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Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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nach meiner Ueberzeugung. Jetzt erschüttert mich etwas Anderes noch mehr. Wer ist mein Ankläger? Ich hoffe, ich darf auf diese Frage von einer freisinnigen Verwaltung Antwort hoffen.

Calculator Börner heißt der Mann, erwiderte der Major. Ellinger bedeckte das Gesicht mit den Händen; Mariane umfaßte ihn, sie fühlte, wie er zitterte, sie fühlte mit ihm. Die Offiziere verließen das Haus, aber die Wachen, die zurückblieben, erinnerten jeden Augenblick an den schrecklichen Schicksalswechsel und die ungewisse Zukunft.

Man untersuchte nun die Schriften, deren Dasein nur Ellinger und Börner kannten, und fand klare Beweise, daß Ellinger Mittel gewußt hatte, einen großen Theil seiner Einnahmen dem Könige von Polen und der Königin zu erhalten, die sich damals fast aller Quellen ihres Reichthums beraubt sahen. Unglücklicherweise ward Friedrich zugleich durch aufgefangene Briefe belehrt, diese Schätze wären in den Händen seiner Feinde Waffen gegen sein Interesse geworden. Die Beamten des besetzten Landes waren allerdings für ihn in Pflicht genommen, Ellinger's Vergehen fand also vor seinem Richterstuhl keine Entschuldigung, obgleich er that, was ihm Pflicht war, und sich aus reiner Liebe für sein Fürstenhaus der Gefahr Preis gegeben hatte. Nach einigen Tagen banger Erwartung brachte der abgesandte Courier

nach meiner Ueberzeugung. Jetzt erschüttert mich etwas Anderes noch mehr. Wer ist mein Ankläger? Ich hoffe, ich darf auf diese Frage von einer freisinnigen Verwaltung Antwort hoffen.

Calculator Börner heißt der Mann, erwiderte der Major. Ellinger bedeckte das Gesicht mit den Händen; Mariane umfaßte ihn, sie fühlte, wie er zitterte, sie fühlte mit ihm. Die Offiziere verließen das Haus, aber die Wachen, die zurückblieben, erinnerten jeden Augenblick an den schrecklichen Schicksalswechsel und die ungewisse Zukunft.

Man untersuchte nun die Schriften, deren Dasein nur Ellinger und Börner kannten, und fand klare Beweise, daß Ellinger Mittel gewußt hatte, einen großen Theil seiner Einnahmen dem Könige von Polen und der Königin zu erhalten, die sich damals fast aller Quellen ihres Reichthums beraubt sahen. Unglücklicherweise ward Friedrich zugleich durch aufgefangene Briefe belehrt, diese Schätze wären in den Händen seiner Feinde Waffen gegen sein Interesse geworden. Die Beamten des besetzten Landes waren allerdings für ihn in Pflicht genommen, Ellinger's Vergehen fand also vor seinem Richterstuhl keine Entschuldigung, obgleich er that, was ihm Pflicht war, und sich aus reiner Liebe für sein Fürstenhaus der Gefahr Preis gegeben hatte. Nach einigen Tagen banger Erwartung brachte der abgesandte Courier

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[0053] nach meiner Ueberzeugung. Jetzt erschüttert mich etwas Anderes noch mehr. Wer ist mein Ankläger? Ich hoffe, ich darf auf diese Frage von einer freisinnigen Verwaltung Antwort hoffen. Calculator Börner heißt der Mann, erwiderte der Major. Ellinger bedeckte das Gesicht mit den Händen; Mariane umfaßte ihn, sie fühlte, wie er zitterte, sie fühlte mit ihm. Die Offiziere verließen das Haus, aber die Wachen, die zurückblieben, erinnerten jeden Augenblick an den schrecklichen Schicksalswechsel und die ungewisse Zukunft. Man untersuchte nun die Schriften, deren Dasein nur Ellinger und Börner kannten, und fand klare Beweise, daß Ellinger Mittel gewußt hatte, einen großen Theil seiner Einnahmen dem Könige von Polen und der Königin zu erhalten, die sich damals fast aller Quellen ihres Reichthums beraubt sahen. Unglücklicherweise ward Friedrich zugleich durch aufgefangene Briefe belehrt, diese Schätze wären in den Händen seiner Feinde Waffen gegen sein Interesse geworden. Die Beamten des besetzten Landes waren allerdings für ihn in Pflicht genommen, Ellinger's Vergehen fand also vor seinem Richterstuhl keine Entschuldigung, obgleich er that, was ihm Pflicht war, und sich aus reiner Liebe für sein Fürstenhaus der Gefahr Preis gegeben hatte. Nach einigen Tagen banger Erwartung brachte der abgesandte Courier

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:20:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:20:58Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/53>, abgerufen am 25.04.2024.