegangen/ und etwas mehr/ als Menſchliches
geleuchtet haͤtte. Dieſes bewegte den Rath: daß
ſie den Marius/ welchem ohne diß aus ſieben in
die Schoß gefallenen jungen Adlern gewahr-
ſagt worden war: er wuͤrde ſiebenmahl zu Rom
Buͤrgermeiſter ſeyn/ aus der Stadt zwiſchen
die Minturniſchen Pfuͤtzen fuͤhrten/ von dar er
auff einem Fiſcher-Kahne entkam; und in dem
Abraume der eingeaͤſcherten Stadt Carthago
den Wechſel des ungetreuen Gluͤckes ſeuffzende
uͤberlegte. Von dar er aber/ als Sylla wider den
Mithridates kriegte/ wieder nach Rom kam/
zum ſiebendenmal Buͤrgermeiſter ward/ in die-
ſer Wuͤrde ſtarb/ und die Nachwelt zweiffelhafft
ließ: Ob er im Kriege mehr genutzt/ oder im
Friede mehr geſchadet habe.
Bey dieſen gefaͤhrlichen Anſtoͤſſen hatten die
Deutſchen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |