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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Labsal in Trübsal.
Anrlopssungen und Rührungen des Gewissens nicht anders sey als
ein erbärmlicher Hingang zum Tod und Höll.

theils sein
Mißtrau-
en an
Christi
Gütigkeit.

§. 6. (2.) Ein Mißtrauen und Verzagen an Christi Gütigkeit und
Gnaden Uberfluß, wann einer aufgeweckt aus dem Schlaf der Si-
cherheit seinen Unrath damit er sich verunreinigt, siehet, so wird er
blöd, erschrocken, so verwegen er auch zuvor ware, und darff es nicht
wagen sich in die Armen JEsu zu werffen, meint immer, er müsse
sich vor bereiten, schmücken, tugendsam, rein, heilig, voll Glau-
ben, Liebe, himmlisch, gantz geistlich seyn, darum hat er dieses
liebreichen, aufmunterenden Zuruffens hoch vonnöthen, damit er
Krafft und Freudigkeit habe zu bitten, zu nehmen was ihm manglet,
und alle Scheue bey seiner Dürfftigkeit zu geschweigen, die ihm auf
dem Weg zu Christo bald diß bald ein anders einpleuet ihne abzu-
halten. Der allzutieff eingewurtzlete Unglaub macht erweckten elen-
den Sünder sehr schüchter, daß er mehr auf seine eigene grosse Un-
würdigkeit als auf Christi gütigen, geneigten Willen gegen alle Man-
gelbare siehet, und ist dieses gifftige Gewächs des Unglaubens also
fruchtbar, daß es tausenderley seltzame Einfälle in der geschäfftigen
Vernunfft ausgebieret, mit welchen sich manch armes Hertz zimlich
abzehrt, naget und frisset, ehe die Freud ob dem erworbenen Heyl
Christi recht empor und zu Kräfften kommet, es ist unbeschreiblich,
was geschwinder Kunst-Griffen der scheinheilige Teufel dazu gebraucht
Heyls-Begierige in denen Traur-Kerckern seines finstern Reichs ge-
fangen zu halten.

Auf Seite
Christi
aber theils
seine Ge-
neigtheit,

§. 7. Auf Seiten JESU Christi zeigt dieses Wort kommet
deutlich an 1. seine süsse Geneigtheit zu den Leuten, seinen Durst
nach den Seelen, seine grosse Freud und Lust ist, viel arme, leere
Hertzen und Gefässe um sich herum zu haben, denen er sich zu ge-
niessen gebe und mittheile. Welchen liebreichesten Sinn das miß-
trauisch Hertz, so kaum von Christo Glauben, und bey seiner Ver-
dorbenheit einen so seeligenden Liebes-Willen gar schwerlich zutrauen
kan, sonst wäre das Gebet nicht so matt, wanckend, Zweiffels-voll,
sondern muthig, getrost, anhaltend, biß es das verlangte erlanget
von dem der keine Stätte leer lassen kan, keine Seelen ungefüllet las-
sen weggehen, so viel ihrer des höchsten Guts allein begierig sind:
O wie viele und langweilige Mühe, so zu sagen, macht dieser unser

compli-

Labſal in Truͤbſal.
Anrlopſſungen und Ruͤhrungen des Gewiſſens nicht anders ſey als
ein erbaͤrmlicher Hingang zum Tod und Hoͤll.

theils ſein
Mißtrau-
en an
Chriſti
Guͤtigkeit.

§. 6. (2.) Ein Mißtrauen und Verzagen an Chriſti Guͤtigkeit und
Gnaden Uberfluß, wann einer aufgeweckt aus dem Schlaf der Si-
cherheit ſeinen Unrath damit er ſich verunreinigt, ſiehet, ſo wird er
bloͤd, erſchrocken, ſo verwegen er auch zuvor ware, und darff es nicht
wagen ſich in die Armen JEſu zu werffen, meint immer, er muͤſſe
ſich vor bereiten, ſchmuͤcken, tugendſam, rein, heilig, voll Glau-
ben, Liebe, himmliſch, gantz geiſtlich ſeyn, darum hat er dieſes
liebreichen, aufmunterenden Zuruffens hoch vonnoͤthen, damit er
Krafft und Freudigkeit habe zu bitten, zu nehmen was ihm manglet,
und alle Scheue bey ſeiner Duͤrfftigkeit zu geſchweigen, die ihm auf
dem Weg zu Chriſto bald diß bald ein anders einpleuet ihne abzu-
halten. Der allzutieff eingewurtzlete Unglaub macht erweckten elen-
den Suͤnder ſehr ſchuͤchter, daß er mehr auf ſeine eigene groſſe Un-
wuͤrdigkeit als auf Chriſti guͤtigen, geneigten Willen gegen alle Man-
gelbare ſiehet, und iſt dieſes gifftige Gewaͤchs des Unglaubens alſo
fruchtbar, daß es tauſenderley ſeltzame Einfaͤlle in der geſchaͤfftigen
Vernunfft ausgebieret, mit welchen ſich manch armes Hertz zimlich
abzehrt, naget und friſſet, ehe die Freud ob dem erworbenen Heyl
Chriſti recht empor und zu Kraͤfften kommet, es iſt unbeſchreiblich,
was geſchwinder Kunſt-Griffen der ſcheinheilige Teufel dazu gebraucht
Heyls-Begierige in denen Traur-Kerckern ſeines finſtern Reichs ge-
fangen zu halten.

Auf Seite
Chriſti
abeꝛ theils
ſeine Ge-
neigtheit,

§. 7. Auf Seiten JESU Chriſti zeigt dieſes Wort kommet
deutlich an 1. ſeine ſuͤſſe Geneigtheit zu den Leuten, ſeinen Durſt
nach den Seelen, ſeine groſſe Freud und Luſt iſt, viel arme, leere
Hertzen und Gefaͤſſe um ſich herum zu haben, denen er ſich zu ge-
nieſſen gebe und mittheile. Welchen liebreicheſten Sinn das miß-
trauiſch Hertz, ſo kaum von Chriſto Glauben, und bey ſeiner Ver-
dorbenheit einen ſo ſeeligenden Liebes-Willen gar ſchwerlich zutrauen
kan, ſonſt waͤre das Gebet nicht ſo matt, wanckend, Zweiffels-voll,
ſondern muthig, getroſt, anhaltend, biß es das verlangte erlanget
von dem der keine Staͤtte leer laſſen kan, keine Seelen ungefuͤllet laſ-
ſen weggehen, ſo viel ihrer des hoͤchſten Guts allein begierig ſind:
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[1086/1182] Labſal in Truͤbſal. Anrlopſſungen und Ruͤhrungen des Gewiſſens nicht anders ſey als ein erbaͤrmlicher Hingang zum Tod und Hoͤll. §. 6. (2.) Ein Mißtrauen und Verzagen an Chriſti Guͤtigkeit und Gnaden Uberfluß, wann einer aufgeweckt aus dem Schlaf der Si- cherheit ſeinen Unrath damit er ſich verunreinigt, ſiehet, ſo wird er bloͤd, erſchrocken, ſo verwegen er auch zuvor ware, und darff es nicht wagen ſich in die Armen JEſu zu werffen, meint immer, er muͤſſe ſich vor bereiten, ſchmuͤcken, tugendſam, rein, heilig, voll Glau- ben, Liebe, himmliſch, gantz geiſtlich ſeyn, darum hat er dieſes liebreichen, aufmunterenden Zuruffens hoch vonnoͤthen, damit er Krafft und Freudigkeit habe zu bitten, zu nehmen was ihm manglet, und alle Scheue bey ſeiner Duͤrfftigkeit zu geſchweigen, die ihm auf dem Weg zu Chriſto bald diß bald ein anders einpleuet ihne abzu- halten. Der allzutieff eingewurtzlete Unglaub macht erweckten elen- den Suͤnder ſehr ſchuͤchter, daß er mehr auf ſeine eigene groſſe Un- wuͤrdigkeit als auf Chriſti guͤtigen, geneigten Willen gegen alle Man- gelbare ſiehet, und iſt dieſes gifftige Gewaͤchs des Unglaubens alſo fruchtbar, daß es tauſenderley ſeltzame Einfaͤlle in der geſchaͤfftigen Vernunfft ausgebieret, mit welchen ſich manch armes Hertz zimlich abzehrt, naget und friſſet, ehe die Freud ob dem erworbenen Heyl Chriſti recht empor und zu Kraͤfften kommet, es iſt unbeſchreiblich, was geſchwinder Kunſt-Griffen der ſcheinheilige Teufel dazu gebraucht Heyls-Begierige in denen Traur-Kerckern ſeines finſtern Reichs ge- fangen zu halten. §. 7. Auf Seiten JESU Chriſti zeigt dieſes Wort kommet deutlich an 1. ſeine ſuͤſſe Geneigtheit zu den Leuten, ſeinen Durſt nach den Seelen, ſeine groſſe Freud und Luſt iſt, viel arme, leere Hertzen und Gefaͤſſe um ſich herum zu haben, denen er ſich zu ge- nieſſen gebe und mittheile. Welchen liebreicheſten Sinn das miß- trauiſch Hertz, ſo kaum von Chriſto Glauben, und bey ſeiner Ver- dorbenheit einen ſo ſeeligenden Liebes-Willen gar ſchwerlich zutrauen kan, ſonſt waͤre das Gebet nicht ſo matt, wanckend, Zweiffels-voll, ſondern muthig, getroſt, anhaltend, biß es das verlangte erlanget von dem der keine Staͤtte leer laſſen kan, keine Seelen ungefuͤllet laſ- ſen weggehen, ſo viel ihrer des hoͤchſten Guts allein begierig ſind: O wie viele und langweilige Muͤhe, ſo zu ſagen, macht dieſer unſer compli-

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1086. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1182>, abgerufen am 22.11.2024.