Wolte hiemit lieber hierauf antworten, daß dieses ein Bild seye, vor- zustellen, daß gleichwie ein Vogel, je höher er sich erschwinget, je sicherer er des Jägers Nachstellungen entgehet, also je beständiger und ernstlicher unser Geist sich von allen eitlen, fleischlichen Gedancken entfernet und zu dem verklärten Heyland sich erhebt, je weniger wird er in Sünden-Stricken verwickelt und beflecket: himmlisch- gesinnte Hertzen entfliehen des Teufels Listen und Lüsten durch die Himmelfahrt des Glaubens zum Vatter, welches ihnen genug zu schaffen gibt, wann sie alle Seeligkeiten der Kinder GOttes über- legen und geniessen wollen, wie hier Abraham die Sternen zeh- len.
§. 7. Abraham bekame dann ferners Befelch die Sternen zu zehlen,Die Men- ge der Sternen ist unzähl- bahr, wann er je könne: Es haben sich zwar viele vermessen, die Sternen zu zehlen, allein dieses gebühret sich niemand als GOtt ihrem Schöpf- fer, und gehört unter die Wercke, so eintzig der ewigen Majestät zu- ständig sind, nemlich die Zahl der Sternen zu rechnen, und sie alle mit Namen zu nennen; Dann nichts zu sagen von denen verborgenen Kammeren gegen Mittag, oder denen Sternen die gegen den mittä- gigen Polum, oder Windpunckt ligen, und uns nie zu Gesicht kom- men, ja denen wenigsten, so jenseits der Linien wohnen, wegen des grossen Welt-Meers (so vom Mittag her ausbrudlet, gleichwie es ge- gen Mitternacht sich verschlinget) dadurch die Schiffe weiters zu fah- ren gehindert werden; so sind unzehliche Heerschaaren der Sternen, welche wegen ihrer unermäßlichen Höhe mit keinem Fern-Glaß ent- deckt werden können: Also daß alle Weißheit und Kunst der Men- schen zu kurtz kommt sie zu sehen; und kan wohl seyn, daß der allmäch- tige GOtt, dem kein Ding unmöglich ist, dem Abraham die Augen wunderbarlich geschärpfft hat, wie hernach dem Stephano, daß er JEsum sehen konte stehen zur Rechten GOttes im allerhöchsten Him- mel: Eben so leicht ware es GOtt dem Abraham die ungläubliche Menge der Sternen zu zeigen, dann wer dörffte GOttes Allmacht, Weißheit und Güte einige Schrancken setzen, als wann er nicht mehr thun könte, als unsere krancke, blöde Vernunfft fassen kan: Unser Leib ist nicht so klein, gestellt gegen das unaussprechliche Welt- Gebäu, dessen Gräntzen unser Geist nimmermehr erreichen kan: Un- sere Seele ist noch unendlich kleiner und geringer in Ansehung GOt- tes; Die zwizerende Sternlein sind eitel Sonnen, sehr grosse und
leuch-
ewige Sternen-Himmel.
Wolte hiemit lieber hierauf antworten, daß dieſes ein Bild ſeye, vor- zuſtellen, daß gleichwie ein Vogel, je hoͤher er ſich erſchwinget, je ſicherer er des Jaͤgers Nachſtellungen entgehet, alſo je beſtaͤndiger und ernſtlicher unſer Geiſt ſich von allen eitlen, fleiſchlichen Gedancken entfernet und zu dem verklaͤrten Heyland ſich erhebt, je weniger wird er in Suͤnden-Stricken verwickelt und beflecket: himmliſch- geſinnte Hertzen entfliehen des Teufels Liſten und Luͤſten durch die Himmelfahrt des Glaubens zum Vatter, welches ihnen genug zu ſchaffen gibt, wann ſie alle Seeligkeiten der Kinder GOttes uͤber- legen und genieſſen wollen, wie hier Abraham die Sternen zeh- len.
§. 7. Abraham bekame dann ferners Befelch die Sternen zu zehlen,Die Men- ge der Sternen iſt unzaͤhl- bahr, wann er je koͤnne: Es haben ſich zwar viele vermeſſen, die Sternen zu zehlen, allein dieſes gebuͤhret ſich niemand als GOtt ihrem Schoͤpf- fer, und gehoͤrt unter die Wercke, ſo eintzig der ewigen Majeſtaͤt zu- ſtaͤndig ſind, nemlich die Zahl der Sternen zu rechnen, und ſie alle mit Namen zu nennen; Dann nichts zu ſagen von denen verborgenen Kammeren gegen Mittag, oder denen Sternen die gegen den mittaͤ- gigen Polum, oder Windpunckt ligen, und uns nie zu Geſicht kom- men, ja denen wenigſten, ſo jenſeits der Linien wohnen, wegen des groſſen Welt-Meers (ſo vom Mittag her ausbrudlet, gleichwie es ge- gen Mitternacht ſich verſchlinget) dadurch die Schiffe weiters zu fah- ren gehindert werden; ſo ſind unzehliche Heerſchaaren der Sternen, welche wegen ihrer unermaͤßlichen Hoͤhe mit keinem Fern-Glaß ent- deckt werden koͤnnen: Alſo daß alle Weißheit und Kunſt der Men- ſchen zu kurtz kommt ſie zu ſehen; und kan wohl ſeyn, daß der allmaͤch- tige GOtt, dem kein Ding unmoͤglich iſt, dem Abraham die Augen wunderbarlich geſchaͤrpfft hat, wie hernach dem Stephano, daß er JEſum ſehen konte ſtehen zur Rechten GOttes im allerhoͤchſten Him- mel: Eben ſo leicht ware es GOtt dem Abraham die unglaͤubliche Menge der Sternen zu zeigen, dann wer doͤrffte GOttes Allmacht, Weißheit und Guͤte einige Schrancken ſetzen, als wann er nicht mehr thun koͤnte, als unſere krancke, bloͤde Vernunfft faſſen kan: Unſer Leib iſt nicht ſo klein, geſtellt gegen das unausſprechliche Welt- Gebaͤu, deſſen Graͤntzen unſer Geiſt nimmermehr erreichen kan: Un- ſere Seele iſt noch unendlich kleiner und geringer in Anſehung GOt- tes; Die zwizerende Sternlein ſind eitel Sonnen, ſehr groſſe und
leuch-
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ewige Sternen-Himmel.
Wolte hiemit lieber hierauf antworten, daß dieſes ein Bild ſeye, vor-
zuſtellen, daß gleichwie ein Vogel, je hoͤher er ſich erſchwinget, je
ſicherer er des Jaͤgers Nachſtellungen entgehet, alſo je beſtaͤndiger und
ernſtlicher unſer Geiſt ſich von allen eitlen, fleiſchlichen Gedancken
entfernet und zu dem verklaͤrten Heyland ſich erhebt, je weniger
wird er in Suͤnden-Stricken verwickelt und beflecket: himmliſch-
geſinnte Hertzen entfliehen des Teufels Liſten und Luͤſten durch die
Himmelfahrt des Glaubens zum Vatter, welches ihnen genug zu
ſchaffen gibt, wann ſie alle Seeligkeiten der Kinder GOttes uͤber-
legen und genieſſen wollen, wie hier Abraham die Sternen zeh-
len.
§. 7. Abraham bekame dann ferners Befelch die Sternen zu zehlen,
wann er je koͤnne: Es haben ſich zwar viele vermeſſen, die Sternen zu
zehlen, allein dieſes gebuͤhret ſich niemand als GOtt ihrem Schoͤpf-
fer, und gehoͤrt unter die Wercke, ſo eintzig der ewigen Majeſtaͤt zu-
ſtaͤndig ſind, nemlich die Zahl der Sternen zu rechnen, und ſie alle
mit Namen zu nennen; Dann nichts zu ſagen von denen verborgenen
Kammeren gegen Mittag, oder denen Sternen die gegen den mittaͤ-
gigen Polum, oder Windpunckt ligen, und uns nie zu Geſicht kom-
men, ja denen wenigſten, ſo jenſeits der Linien wohnen, wegen des
groſſen Welt-Meers (ſo vom Mittag her ausbrudlet, gleichwie es ge-
gen Mitternacht ſich verſchlinget) dadurch die Schiffe weiters zu fah-
ren gehindert werden; ſo ſind unzehliche Heerſchaaren der Sternen,
welche wegen ihrer unermaͤßlichen Hoͤhe mit keinem Fern-Glaß ent-
deckt werden koͤnnen: Alſo daß alle Weißheit und Kunſt der Men-
ſchen zu kurtz kommt ſie zu ſehen; und kan wohl ſeyn, daß der allmaͤch-
tige GOtt, dem kein Ding unmoͤglich iſt, dem Abraham die Augen
wunderbarlich geſchaͤrpfft hat, wie hernach dem Stephano, daß er
JEſum ſehen konte ſtehen zur Rechten GOttes im allerhoͤchſten Him-
mel: Eben ſo leicht ware es GOtt dem Abraham die unglaͤubliche
Menge der Sternen zu zeigen, dann wer doͤrffte GOttes Allmacht,
Weißheit und Guͤte einige Schrancken ſetzen, als wann er nicht
mehr thun koͤnte, als unſere krancke, bloͤde Vernunfft faſſen kan:
Unſer Leib iſt nicht ſo klein, geſtellt gegen das unausſprechliche Welt-
Gebaͤu, deſſen Graͤntzen unſer Geiſt nimmermehr erreichen kan: Un-
ſere Seele iſt noch unendlich kleiner und geringer in Anſehung GOt-
tes; Die zwizerende Sternlein ſind eitel Sonnen, ſehr groſſe und
leuch-
Die Men-
ge der
Sternen
iſt unzaͤhl-
bahr,
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 927. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1023>, abgerufen am 22.11.2024.
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