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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Lebens-Mahlzeit.
vermenget, so kommt sie in den Crystall-lauteren Strom des Heiligen
Geistes, der sie in das ewige, höchste Gut eingeführet; es ist auch un-
serem Geist nicht wol, biß daß er in der höchst-glückseeligen Einigkeit
stehet, wozu aber nicht zu gelangen, als durch steten Ausgang aus
sich selbst und der Welt und söhnlichem Hunger nach GOtt. Ach
ohne dieses ists alles Stuckwerck, da ist kein wahre, lautere Weiß-
heit, Klugheit und Vorsichtigkeit, alles ist mit Eigen-Dünckel und
Blindheit vermenget, da man zwar ein gute Meynung hat, dabey
aber die Seelen mehr verscheuet, als fahet, das Gute durch man-
cherley Versehen mehr hindert als förderet; GOtt aber kan auch aus
unserer Finsterniß das Liecht hervor ziehen. So ist auch aussert die-
ser Vereinigung kein unvermischte, beständige lautere Heiligkeit, die
Eigen-Liebe erreget noch immer unordentliche Affecten und Neigun-
gen, verfinsteret und schmähet die heilige, reine Liebes-Flamm, die
ohne Aufhören, ununterbrochen auch gegen denen widrigsten Men-
schen hell scheinen muß, wo es recht zugehen soll.

Unver-
nunfft de-
ren so die-
ses nicht
thun.

§. 3. Aussert dieser Gemeinschafft mit GOtt ist nimmer kein wah-
res Vergnügen, keine innige Freud und Wonne, keine Sicherheit
und Leben; wie unermeßlich und unbegreiflich ist denn unsere Thorheit;
daß da wir diesen allein seeligen, allein guten, allein weisen, allein
herrlichen, allein getreuen, Lebendigen GOtt zu unserem einigen
und ewigen Antheil haben könnten, wir gleichwol nicht allen äusser-
sten Ernst anwenden Jhn zu haben; solten wir doch nicht nur Gedan-
cken und Begierden, besonderen Leib und Leben daran strecken, GOtt
zu haben, daß er uns das werde, seye und bleibe ewiglich, was Er
Jhm selbst ist von Ewigkeit her und was er bereits so vielen unzehli-
chen Geschöpffen worden ist, die durch seine Gemeinschafft höchst-
seelig sind in alle Ewigkeit. Wie wol ist doch einem Menschen, des-
sen Jehova sein GOtt ist.

GOtt ist
begierig
sich selb-
sten und
alles was
er hat
mitzu-
theilen.

§. 4. Wir halten alle davor und glauben, daß Himmel, Erde und
alles, was darinnen ist eintzig und allein durch seine Willens-Krafft
seyen, und was sie alle Schönes, Gutes, Heiliges und seeliges ha-
ben, seye von GOtt her, sein Geschenck und Gabe; Ey warum lie-
ben wir ihne dann nicht und erwählen Jhn vor unser Eins und Alles?
könte uns auch etwas bey ihm manglen, an Weißheit, Tugend,
Ruhe und Frieden, an Reichthum, Ehre und Freud, an Macht, an Ho-

heit

Lebens-Mahlzeit.
vermenget, ſo kommt ſie in den Cryſtall-lauteren Strom des Heiligen
Geiſtes, der ſie in das ewige, hoͤchſte Gut eingefuͤhret; es iſt auch un-
ſerem Geiſt nicht wol, biß daß er in der hoͤchſt-gluͤckſeeligen Einigkeit
ſtehet, wozu aber nicht zu gelangen, als durch ſteten Ausgang aus
ſich ſelbſt und der Welt und ſoͤhnlichem Hunger nach GOtt. Ach
ohne dieſes iſts alles Stuckwerck, da iſt kein wahre, lautere Weiß-
heit, Klugheit und Vorſichtigkeit, alles iſt mit Eigen-Duͤnckel und
Blindheit vermenget, da man zwar ein gute Meynung hat, dabey
aber die Seelen mehr verſcheuet, als fahet, das Gute durch man-
cherley Verſehen mehr hindert als foͤrderet; GOtt aber kan auch aus
unſerer Finſterniß das Liecht hervor ziehen. So iſt auch auſſert die-
ſer Vereinigung kein unvermiſchte, beſtaͤndige lautere Heiligkeit, die
Eigen-Liebe erreget noch immer unordentliche Affecten und Neigun-
gen, verfinſteret und ſchmaͤhet die heilige, reine Liebes-Flamm, die
ohne Aufhoͤren, ununterbrochen auch gegen denen widrigſten Men-
ſchen hell ſcheinen muß, wo es recht zugehen ſoll.

Unver-
nunfft de-
ren ſo die-
ſes nicht
thun.

§. 3. Auſſert dieſer Gemeinſchafft mit GOtt iſt nimmer kein wah-
res Vergnuͤgen, keine innige Freud und Wonne, keine Sicherheit
und Leben; wie unermeßlich und unbegreiflich iſt denn unſere Thorheit;
daß da wir dieſen allein ſeeligen, allein guten, allein weiſen, allein
herrlichen, allein getreuen, Lebendigen GOtt zu unſerem einigen
und ewigen Antheil haben koͤnnten, wir gleichwol nicht allen aͤuſſer-
ſten Ernſt anwenden Jhn zu haben; ſolten wir doch nicht nur Gedan-
cken und Begierden, beſonderen Leib und Leben daran ſtrecken, GOtt
zu haben, daß er uns das werde, ſeye und bleibe ewiglich, was Er
Jhm ſelbſt iſt von Ewigkeit her und was er bereits ſo vielen unzehli-
chen Geſchoͤpffen worden iſt, die durch ſeine Gemeinſchafft hoͤchſt-
ſeelig ſind in alle Ewigkeit. Wie wol iſt doch einem Menſchen, deſ-
ſen Jehova ſein GOtt iſt.

GOtt iſt
begierig
ſich ſelb-
ſten und
alles was
er hat
mitzu-
theilen.

§. 4. Wir halten alle davor und glauben, daß Himmel, Erde und
alles, was darinnen iſt eintzig und allein durch ſeine Willens-Krafft
ſeyen, und was ſie alle Schoͤnes, Gutes, Heiliges und ſeeliges ha-
ben, ſeye von GOtt her, ſein Geſchenck und Gabe; Ey warum lie-
ben wir ihne dann nicht und erwaͤhlen Jhn vor unſer Eins und Alles?
koͤnte uns auch etwas bey ihm manglen, an Weißheit, Tugend,
Ruhe und Frieden, an Reichthum, Ehre und Freud, an Macht, an Ho-

heit
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[1042/1138] Lebens-Mahlzeit. vermenget, ſo kommt ſie in den Cryſtall-lauteren Strom des Heiligen Geiſtes, der ſie in das ewige, hoͤchſte Gut eingefuͤhret; es iſt auch un- ſerem Geiſt nicht wol, biß daß er in der hoͤchſt-gluͤckſeeligen Einigkeit ſtehet, wozu aber nicht zu gelangen, als durch ſteten Ausgang aus ſich ſelbſt und der Welt und ſoͤhnlichem Hunger nach GOtt. Ach ohne dieſes iſts alles Stuckwerck, da iſt kein wahre, lautere Weiß- heit, Klugheit und Vorſichtigkeit, alles iſt mit Eigen-Duͤnckel und Blindheit vermenget, da man zwar ein gute Meynung hat, dabey aber die Seelen mehr verſcheuet, als fahet, das Gute durch man- cherley Verſehen mehr hindert als foͤrderet; GOtt aber kan auch aus unſerer Finſterniß das Liecht hervor ziehen. So iſt auch auſſert die- ſer Vereinigung kein unvermiſchte, beſtaͤndige lautere Heiligkeit, die Eigen-Liebe erreget noch immer unordentliche Affecten und Neigun- gen, verfinſteret und ſchmaͤhet die heilige, reine Liebes-Flamm, die ohne Aufhoͤren, ununterbrochen auch gegen denen widrigſten Men- ſchen hell ſcheinen muß, wo es recht zugehen ſoll. §. 3. Auſſert dieſer Gemeinſchafft mit GOtt iſt nimmer kein wah- res Vergnuͤgen, keine innige Freud und Wonne, keine Sicherheit und Leben; wie unermeßlich und unbegreiflich iſt denn unſere Thorheit; daß da wir dieſen allein ſeeligen, allein guten, allein weiſen, allein herrlichen, allein getreuen, Lebendigen GOtt zu unſerem einigen und ewigen Antheil haben koͤnnten, wir gleichwol nicht allen aͤuſſer- ſten Ernſt anwenden Jhn zu haben; ſolten wir doch nicht nur Gedan- cken und Begierden, beſonderen Leib und Leben daran ſtrecken, GOtt zu haben, daß er uns das werde, ſeye und bleibe ewiglich, was Er Jhm ſelbſt iſt von Ewigkeit her und was er bereits ſo vielen unzehli- chen Geſchoͤpffen worden iſt, die durch ſeine Gemeinſchafft hoͤchſt- ſeelig ſind in alle Ewigkeit. Wie wol iſt doch einem Menſchen, deſ- ſen Jehova ſein GOtt iſt. §. 4. Wir halten alle davor und glauben, daß Himmel, Erde und alles, was darinnen iſt eintzig und allein durch ſeine Willens-Krafft ſeyen, und was ſie alle Schoͤnes, Gutes, Heiliges und ſeeliges ha- ben, ſeye von GOtt her, ſein Geſchenck und Gabe; Ey warum lie- ben wir ihne dann nicht und erwaͤhlen Jhn vor unſer Eins und Alles? koͤnte uns auch etwas bey ihm manglen, an Weißheit, Tugend, Ruhe und Frieden, an Reichthum, Ehre und Freud, an Macht, an Ho- heit

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1042. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1138>, abgerufen am 22.11.2024.