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Lohenstein, Daniel Casper von: Ibrahim Sultan. Leipzig, 1673.

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Ibrahim. Ambre. Achmet. Sechierpera.
395
Ibrah. STell't meiner Seele Zweck/ mein Licht/ mein Engel sich
Mein Augen-Apfel ein? Ach! daß ich/ Sonne/ dich
Nach würde/ nach Verdienst hier wüßte zu empfangen!
Kan wohl das Paradiß mit schönern Engeln prangen?
Der güld'ne Himmel pral't mit edlern Sternen nicht!
400Doch/ wie? daß Thränen-Saltz auß ihren Sonnen bricht/
Die in uns Glutt gebehr'n/ und uns mit Flammen säugen.
Des Mohnden wäßricht Schein weiß ja nur Thau zu zeugen.
Mein Kind/ die Thräne schwemm't der Anmuth Perlen weg/
Und saltzicht Wasser mach't in Schönheits-Scharlach Fleck.
405Umb was betrüb't sich die/ umb was wölck't die's Gesichte/
Der Lieb und Glücke schein't mit unverfälschtem Lichte?
Stamboldens Käyser zeucht ihr seinen Purper an/
Und opfert ihr sein Hertz. Was für Bestürtzung kan
An statt der Gegengunst in ihr solch Leid erwecken?
410Laß' uns die Schalen nur von deiner Anmuth schmecken/
Und koste selbst einmal den Vorschmack süsser Lust
Des Zuckers dieser Welt. Mein Kind/ Mund/ Augen/ Brust
Bescheiden selber dich: daß sie zu wilden Stämmen
GOtt nicht erkieset hat. Wilstu den Trieb denn hemmen/
415Durch welchen die Natur auch Fels- und Hecken reg't/
Die Crocodile kirr't/ und Hold in Drachen heg't?
Sie säufzet/ sie erblaß't/ sie schauet auf die Erden!
Laß unser Antlitz doch dein Ziel des Anschau'ns werden!
Laß' unsern Mund an sich den süssen Athem zih'n/
420.Den deine Keh'l außläß't! Schau unser Antlitz glüh'n/
Schau/ wie diß Hertze koch't/ wie unser Seele lächset/
Nach Labsal/ das allein auf deinen Lippen wächset/
Auß deiner Anmuth kwill't! Antwortestu uns nicht?
Die Felsen denen doch Empfindligkeit gebricht/
425Antworten Fragenden mit hellem Wieder. Schalle.
Ambre. Der Wollust-Zucker ist/ mein Fürst/ mir Gift und Galle;
Und meine Kindheit ist nicht fähig noch zur Zeit
Zu spielen auf dem Eis erwehnter Uppigkeit.
Mein Anseh'n viel zu schlecht/ des Käysers Hand zu küssen/
430.Die's Zepter träg't der Welt; zu kurtzweil'n mit den Füssen/
Worfür die Erde beb't. Die Magd ist thumm und blind/
Die sich zur Göttin macht. Zu hohe Würden sind
Die Speise voll von Glutt/ die in den blöden Magen
Die Wärmbde vollends tilg't. Er lasse Purper tragen/
435Die/ derer groß Verdienst mehr Liebes-Zunder nehr't.
Der Glutt-vermählte Schnee wird Augenblicks verzehr't;
So würd auch mein kalt Hertz und ich verschmeltzen müssen/
Wenn Er als Sonn auf mich beständig liesse schüssen
Die Stralen seiner Hold. Was Feuer halten sol
440Muß selber Feurig seyn; sol es nicht stracks zu Kohl
Und Aschen seyn verbrenn't/ Hold sein in Haß zerronnen;
Zumal da Fürsten stets als niemals-müde Sonnen
Zu neuen Sternen eil'n. Jedoch ich bin vergnüg't:
Daß mein bethräntes Aug' in Staub und Sarche lig't/
445Darf ich der Wollust nur nicht in ihr Netze fallen.
Ibrah. So hält dein Eckel diß für Wermuth/ Gift und Gallen
Was nichterne Vernunft für köstlich Himmel-Brodt
Und Sonnen-Saamen preißt? Was Mahumeds Geboth
Den Außerwehlten sag't als ewiges vergnügen
450Des Paradises zu? Wer schwätz't dir grame Lügen
Für füsse Wahrheit ein: daß deiner Jahre Mey/
Der voller Knospen steh't/ nicht Liebes-fähig sey?
Daß/ die auf Wang' und Mund heg't reiffende Granaten/
Und Aepfel auf der Brust/ des Sultans Liebes-Saaten
455Nicht pflantz- und pflegen könn. Jhr Schön-seyn hat sie 'schon
Gepfroff't in's Sultans Hertz/ versetz't auf Oßmans Thron.
Und sie solt' unsrer Händ nicht unsern Füssen taugen/
Die Liebe blitzet selbst ihr sichtbar auß den Augen/
Zerschmeltz't der Hertzen Ertzt und mach't auch Seelen wund.
460Der Herbst bekrön't die Brust/ der Früling blüm't den Mund/
Des
Ibrahim. Ambre. Achmet. Sechierpera.
395
Ibrah. STell’t meiner Seele Zweck/ mein Licht/ mein Engel ſich
Mein Augen-Apfel ein? Ach! daß ich/ Sonne/ dich
Nach wuͤrde/ nach Verdienſt hier wuͤßte zu empfangen!
Kan wohl das Paradiß mit ſchoͤnern Engeln prangen?
Der guͤld’ne Himmel pral’t mit edlern Sternen nicht!
400Doch/ wie? daß Thraͤnen-Saltz auß ihren Sonnen bricht/
Die in uns Glutt gebehr’n/ und uns mit Flammen ſaͤugen.
Des Mohnden waͤßricht Schein weiß ja nur Thau zu zeugen.
Mein Kind/ die Thraͤne ſchwemm’t der Anmuth Perlen weg/
Und ſaltzicht Waſſer mach’t in Schoͤnheits-Scharlach Fleck.
405Umb was betruͤb’t ſich die/ umb was woͤlck’t die’s Geſichte/
Der Lieb und Gluͤcke ſchein’t mit unverfaͤlſchtem Lichte?
Stamboldens Kaͤyſer zeucht ihr ſeinen Purper an/
Und opfert ihr ſein Hertz. Was fuͤr Beſtuͤrtzung kan
An ſtatt der Gegengunſt in ihr ſolch Leid erwecken?
410Laß’ uns die Schalen nur von deiner Anmuth ſchmecken/
Und koſte ſelbſt einmal den Vorſchmack ſuͤſſer Luſt
Des Zuckers dieſer Welt. Mein Kind/ Mund/ Augen/ Bruſt
Beſcheiden ſelber dich: daß ſie zu wilden Staͤmmen
GOtt nicht erkieſet hat. Wilſtu den Trieb denn hemmen/
415Durch welchen die Natur auch Felſ- und Hecken reg’t/
Die Crocodile kirr’t/ und Hold in Drachen heg’t?
Sie ſaͤufzet/ ſie erblaß’t/ ſie ſchauet auf die Erden!
Laß unſer Antlitz doch dein Ziel des Anſchau’ns werden!
Laß’ unſern Mund an ſich den ſuͤſſen Athem zih’n/
420.Den deine Keh’l außlaͤß’t! Schau unſer Antlitz gluͤh’n/
Schau/ wie diß Hertze koch’t/ wie unſer Seele laͤchſet/
Nach Labſal/ das allein auf deinen Lippen waͤchſet/
Auß deiner Anmuth kwill’t! Antworteſtu uns nicht?
Die Felſen denen doch Empfindligkeit gebricht/
425Antworten Fragenden mit hellem Wieder. Schalle.
Ambre. Der Wolluſt-Zucker iſt/ mein Fuͤrſt/ mir Gift und Galle;
Und meine Kindheit iſt nicht faͤhig noch zur Zeit
Zu ſpielen auf dem Eiſ erwehnter Uppigkeit.
Mein Anſeh’n viel zu ſchlecht/ des Kaͤyſers Hand zu kuͤſſen/
430.Die’s Zepter traͤg’t der Welt; zu kurtzweil’n mit den Fuͤſſen/
Worfuͤr die Erde beb’t. Die Magd iſt thumm und blind/
Die ſich zur Goͤttin macht. Zu hohe Wuͤrden ſind
Die Speiſe voll von Glutt/ die in den bloͤden Magen
Die Waͤrmbde vollends tilg’t. Er laſſe Purper tragen/
435Die/ derer groß Verdienſt mehr Liebes-Zunder nehr’t.
Der Glutt-vermaͤhlte Schnee wird Augenblicks verzehr’t;
So wuͤrd auch mein kalt Hertz und ich verſchmeltzen muͤſſen/
Wenn Er als Sonn auf mich beſtaͤndig lieſſe ſchuͤſſen
Die Stralen ſeiner Hold. Was Feuer halten ſol
440Muß ſelber Feurig ſeyn; ſol es nicht ſtracks zu Kohl
Und Aſchen ſeyn verbrenn’t/ Hold ſein in Haß zerronnen;
Zumal da Fuͤrſten ſtets als niemals-muͤde Sonnen
Zu neuen Sternen eil’n. Jedoch ich bin vergnuͤg’t:
Daß mein bethraͤntes Aug’ in Staub und Sarche lig’t/
445Darf ich der Wolluſt nur nicht in ihr Netze fallen.
Ibrah. So haͤlt dein Eckel diß fuͤr Wermuth/ Gift und Gallen
Was nichterne Vernunft fuͤr koͤſtlich Himmel-Brodt
Und Sonnen-Saamen preißt? Was Mahumeds Geboth
Den Außerwehlten ſag’t als ewiges vergnuͤgen
450Des Paradiſes zu? Wer ſchwaͤtz’t dir grame Luͤgen
Fuͤr fuͤſſe Wahrheit ein: daß deiner Jahre Mey/
Der voller Knoſpen ſteh’t/ nicht Liebes-faͤhig ſey?
Daß/ die auf Wang’ und Mund heg’t reiffende Granaten/
Und Aepfel auf der Bruſt/ des Sultans Liebes-Saaten
455Nicht pflantz- und pflegen koͤnn. Jhr Schoͤn-ſeyn hat ſie ’ſchon
Gepfroff’t in’s Sultans Hertz/ verſetz’t auf Oßmans Thron.
Und ſie ſolt’ unſrer Haͤnd nicht unſern Fuͤſſen taugen/
Die Liebe blitzet ſelbſt ihr ſichtbar auß den Augen/
Zerſchmeltz’t der Hertzen Ertzt und mach’t auch Seelen wund.
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Des
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[33/0051] Ibrahim. Ambre. Achmet. Sechierpera. Ibrah. STell’t meiner Seele Zweck/ mein Licht/ mein Engel ſich Mein Augen-Apfel ein? Ach! daß ich/ Sonne/ dich Nach wuͤrde/ nach Verdienſt hier wuͤßte zu empfangen! Kan wohl das Paradiß mit ſchoͤnern Engeln prangen? Der guͤld’ne Himmel pral’t mit edlern Sternen nicht! Doch/ wie? daß Thraͤnen-Saltz auß ihren Sonnen bricht/ Die in uns Glutt gebehr’n/ und uns mit Flammen ſaͤugen. Des Mohnden waͤßricht Schein weiß ja nur Thau zu zeugen. Mein Kind/ die Thraͤne ſchwemm’t der Anmuth Perlen weg/ Und ſaltzicht Waſſer mach’t in Schoͤnheits-Scharlach Fleck. Umb was betruͤb’t ſich die/ umb was woͤlck’t die’s Geſichte/ Der Lieb und Gluͤcke ſchein’t mit unverfaͤlſchtem Lichte? Stamboldens Kaͤyſer zeucht ihr ſeinen Purper an/ Und opfert ihr ſein Hertz. Was fuͤr Beſtuͤrtzung kan An ſtatt der Gegengunſt in ihr ſolch Leid erwecken? Laß’ uns die Schalen nur von deiner Anmuth ſchmecken/ Und koſte ſelbſt einmal den Vorſchmack ſuͤſſer Luſt Des Zuckers dieſer Welt. Mein Kind/ Mund/ Augen/ Bruſt Beſcheiden ſelber dich: daß ſie zu wilden Staͤmmen GOtt nicht erkieſet hat. Wilſtu den Trieb denn hemmen/ Durch welchen die Natur auch Felſ- und Hecken reg’t/ Die Crocodile kirr’t/ und Hold in Drachen heg’t? Sie ſaͤufzet/ ſie erblaß’t/ ſie ſchauet auf die Erden! Laß unſer Antlitz doch dein Ziel des Anſchau’ns werden! Laß’ unſern Mund an ſich den ſuͤſſen Athem zih’n/ Den deine Keh’l außlaͤß’t! Schau unſer Antlitz gluͤh’n/ Schau/ wie diß Hertze koch’t/ wie unſer Seele laͤchſet/ Nach Labſal/ das allein auf deinen Lippen waͤchſet/ Auß deiner Anmuth kwill’t! Antworteſtu uns nicht? Die Felſen denen doch Empfindligkeit gebricht/ Antworten Fragenden mit hellem Wieder. Schalle. Ambre. Der Wolluſt-Zucker iſt/ mein Fuͤrſt/ mir Gift und Galle; Und meine Kindheit iſt nicht faͤhig noch zur Zeit Zu ſpielen auf dem Eiſ erwehnter Uppigkeit. Mein Anſeh’n viel zu ſchlecht/ des Kaͤyſers Hand zu kuͤſſen/ Die’s Zepter traͤg’t der Welt; zu kurtzweil’n mit den Fuͤſſen/ Worfuͤr die Erde beb’t. Die Magd iſt thumm und blind/ Die ſich zur Goͤttin macht. Zu hohe Wuͤrden ſind Die Speiſe voll von Glutt/ die in den bloͤden Magen Die Waͤrmbde vollends tilg’t. Er laſſe Purper tragen/ Die/ derer groß Verdienſt mehr Liebes-Zunder nehr’t. Der Glutt-vermaͤhlte Schnee wird Augenblicks verzehr’t; So wuͤrd auch mein kalt Hertz und ich verſchmeltzen muͤſſen/ Wenn Er als Sonn auf mich beſtaͤndig lieſſe ſchuͤſſen Die Stralen ſeiner Hold. Was Feuer halten ſol Muß ſelber Feurig ſeyn; ſol es nicht ſtracks zu Kohl Und Aſchen ſeyn verbrenn’t/ Hold ſein in Haß zerronnen; Zumal da Fuͤrſten ſtets als niemals-muͤde Sonnen Zu neuen Sternen eil’n. Jedoch ich bin vergnuͤg’t: Daß mein bethraͤntes Aug’ in Staub und Sarche lig’t/ Darf ich der Wolluſt nur nicht in ihr Netze fallen. Ibrah. So haͤlt dein Eckel diß fuͤr Wermuth/ Gift und Gallen Was nichterne Vernunft fuͤr koͤſtlich Himmel-Brodt Und Sonnen-Saamen preißt? Was Mahumeds Geboth Den Außerwehlten ſag’t als ewiges vergnuͤgen Des Paradiſes zu? Wer ſchwaͤtz’t dir grame Luͤgen Fuͤr fuͤſſe Wahrheit ein: daß deiner Jahre Mey/ Der voller Knoſpen ſteh’t/ nicht Liebes-faͤhig ſey? Daß/ die auf Wang’ und Mund heg’t reiffende Granaten/ Und Aepfel auf der Bruſt/ des Sultans Liebes-Saaten Nicht pflantz- und pflegen koͤnn. Jhr Schoͤn-ſeyn hat ſie ’ſchon Gepfroff’t in’s Sultans Hertz/ verſetz’t auf Oßmans Thron. Und ſie ſolt’ unſrer Haͤnd nicht unſern Fuͤſſen taugen/ Die Liebe blitzet ſelbſt ihr ſichtbar auß den Augen/ Zerſchmeltz’t der Hertzen Ertzt und mach’t auch Seelen wund. Der Herbſt bekroͤn’t die Bruſt/ der Fruͤling bluͤm’t den Mund/ Des

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Ibrahim Sultan. Leipzig, 1673, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_ibrahim_1673/51>, abgerufen am 21.11.2024.