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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Die Sonne der Gerechtigkeit.
die noch nicht Busse gethan von todten Wercken, denen der hell-
leuchtende Morgenstern noch bey weitem nirgends aufgegangen, die
heimlich, wiewohl den Leuten unwissend sündliche Gedancken in ih-
rem finsteren Hertzen herumkriechen lassen, ohne Scheu vor dem glän-
tzenden Angesicht Christi; Kurtz, sie haben sich Christo nie gründlich
gewidmet, sind und bleiben lebendig tod, so lange sie JEsum nicht
haben, und er sie.

Sollte jemand ein souverainer hochst-gebietender Monarch seyn
über die gantze Welt, hat er diese Morgen-Sonne nicht in sich, als
sein eigen, so ist er ewig elend und verlohren: Das alles sind so helle
Warheiten als die leibliche Sonne selbst unseren Augen immer seyn
mag, und ist noch alles gar leicht zu verstehen.

Wie dieses
Liecht sich
der Seele
offenbah-
re, kan
besser
empfun-
den als
beschrie-
ben wer-
den.

§. 4. Will man aber wissen, wie dieses ewige Liecht sich der Seel
offenbare, worinn eigentlich das Fühlen und die Gegenwart JEsu
Christi bestehe, wie es in einem erleuchtenten Hertzen zugehe, das
man dem fleischlichen Menschen nimmermehr mit Worten ausdru-
cken und erklären, daß ers fein recht begreiffe.

Diese Göttliche Sonne wird angeschauet, empfunden, gesehen,
geliebet, man wird davon gleichsam verzuckt, also gar übernatürlich
und himmlisch wohl wird es einer Seele, wann JEsus sich offenba-
ret und innwendig erscheinet, aber es ist über alle Wort die man da-
von machen kan: Wers nicht erfahrt, kans nicht glauben, und muß
nothwendig alle diejenigen, so von denen gar zu ungemeinen Wür-
ckungen des Gnaden-Liechts, aus selbst eigener Erfahrung reden,
vor Visionaires oder einbildische, aberwitzige Träumer und spitzfün-
dige Klüglinge halten. Schwätze einem Blindgebohrnen von Liecht
und denen Farben, als so viel Modificationen oder verschiedenen Zu-
ruckwerffungen und Einmässungen des Liechts; er kommt nimmer
drüber wie es ist, weil ers selbst nicht siehet: Also ists mit uns allen,
so lang wir unheilig bleiben.

Man kan einem im Land der Finsternuß und im Thal des Schat-
ten deß Todes Sitzenden wohl zuruffen: Wache auf, der du schlaf-
fest, und stehe auf, von den Todten: So wird dir Christus als ein Liecht
aufgehen a, aber es bleibt bey Pauli Ausspruch b: Der natürliche
Mensch fasset die Dinge nicht, die deß Geistes GOttes sind. Dann sie
sind ihme eine Thorheit, und kan sie nicht erkennen: Dann sie werden

geistlich
a Eph. V. 14.
b 1 Cor. II. 14.

Die Sonne der Gerechtigkeit.
die noch nicht Buſſe gethan von todten Wercken, denen der hell-
leuchtende Morgenſtern noch bey weitem nirgends aufgegangen, die
heimlich, wiewohl den Leuten unwiſſend ſuͤndliche Gedancken in ih-
rem finſteren Hertzen herumkriechen laſſen, ohne Scheu vor dem glaͤn-
tzenden Angeſicht Chriſti; Kurtz, ſie haben ſich Chriſto nie gruͤndlich
gewidmet, ſind und bleiben lebendig tod, ſo lange ſie JEſum nicht
haben, und er ſie.

Sollte jemand ein ſouverainer hochſt-gebietender Monarch ſeyn
uͤber die gantze Welt, hat er dieſe Morgen-Sonne nicht in ſich, als
ſein eigen, ſo iſt er ewig elend und verlohren: Das alles ſind ſo helle
Warheiten als die leibliche Sonne ſelbſt unſeren Augen immer ſeyn
mag, und iſt noch alles gar leicht zu verſtehen.

Wie dieſes
Liecht ſich
der Seele
offenbah-
re, kan
beſſer
empfun-
den als
beſchrie-
ben wer-
den.

§. 4. Will man aber wiſſen, wie dieſes ewige Liecht ſich der Seel
offenbare, worinn eigentlich das Fuͤhlen und die Gegenwart JEſu
Chriſti beſtehe, wie es in einem erleuchtenten Hertzen zugehe, das
man dem fleiſchlichen Menſchen nimmermehr mit Worten ausdru-
cken und erklaͤren, daß ers fein recht begreiffe.

Dieſe Goͤttliche Sonne wird angeſchauet, empfunden, geſehen,
geliebet, man wird davon gleichſam verzuckt, alſo gar uͤbernatuͤrlich
und himmliſch wohl wird es einer Seele, wann JEſus ſich offenba-
ret und innwendig erſcheinet, aber es iſt uͤber alle Wort die man da-
von machen kan: Wers nicht erfahrt, kans nicht glauben, und muß
nothwendig alle diejenigen, ſo von denen gar zu ungemeinen Wuͤr-
ckungen des Gnaden-Liechts, aus ſelbſt eigener Erfahrung reden,
vor Viſionaires oder einbildiſche, aberwitzige Traͤumer und ſpitzfuͤn-
dige Kluͤglinge halten. Schwaͤtze einem Blindgebohrnen von Liecht
und denen Farben, als ſo viel Modificationen oder verſchiedenen Zu-
ruckwerffungen und Einmaͤſſungen des Liechts; er kommt nimmer
druͤber wie es iſt, weil ers ſelbſt nicht ſiehet: Alſo iſts mit uns allen,
ſo lang wir unheilig bleiben.

Man kan einem im Land der Finſternuß und im Thal des Schat-
ten deß Todes Sitzenden wohl zuruffen: Wache auf, der du ſchlaf-
feſt, und ſtehe auf, von den Todten: So wird dir Chriſtus als ein Liecht
aufgehen a, aber es bleibt bey Pauli Ausſpruch b: Der natuͤrliche
Menſch faſſet die Dinge nicht, die deß Geiſtes GOttes ſind. Dann ſie
ſind ihme eine Thorheit, und kan ſie nicht erkennen: Dann ſie werden

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a Eph. V. 14.
b 1 Cor. II. 14.
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[998/1094] Die Sonne der Gerechtigkeit. die noch nicht Buſſe gethan von todten Wercken, denen der hell- leuchtende Morgenſtern noch bey weitem nirgends aufgegangen, die heimlich, wiewohl den Leuten unwiſſend ſuͤndliche Gedancken in ih- rem finſteren Hertzen herumkriechen laſſen, ohne Scheu vor dem glaͤn- tzenden Angeſicht Chriſti; Kurtz, ſie haben ſich Chriſto nie gruͤndlich gewidmet, ſind und bleiben lebendig tod, ſo lange ſie JEſum nicht haben, und er ſie. Sollte jemand ein ſouverainer hochſt-gebietender Monarch ſeyn uͤber die gantze Welt, hat er dieſe Morgen-Sonne nicht in ſich, als ſein eigen, ſo iſt er ewig elend und verlohren: Das alles ſind ſo helle Warheiten als die leibliche Sonne ſelbſt unſeren Augen immer ſeyn mag, und iſt noch alles gar leicht zu verſtehen. §. 4. Will man aber wiſſen, wie dieſes ewige Liecht ſich der Seel offenbare, worinn eigentlich das Fuͤhlen und die Gegenwart JEſu Chriſti beſtehe, wie es in einem erleuchtenten Hertzen zugehe, das man dem fleiſchlichen Menſchen nimmermehr mit Worten ausdru- cken und erklaͤren, daß ers fein recht begreiffe. Dieſe Goͤttliche Sonne wird angeſchauet, empfunden, geſehen, geliebet, man wird davon gleichſam verzuckt, alſo gar uͤbernatuͤrlich und himmliſch wohl wird es einer Seele, wann JEſus ſich offenba- ret und innwendig erſcheinet, aber es iſt uͤber alle Wort die man da- von machen kan: Wers nicht erfahrt, kans nicht glauben, und muß nothwendig alle diejenigen, ſo von denen gar zu ungemeinen Wuͤr- ckungen des Gnaden-Liechts, aus ſelbſt eigener Erfahrung reden, vor Viſionaires oder einbildiſche, aberwitzige Traͤumer und ſpitzfuͤn- dige Kluͤglinge halten. Schwaͤtze einem Blindgebohrnen von Liecht und denen Farben, als ſo viel Modificationen oder verſchiedenen Zu- ruckwerffungen und Einmaͤſſungen des Liechts; er kommt nimmer druͤber wie es iſt, weil ers ſelbſt nicht ſiehet: Alſo iſts mit uns allen, ſo lang wir unheilig bleiben. Man kan einem im Land der Finſternuß und im Thal des Schat- ten deß Todes Sitzenden wohl zuruffen: Wache auf, der du ſchlaf- feſt, und ſtehe auf, von den Todten: So wird dir Chriſtus als ein Liecht aufgehen a, aber es bleibt bey Pauli Ausſpruch b: Der natuͤrliche Menſch faſſet die Dinge nicht, die deß Geiſtes GOttes ſind. Dann ſie ſind ihme eine Thorheit, und kan ſie nicht erkennen: Dann ſie werden geiſtlich a Eph. V. 14. b 1 Cor. II. 14.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 998. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1094>, abgerufen am 27.07.2024.