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Lorinser, Carl Ignaz: Der Sieg über die Branntweinpest in Oberschlesien. Oppeln, 1845.

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wie einerseits die Unwissenheit, Schwäche, Trägheit und Sinnenlust, so werden andererseits der falsche und tactlose Eifer und der Zornmuth sich allmählig vermindern, und endlich wird auch die rohe und lieblose Polemik des siebzehnten Jahrhunderts verstummen*). Die weltliche Obrigkeit

*) Spätere Anmerkung. Hier ist offenbar zu viel gesagt. Die deutsche Controverse wird sich auf keinen höheren Standpunct erheben, so lange die christliche Liebe durch Leidenschaft erstickt, die Unbefangenheit durch eingeschulte Vorurtheile verdunkelt wird, und die Tagespreise nicht eine edlere Haltung gewinnt. Am meisten werden die Gemüther entzweit und verlezt, wo eine größere Parthei sich fast im Alleinbesitz jener Presse befindet, und jeden Angriff sich erlauben darf, während die kleinere kaum ein Organ zu ihrer Vertheidigung hat. Dennoch könnten die Einen wie die Andern sich viele Mühen und Sorgen ersparen. Denn was ist das Ende von allen solchen Kämpfen und Befehdungen gewesen? - Ein Franzose (Franz von Champagny) hat so eben aufs Neue darauf geantwortet: "Der materielle, handgreifliche, sichtbare Sieg war meistens den Gegnern der Kirche beschieden. Was geschah aber zu Gunsten der Kirche? Nur Eines: ihr Gegner ist gestorben, und sie hat ihn überlebt. Ihr Gegner ist gefallen, weil er ein Mensch war; sie hat ihn überlebt, weil sie unsterblich ist." - Ich tadle die Lieblosigkeit auf beiden Seiten; aber die Minorität würde sich ohne Zweifel gelassener betragen, wenn sie nicht von der Majorität beständig gereizt und herausgefordert würde. Wie verfahren die privilegirten Breslauer Zeitungen in dieser Sache? Sie halten tägliche Umschau sowohl zu Hause als auch auf den Feldern der auswärtigen Brüderschaft, und sammeln mit Fleiß alle Disteln und Dornen, um diese sofort ihren katholischen Landsleuten zum Wohlgeruch darzubieten, nach Umständen auch in's Gesicht zu werfen; und wenn ein verkommener Katholik die eigne Kirche lästert, so zeigen sie eine Theilnahme, als ob die Intelligenz den höchsten Sieg errungen hätte. Sind jene Blätter auch nur gerecht, sobald es sich auf dem andern Gebiete um die Anerkennung einer erfreulichen Thatsache handelt? Haben sie

wie einerseits die Unwissenheit, Schwäche, Trägheit und Sinnenlust, so werden andererseits der falsche und tactlose Eifer und der Zornmuth sich allmählig vermindern, und endlich wird auch die rohe und lieblose Polemik des siebzehnten Jahrhunderts verstummen*). Die weltliche Obrigkeit

*) Spätere Anmerkung. Hier ist offenbar zu viel gesagt. Die deutsche Controverse wird sich auf keinen höheren Standpunct erheben, so lange die christliche Liebe durch Leidenschaft erstickt, die Unbefangenheit durch eingeschulte Vorurtheile verdunkelt wird, und die Tagespreise nicht eine edlere Haltung gewinnt. Am meisten werden die Gemüther entzweit und verlezt, wo eine größere Parthei sich fast im Alleinbesitz jener Presse befindet, und jeden Angriff sich erlauben darf, während die kleinere kaum ein Organ zu ihrer Vertheidigung hat. Dennoch könnten die Einen wie die Andern sich viele Mühen und Sorgen ersparen. Denn was ist das Ende von allen solchen Kämpfen und Befehdungen gewesen? – Ein Franzose (Franz von Champagny) hat so eben aufs Neue darauf geantwortet: „Der materielle, handgreifliche, sichtbare Sieg war meistens den Gegnern der Kirche beschieden. Was geschah aber zu Gunsten der Kirche? Nur Eines: ihr Gegner ist gestorben, und sie hat ihn überlebt. Ihr Gegner ist gefallen, weil er ein Mensch war; sie hat ihn überlebt, weil sie unsterblich ist.“ – Ich tadle die Lieblosigkeit auf beiden Seiten; aber die Minorität würde sich ohne Zweifel gelassener betragen, wenn sie nicht von der Majorität beständig gereizt und herausgefordert würde. Wie verfahren die privilegirten Breslauer Zeitungen in dieser Sache? Sie halten tägliche Umschau sowohl zu Hause als auch auf den Feldern der auswärtigen Brüderschaft, und sammeln mit Fleiß alle Disteln und Dornen, um diese sofort ihren katholischen Landsleuten zum Wohlgeruch darzubieten, nach Umständen auch in’s Gesicht zu werfen; und wenn ein verkommener Katholik die eigne Kirche lästert, so zeigen sie eine Theilnahme, als ob die Intelligenz den höchsten Sieg errungen hätte. Sind jene Blätter auch nur gerecht, sobald es sich auf dem andern Gebiete um die Anerkennung einer erfreulichen Thatsache handelt? Haben sie
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[99/0109] wie einerseits die Unwissenheit, Schwäche, Trägheit und Sinnenlust, so werden andererseits der falsche und tactlose Eifer und der Zornmuth sich allmählig vermindern, und endlich wird auch die rohe und lieblose Polemik des siebzehnten Jahrhunderts verstummen *). Die weltliche Obrigkeit *) Spätere Anmerkung. Hier ist offenbar zu viel gesagt. Die deutsche Controverse wird sich auf keinen höheren Standpunct erheben, so lange die christliche Liebe durch Leidenschaft erstickt, die Unbefangenheit durch eingeschulte Vorurtheile verdunkelt wird, und die Tagespreise nicht eine edlere Haltung gewinnt. Am meisten werden die Gemüther entzweit und verlezt, wo eine größere Parthei sich fast im Alleinbesitz jener Presse befindet, und jeden Angriff sich erlauben darf, während die kleinere kaum ein Organ zu ihrer Vertheidigung hat. Dennoch könnten die Einen wie die Andern sich viele Mühen und Sorgen ersparen. Denn was ist das Ende von allen solchen Kämpfen und Befehdungen gewesen? – Ein Franzose (Franz von Champagny) hat so eben aufs Neue darauf geantwortet: „Der materielle, handgreifliche, sichtbare Sieg war meistens den Gegnern der Kirche beschieden. Was geschah aber zu Gunsten der Kirche? Nur Eines: ihr Gegner ist gestorben, und sie hat ihn überlebt. Ihr Gegner ist gefallen, weil er ein Mensch war; sie hat ihn überlebt, weil sie unsterblich ist.“ – Ich tadle die Lieblosigkeit auf beiden Seiten; aber die Minorität würde sich ohne Zweifel gelassener betragen, wenn sie nicht von der Majorität beständig gereizt und herausgefordert würde. Wie verfahren die privilegirten Breslauer Zeitungen in dieser Sache? Sie halten tägliche Umschau sowohl zu Hause als auch auf den Feldern der auswärtigen Brüderschaft, und sammeln mit Fleiß alle Disteln und Dornen, um diese sofort ihren katholischen Landsleuten zum Wohlgeruch darzubieten, nach Umständen auch in’s Gesicht zu werfen; und wenn ein verkommener Katholik die eigne Kirche lästert, so zeigen sie eine Theilnahme, als ob die Intelligenz den höchsten Sieg errungen hätte. Sind jene Blätter auch nur gerecht, sobald es sich auf dem andern Gebiete um die Anerkennung einer erfreulichen Thatsache handelt? Haben sie

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Zitationshilfe: Lorinser, Carl Ignaz: Der Sieg über die Branntweinpest in Oberschlesien. Oppeln, 1845, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lorinser_branntweinpest_1845/109>, abgerufen am 09.11.2024.