Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Labsal in Trübsal.
mit tausenderley Versuchungen zu schleudern; Jnzwischen hungert
der unsterbliche Geist nach GOTT und wünschet mit den inneren,
geistlichen Sinnen nur himmlische Reichthümer, Vortheile und
Herrlichkeiten zu schauen und zu handthieren, in einer andern Welt
zu wohnen, mit allen ihren Gedancken, um einsam und gemeinsam
zu handlen mit der Ewigkeit: Jn solchem Verlangen zerarbeiten sie
sich und bringens doch nirgends hin, lauffen mit dem Kopf an eine
Maur, klettern so gnug, als ob sie die Schied-Wand zwischen
GOTT und ihrer armen Seel ersteigen mögen, sonderlich wenn sie
jemand hören im Garten dieser Göttlichen Ruh, Erquickung, Stil-
le, Liebes-Gemeinschafft spatzieren, den Apfel-Baum schüttlen und
unter dem Schatten der Bäumen des Gartens in den Armen des
Bräutigams als truncken und taumelend von Liebe lallen und singen,
so sie Exempel lesen und hören von theuren und außerwählten Men-
schen, welchen die Güter des neuen Testaments zu ihrem Antheil
worden sind, die an ihnen selbst erfahren, was Christus als Pro-
phet, Hohenpriester und König an den Seinen ausrichte, welche
den Bößwicht im Glauben an JEsum überwunden, also daß er
ihnen nicht mehr so leicht beykommen und mit seinen unverdrossenen
Anläuffen, so gar jammerlich vexieren kan, wie es ihme leyder bey
allen Unabgestorbenen gelinget, daß er sie bey ihrer Eigen-Liebe fasset
und in sein Garn hinein bringt, wo und wann es ihn gelustet, wei-
len ihnen die Göttliche Weißheit und Stärcke den Hinterlist zu se-
hen und zu meiden noch fehlet mit samt der Treue an JEsu unabläs-
sig zu hangen: Wann diese arme, untreue, unbeständige, schwache
Menschen an anderen sehen, daß sie in das Frieden-Reich des Heiligen
Geistes hinein kommen und mit Erstaunung erzehlen, wie wohl es
ihnen doch seye, was vor ein Vor-Himmel sie geniessen a.

welche,
wann sie
nach lan-
gem ver-
geblichen
Kampf in
Schlaf
gerathen,

§. 3. Wann sie solches hören, meinen sie, es müsse seyn, nehmen
einen Anlauff, und dunckt sie zu Zeiten jetzt rucke es, es wolle einst
gerathen, aber ach sie rütschen bald wieder herunter, und nachdem
sie sich gnug zerarbeitet, finden sie sich wieder fast am alten Ort,
daß sie es tausendmahl aufgeben würden, wo sie JEsu dem Leutseli-
gen nicht zu lieb wären und er sie lassen könnte, darum weckt er sie
allezeit wieder auf, macht ihnen heimlich angst, wann sie einschlassen
b

und
a 1 Cor. II. 9.
b Ps. XXXVI. & LXV.

Labſal in Truͤbſal.
mit tauſenderley Verſuchungen zu ſchleudern; Jnzwiſchen hungert
der unſterbliche Geiſt nach GOTT und wuͤnſchet mit den inneren,
geiſtlichen Sinnen nur himmliſche Reichthuͤmer, Vortheile und
Herrlichkeiten zu ſchauen und zu handthieren, in einer andern Welt
zu wohnen, mit allen ihren Gedancken, um einſam und gemeinſam
zu handlen mit der Ewigkeit: Jn ſolchem Verlangen zerarbeiten ſie
ſich und bringens doch nirgends hin, lauffen mit dem Kopf an eine
Maur, klettern ſo gnug, als ob ſie die Schied-Wand zwiſchen
GOTT und ihrer armen Seel erſteigen moͤgen, ſonderlich wenn ſie
jemand hoͤren im Garten dieſer Goͤttlichen Ruh, Erquickung, Stil-
le, Liebes-Gemeinſchafft ſpatzieren, den Apfel-Baum ſchuͤttlen und
unter dem Schatten der Baͤumen des Gartens in den Armen des
Braͤutigams als truncken und taumelend von Liebe lallen und ſingen,
ſo ſie Exempel leſen und hoͤren von theuren und außerwaͤhlten Men-
ſchen, welchen die Guͤter des neuen Teſtaments zu ihrem Antheil
worden ſind, die an ihnen ſelbſt erfahren, was Chriſtus als Pro-
phet, Hohenprieſter und Koͤnig an den Seinen ausrichte, welche
den Boͤßwicht im Glauben an JEſum uͤberwunden, alſo daß er
ihnen nicht mehr ſo leicht beykommen und mit ſeinen unverdroſſenen
Anlaͤuffen, ſo gar jammerlich vexieren kan, wie es ihme leyder bey
allen Unabgeſtorbenen gelinget, daß er ſie bey ihrer Eigen-Liebe faſſet
und in ſein Garn hinein bringt, wo und wann es ihn geluſtet, wei-
len ihnen die Goͤttliche Weißheit und Staͤrcke den Hinterliſt zu ſe-
hen und zu meiden noch fehlet mit ſamt der Treue an JEſu unablaͤſ-
ſig zu hangen: Wann dieſe arme, untreue, unbeſtaͤndige, ſchwache
Menſchen an anderen ſehen, daß ſie in das Frieden-Reich des Heiligen
Geiſtes hinein kommen und mit Erſtaunung erzehlen, wie wohl es
ihnen doch ſeye, was vor ein Vor-Himmel ſie genieſſen a.

welche,
wann ſie
nach lan-
gem ver-
geblichen
Kampf in
Schlaf
gerathen,

§. 3. Wann ſie ſolches hoͤren, meinen ſie, es muͤſſe ſeyn, nehmen
einen Anlauff, und dunckt ſie zu Zeiten jetzt rucke es, es wolle einſt
gerathen, aber ach ſie ruͤtſchen bald wieder herunter, und nachdem
ſie ſich gnug zerarbeitet, finden ſie ſich wieder faſt am alten Ort,
daß ſie es tauſendmahl aufgeben wuͤrden, wo ſie JEſu dem Leutſeli-
gen nicht zu lieb waͤren und er ſie laſſen koͤnnte, darum weckt er ſie
allezeit wieder auf, macht ihnen heimlich angſt, wann ſie einſchlaſſen
b

und
a 1 Cor. II. 9.
b Pſ. XXXVI. & LXV.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1188" n="1092"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Lab&#x017F;al in Tru&#x0364;b&#x017F;al.</hi></fw><lb/>
mit tau&#x017F;enderley Ver&#x017F;uchungen zu &#x017F;chleudern; Jnzwi&#x017F;chen hungert<lb/>
der un&#x017F;terbliche Gei&#x017F;t nach GOTT und wu&#x0364;n&#x017F;chet mit den inneren,<lb/>
gei&#x017F;tlichen Sinnen nur himmli&#x017F;che Reichthu&#x0364;mer, Vortheile und<lb/>
Herrlichkeiten zu &#x017F;chauen und zu handthieren, in einer andern Welt<lb/>
zu wohnen, mit allen ihren Gedancken, um ein&#x017F;am und gemein&#x017F;am<lb/>
zu handlen mit der Ewigkeit: Jn &#x017F;olchem Verlangen zerarbeiten &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich und bringens doch nirgends hin, lauffen mit dem Kopf an eine<lb/>
Maur, klettern &#x017F;o gnug, als ob &#x017F;ie die Schied-Wand zwi&#x017F;chen<lb/>
GOTT und ihrer armen Seel er&#x017F;teigen mo&#x0364;gen, &#x017F;onderlich wenn &#x017F;ie<lb/>
jemand ho&#x0364;ren im Garten die&#x017F;er Go&#x0364;ttlichen Ruh, Erquickung, Stil-<lb/>
le, Liebes-Gemein&#x017F;chafft &#x017F;patzieren, den Apfel-Baum &#x017F;chu&#x0364;ttlen und<lb/>
unter dem Schatten der Ba&#x0364;umen des Gartens in den Armen des<lb/>
Bra&#x0364;utigams als truncken und taumelend von Liebe lallen und &#x017F;ingen,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ie Exempel le&#x017F;en und ho&#x0364;ren von theuren und außerwa&#x0364;hlten Men-<lb/>
&#x017F;chen, welchen die Gu&#x0364;ter des neuen Te&#x017F;taments zu ihrem Antheil<lb/>
worden &#x017F;ind, die an ihnen &#x017F;elb&#x017F;t erfahren, was Chri&#x017F;tus als Pro-<lb/>
phet, Hohenprie&#x017F;ter und Ko&#x0364;nig an den Seinen ausrichte, welche<lb/>
den Bo&#x0364;ßwicht im Glauben an JE&#x017F;um u&#x0364;berwunden, al&#x017F;o daß er<lb/>
ihnen nicht mehr &#x017F;o leicht beykommen und mit &#x017F;einen unverdro&#x017F;&#x017F;enen<lb/>
Anla&#x0364;uffen, &#x017F;o gar jammerlich vexieren kan, wie es ihme leyder bey<lb/>
allen Unabge&#x017F;torbenen gelinget, daß er &#x017F;ie bey ihrer Eigen-Liebe fa&#x017F;&#x017F;et<lb/>
und in &#x017F;ein Garn hinein bringt, wo und wann es ihn gelu&#x017F;tet, wei-<lb/>
len ihnen die Go&#x0364;ttliche Weißheit und Sta&#x0364;rcke den Hinterli&#x017F;t zu &#x017F;e-<lb/>
hen und zu meiden noch fehlet mit &#x017F;amt der Treue an JE&#x017F;u unabla&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ig zu hangen: Wann die&#x017F;e arme, untreue, unbe&#x017F;ta&#x0364;ndige, &#x017F;chwache<lb/>
Men&#x017F;chen an anderen &#x017F;ehen, daß &#x017F;ie in das Frieden-Reich des Heiligen<lb/>
Gei&#x017F;tes hinein kommen und mit Er&#x017F;taunung erzehlen, wie wohl es<lb/>
ihnen doch &#x017F;eye, was vor ein Vor-Himmel &#x017F;ie genie&#x017F;&#x017F;en <note place="foot" n="a">1 <hi rendition="#aq">Cor. II.</hi> 9.</note>.</p><lb/>
          <note place="left">welche,<lb/>
wann &#x017F;ie<lb/>
nach lan-<lb/>
gem ver-<lb/>
geblichen<lb/>
Kampf in<lb/>
Schlaf<lb/>
gerathen,</note>
          <p>§. 3. Wann &#x017F;ie &#x017F;olches ho&#x0364;ren, meinen &#x017F;ie, es mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;eyn, nehmen<lb/>
einen Anlauff, und dunckt &#x017F;ie zu Zeiten jetzt rucke es, es wolle ein&#x017F;t<lb/>
gerathen, aber ach &#x017F;ie ru&#x0364;t&#x017F;chen bald wieder herunter, und nachdem<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich gnug zerarbeitet, finden &#x017F;ie &#x017F;ich wieder fa&#x017F;t am alten Ort,<lb/>
daß &#x017F;ie es tau&#x017F;endmahl aufgeben wu&#x0364;rden, wo &#x017F;ie JE&#x017F;u dem Leut&#x017F;eli-<lb/>
gen nicht zu lieb wa&#x0364;ren und er &#x017F;ie la&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnte, darum weckt er &#x017F;ie<lb/>
allezeit wieder auf, macht ihnen heimlich ang&#x017F;t, wann &#x017F;ie ein&#x017F;chla&#x017F;&#x017F;en<lb/><note place="foot" n="b"><hi rendition="#aq">P&#x017F;. XXXVI. &amp; LXV.</hi></note><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1092/1188] Labſal in Truͤbſal. mit tauſenderley Verſuchungen zu ſchleudern; Jnzwiſchen hungert der unſterbliche Geiſt nach GOTT und wuͤnſchet mit den inneren, geiſtlichen Sinnen nur himmliſche Reichthuͤmer, Vortheile und Herrlichkeiten zu ſchauen und zu handthieren, in einer andern Welt zu wohnen, mit allen ihren Gedancken, um einſam und gemeinſam zu handlen mit der Ewigkeit: Jn ſolchem Verlangen zerarbeiten ſie ſich und bringens doch nirgends hin, lauffen mit dem Kopf an eine Maur, klettern ſo gnug, als ob ſie die Schied-Wand zwiſchen GOTT und ihrer armen Seel erſteigen moͤgen, ſonderlich wenn ſie jemand hoͤren im Garten dieſer Goͤttlichen Ruh, Erquickung, Stil- le, Liebes-Gemeinſchafft ſpatzieren, den Apfel-Baum ſchuͤttlen und unter dem Schatten der Baͤumen des Gartens in den Armen des Braͤutigams als truncken und taumelend von Liebe lallen und ſingen, ſo ſie Exempel leſen und hoͤren von theuren und außerwaͤhlten Men- ſchen, welchen die Guͤter des neuen Teſtaments zu ihrem Antheil worden ſind, die an ihnen ſelbſt erfahren, was Chriſtus als Pro- phet, Hohenprieſter und Koͤnig an den Seinen ausrichte, welche den Boͤßwicht im Glauben an JEſum uͤberwunden, alſo daß er ihnen nicht mehr ſo leicht beykommen und mit ſeinen unverdroſſenen Anlaͤuffen, ſo gar jammerlich vexieren kan, wie es ihme leyder bey allen Unabgeſtorbenen gelinget, daß er ſie bey ihrer Eigen-Liebe faſſet und in ſein Garn hinein bringt, wo und wann es ihn geluſtet, wei- len ihnen die Goͤttliche Weißheit und Staͤrcke den Hinterliſt zu ſe- hen und zu meiden noch fehlet mit ſamt der Treue an JEſu unablaͤſ- ſig zu hangen: Wann dieſe arme, untreue, unbeſtaͤndige, ſchwache Menſchen an anderen ſehen, daß ſie in das Frieden-Reich des Heiligen Geiſtes hinein kommen und mit Erſtaunung erzehlen, wie wohl es ihnen doch ſeye, was vor ein Vor-Himmel ſie genieſſen a. §. 3. Wann ſie ſolches hoͤren, meinen ſie, es muͤſſe ſeyn, nehmen einen Anlauff, und dunckt ſie zu Zeiten jetzt rucke es, es wolle einſt gerathen, aber ach ſie ruͤtſchen bald wieder herunter, und nachdem ſie ſich gnug zerarbeitet, finden ſie ſich wieder faſt am alten Ort, daß ſie es tauſendmahl aufgeben wuͤrden, wo ſie JEſu dem Leutſeli- gen nicht zu lieb waͤren und er ſie laſſen koͤnnte, darum weckt er ſie allezeit wieder auf, macht ihnen heimlich angſt, wann ſie einſchlaſſen b und a 1 Cor. II. 9. b Pſ. XXXVI. & LXV.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1188
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1092. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1188>, abgerufen am 25.11.2024.